
Rechtspolitik
Mein großes Anliegen in der Rechtspolitik ist der Zugang zum Recht für alle Bürgerinnen und Bürger. Ich setze ich mich dafür ein, dass wir keine Justiz nach Kassenlage machen. Ich möchte dafür eintreten, dass wir das Recht für die gesellschaftlichen Realitäten weiter entwickeln. Dazu gehören für mich vor allem Änderungen im Familienrecht und die Gleichstellung von Frauen und Männern sowie Homo- und Heterosexuellen.
Recht Grün
Verein grüner und grünnaher Juristinnen und Juristen e.V.
Zweck des bundesweit aktiven gemeinnützigen Vereins ist die allgemeine Förderung eines demokratischen Staatswesens, die Stärkung des freien, demokratischen und sozialen Rechtsstaats in Deutschland und in Europa sowie die Volks- und Berufsbildung, außerdem die Förderung der Juristenausbildung.
Die Mitglieder des Vereins eint der Wille nach mehr Demokratie und sozialer Gerechtigkeit, das Gebot einer umfassenden Verwirklichung der Grund- und Menschenrechte, das Engagement für Frieden und Abrüstung, die Gleichstellung von Frauen und Männern, der Schutz von Minderheiten, die Bewahrung der Natur sowie die Grundvorstellung von umweltverträglichem Wirtschaften und Zusammenleben.
Vorsitzende des Vereins sind die Rechtsanwältinnen Ingrid Hönlinger aus Baden-Württemberg, ehemals Abgeordnete und Mitglied im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags, und Katja Keul aus Niedersachsen, Abgeordnete und rechtspolitische Sprecherin von Bündnis 90/DIE GRÜNEN und Mitglied im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz im Deutschen Bundestag.
Schatzmeister ist Jörg Tillmanns, Richter am Oberlandesgericht Frankfurt am Main. Weitere Vorstandsmitglieder sind die Abgeordneten Renate Künast aus Berlin, Vorsitzende des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz im Deutschen Bundestag, und Katharina Raue, Rechtsanwältin und rechtspolitische Sprecherin von Bündnis 90/DIE GRÜNEN im Landtag von Rheinland Pfalz.
Unter den Gründungsmitglieder sind auch die niedersächsische Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz und der baden-württembergische Landtagsabgeordnete Jürgen Filius.
Archiv Rechtspolitik
13.09.2013 Aussitzen war gestern! Wir bringen den Datenskandal vor die UN
30.08.2013 Herzlichen Glückwunsch an Edward Snowden
Herzlichen Glückwunsch an Edward Snowden
Die Verleihung des Whistleblower-Preises 2013 an Edward Snowden begrüße ich. Er hat den Mut aufgebracht, die Öffentlichkeit darüber zu informieren, dass Geheimdienste weltweit massenhaft Daten sammeln, auswerten und speichern. Dazu gehören unsere persönlichen Mails, Beziehungen und Bewegungsprofile.
Eine geschützte Privatsphäre ist Voraussetzung für eine gelebte Demokratie. Massenhafte Datenausspähung gefährdet unsere Demokratie.
Whistleblower wie Edward Snowden gehören nicht an den Pranger. Ihr Mut verdient Anerkennung. Mit seinen Enthüllungen hat Edward Snowden uns allen einen großen Dienst erwiesen. Er verdient den Schutz unserer Gesellschaft. Deshalb setzen wir Grünen uns dafür ein, dass Edward Snowden in Deutschland ein Aufenthaltsrecht erhält.
Die Aufdeckung von Missständen in Unternehmen und Institutionen liegt im öffentlichen Interesse. Transparenz und Meinungsfreiheit sind Grundpfeiler der Demokratie. Auch in Deutschland brauchen wir dringend eine gesetzliche Regelung zum Schutz von Whisteblowern. Hierzu haben wir Grünen in dieser Legislaturperiode einen umfassenden Gesetzentwurf vorgelegt. Die schwarz-gelbe Regierungskoalition hat ihn abgelehnt. Ihre Begründung war: Es gibt keinen Handlungsbedarf.
Das ist unrichtig. Der Europäische Gerichtshof hat die Bundesrepublik im Fall der Berliner Whistleblowerin Brigitte Heinisch wegen Verletzung des Menschenrechts auf Meinungsfreiheit verurteilt. Wir brauchen auch in Deutschland dringend einen gesetzlichen Schutz für Whistleblower.
31.07.2013 Pressemitteilung: Whistleblower schützen, nicht kriminalisieren
Pressemitteilung: Whistleblower schützen, nicht kriminalisieren
Anlässlich des Schuldspruchs für den Wikileaks-Informanten Bradley Manning erklärt Ingrid Hönlinger, Sprecherin für Demokratiepolitik:
Der Schuldspruch für Bradley Manning zeigt, dass wir dringend einen besseren Schutz für Whistleblower brauchen. Die Aufdeckung von Missständen in Unternehmen und Institutionen liegt im öffentlichen Interesse. Whistleblower gehören nicht an den Pranger. Ihr Mut bedarf der Anerkennung. Sie selbst verdienen den Schutz der Gesellschaft. Das gilt weltweit und natürlich auch für Deutschland.
Transparenz und Meinungsfreiheit sind Grundpfeiler von Demokratie. Sicherheit ist ein hohes Gut. Sie darf aber nicht gegen demokratische Grundwerte, wie den Schutz der Freiheit, ausgespielt werden.
Auch in Deutschland brauchen wir eine gesetzliche Regelung zum Schutz von Whistleblowern. Hierzu haben wir einen umfassenden Gesetzentwurf vorgelegt. Diesen Gesetzentwurf hat die schwarz-gelbe Regierung abgelehnt. Sie ist vier Jahre untätig geblieben. Das sind vier verlorene Jahre.
Der Fall einer deutschen Whistleblowerin belegt den Regelungsbedarf bei uns: Kündigt ein Arbeitgeber seine Angestellten, wenn diese Missstände aufdecken, verstößt das gegen die Meinungsfreiheit – das entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte.
31.07.2013 "Brauchen wir ein Whistleblowerschutz-Gesetz?" Radiointerview im Deutschlandradio Kultur
Sendung vom 30.07.2013 mit Ingrid Hönlinger
Zum Interview: Link
26.07.2013 Videolexikon der Grünen: Ingrid Hönlinger erklärt den Begriff "Whistleblower"
Videolexikon der Grünen: Ingrid Hönlinger erklärt den Begriff „Whistleblower“
03.07.2013 Neues Rechtsinstitut soll soziale Elternschaft unterstützen
Neues Rechtsinstitut soll soziale Elternschaft unterstützen
Zum Fraktionsbeschluss über ein neues Rechtsinstitut zur Unterstützung sozialer Elternschaft erklären Katja Dörner, Sprecherin für Kinder- und Familienpolitik und Ingrid Hönlinger, Obfrau im Rechtsausschuss:
Immer mehr Kinder wachsen in Patchwork- oder Regenbogenfamilien auf. Wir haben eine steigende Anzahl von Personen in einer den Eltern ähnlichen Rolle. Soziale Eltern übernehmen im Alltag in vielfältiger Weise Verantwortung für Kinder, die in der Familie leben. Dieser Realität wird das deutsche Familienrecht nicht gerecht. Soziale Eltern werden zu wenig unterstützt. Das von uns entwickelte neue Rechtsinstitut schafft Rechtsicherheit, stärkt die Beziehung der Kinder zu ihren sozialen Eltern und erkennt deren Leistung an.
Für die sozialen Eltern-Kind-Beziehungen gibt es in Deutschland bisher keinen ausreichenden Rechtsrahmen. Um die Stabilität der Beziehungen zu fördern und mehr Rechtssicherheit zu schaffen, haben wir dieses neue Rechtsinstitut konzipiert. Sind die sorgeberechtigten Eltern einverstanden, kann die Verantwortung beim Jugendamt auf Wunsch des sozialen Elternteils auch auf diesen ausgeweitet werden. In diesem Fall treffen Eltern und soziale Eltern künftig gemeinsam und einvernehmlich Entscheidungen in grundsätzlichen Angelegenheiten des täglichen Lebens, aber auch Entscheidungen von erheblicher Bedeutung. Das betrifft etwa Schulwahl, Ausbildung, medizinische Versorgung, Auslandsreisen oder die Vertretung gegenüber Behörden.
Wir wollen, dass alle Kinder, unabhängig von der Familienform, in der sie aufwachsen, den gleichen Schutz sowie die gleiche Förderung und Unterstützung seitens des Staates erfahren. Das neue Rechtsinstitut ist ein entscheidender Baustein zur Stärkung der Rechte derer, die innerhalb der Familie Verantwortung füreinander übernehmen.
Rede im Bundestag am 27.06.2013 zum Thema "Genossenschaften"
Rede im Bundestag am 27.06.2013 zum Thema „Genossenschaften“
Frau/Herr Präsident/in, liebe Kolleginnen und Kollegen,
„Genossenschaften erinnern die internationale Gemeinschaft daran, dass es möglich ist, Wirtschaftlichkeit und soziale Verantwortung zu vereinen“, sagte der Generalsekretär der Vereinten Nationen Ban Ki-moon zum Jahr der Genossenschaften 2012.
Meine Damen und Herren, die Kombination aus wirtschaftlichen und sozialen Elementen ist es, die die Rechtsform der Genossenschaft so einzigartig macht. Genossenschaften sind dazu da, ihre Mitglieder zu fördern. Es geht hier nicht um reine Kapitalansammlung. Genossenschaften sind mit dem Prinzip „jedes Mitglied – eine Stimme“ eine demokratische Rechtsform wie keine andere. Die verschwindend geringe Insolvenzquote von unter einem Prozent belegt außerdem, dass diese demokratische Form der Unternehmensführung der Wirtschaftlichkeit der Genossenschaften keinen Abbruch tut.
Verglichen mit anderen Gesellschaftsformen ist die Genossenschaft trotzdem eher das „Stiefkind“ der Rechtsformen. Seit der letzten Genossenschaftsreform sind die Gründungszahlen zwar gestiegen, aber selbst der Höchststand von 370 Neugründungen in 2011 ist immer noch eine niedrige Zahl, verglichen mit hunderttausenden Neugründungen anderer Gesellschaftsformen.
Das stellt uns vor die Fragen:
Wie können wir Genossenschaften besser fördern?
Und, wie können wir Menschen dazu ermutigen, diese Rechtsform zu wählen?
Unsere Vorstellungen, wie das Genossenschaftsrecht besser und weniger bürokratisch ausgestaltet werden kann, haben wir Grünen in unserem Antrag zur Stärkung der Genossenschaften formuliert. Unsere Kernpunkte sind Bürokratieabbau und rechtliche Erleichterungen. Gerade für Kleinstgenossenschaften, wie zum Beispiel einen kleinen Dorfladen, den die Dorfbewohner als Genossenschaft führen, sehen wir hierfür einen großen Bedarf.
Was meinen wir Grünen damit konkret?
Als Kleinstbetriebe gelten im Gesellschaftrecht Unternehmen mit nicht mehr als 350.000 Euro Bilanzsumme und 700.000 Euro Umsatzerlösen. Für diese Unternehmen sind Entlastungen hinsichtlich der Rechnungslegung im Gesetz vorgesehen. Dies gilt dank der Micro-Richtlinie sogar EU-weit. Wir sollten es den kleinen Genossenschaften nicht schwerer machen als anderen kleinen Gesellschaften. Wir sollten sie an diesen Erleichterungen teilhaben lassen.
Dazu gehört auch die Erleichterung der Pflichtprüfung. Die Pflichtprüfung dient der Feststellung der wirtschaftlichen Verhältnisse einer Genossenschaft. Sie erfolgt bei kleinen Genossenschaften bisher zwingend alle zwei Jahre und wird vom Genossenschaftsverband durchgeführt. Bei kleinsten Genossenschaften ist das finanzielle Verlustrisiko gering. Kleinstgenossenschaften sollte es selbst überlassen sein, ob sie die sogenannte Pflichtprüfung durchführen wollen oder nicht.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist für uns Grüne die Förderung der Existenzgründung.
Gründerprogramme haben die selbstständige unternehmerische Tätigkeit im Blick. Genossenschaften aber sind anders strukturiert. Sie sind beispielsweise nicht auf einzelne Personen begrenzt, sondern sind für weitere Mitglieder zugänglich. Daher erfüllen sie die Kriterien der Förderprogramme nicht. Folge ist, dass Genossenschaftsgründer in der Regel keine Gründungsförderung erhalten.
Wir müssen deshalb die Fördermaßnahmen umstrukturieren, um sie so auch Genossenschaften zugänglich zu machen. Vor allem sollte eine Förderung die Kosten der Gründungsprüfung der Genossenschaft abfangen können, insbesondere wenn die Genossenschaft soziale oder ökologische Zwecke verfolgt. Ambitionierte Menschen, die sich zusammenfinden, um unternehmerisch, gestaltend und zum Wohl der Gemeinschaft aktiv zu werden, verdienen mehr Unterstützung als ihnen bisher zuteil wird. Ein Ausweichen auf die Rechtsform des Vereins, wie es derzeit teilweise geschieht, kann nicht die Lösung sein.
Außerdem sollten wir prüfen, wie eine Förderung aussehen könnte, wenn Mitarbeiter eines Krisenbetriebs sich bereit erklären, diesen als Genossenschaft fortzuführen und ihn so aus der Insolvenz retten. Hier sind über das Genossenschaftsgesetz hinaus auch Reformen in anderen Gesetzen, wie zum Beispiel der Insolvenzordnung, denkbar.
Unsere erste Bundestagsdebatte zu Genossenschaften fand vor Weihnachten, also vor einem halben Jahr, statt. In dieser Debatte haben die Koalitionsfraktionen angekündigt, einen Gesetzentwurf zum Thema Genossenschaften vorzulegen. Aus dem Bundesjustizministerium folgte dann tatsächlich im März ein Referentenentwurf.
Diesen Vorschlag finden wir Grünen nicht überzeugend, denn er hätte zur Folge, dass die Kleinstgenossenschaften faktisch nicht mehr richtig im genossenschaftlichen System eingebunden. Das wäre ein Schritt in die falsche Richtung.
Der Referentenentwurf aus dem Justizministerium zeigt aber, dass seit der Einbringung unseres Antrags in den Bundestag zumindest Bewegung in die Sache gekommen ist.
Das war’s dann aber schon. Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie haben vor Weihnachten behauptet, dass wir gemeinsam intensiv über Genossenschaften diskutieren, sobald ein Vorschlag aus dem Ministerium vorliegt. Aber die vollmundig angekündigten „konstruktiven Beratungen“ sind ausgeblieben.
Entweder haben Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition kein ernsthaftes Interesse daran, Erleichterungen für Genossenschaften zu schaffen. Oder Sie waren wieder einmal nicht in der Lage, sich in dieser Legislaturperiode auf Neuregelungen zu einigen.
Mit dieser Sitzungswoche endet die Legislaturperiode. Wir hätten im Bereich des Genossenschaftsrechts gemeinsam einige Verbesserungen erreichen können. Es ist schade um die verpasste Gelegenheit.
Wir Grünen werden die Reform des Genossenschaftsrechts mit einer neuen Regierung in der nächsten Legislaturperiode wieder aufgreifen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Rede zur "Verbraucherrechtelinie" am 14.06.2013 im Bundestag
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Heute debattieren wir über zwei Themen, die viele Menschen betreffen: das Verbraucherschutzrecht und das Mietrecht. Das Verbraucherschutzrecht haben wir hier im Bundestag im Jahr 2002 umfassend reformiert. Heute entwickeln wir die Verbraucherrechte weiter. Es geht konkret um das Widerrufsrecht für Haustürverträge und Fernabsatzverträge. Fernabsatzgeschäfte werden zum Beispiel per Telefon oder im Internet getätigt.
Bei genauer Betrachtung stellen wir fest, dass diese Bundesregierung leider nur das umsetzt, was Brüssel zwingend vorschreibt. Sie hat offensichtlich nicht den Mut und auch nicht den Willen, die vorhandenen Spielräume zu nutzen, die die Richtlinie für einen umfassenden Verbraucherschutz eröffnet hat.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Karin Binder (DIE LINKE))
Es fehlt noch an mehr. Die EU-Richtlinie fordert für Verstöße gegen Verbraucherschutzvorschriften Sanktionen, die wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sind.
(Volker Kauder (CDU/CSU): Das ist die demokratiepolitische Sprecherin!)
Hier hat der Gesetzentwurf der Bundesregierung gar nichts zu bieten. Da muss nachgebessert werden. Die besten Verbraucherschutzrechte bringen nichts, wenn Verstöße folgenlos bleiben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)
Das Widerrufsrecht kann aber ohnehin nur ein Baustein im Gefüge der Verbraucherschutzrechte sein. Viel bedeutender sind für die Verbraucherinnen und Verbraucher weitere Rechte, wie zum Beispiel ihre Gewährleistungsrechte.
Werfen wir einmal einen Blick auf die alltägliche Praxis: Ein Verbraucher kauft eine Kaffeemaschine. Für dieses Produkt hat er zwei Jahre lang Gewährleistungsrechte. Tritt nun innerhalb dieser zwei Jahre ein Mangel an der Kaffeemaschine auf, kann der Verbraucher von seinem Verkäufer die Reparatur oder den Austausch des mangelhaften Produkts verlangen. Das Problem an der Sache ist: Die sogenannte Beweislastumkehr zugunsten des Verbrauchers gilt nur sechs Monate lang. Während dieser Zeit muss der Verkäufer beweisen, dass er dem Verbraucher eine mangelfreie Kaffeemaschine geliefert hat. Nach Ablauf der sechs Monate muss hingegen der Verbraucher beweisen, dass die Kaffeemaschine schon kaputt war, als er sie erworben hat. Wie soll der Verbraucher das beweisen? Das ist den meisten Verbrauchern in der Praxis nicht möglich.
(Volker Kauder (CDU/CSU): Fragen Sie doch mal Frau Enkelmann, was sie meint!)
Damit laufen die Gewährleistungsrechte innerhalb der letzten anderthalb Jahre faktisch ins Leere. Wir müssen sicherstellen, dass Verbraucher ihre volle Gewährleistungsfrist ausschöpfen können, indem wir die Beweislastumkehr zugunsten des Verbrauchers auf zwei Jahre verlängern. Verbraucherschutz darf nicht eine leere Vokabel sein; Verbraucherschutz, meine Damen und Herren, muss den Alltagstest bestehen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Nun hat die SPD einen Änderungsantrag zum Mietrecht eingebracht, zu Recht,
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
denn die Mieten schnellen überall in die Höhe. Bezahlbarer Wohnraum wird in Ballungsgebieten immer knapper. Mietpreissteigerungen von über 7 Prozent wurden 2011 in Großstädten wie Berlin und Hamburg verzeichnet; in der Studentenstadt Greifswald waren es sogar mehr als 10 Prozent.
Die Mietpreissteigerungen treffen vor allem einkommensschwache Haushalte. Familien müssen 30 oder 40 Prozent ‑ manchmal sogar mehr ‑ ihres Einkommens für die Miete ausgeben. Das dürfen wir nicht länger hinnehmen. Hier müssen wir endlich gesetzlich eingreifen, meine Damen und Herren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)
Wir Grünen fordern seit drei Jahren, dass Mietobergrenzen bei der Wiedervermietung von Wohnungen in Gebieten mit Wohnraummangel eingeführt werden. Eine solche Mietpreisbremse für Regionen, in denen die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum nicht mehr gewährleistet ist, müssen wir jetzt endlich beschließen. Wohnen darf nicht zum Luxusgut werden; Wohnen ist ein Grundbedürfnis.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Eine bezahlbare Wohnung schafft Sicherheit und Stabilität für Mieter und für ihre Familien.
Wir werden deshalb dem SPD-Änderungsantrag zustimmen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Rede zu "elektronischer Rechtsverkehr" am 13.06.2013 im Bundestag
Frau/Herr Präsident/in, liebe Kolleginnen und Kollegen,
vor knapp 13 Jahren hat die rot-grüne Bundesregierung den ersten allgemeinen Rechtsrahmen für den Einsatz elektronischer Verfahren in der Justiz erstellt. Heute debattieren wir hier im Bundestag über die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs in der Justiz. Hierzu hat die schwarz-gelbe Bundesregierung ihren Gesetzentwurf vorgelegt. Dieser Vorschlag, meine Damen und Herren, ist noch verbesserungswürdig.
Warum?
Meine Fraktion und ich sehen deutliche Defizite in den Bereichen Barrierefreiheit und Datensicherheit. Hier gibt es noch erhebliches Verbesserungspotential.
Zur Barrierefreiheit:
Deutschland hat Anfang 2009 die UN-Behindertenrechtskonvention ratifiziert. Damit haben wir uns verpflichtet, alle geeigneten gesetzgeberischen Maßnahmen zu ergreifen, um Menschen mit Behinderung einen gleichberechtigen Zugang zur Justiz zu ermöglichen, außerdem eine selbstbestimmte Teilhabe an allen modernen Informations- und Kommunikationstechnologien, die elektronisch bereit gestellt werden oder zur Nutzung offen stehen. Auch wollen wir vorhandene Zugangshindernisse und -barrieren beseitigen.
Der Änderungsantrag der Regierungskoalition geht jetzt auf wesentliche Bedenken von Blinden- und Sehbehindertenverbänden ein. Dafür haben auch wir Grünen uns im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens eingesetzt. Diese Weiterentwicklung begrüße ich, auch im Namen meiner Fraktion, ausdrücklich.
Allerdings enthält der Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen nach wie vor keine Regelung zur Barrierefreiheit bei Internetauftritten und -angeboten der Bundesjustiz. Auch sollten wir den Grundsatz der Barrierefreiheit verfahrensübergreifend in einem „Guss“ und umfassend zentral in § 191a ZPO regeln. Hier sind sowohl der Vorschlag der Bundesregierung als auch der Vorschlag der Regierungskoalition unzureichend.
Eine positive Wendung nehmen wir Grünen allerdings bei der Frage des Empfangsbekenntnisses wahr.
Wenn Schriftstücke in Rechtsanwaltskanzleien eingehen, bestätigen diese bisher den Erhalt des Dokuments mit ihrer Unterschrift unter das Empfangsbekenntnis. Dieses schicken sie anschließend an den Absender, also beispielsweise an das Gericht, zurück.
Im Regierungsentwurf war die Einführung einer automatischen Eingangsbestätigung vorgesehen. Dies hätte zu einem erheblichen Paradigmenwechsel geführt. Anwalt und Anwältin hätten so keine eigene Kontrolle über die Bestätigung des Erhalts von Dokumenten gehabt.
An diesem Punkt hat die Koalition die geäußerte Kritik ernstgenommen. Nunmehr soll die Zustellung durch ein elektronisches Empfangsbekenntnis nachgewiesen werden. Dieses wird jetzt persönlich von der Anwältin oder dem Anwalt erstellt. Das entspricht der aktuellen Rechtslage. Das unterstützen wir Grünen ausdrücklich.
Wir betonen aber auch in der heutigen Debatte noch einmal die datenschutzrechtlichen Unsicherheiten, die bei Nutzung der DE-Mail bestehen. Hier gibt es keine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung und alle DE-Mails müssen zum Zwecke des Virenchecks geöffnet werden. Außerdem, und das möchte ich besonders hervorheben, bleibt ein besonderes Risiko: Es gibt insgesamt nur eine ganz kleine Anzahl von De-Mail-Servern. Gelingt es einem Hacker, einen solchen Server zu öffnen, erhält er auf einen Schlag Unmengen von hochsensiblen Daten aus Gerichtsverfahren. Das können Scheidungsverfahren sein oder sonstige höchstpersönliche Angelegenheiten sein.
Einen solchen unsicheren Übermittlungsweg können wir Grünen, auch und gerade im Gerichtsbereich, nicht unterstützen, meine Damen und Herren. Für uns ist Datenschutz ein zentrales Anliegen. Nur mit einem hohen Datenschutzstandard können wir Vertraulichkeit und Privatsphäre in der Justiz sicherstellen.
Das aber leistet der Gesetzentwurf der schwarz-gelben Bundesregierung nicht. Auch wenn er viele positive Ansätze enthält, können wir ihm aus den genannten Gründen nicht zustimmen. Wir werden uns bei der Abstimmung enthalten.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Rede zur "Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung" am 13.06.2013 im Bundestag
Frau/Herr Präsident/in, liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Bundesregierung will eine neue Rechtsform im Gesellschaftsrecht einführen. Diese soll für einige wenige Berufsgruppen gelten, nämlich für Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Die neue Rechtsform nennt sich Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung (PartmbB). Wie der Name schon andeutet, will die Regierung mit dem Gesetz den genannten Berufsgruppen die Möglichkeit geben, ihre Haftung für berufliche Fehler auf das Gesellschaftsvermögen zu beschränken. Eine persönliche Haftung der Berufsträger, wie sie derzeit geltendes Recht ist, ist dann ausgeschlossen.
Ziel des Gesetzes, so steht es in der Gesetzesbegründung, ist es, Anwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern eine deutsche Alternative zur angelsächsischen Limited Liability Partnership (LLP) zu bieten. Das hört sich im ersten Moment gut an. Aber die Lektüre des Gesetzentwurfs macht deutlich, woher hier der Wind weht. Schon in der Einleitung des Gesetzentwurfs können wir lesen, dass sich „im Bereich von anwaltlichen Großkanzleien“ ein Trend zum Wechsel in die LLP abzeichnet. Dies ist also ein Gesetz, mit dem die schwarz-gelbe Koalition erneut einen Bereich ihrer Klientel bedient: die Großkanzleien. Die Regierungskoalition schenkt den Großkanzleien eine „eierlegende Wollmilchsau“, wie Kollege Strässer von der SPD die Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung in der ersten Beratung dieses Gesetzes treffend bezeichnet hat.
Natürlich beschränkt sich das Gesetz rein rechtlich nicht auf große Gesellschaften. Aber in der Realität werden kleine Kanzleien diese Rechtsform kaum nutzen können.
Die Versicherungsbeiträge werden bei der Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung deutlich in die Höhe gehen. Die Mindestversicherungssumme von 2,5 Millionen Euro pro Versicherungsfall erfordert hohe Prämien.
Und natürlich können wir aus Gründen des Gläubigerschutzes nicht darauf verzichten, eine hohe Mindestversicherungssumme für die Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung einzusetzen.
Unabhängig von der Versicherungsproblematik führt das Konzept der Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung zu einer weiteren Zersplitterung der Rechtsformen im ohnehin schon komplexen Gesellschaftsrecht. Es kommt zu einer Vermischung von Merkmalen der Personengesellschaft und Merkmalen der Kapitalgesellschaft. Darüber hinaus unterfallen – anders als bei der LLP – nur die Ansprüche aus beruflichen Fehlern der Haftungsbeschränkung. Für sonstige Ansprüche gegen die Gesellschaft und den einzelnen Berufsträger gilt die Haftungsbeschränkung nicht. Das verkompliziert das System noch mehr.
Und insbesondere die Anwaltschaft muss sich fragen lassen, welchen Weg sie in Zukunft gehen will.
Rechtsanwälte sind Organe der Rechtspflege als berufene Vertreterinnen und Vertreter ihrer Mandantinnen und Mandanten. Sie sind unerlässlich, damit der Rechtsstaat den Rechtsgewährungsanspruch der Bürgerinnen und Bürger erfüllen kann. In dieser Funktion und der damit einhergehenden Einbindung in die Rechtsanwaltskammern bilden sie einen Beruf, der den Begehrlichkeiten anderer Berufe zur Rechtsberatung trotzen kann.
Der Weg in eine weitere Ökonomisierung der Rechtsanwaltstätigkeit, zum Rechtsanwalt als einem – wenn auch freien – so doch „gewöhnlichen“ Beruf, wie jeder andere, entfernt ihn von seiner ihn schützenden Organstellung als notwendiger Teil der Justiz, die Verfassungsrechte der Menschen gewährleistet.
Wenn es sich nicht als unabweislich notwendig erweist, der Rechtsanwaltschaft eine weitere haftungsbeschränkte Organisationsmöglichkeit zu eröffnen – und ein solcher Nachweis ist bisher weder aus der tatsächlichen Entwicklung noch systematisch geführt worden – dann sollte der Gesetzgeber den Lobby-Interessen eines kleinen Teils der Anwaltschaft nicht nachgeben.
Im Rechtsausschuss haben wir eine öffentliche Anhörung zu dem Gesetzentwurf der schwarz-gelben Regierungskoalition durchgeführt. Es gab zahlreiche Änderungsvorschläge der Sachverständigen, die die Regierungskoalition nicht aufgegriffen hat. Diese schwarz-gelbe Koalition peitscht kurz vor Ende der Wahlperiode ein Gesetz durch, das einfach noch nicht ausgereift ist.
Ich sehe das Bedürfnis für Reformen im Gesellschaftsrecht. Aber dieses Gesetz ist nicht die Lösung. Wenn wir hier etwas Neues schaffen, sollten wir über eine Rechtsform debattieren, von der alle Freiberufler etwas haben. Ein solches Gesetz könnte im internationalen Wettbewerb wirklich Erfolg haben. Dann könnten wir „Law Made in Germany“ als echtes Qualitätsprodukt auf den Markt bringen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Rede zur "Stärkung der Funktionen der Betreuungsbehörde" am 13.06.2013 im Bundestag
Sehr geehrte Frau/Herr Präsident/in, liebe Kolleginnen und Kollegen,
immer mehr Menschen sind in Deutschland auf Betreuung oder Assistenz angewiesen. In den letzten zehn Jahren haben wir einen kontinuierlichen Anstieg von Betreuungsverfahren erlebt. Im Jahr 2011 benötigten 1.319.361 Menschen eine rechtliche Betreuung. Und die Tendenz ist steigend.
Ursache für diese hohe Anzahl an Betreuungen sind demographische und gesellschaftliche Entwicklungen. Wir leben, das ist uns allen hier im Saal bewusst, in einer Gesellschaft, die immer älter wird und in der der familiäre Zusammenhalt sich immer mehr lockert.
Gleichzeitig ist uns allen wichtig, dass Menschen, solange sie hierzu in der Lage sind, ihre Entscheidungen selbstbestimmt treffen können. Deutschland hat sich auch in der UN-Behindertenrechtskonvention dazu verpflichtet, das Selbstbestimmungsrecht von Menschen mit Behinderung entscheidend zu stärken.
Unser Betreuungsrecht wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Wir müssen es deshalb umfassend reformieren, meine Damen und Herren.
Heute debattieren wir über den entsprechenden Gesetzesvorschlag der Bundesregierung.
Dass diese Bundesregierung nun überhaupt noch einen Reformvorschlag in den Bundestag eingebracht hat, freut uns. Die geplanten Maßnahmen zur Stärkung der Betreuungsbehörden bewerten wir positiv. Sie können dazu beitragen, Betreuungen zu vermeiden.
Auch die Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen und der Fraktion die Linke unterstützen wir. Es ist positiv, dass die Betreuungsbehörden den Betroffenen andere Hilfen „vermitteln“ und nicht nur „auf eine Vermittlung hinwirken“ sollen. Auch befürworten wir, dass bei der Erweiterung und der Verlängerung einer Betreuung die Anhörung der Betroffenen und der Betreuungsbehörde verpflichtend sein soll. Diese Maßnahmen können das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen stärken und im Ergebnis zur Vermeidung von Betreuungen beitragen.
Allerdings kann und wird das Gesetz nur Wirkung zeigen, wenn in den Betreuungsbehörden ausreichend personelle Kapazitäten und finanzielle Mittel für die Erfüllung der neuen Aufgaben vorhanden sind. Anders als dies im Gesetzentwurf zu lesen ist, sehen wir hier eine große finanzielle Mehrbelastung auf die Länder zukommen. Das haben uns auch die Sachverständigen in der Anhörung bestätigt. Nicht alle Länder werden diese Anstrengungen schultern können. Die Gesetzesänderung wird also vielerorts nur „heiße Luft“ bleiben. Die betroffenen Menschen werden davon nur in wenigen Fällen profitieren.
Insgesamt ist der Gesetzentwurf der Regierungskoalition also „nicht der große Wurf“. Das wurde schon in der Sachverständigenanhörung deutlich und das müssen wir auch hier noch einmal ganz klar feststellen.
Die vorgesehenen Änderungen können nur ein erster Schritt sein. Anstatt einige verfahrensrechtliche Regelungen für Betreuungsbehörden vorzunehmen, wäre eine umfassende Reform des Betreuungsrechts angezeigt gewesen. Wir Grünen haben in unserem Entschließungsantrag zu unserer Großen Anfrage die Eckpunkte einer solchen personenzentrierten und ganzheitlichen Reform des Betreuungsrechts bereits aufgezeigt.
Hierzu will ich Ihnen nur einige grundlegende Gedanken nennen:
Wenn wir darüber sprechen, ob eine Betreuung erforderlich ist oder nicht, geht es nicht nur darum, Betreuung zu vermeiden. Es geht auch darum, Selbstbestimmung zu ermöglichen. Die UN-Behindertenkonvention setzt hier zu Recht auf ein System der „unterstützten Entscheidungsfindung“. Der Staat muss also gewährleisten, dass Menschen mit eingeschränkter Entscheidungskompetenz die notwendige Unterstützung und Hilfe erhalten, um selbst handeln und entscheiden zu können.
Dies verlangt Betreuerinnen und Betreuern mitunter schwierige Abwägungsvorgänge ab. Häufig können diese Entscheidungen nicht ohne weiteres von Ehrenamtlichen getroffen werden.
Wir Grünen setzen uns daher im Interesse aller, also sowohl der Betreuten als auch der Betreuerinnen und Betreuer, für eine Festschreibung von Eignungskriterien für berufliche Betreuung ein.
Eine stärkere Professionalisierung und Spezialisierung von rechtlichen Betreuerinnen und Betreuern sollte sich konsequenterweise auch in einem neuen Vergütungsbemessungssystem widerspiegeln. Dieses wiederum sollte sich auch an der Schwierigkeit des jeweiligen Falls bemessen.
Ein System der unterstützten Entscheidungsfindung einhergehend mit der Festschreibung von gesetzlichen Eignungskriterien und einer Änderung des Vergütungsbemessungssystems wird entscheidend zur Qualitätssicherung von Betreuung und zur Vermeidung von Betreuung beitragen. Davon sind wir Grünen überzeugt.
Meine Damen und Herren, von einer Verwirklichung dieser Gedanken sind wir noch weit entfernt. Hier besteht erheblicher Nachbesserungsbedarf. Wir Grünen werden uns weiterhin für eine personenzentrierte und ganzheitliche Reform des Betreuungsrechts einsetzen. Das Betreuungsrecht benötigt endlich eine umfassende Modernisierung.
Dem Gesetzentwurf der Regierungskoalition können wir nicht zustimmen. Er ist inhaltlich nicht ausreichend. Wir werden uns bei der Abstimmung enthalten.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Artikel zur Leihmutterschaft in der FAZ vom 31.05.2013 "Käufliches Elternglück?"
Zum Link
Rede am zu "Prozessekostenhilfe und Kostenrechtsmodernisierung" am 16.05.2013 im Bundestag
Frau/Herr Präsident/in, liebe Kolleginnen und Kollegen,
in der Sachverständigenanhörung zum Kostenrecht, über das wir heute debattieren, hat Dr. Matthias Kilian folgendes festgestellt:
„Die durchschnittlichen Aufwendungen der europäischen Staaten für die Justiz machen nach Erhebungen des Europarats 1,9% des Staatshaushalts aus (Wert aus 2010). Die Aufwendungen des deutschen Fiskus für die deutsche Justiz liegen 16% unter diesem Mittelwert und betragen 1,6%. Im Ranking der 39 untersuchten europäischen Staaten ist der prozentuale Anteil der Kosten für das gesamte Justizsystem nur in 13 Staaten niedriger, aber in 25 Staaten höher als in Deutschland.“
Zwei große Themenblöcke beschäftigen uns heute: Es geht um die Neuregelung von Gerichts-, Anwalts- und Notarsgebühren und um die Neuregelung von finanziellen staatlichen Leistungen im Justizbereich, die Prozesskosten- und Beratungshilfe.
Ich möchte zunächst auf das Kostenrechtsmodernisierungsgesetz eingehen. Dieses Gesetz verbessert die Kostendeckung in der Justiz, indem es Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren erhöht. Natürlich verteuert diese Neuregelung Gerichtsverfahren. Sie ermöglicht aber den Bundesländern den finanziellen Spielraum, den sie benötigen, um den hohen Justizstandard, den wir in Deutschland haben, aufrecht zu erhalten. Meine Damen und Herren, diesen Gesetzentwurf halte ich deshalb für einen gelungenen Kompromiss zwischen Bund und Ländern.
Gleichzeitig passt das Gesetz die Vergütungen der Rechtsanwälte, Notare, Sachverständigen, Dolmetscher und Übersetzer an die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung an. Und dafür war es an der Zeit, meine Damen und Herren.
Wenn sich die wirtschaftliche Lage im Land ändert, ist es notwendig, dass wir die Gesetze der wirtschaftlichen Realität anpassen. Insbesondere freue ich mich, dass es im Rahmen der Verhandlungen über den Gesetzentwurf noch zu entscheidenden Verbesserungen am Gesetz gekommen ist, zum Beispiel für die Übersetzerinnen und Übersetzer. Hier haben Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, zu Recht die Intention des Änderungsantrags von Bündnis 90/Die Grünen aufgenommen.
Nicht aufgegriffen haben Sie allerdings unsere Forderung nach einer Angleichung der Anwaltsgebühren in Asylverfahren an die Gebühren in ausländerrechtlichen Verfahren. Das ist schade, aber Sie haben jetzt noch die Chance, dies nachzuholen, indem Sie unserem Änderungsantrag zustimmen. Und das wäre auch sachgerecht. Sowohl im Ausländer- als auch im Asylrecht geht es um Aufenthaltsrechte in Deutschland. Es gibt keinen sachgerechten Grund dafür, Anwälte in Asylverfahren geringer zu vergüten als in Verfahren nach dem Aufenthaltsgesetz. Hier müssen wir Gleichheit und eine faire und rechtssystematisch sinnvolle Anpassung herstellen.
Jetzt komme ich zu den weiteren Änderungen im Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferecht.
Ich fange mit der guten Nachricht an: Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Regierungskoalition, haben sich zu enormen Verbesserungen an dem Gesetzentwurf der Bundesregierung durchgerungen. Diese Verbesserungen bestehen größtenteils daraus, dass Sie die Hälfte der vorgesehenen Änderungen ersatzlos aus dem Gesetzentwurf streichen. Die drastischsten Einschränkungen in der Prozesskosten- und Beratungshilfe, die die Bundesregierung, aber auch der Bundesrat geplant hatten, entfallen auf diese Weise. Die Einkommensfreibeträge werden nicht gesenkt. Prozesskostenhilfe wird nicht teurer. Wer Beratungshilfe benötigt, kann direkt einen Anwalt kontaktieren und muss nicht erst beim Gericht einen Antrag auf Beratungshilfe stellen.
Dies sind nicht nur gute Nachrichten für diejenigen Bürgerinnen und Bürger, die auf Prozesskostenhilfe angewiesen sind, sondern auch für alle, die sich für den Erhalt des sozialen Rechtsstaats einsetzen. In einem Rechtsstaat regiert nicht Geld die Welt. Der Rechtsstaat ist für alle da, unabhängig von ihrem Einkommen oder Vermögen.
Auf die gute Nachricht folgt nun leider die schlechte Nachricht: Vom ursprünglichen Gesetzentwurf ist zwar nicht viel übrig geblieben, aber einige Verschärfungen will diese Regierung dennoch einführen.
Das lehnen wir Grünen aus folgenden Gründen ab:
Erstens: Jemand der Prozesskostenhilfe empfängt, muss diese grundsätzlich – gegebenenfalls in Raten – zurückzahlen. Das ist selbstverständlich auch in Ordnung. Die Ratenzahlung beginnt bisher allerdings ab einem verfügbaren Einkommen in Höhe von 15 Euro. Diese Schwelle von 15 Euro soll nun auf 10 Euro abgesenkt werden.
Der Aufwand des Gerichts, eine solche Summe einzutreiben, steht in keinem Verhältnis zu den geringen Mehreinnahmen der Landeskassen. Hier ist der Kosten-Nutzen-Effekt nicht gewahrt. Auch greifen Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, zu tief in die sozialen Teilhabemöglichkeiten vieler Menschen ein, wenn Sie die Schwelle der ratenfreien Prozesskostenhilfe um ein Drittel senken.
Zweitens: Das Gericht soll eine einmal bewilligte Prozesskostenhilfe für einen Beweisantritt wieder entziehen können, wenn der Beweis keine genügende Aussicht auf Erfolg bietet. Dies bedeutet einen Verstoß gegen das zivilprozessrechtliche Verbot der vorweggenommenen Beweiswürdigung.
Drittens: Das Gericht soll die Prozesskostenhilfe schon dann vollständig entziehen, wenn der Empfänger Änderungen seiner Adresse oder seines Einkommens aus grober Nachlässigkeit nicht richtig oder nicht unverzüglich dem Gericht mitteilt.
Bisher kann das Gericht derartige Entscheidungen treffen.
Dieser Unterschied zwischen „soll“ und „kann“ wirkt auf den ersten Blick klein, ist aber in der Praxis groß. Er wird dazu führen, dass das Gericht zukünftig die spezifische Situation des Prozesskostenhilfeempfängers weniger berücksichtigen wird als das bisher der Fall ist.
Meine Damen und Herren, Deutschland gibt im internationalen Vergleich sehr wenig Geld für die Justiz im allgemeinen und die Prozesskostenhilfe im besonderen aus. Wenn wir wollen, dass unser Rechtssystem weiterhin auch international als vorbildlich betrachtet wird, dürfen wir die Prozesskosten- und Beratungshilfe nicht weiter einschränken. Wir müssen den Zugang zum Recht für alle erhalten, unabhängig von ihrer finanziellen Situation. Das ist gelebter Sozialstaat in der Justiz.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Rede zu "Restschuldbefreiungsverfahren" am 16.05.2013 im Bundestag
TOP 17 Restschuldbefreiungsverfahren – Ingrid Hönlinger MdB
Frau Präsidentin/Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,
das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte war von der schwarz-gelben Bundesregierung als großer Wurf geplant. Im Ergebnis ist nun ein Gesetz herausgekommen, das wenig verändern wird. Es verfehlt sein Ziel, Unternehmensgründern oder anderen verschuldeten Personen zügig einen finanziellen Neustart und eine zweite Chance zu eröffnen, völlig.
Die langen Ausführungen im Gesetzentwurf lesen sich wie eine Ironie:
Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, führen eingehend aus, warum eine sechsjährige Wohlverhaltensphase in der Verbraucherinsolvenz, wie sie derzeitig Rechtslage ist, zu lang ist. Hier stimmen wir Grünen Ihnen voll und ganz zu.
Sie schlagen nun eine Verkürzung der Wohlverhaltensphase um ein Jahr, also auf fünf Jahre, vor, wenn die Schuldnerin oder der Schuldner die Verfahrenskosten begleicht.
Ursprünglich hatten Sie eine weitere Verkürzung auf drei Jahre vorgesehen, wenn die Schuldnerin oder der Schuldner eine Mindestbefriedigungsquote von 25 Prozent erfüllt hat.
Beide Regelungen haben nicht nur wir Grünen in der Vergangenheit klar kritisiert. Auch in der Anhörung haben viele der Expertinnen und Experten deutlich zum Ausdruck gebracht, dass in der Praxis nur sehr wenige Schuldnerinnen und Schuldner von den Neuregelungen profitieren würden. Die überwiegende Zahl der Verbraucherschuldnerinnen und Verbraucherschuldner wird aufgrund ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht in der Lage sein, überhaupt eine Befriedigungsquote aus eigenem Einkommen und Vermögen zu tragen.
Aber es kommt noch schlimmer. In Ihrem Änderungsantrag wollen sie nun die Befriedigungsquote sogar auf 35 Prozent erhöhen. Und dies, obwohl Sie in Ihrer Begründung selbst schreiben, dass die Quote nicht zu hoch sein darf, um Leistungsanreize zu setzen.
Ein Anreizsystem halten auch wir Grünen nicht grundsätzlich für falsch. Bei der Begleichung der Verfahrenskosten zum Beispiel sind wir weniger kritisch. Aber mit Ihrer Mindestbefriedigungsquote von 35 Prozent kommen Sie einseitig den Interessen der Kreditwirtschaft nach – und dies auf dem Rücken der Verbraucherschuldnerinnen und Verbraucherschuldner.
Weitaus sinnvoller wäre es gewesen, für alle Schuldnerinnen und Schuldner gleichermaßen eine Verfahrensverkürzung auf drei Jahre einzuführen. Das wäre eine echte zweite Chance, eine Möglichkeit zum Neuanfang. Genau dies fordern wir Grünen in unserem Änderungsantrag.
Viele Menschen haben große Erwartungen in dieses Gesetz gesetzt. Das zeigen uns die vielen Zuschriften von Privatpersonen. Von einem gerechten Interessenausgleich zwischen Gläubigerinnen und Gläubigern einerseits und Schuldnerinnen und Schuldnern andererseits kann aber bei Ihrem Gesetz keine Rede mehr sein. Mit Ihrem Gesetzentwurf, meine Damen und Herren, wird nur ein ganz geringer Teil aller Schuldnerinnen und Schuldner in den Genuss einer vorzeitigen Restschuldbefreiung kommen. Hier kann ich nur sagen: Ziel deutlich verfehlt.
Erfreulicherweise nehmen Sie aber, das will ich positiv hervorheben, mit Ihrem Änderungsantrag die vorgesehene Abschaffung des Schuldenbereinigungsplanverfahrens zurück. Wenigstens in diesem Punkt haben Sie sich die Expertisen der Sachverständigen zu Herzen genommen. Doch von Ihren ursprünglichen Plänen, den äußerst erfolgreichen außergerichtlichen Einigungsversuch umfassend zu stärken, ist leider nicht viel übrig geblieben. Vorschläge hierzu hätte es genug gegeben.
Ein weiteres Problem haben Sie noch mit Ihrem Gesetzentwurf abgemildert: Sie begründen Kündigungsschutz für Schuldnerinnen und Schuldner, die eine Wohnung von Wohnungsbaugenossenschaften gemietet haben und mit einer bestimmten Anzahl von Genossenschaftsanteilen an der Genossenschaft beteiligt sind. Damit erhalten Mitglieder einer Wohnungsgenossenschaft, die in finanzielle Not geraten sind, wenigstens die Sicherheit, in der Insolvenz ihre Wohnung behalten zu können. Hier wird endlich eine Lücke geschlossen. Das befürworten wir sehr. Hierfür haben auch wir Grünen uns in der Vergangenheit stark gemacht. Wie der Bundesrat auch, hätten wir uns allerdings ein höheres Schutzniveau gewünscht.
Meine Damen und Herren, insgesamt ist dieses Gesetzeswerk enttäuschend für die vielen Verbraucherschuldnerinnen und Verbraucherschuldner, die lange darauf gewartet haben. Hier haben Sie nachvollziehbare Hoffnungen einseitig enttäuscht. Wir Grünen können Ihrem Gesetz in dieser Form nicht zustimmen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
06.05.2013 Kinder von Samenspendern - entscheidend ist das Kindeswohl
Rede zu "Rechte des leiblichen Vaters" am 25.04.2013 im Bundestag
Frau/Herr Präsident/in, liebe Kolleginnen und Kollegen,
in dieser Legislaturperiode hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg in mehreren Entscheidungen festgestellt, dass das deutsche Familienrecht nicht der Europäischen Menschenrechtskonvention entspricht. Auch heute debattieren wir wieder über einen Gesetzentwurf, der die Rechtsprechung des Gerichtshofs umsetzt. Das ist eine gesellschaftlich notwendige Fortentwicklung unseres Familienrechts.
Wir alle wissen: Es gibt Familienkonstellationen, in denen der leibliche Vater eines Kindes nicht identisch ist mit dessen rechtlichem Vater.
Die bisherige deutsche Rechtslage sieht vor, dass der leibliche Vater, der keine enge Bezugsperson für sein Kind ist, kategorisch und ohne Prüfung des Kindeswohls vom Umgang mit seinem Kind ausgeschlossen ist. Dies gilt auch dann, wenn ihm der Umstand, dass er bisher keine Beziehung zu seinem Kind aufbauen konnte, nicht zuzurechnen war. Beispielhaft sind die Fälle, in denen die soziale Familie, in der das Kind lebt, jeglichen Kontakt zwischen leiblichem Vater und Kind blockiert. Dieser Vater ist machtlos und rechtlos.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat entschieden:
Das deutsche Recht muss eine Regelung finden, die leiblichen Vätern ermöglicht, eine Beziehung zu ihren Kindern aufzubauen. Voraussetzung ist, dass es dem Kindeswohl entspricht.
Der Gesetzentwurf, über den wir heute debattieren, setzt diese Rechtsprechung um:
Wenn es dem Kindeswohl dient, steht dem Vater zukünftig ein Umgangsrecht zu. Wenn es dem Kindeswohl nicht widerspricht, hat er ein Recht auf Auskunft über die persönlichen Verhältnisse seines Kindes. Der leibliche Vater hat jetzt die Möglichkeit, Informationen über sein Kind zu erhalten und eine Beziehung zu seinem Kind herzustellen. Sachgerecht ist aus unserer Sicht auch, dass der Gesetzentwurf eine abgestufte Kindeswohlprüfung vorsieht, orientiert an der Frage, ob der Vater Auskunfts- oder Umgangsrechte geltend macht. Und auch für das Kind ist es wichtig, dass klar geregelte Kontaktmöglichkeiten für den Vater bestehen. Ermöglicht dies doch dem Kind, Informationen über seine Herkunft, seine familiären Wurzeln, zu erhalten und im besten Fall eine Beziehung zu seinem leiblichen Vater aufbauen zu können. Und auch das Interesse der sozialen Familie, Störungen des Kindesinteresses durch Außenstehende zu vermeiden, wird berücksichtigt.
Wir Grünen begrüßen, dass wir heute fraktionsübergreifend das Familienrecht weiter modernisieren. Wir werden dem Gesetzentwurf zustimmen.
Allerdings hätten wir uns noch mehr Modernisierung gewünscht. Der Gesetzentwurf aus der Regierungskoalition regelt die Fälle, die der konkreten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zugrunde lagen: Dies waren typische „Seitensprung-Fälle“. Die Regelung, über die wir heute debattieren hilft Vätern weiter, die der Mutter ihres Kindes „beigewohnt“ haben.
Vor kurzem hat das „Samenspende-Urteil“ des Oberlandesgerichts Hamm für Aufsehen gesorgt. Das Gericht hat festgestellt, dass ein Kind, das mit Hilfe einer Samenspende gezeugt worden ist, das Recht hat, vom behandelnden Arzt Auskunft über die Identität des Samenspenders zu verlangen. Dieses Urteil ist mittlerweile rechtskräftig. Nun sind wir als Gesetzgeber aufgefordert, Konsequenzen daraus zu ziehen. Dazu gehört die Klärung der Rechtsstellung des Samenspenders. Er ist es, der in diesem Fall der leibliche Vater ist. Leider blendet der heute beratene Gesetzentwurf den Komplex „Samenspende“ komplett aus. Ebenso ist die Situation des weiblichen homosexuellen Paares, dessen Kind naturgemäß auch einen männlichen leiblichen Elternteil hat, weiter ungeklärt.
Alle diese Fälle haben eines gemeinsam: Sie zeigen, dass Kinder mehr als nur zwei Elternteile haben können. In allen diesen Fällen, seien es Patchworkfamilien mit verschieden geschlechtlichen Eltern oder Regenbogenfamilien, brauchen wir klare Regeln, die die Rechte und Pflichten aller Elternteile normieren.
Wir Grünen hätten uns gewünscht, dass Sie, meine Damen und Herren von der Regierungsbank die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zum Anlass nehmen, das Familienrecht insgesamt zu novellieren und konsequent weiterzudenken. Einen wichtigen Ansatz hierfür haben Sie schon in Ihren Gesetzentwurf aufgenommen. Sie ermöglichen erstmals, dass zusätzlich zum rechtlichen Vater ein zweiter Vater gerichtlich festgestellt wird. Dieser zweite Vater ist der leibliche Vater. Ihr Gesetzentwurf erkennt also an, dass Mehrelternkonstellationen nicht nur im sozialen, sondern auch im rechtlichen Sinne möglich sind.
Das ist ein Paradigmenwechsel, der bedeutend ist. Er ist aber auch dringend notwendig. Es wird höchste Zeit, meine Damen und Herren, dass wir hier im Parlament das Verhältnis von genetischer, sozialer und rechtlicher Elternschaft grundlegend neu klären. Denn alle Kinder haben die gleichen Rechte, unabhängig davon, in welcher Familienkonstellation sie aufwachsen und welchen Lebensentwurf ihre Eltern gewählt haben.
Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass weitere Bewegung in das überkommene Familienrecht kommt. Nach der Reform des Sorgerechts für nicht miteinander verheiratete Paare und der Stärkung der Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters ist es nun Zeit für eine umfassende Modernisierung des Familienrechts. Wir Grünen werden uns weiterhin dafür einsetzen, das Familienrecht konsequent weiter zu entwickeln und an die gesellschaftlichen Realitäten anzupassen. In der nächsten Legislaturperiode werden neue politische Mehrheiten uns das erleichtern.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Rede zu "Wirtschaftskriminalität" am 19.04.2013 im Bundestag
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Vor wenigen Jahren hat der Korruptionsskandal bei Siemens das Unternehmen nachhaltig erschüttert. Andere Unternehmen, die in diesem Zusammenhang genannt werden, sind: MAN, Ferrostahl, Daimler, Infineon, EADS, Thyssen-Krupp und Rheinmetall. Das beschreibt die FAZ unter dem prägnanten Titel „Bestechende Großunternehmen“.
Korruption ist fast immer ein Element von Wirtschaftskriminalität. Korruption begünstigt sie. Korruption kostet dem deutschen Staat und dem deutschen Steuerzahler Geld, sehr viel Geld. Wissenschaftliche Schätzungen gehen von einem Schaden von 250 Milliarden Euro jährlich aus. Noch viel schlimmer ist, dass Korruption das Vertrauen der Bevölkerung in Wirtschaft und Staat infrage stellt. Das zeigt: Hier besteht großer Handlungsbedarf. Wirtschaftskriminalität ist kein Kavaliersdelikt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich möchte Ihnen heute drei Punkte nennen, die aus meiner Sicht zentral sind. Immer wieder gibt es einzelne Menschen, mutige Insider, die ihr Wissen nach außen tragen und Korruptionsskandale aufdecken. Diese Menschen müssen wir ermutigen, rechtswidriges Handeln anzuzeigen. Wir brauchen ein gesellschaftliches Klima, das es diesen Mitarbeitern ermöglicht, Fehler offen anzusprechen. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass sie nicht den Makel des Verpfeifens oder des Petzens tragen. Diese Menschen verdienen den Respekt unseres Staates und der Gesellschaft.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Raju Sharma (DIE LINKE))
Wir müssen eine sichere rechtliche Grundlage für den Schutz von Whistleblowern schaffen. Wir müssen sie vor Mobbing und Kündigung schützen. Das zeigt das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Fall von Brigitte Heinisch sehr deutlich. Wir Grüne haben in dieser Wahlperiode ebenso wie die beiden anderen Oppositionsfraktionen Initiativen zum Schutz von Whistleblowern in den Bundestag eingebracht. Nun stehen wir am Ende dieser Legislaturperiode, und diese Bundesregierung bleibt weiter untätig.
Die Bundesregierung hält sich auch nicht an ihre eigenen politischen Zusagen. Bereits im Herbst 2010 haben Sie, meine Damen und Herren von der Regierungsbank, in dem Antikorruptions-Aktionsplan der G-20-Staaten vollmundig erklärt, Sie würden bis Ende 2012 Regeln zum Whistleblower-Schutz erlassen und umsetzen. Was haben Sie bisher getan? ‑ Nichts. Damit werden Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, unglaubwürdig – national und auch international gegenüber unseren Partnerländern.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir können noch ein weiteres Instrument schaffen, um Wirtschaftskriminalität effektiv zu bekämpfen. Lassen Sie uns endlich über die Einführung eines bundesweiten Korruptionsregisters nachdenken. Hintergrund ist folgender: Länder und Gemeinden vergeben jährlich Aufträge im Wert von mehreren Hundert Milliarden Euro an private Unternehmen. Sie müssen auf ein bundesweites Register zugreifen können, um festzustellen, ob ein Unternehmen, das sich um einen Auftrag bewirbt, bereits in Korruptionsfälle verwickelt war oder nicht. Die Bundesländer haben damit auf Landesebene gute Erfahrungen gemacht. Diese Korruptionsregister schaden auch nicht den Unternehmen. Ganz im Gegenteil! Sie helfen den Unternehmen, weil sie nämlich die integeren Unternehmen vor den schwarzen Schafen schützen, und sie ermöglichen fairen Wettbewerb. Mit Korruptionsregistern tragen wir dazu bei, dass die ehrlichen Unternehmen einen Vorteil haben und bei einer öffentlichen Auftragsvergabe nicht die Verlierer sind. Es wird höchste Zeit, dass wir hier im Bund endlich einheitliche Regeln treffen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es gibt noch ein drittes Thema, auf das ich zum Schluss eingehen möchte ‑ Kollege Sharma hat es bereits genannt ‑, nämlich das Thema „UN-Konvention gegen Korruption“. Es gibt auf dieser Welt 165 Staaten, die diese Konvention unterzeichnet und ratifiziert haben. Sogar Myanmar und Swasiland gehören zu diesen 165 Staaten.
(Zuruf von der FDP: Liegen ganz hinten im Korruptionsindex!)
Führende Vertreter aus der Wirtschaft, liebe FDP, fordern die Bundesregierung auf, endlich zu handeln, weil hier die Glaubwürdigkeit Deutschlands international auf dem Spiel steht. Die Bundesregierung ist dafür verantwortlich, dass wir weiter auf einer Stufe stehen mit Ländern wie dem Sudan, Somalia, Tschad, Syrien oder Nordkorea.
(Jörg van Essen (FDP): Sie haben Japan vergessen!)
Sie reklamieren nach außen Wirtschaftskompetenz für sich, Kolleginnen und Kollegen von der schwarz-gelben Koalition; doch bei der Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität gibt es bei Ihnen noch erhebliche Defizite.
Wir Grünen haben hier die besseren Konzepte: Wir fordern den Schutz von Whistleblowern, wir fordern die Einführung eines bundesweiten Korruptionsregisters, und wir fordern eine Ausweitung der strafrechtlichen Regelung für den Tatbestand der Abgeordnetenbestechung,
(Jörg van Essen (FDP): Ihr Gesetzentwurf ist doch krachend durchgefallen!)
damit wir die UN-Konvention gegen Korruption endlich ratifizieren können. Erst eine rot-grüne Koalition wird die Kraft haben, sich eindeutig gegen Korruption zu positionieren.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Rede im Bundestag am 18.04.2013 zu "Aufgabenübertragung auf Notare"
Frau/Herr Präsident/in,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
heute haben wir hier im Bundestag wieder einmal ein Thema auf der Tagesordnung, mit dem die Koalition ihre Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag durchbricht. Ich zitiere aus dem Koalitionsvertrag: „Als Beitrag zur Effizienzsteigerung und Entlastung der Justiz werden wir eine Übertragung der Aufgaben der Nachlassgerichte erster Instanz auf die Notare durch die Länder ermöglichen.“
Die Koalition scheint im Verlaufe des Verfahrens eingesehen zu haben, dass dies keine gute Idee war und der Justiz mehr schaden als nützen würde. So ist ein Riesen-Projekt ist auf ein Zwergen-Projekt zusammengeschrumpft. Und das ist gut so, meine Damen und Herren.
Wir Grünen begrüßen, dass die Koalition die Vorschläge des Bundrates mit ihrem Änderungsantrag eingeschränkt hat. Dennoch können wir auch diese Version der Aufgabenübertragung auf Notare nicht unterstützen.
Vor fast einem Jahr haben wir hier im Bundestag die Gesetzentwürfe des Bundesrates zur Übertragung von Aufgaben im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf Notare zum ersten Mal debattiert.
Es geht bei den Vorschlägen des Bundesrats um weit reichende Änderungen, die sogar eine Grundgesetzänderung erfordert hätten. Der Bundesrat wollte sämtliche Nachlasssachen, die sich in der ersten Instanz befinden, auf Notare übertragen. Das heißt: Für alle rechtlichen Probleme im Zusammenhang mit Testament, Vermächtnis oder Erbe sollten nur noch Notare zuständig sein, nicht mehr die Gerichte.
Notarinnen und Notare erfüllen bereits jetzt einzelne öffentliche Aufgaben und sind eine unverzichtbare Unterstützung für die Justiz. Justiz ist aber eine hoheitliche Aufgabe. Im Grundgesetz ist der sogenannte „Funktionsvorbehalt“ statuiert: Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist in der Regel nur Angehörigen des öffentlichen Dienstes, also Beamten, erlaubt. Hier sollten wir nicht weiter eingreifen. Je mehr hoheitliche Aufgaben wir auf die privat tätige Notarschaft übertragen, desto mehr befeuern wir Bestrebungen, Justiz immer weiter zu privatisieren. Justiz aber ist Staatsaufgabe, meine Damen und Herren.
Im Laufe des Verfahrens im Bundestag haben wir stichhaltige Argumente gegen eine Übertragung aller Nachlasssachen auf Notare diskutiert. Diese haben glücklicherweise auch bei der Regierungskoalition Gehör gefunden. Wir haben heute umfangreiche Änderungsanträge zum Gesetzentwurf auf dem Tisch.
Aber was will die Koalition mit ihren Änderungsvorschlägen erreichen? Einige wenige Aufgaben sollen nun auf Notarinnen und Notare übertragen werden. Es handelt sich zum Beispiel um die Erstellung von notariellen Vollmachtsbescheinigungen als Eintragungsgrundlage im Grundbuch oder die Entscheidung über die Erteilung weiterer vollstreckbarer Ausfertigungen notarieller Urkunden. In Kurzform: Es werden große Worte geschwungen. Diese sind aber weder von besonderer praktischer Relevanz noch bringen sie Einsparungen für die Justiz. Bezüglich der Erteilung von Abdrucken aus dem Grundbuch hat die Bundesregierung sogar selbst noch in ihrer Stellungnahme zum Gesetzentwurf des Bundesrates angeführt, dass sie kein Erfordernis sieht, diese Aufgabe auf die Notare zu übertragen. Dieses Gesetz, über das wir heute abstimmen, meine Damen und Herren, bietet keinerlei Mehrwert – weder für die Bürgerinnen und Bürger noch für die Justiz.
Ein richtiges Problem sehen wir Grüne aber vor allem in der Neuregelung, dass von nun an ausschließlich die Notarinnen und Notare für die Aufnahme von Erbscheinsanträgen zuständig sein sollen. Bisher kann ein Erbe oder eine Erbin den Erbschein entweder beim Nachlassgericht oder beim Notar beantragen. An den Notar wenden sich zur Zeit aber nur etwa 10 bis 20 Prozent der Bürgerinnen und Bürger. Wer sich an das Nachlassgericht wendet, hat den Vorteil, dass er oder sie keine Mehrwertsteuer zahlen muss. Der Antrag ist also um 19 Prozent günstiger als beim Notar. Außerdem kann das Verfahren beim Amtsgericht deutlich schneller sein: Ich muss beim Nachlassgericht keinen Termin vereinbaren wie beim Notariat und ich muss keine Postübermittlung abwarten.
Die Bundesregierung erklärt, der Vorteil dieser Regelung für die Justiz bestehe darin, dass die Nachlassgerichte von der Aufgabe der zur Verfügungstellung von Formblättern entlastet werden. Ich überlasse es Ihnen, die Überzeugungskraft dieses Argumentes zu beurteilen.
Darüber hinaus ist die Neuregelung als Länderöffnungsklausel formuliert. Das heißt: Jedes einzelne Bundesland kann selbst darüber entscheiden, ob die Notare allein für die Aufnahme von Erbscheinsanträgen zuständig sein sollen oder ob es bei der gegenwärtigen Rechtslage bleiben will. Das sorgt für Rechtszersplitterung und unter Umständen für Verwirrungen bei Erbinnen und Erben. Das macht folgendes Beispiel deutlich: Ich wohne in Berlin. Mein Onkel in Brandenburg stirbt. Hat das Land Berlin von der Öffnungsklausel keinen Gebrauch gemacht, könnte ich mich in Berlin weiterhin an das Nachlassgericht wenden, um meinen Erbschein zu beantragen. Da mein Onkel aber in Brandenburg seinen letzten Wohnsitz hatte, muss ich jetzt wissen, ob auch Brandenburg keinen Gebrauch von der Öffnungsklausel gemacht hat oder ob ich dort jetzt vielleicht ausschließlich notariell beurkundete Erbscheinsanträge einreichen kann.
Das meine Damen und Herren, ist eine Verkomplizierung des Rechtssystems. Bürgerfreundliche Rechtspolitik, so wie wir Grünen sie verstehen, sieht anders aus. Sie erschwert nicht den Bürgerinnen und Bürgern den Zugang zum Recht, sondern erleichtert ihn.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
08.04.2013 Rechtsweg ausgeschlossen? – Die Prozesskostenhilfereform
Bundestags-Rede am 14.03.2013: Recht von Opfern sexuellen Missbrauchs
Bundestags-Rede am 14.03.2013: Recht von Opfern sexuellen Missbrauchs
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir sprechen heute über ein Thema, das eine juristische Seite hat. Es hat aber auch eine zutiefst menschliche, tragische Seite, und das Thema hat in seinen langfristigen Auswirkungen eine nicht absehbare Wirkung.
Wir alle sind betroffen von dem, was Tausenden von Kindern und Jugendlichen angetan worden ist, was sie ertragen und erleiden mussten, nicht für einen Tag oder eine Woche, nein, oftmals über viele Monate und Jahre hinweg. Mein Mitgefühl gilt diesen Menschen, die für die psychische und physische Verarbeitung des erlittenen Missbrauchs oft ein Leben lang brauchen. Vor diesem Hintergrund steht meine heutige Rede.
Die Grundfrage lautet: Wie können wir Recht und Gerechtigkeit möglichst nah zusammenbringen?
Wir Grünen begrüßen es, dass die Bundesregierung und die Regierungskoalition nun endlich Regelungen zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs voranbringen. Fast zwei Jahre lang mussten die Opfer und auch wir darauf warten. Das ist eine zu lange Zeit, wenn man bedenkt, dass an jedem Tag bis zum Inkrafttreten des Gesetzes Ansprüche der Opfer verjähren können.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Immerhin haben Sie von der Koalition sich während dieser Zeit in einem Punkt zu einer wesentlichen Verbesserung durchgerungen, die auch im Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen enthalten ist. Die Verbesserung besagt, dass die Verjährung für die zivilrechtlichen Ansprüche der Opfer nicht schon direkt nach der Tat beginnen soll, unabhängig davon, ob das Opfer zu diesem Zeitpunkt noch ein Kind oder schon ein Erwachsener ist, sondern die Verjährung soll erst im Erwachsenenalter des Opfers beginnen, und auch der strafrechtliche Verjährungsbeginn soll hinausgeschoben werden. Die Frage bleibt aber: Wann soll die Verjährung tatsächlich beginnen?
Wir alle wissen, dass selbst junge Erwachsene häufig emotional noch nicht in der Lage sind, ihre Ansprüche wegen solcher Taten geltend zu machen. Wir Grünen schlagen deshalb in unserem Gesetzentwurf vor, dass die Verjährungsfrist im Zivil- und im Strafrecht erst mit der Vollendung des 25. Lebensjahres des Opfers beginnen soll. Zusätzlich wollen wir die zivilrechtliche Verjährungsfrist bei sexuellem Missbrauch auf 30 Jahre verlängern. Das trägt den Erkenntnissen aus den Missbrauchsfällen besser Rechnung als der Verjährungsbeginn mit der Vollendung des 21. Lebensjahres des Opfers, wie es im Gesetzentwurf der Regierungskoalition vorgesehen ist.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ihr Gesetzentwurf enthält aber auch Vorschläge, die massiv in die Prinzipien des Rechtsstaats eingreifen, ohne die Opfer in ihren Rechten tatsächlich zu stärken. Es hilft keinem Betroffenen, wenn dem Strafverfahren gegen den Täter mit juristischen Spitzfindigkeiten der Makel des unfairen Verfahrens angehängt wird.
Nennen will ich die Fälle, in denen einem mutmaßlichen Straftäter wegen der Schwere seiner Tat zwingend ein Anwalt beigeordnet werden muss. Wird eine richterliche Zeugenvernehmung durchgeführt, bei der der Beschuldigte oder sein Anwalt nicht anwesend waren, können sie sich in diese Vernehmung nicht mit Fragen einbringen. Wiederholt das Gericht die Zeugenvernehmung in der Hauptverhandlung nicht, sondern spielt sie nur per Video vor, kann der Angeklagte seine Verteidigungsrechte nicht ausreichend wahrnehmen. Hier besteht aus unserer Sicht Nachbesserungsbedarf.
Uns Grünen ist aber auch klar, dass die Menschen, die von sexuellem Missbrauch betroffen sind, jetzt die rechtliche Möglichkeit brauchen, die Verjährung ihrer Ansprüche zu vermeiden und die Täter zur Verantwortung zu ziehen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir müssen jetzt ein klares Signal dafür setzen, dass sexueller Missbrauch kein Kavaliersdelikt ist, sondern ein Angriff auf die Würde und persönliche Integrität der davon Betroffenen. Aus Sicht der Betroffenen ist jetzt Rechtssicherheit geboten.
Der Gesetzesvorlage können wir Grünen aus rechtlichen Gründen nicht zustimmen. Wir werden uns bei der Abstimmung enthalten.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
15.03.2013 Bundestags-Rede am 14.03.2013: Kronzeugenregelung
Bundestags-Rede am 14.03.2013: Kronzeugenregelung
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Es kommt selten vor, dass die Bundesrechtsanwaltskammer, der Deutsche Anwaltverein, die Strafverteidigervereinigungen und der Deutsche Richterbund einer Meinung sind. 2009, bei der Einführung der Kronzeugenregelung in ihrer weiten Fassung, waren sie es.
Die Kronzeugenregelung beinhaltet – das wissen wir alle hier – Straferleichterungen für Straftäter. Richter dürfen die Strafe des selbst straffälligen Kronzeugen mildern oder ganz von der Strafe absehen, wenn dieser zur Aufklärung oder Verhinderung von schweren Straftaten beiträgt.
Die Rechtspraxis hat im Jahr 2009 geschlossen gesagt: Die Kronzeugenregelung ist ein Bruch in unserem Rechtsstaatsystem, und wir brauchen sie nicht. – Auch wir Grünen waren und sind dieser Rechtsauffassung.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Heute begrüßen Anwaltskammer und Verbände die von der Bundesregierung vorgeschlagene Minikorrektur der Kronzeugenregelung. Auch wir Grünen sagen: Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings sagen wir auch: Es ist nur ein Schritt ‑ ein Schritt, der von einem Quantensprung weit entfernt ist.
Eingeführt werden soll das Konnexitätsprinzip. Zukünftig soll ein Kronzeuge nur noch dann eine Straferleichterung erhalten können, wenn zwischen seiner eigenen Straftat und der Tat, zu der er Aufklärungs- oder Präventionshilfe leistet, ein sachlich-inhaltlicher Zusammenhang besteht.
Möglicherweise wird die Zahl der Falschbelastungen Dritter ein wenig zurückgehen. Ausgeschlossen werden Denunziationen zum eigenen Vorteil im Strafverfahren jedoch nicht. Nach wie vor wird im Rahmen der Kronzeugenregelung das Motto gelten: Mehr ist mehr. Je mehr Anschuldigungen der Kronzeuge gegenüber anderen Personen macht, umso mehr Strafrabatt erhält er.
Dem steht kein ausreichender Nutzen gegenüber. Im Verfahren gegen die Person, die der Kronzeuge angeschuldigt hat, sind die Aussagen als Beweismittel wegen mangelnder Belastbarkeit häufig problematisch. Zu diesem Zeitpunkt haben sie aber ihren Zweck, nämlich Strafmilderung für den Kronzeugen zu erreichen, bereits meistens erfüllt. Der vermeintliche Kronzeuge läuft wenig Gefahr, wegen falscher Verdächtigung verurteilt zu werden.
Wenn überhaupt die Wahrheit ans Licht kommt, so wird doch häufig der Nachweis scheitern, dass der Kronzeuge seine Aussage wider besseres Wissen gemacht hat. Darauf wird der Kronzeuge setzen, zumal die Versuchung, mit der der Staat lockt, nämlich Strafmilderung oder Absehen von Strafe, groß ist.
Die Kronzeugenregelung verstößt darüber hinaus gegen zentrale Prinzipien unseres Rechtstaats. Zu nennen sind das Legalitätsprinzip, das Gleichheitsgebot sowie das Prinzip des schuldangemessenen Strafens. Polizei oder Staatsanwaltschaft, manchmal sogar Verfassungsschutzbehörden suchen Aufklärungserfolge, die leider nicht immer nur tatsächlicher, sondern häufig auch nur vermeintlicher Art sind. Dabei machen sie Straftätern die Zusage, sie vor einer schuldangemessenen Strafe zu schützen. Dem Gericht wird zugemutet, als Notar solche Geschäfte zu beglaubigen und auf eine Überprüfung der Wahrhaftigkeit der Kronzeugenaussage ganz oder zum Teil zu verzichten, weil die Einigung zwischen Straftäter und Staatsanwaltschaft bereits vor der Hauptverhandlung unter Dach und Fach gebracht werden muss.
Ich wiederhole, was wir Grünen 2009 bei der Einführung der Kronzeugenregelung gesagt haben: Es gibt keinen Bedarf für eine solche Regelung.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Den Problemen, die es bei der Prävention zum Schutz der Bevölkerung, bei der Aufklärung von Straftaten sowie bei einer effektiven und schnellen Bearbeitung angeklagter Straftaten gibt, müssen die Länder mit einer ausreichenden Personal- und Sachausstattung der Ermittlungsbehörden begegnen. Die Flucht in die Kronzeugenregelung ist keine Lösung. Die wenigen tatsächlich durch Kronzeugen erzielten Aufklärungserfolge rechtfertigen nicht den hohen Verlust an Legitimität, die ein rechtsstaatliches Strafverfahren aber zwingend braucht.
So bleibt der Gesetzentwurf der Bundesregierung ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Er verpasst aber die Chance einer konsequenten und mutigen Korrektur dieses Fremdkörpers im Strafrecht. Wir Grünen werden uns deshalb bei der Abstimmung enthalten.
(Ansgar Heveling (CDU/CSU): Das ist aber kraftvoll!)
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
15.03.2013 Bundestags-Rede am 14.03.2013: Elektronischer Rechtsverkehr
Frau Präsidentin/Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Das Internet und die zunehmende Digitalisierung verändern nicht nur das Leben von Menschen und deren Verhältnis zur Gesellschaft. Sie verändern auch die Rolle und Funktionsweise des Staates. Meine Fraktion und ich begreifen diese Entwicklung als Chance für unsere Demokratie, als Chance für mehr Legitimation bei staatlichem Handeln, als Chance für mehr Partizipation.
Heute befassen wir uns mit der Nutzung elektronischer Technologien im Bereich der Justiz. Der erste allgemeine Rechtsrahmen für den Einsatz elektronischer Verfahren in der Justiz wurde vor knapp 13 Jahren gelegt. Unter der damals rot-grünen Bundesregierung hat der Bundestag 2001 beschlossen auf der Posteingangs und der -ausgangsseite der Justiz den Einsatz elektronischer Verfahren zu ermöglichen. Ebenfalls unter der rot-grünen Bundesregierung folgte eine weitere Öffnung der Justiz mit dem 2005 beschlossenen Gesetz über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz.
Nun beraten wir über zwei Gesetzentwürfe zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs in der Justiz bzw. mit den Gerichten. Klar ist: Es besteht Handlungsbedarf. Die Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs im Bereich der Justiz muss weiter gefördert werden. Hier gibt es noch erhebliches Verbesserungspotential.
Beide Gesetzentwürfe, so sehr sie in ihrem Ziel zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs zu begrüßen sind, werfen aber auch Fragen auf. Diese Fragen betreffen die Teilhabe von Menschen mit Behinderung, das Zivilprozessrecht und den Datenschutz. Sie müssen im weiteren parlamentarischen Verfahren geklärt werden:
Deutschland hat am 24. Februar 2009 die UN-Behindertenrechtskonvention ratifiziert und sich damit zugleich verpflichtet, gemäß Art. 4, 9 und 13 der Konvention alle geeigneten gesetzgeberischen Maßnahmen zu ergreifen, um Menschen mit Behinderung einen gleichberechtigen Zugang zur Justiz und eine selbstbestimmte Teilhabe an allen modernen Informations- und Kommunikationstechnologien, die elektronisch bereit gestellt werden oder zur Nutzung offen stehen, zu ermöglichen. Ausserdem sollen vorhandene Zugangshindernisse und -barrieren beseitigt werden. Die im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehenen Änderung für mehr Barrierefreiheit sind ein Schritt in die richtige Richtung. Exemplarisch zu nennen ist die Regelung zu § 31 a Abs. 1 Satz 2 BRAO, wonach das besondere elektronische Anwaltspostfach barrierefrei ausgestaltet sein soll. Gleichwohl genügen die Änderung nicht den Anforderungen der UN-Behindertenrechtskonvention. Nicht geregelt wird, dass auch das elektronische Postfach und die elektronische Poststelle des Gerichts nach § 130 a Abs. 4 Nr. 2 ZPO barrierefrei ausgestaltet werden muss, um den barrierefreien Übermittlungsweg zu gewährleisten.
Beide Gesetzentwürfe zielen darauf ab, durch den Einsatz elektronischer Zustellungsmöglichkeiten die zivilrechtliche Gerichtspraxis zu vereinfachen. Dieses ist grundsätzlich zu begrüßen. Jedoch ist dabei stets das Interesse aller am Prozess Beteiligten schonend zu berücksichtigen. Die Änderung des § 174 Abs. 4 ZPO führt zu einem erheblichen Paradigmenwechsel. Das Empfangsbekenntnis muss nun nicht mehr persönlich zurückgesandt, sondern soll durch eine automatisch generierte Eingangsbestätigung ersetzt werden. Dabei soll die Zustellung nach drei Werktagen ab Eingang der Schriftstücke im elektronischen Postfach der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte als bewirkt gelten, es sei denn, eine frühere Zustellung wird durch ein Empfangsbekenntnis nachgewiesen. Der Wertung der aktuellen Rechtslage würde es eher entsprechen, wenn zugleich mit dem zuzustellenden Dokument ein Empfangsbekenntnis im XJustiz-Standard zugestellt wird, welches nach Kenntnisnahme des Dokuments an das elektronische Gerichtspostfach zurückgesendet wird. Vor diesem Hintergrund sehen wir Grünen an dieser Stelle noch Klärungsbedarf.
Die zunehmende Digitalisierung führt auch zu einem Bedeutungszuwachs für den Datenschutz im Zivil- und Strafprozess. Im Bereich der Justiz ist die Kommunikation besonders vertraulich zu behandeln und entsprechend zu sichern. Eine Abkehr vom Standard der qualifizierten elektronischen Signatur, wie es der Regierungsentwurf zu § 130 a Abs. 3 ZPO vorsieht, halten wir vor diesem Hintergrund für problematisch. Die Übermittlung im Wege einer DE-Mail bietet grundsätzlich eine Leitungsverschlüsselung, jedoch keine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Somit ist dieser im Regierungsentwurf in § 130 a Abs. 4 Nr. 1 ZPO als „sichere Übermittlungsweg“ markierte DE-Mail keineswegs so sicher, wie eine qualifizierte elektronische Signatur. An der weiteren Gesetzesberatung werden wir Grünen uns konstruktiv beteiligen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
13.03.2013 Pressemitteilung vom 13.03.2013: Keine Zweiklassenjustiz
Keine Zweiklassenjustiz
Zur heutigen öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss zu den Gesetzentwürfen von Bundesregierung und Bundesrat zur Modernsierung des Kostenrechts und zur Änderung des Prozesskosten- und Beratungshilferechts, erklärt Ingrid Hönlinger, Obfrau im Rechtsausschuss:
Die von Bundesregierung und Bundesrat vorgeschlagenen Neuregelungen zum sogenannten zweiten Kostenrechtsmodernisierungsgesetz erschweren erheblich den Zugang zum Recht für die finanziell Schwächsten in der Gesellschaft. Sie fördern das Entstehen einer Zweiklassen-Justiz. Sie wirken sich vor allem auf die Rechtsgebiete aus, in denen die Beteiligten klassischerweise auf Prozesskosten- und Beratungshilfe angewiesen sind: das Familienrecht, das Sozialrecht und das Ausländer- und Asylrecht.
Die vorgeschlagenen Änderungen stießen auf Kritik von Rechtsverbänden, dem Gewerkschaftsbund und dem Vertreter aus der Wissenschaft. Viele der Sachverständigen haben zutreffend dargestellt, dass Einsparungen im Justizhaushalt nicht zu Lasten der rechtssuchenden Bürgerinnen und Bürger gehen dürfen.
Für Menschen, die Sozialleistungen nach dem SGB II erhalten, ändert sich bei der Gewährung von Prozesskostenhilfe finanziell zwar nichts. Liegt ihr Einkommen aber, wenn auch nur geringfügig, über diesem Niveau, so greift der Gesetzentwurf der Bundesregierung. Dieser sieht eine Absenkung der Einkommensfreibeträge bis auf das Existenzminimum vor. Außerdem müssen Prozesskostenhilfeempfänger zwei Jahre länger Rückzahlungsraten aufbringen. Weiterhin kann Prozesskostenhilfe für eine beantragte Beweiserhebung wieder aufgehoben werden, wenn der Beweis keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Eine solche Aufhebung widerspricht dem Verbot der vorweggenommenen Beweiswürdigung im Zivilprozess. In Scheidungsverfahren muss trotz anwaltlicher Vertretung der antragsstellenden Partei der Gegenseite nicht mehr zwingend eine Anwältin oder ein Anwalt beigeordnet werden. Dies beeinträchtigt die Waffengleichheit der Parteien vor Gericht.
Rechte sind nur dann wirkungsvoll, wenn die Bürgerinnen und Bürger sie auch durchsetzen können. Dazu brauchen sie im Einzelfall anwaltliche oder gerichtliche Hilfe. Der Zugang zum Recht muss allen Menschen offenstehen, unabhängig von ihrem Einkommen.
01.03.2013 Kürzung der Prozesskostenhilfe: Weniger Hilfe für Geschiedene
Artikel in der taz am 01.03.2013
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28.02.2013 Rede im Bundestag am 28.02.2013 zu: Verbraucherschutz im Beurkundungsverfahren
Rede im Bundestag am 28.02.2013 zu: Verbraucherschutz im Beurkundungsverfahren
Frau/Herr Präsident/in,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
zwei neue Begriffe haben vor nicht allzu langer Zeit Eingang in unsere Sprache gefunden: die „Schrottimmobilie“ und der „Mitternachtsnotar“.
Spätestens als 2011 die wahrscheinlich kürzeste Amtszeit eines Senators endete – die zwölftägige Amtszeit des Berliner CDU-Senators für Justiz und Verbraucherschutz – ist das Problem, das sich hinter diesen Begriffen verbirgt, deutschlandweit bekannt: Verkäufe minderwertiger Immobilien werden kurzfristig beurkundet, ohne dass die Verbraucherin oder der Verbraucher genügend Zeit hatte, die Immobilie oder den Vertrag zu überprüfen. Die Beurkundung erfolgt häufig zu ungewöhnlichen Geschäftszeiten. Der Verkehrswert der Schrottimmobilie ist erheblich geringer als der vom Käufer zur Finanzierung der Immobilie aufgenommene Kredit. Das Resultat: Anstelle einer Geldanlage hat die Verbraucherin oder der Verbraucher ein lebenslanges Verschuldungsproblem.
Ich spreche hier nicht von Einzelfällen. Seit den neunziger Jahren wurden Verbraucherinnen und Verbrauchern systematisch Schrottimmobilen als Vermögensanlage oder Altersvorsorge verkauft. In Deutschland wurden Hunderttausende Opfer dieser „Erwerbsmodelle“. Es besteht offensichtlich eine Lücke im Verbraucherschutz. Der Gesetzentwurf des Bundesrates zur Stärkung des Verbraucherschutzes im notariellen Beurkundungsverfahren, über den wir heute debattieren, ist daher ein begrüßenswerter Schritt hin zu mehr Rechtssicherheit.
Verträge über den Kauf von Immobilen müssen notariell beurkundet werden. Dieser Formzwang verfolgt den Zweck, die Vertragspartner vor übereilten, folgenreichen Verpflichtungen zu schützen sowie eine sachgemäße Beratung zu gewährleisten. Die vom Bundesrat vorgeschlagene Vorschrift konkretisiert diesen Schutzzweck der notariellen Beurkundung: Der Notar soll dem Verbraucher den Vertragstext über den Immobilienkauf im Regelfall zwei Wochen vor der Beurkundung zur Verfügung stellen. Die Verbraucherinnen und Verbraucher bekommen so ausreichend Zeit, sich mit dem Kauf der Immobile auseinanderzusetzen. Wird die „Bedenkfrist“ von zwei Wochen unterschritten, muss der Notar in der Vertragsniederschrift die Gründe für die Unterschreitung angeben.
Die Notarin oder der Notar ist als neutraler Funktionsträger weder verpflichtet noch berechtigt, die wirtschaftlichen Grundlagen des Immobilienkaufs aufzuklären. Ihr oder ihm kommt vielmehr die Aufgabe zu, die Einhaltung der rechtlichen Vorschriften zu wahren und Rechtsbelehrung zu leisten. Es ist richtig, die Notarinnen und Notare in den Verbraucherschutz mit einzubeziehen. Es geht nicht darum, die Grenzen der notariellen Tätigkeit zu erweitern. Es geht darum, Verbraucherinnen und Verbraucher vor „schwarzen Schafen“ zu schützen. Betrügerisches Verhalten Einzelner soll verhindert und angemessen berufsrechtlich sanktioniert werden, bevor strafrechtliche Tatbestände einschlägig sind.
Ein weiteres Problem, das den systematischen Vertrieb von Schrottimmobilen erleichtert, wird durch die Neuregelung aber leider nicht gelöst: die Möglichkeit der getrennten Beurkundung von Vertragsangebot und Vertragsannahme. Zum Abschluss eines Kaufvertrages bedarf es immer eines Angebots und einer Annahme. Es ist zivilrechtlich zulässig, wenn ein Notar zunächst das Angebot und mit zeitlichem Abstand die Annahme beurkundet. Das kann den Vertragsschluss vereinfachen, da die Vertragsparteien nicht zur gleichen Zeit vor dem Notar erscheinen müssen. Aber die getrennte Beurkundung von Angebot und Annahme durch unterschiedliche Notare birgt Gefahren für die Beteiligten. Der Notar, der die Annahme beurkundet, muss nur über die rechtliche Bedeutung der Annahme belehren, nicht aber über das Angebot. Im Zweifelsfall kann der die Annahme beurkundende Notar die rechtliche Betreuungstätigkeit gar nicht ausüben, da er die dem Angebot zugrunde liegenden Tatsachen nicht kennt. Besondere berufsrechtliche Verfahrenspflichten, die dem Problem entgegen wirken sollen, bestehen zwar bereits. Im Zusammenhang mit der vom Bundesrat vorgeschlagenen Stärkung des Verbraucherschutzes im notariellen Beurkundungsverfahren sollte jedoch überprüft werden, ob die Schutzfunktion der Belehrung durch berufsrechtliche Richtlinien ausreichend gewahrt ist.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
28.02.2013 Entschließungsantrag: Personenzentrierte und ganzheitliche Reform des Betreuungswesens
Drucksache: 17/12539
28.02.2013 Große Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Personenzentrierte und ganzheitliche Reform des Betreuungsrechts
Die Grüne Bundestagsfraktion hat 50 Fragen an die Bundesregierung gestellt, um zu erfahren, ob die Bundesregierung eine Reform des Betreuungsrechts noch in dieser Wahlperiode plant und wie sie dieses Vorhaben umsetzen möchte. In diesem breiten Fragenkatalog haben wir skizziert, welche Themen zu beachten sind, würde man das Betreuungsrecht personenzentriert und ganzheitlich reformieren wollen.
Aus den Antworten der Bundesregierung geht hervor, dass die Bundesregierung durchaus zum Teil unsere Analyse teilt, dass die UN-Behindertenrechtskonvention sowie demographische und gesellschaftliche Entwicklungen das Betreuungsrecht vor neue Herausforderungen stellen. Dennoch hat die Bundesregierung in dieser Wahlperiode bisher keine umfängliche personenzentrierte und ganzheitliche Betreuungsrechtsreform in die Wege geleitet.
In unserem Entschließungsantrag fordern wir die Bundesregierung auf, die notwendigen Schritte für eine umfassende Reform des Betreuungsrechts zu ergreifen und skizzieren die dafür notwendigen Maßnahmen.
06.02.2013 Pressemitteilung: "Samenspende - Recht auf Kenntnis der Abstammung bestätigt"
Zum heutigen Urteil des Oberlandesgerichts Hamm zum Auskunftsrecht von „Spenderkindern“ gegenüber der Samenbank erklären Ingrid Hönlinger, Sprecherin für Demokratiepolitik und Obfrau im Rechtsausschuss, und Katja Dörner, Sprecherin für Kinder- und Familienpolitik:
Kinder, die durch eine Samenspende gezeugt wurden, haben das Recht zu wissen, wer ihr leiblicher Vater ist. Die Samenbank muss die Information künftig preisgeben. Diese Rechtsauffassung wurde heute durch das Oberlandesgericht (OLG) Hamm erstmals gerichtlich bestätigt. Wir begrüßen die deutliche Stärkung der Informationsrechte der betroffenen Kinder. Die Bundesregierung ist nun in der Pflicht, Rechtssicherheit zu schaffen und die Samenspende endlich klar zu regeln. Dabei geht es nicht um Unterhalts- oder Umgangspflichten des Spenders; es geht einzig um die Informationsrechte der betroffenen Kinder.
Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1989 ist klar, dass das Recht auf Kenntnis der eigenen genetischen Abstammung ein Teil des Persönlichkeitsrechts ist. Seit 1970 sind hierzulande 100.000 Kinder durch Samenspende gezeugt und geboren worden. Nur ein kleiner Teil weiß um ihre besonderen Zeugungsumstände. Deshalb reicht es nicht aus Auskunfts- und Aufbewahrungsfristen zu definieren und den Zugang zu medizinischen Informationen sicher zu stellen. Eltern müssen ermutigt werden, offen mit ihren Kindern über deren Abstammung zu sprechen.
04.02.2013 Kritik an Neuregelung der Prozesskostenhilfe
„Mit den geplanten Änderungen bei der Prozesskostenhilfe (17/11472) hat sich die Bundesregierung die Kritik der Opposition zugezogen.“ Mehr im Artikel in „Das Parlament“ vom 06.07.2013
01.02.2013 Pressemitteilung vom 01.02.2013: "Schwarz-gelb blockiert Mieterschutz auch im Bundesrat"
Pressemitteilung vom 01.02.2013: „Schwarz-gelb blockiert Mieterschutz auch im Bundesrat“
Schwarz-gelb blockiert Mieterschutz auch im Bundesrat
Zum heutigen Beschluss des Bundesrates zum Mietrechtsänderungsgesetz der Bundesregierung erklären die Bundestagsabgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen Daniela Wagner, Sprecherin für Bau- und Wohnungspolitik, und Ingrid Hönlinger, Obfrau im Rechtsausschuss:
Die Chance auf Verbesserung des Mietrechtsänderungsgesetzes durch ein von den rot-grün regierten Ländern angestrebtes Vermittlungsverfahren wurde vertan.
Nun werden unter dem Vorwand der energetischen Modernisierung die Rechte von Mieterinnen und Mietern unverhältnismäßig eingeschränkt. Zusätzlich wird sehenden Auges mit dem Mietminderungsausschluss auf drei Monate ein Systembruch im Mietrecht vollzogen. Wenn mietrechtliche Stellschrauben zu Gunsten der energetischen Modernisierung verstellt werden, müssen angesichts der vielerorts angespannten Situation auf den Wohnungsmärkten gleichzeitig die Mieterschutzrechte angepasst werden. Nur so ist eine gerechte Verteilung der Lasten möglich. Mieter- und Klimaschutz dürfen nicht gegeneinander ausgespielt, sondern müssen zusammengedacht werden. Ergänzend brauchen wir endlich ein Gesamtkonzept für die Umsetzung der Energiewende im Gebäudebereich, doch davon ist bei der Bundesregierung nichts zu erkennen.
Auch mit den Regelungen zu den „Mietnomaden“ schießt die Mietrechtsreform über das Ziel hinaus. So kann jetzt ein Mietvertrag ohne vorherige Abmahnung gekündigt werden, wenn der Mieter mit der Kaution im Zahlungsverzug ist. Damit werden Mieterrechte untergraben.
Außerdem führt die Reform mit der „Sicherungsanordnung“ ein problematisches neues Rechtsinstrument ein. Mit der Sicherungsanordnung kann ein Gericht schon vor dem Hauptsacheverfahren anordnen, dass der Mieter einen Geldbetrag hinterlegen muss, auf den der Vermieter nur möglicherweise einen Anspruch hat. Hinterlegt der Mieter das Geld nicht, so kann der Vermieter die Wohnung räumen lassen. Seinen Räumungsanspruch kann er durch eine einstweilige Verfügung durchsetzen, mit der bloßen Begründung, dass der Mieter das Geld nicht hinterlegt hat. Auf ein Verschulden des Mieters kommt es dabei gar nicht mehr an. So gibt es zwei Verfahren, nämlich die Anordnung der Sicherungsleistung und das Räumungsverfahren, aber keine Beweiserhebung. Vollendete Tatsachen werden geschaffen, ohne dass jemals ein Hauptsacheverfahren durchgeführt wurde. Der Mieter sitzt auf der Straße. Das schafft gerichtlich festgestellte Zahlungspflichten für Mieter, die auf nur kursorischer Prüfung und prognostizierten Erfolgsaussichten einer Klage basieren. Das ist ein systematischer Bruch im Zivilprozessrecht.
01.02.2013 Rede am 31.01.2013 zu "Rechte des leiblichen Vaters"
Frau/Herr Präsident/in, liebe Kolleginnen und Kollegen,
noch immer ist das deutsche Familienrecht auf das traditionelle klassisch-konservative Familienbild ausgerichtet. Aber nach und nach, angestoßen auch durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg, setzt sich, auch bei der Regierung, die Erkenntnis durch, dass es nicht nur ein einziges Familienbild gibt.
Ausgangspunkt unserer heutigen Debatte sind zwei Entscheidungen des
Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus den Jahren 2010 und 2011. Konkret geht es um Väter, die ihr Kind zwar gezeugt haben, aber nicht über die rechtliche Vaterstellung verfügen. Grund hierfür kann sein, dass die Vaterschaft des biologischen Vaters rechtlich nicht festgestellt ist. Grund hierfür kann auch sein, dass das Kind in eine Ehe hineingeboren wurde, in der die Mutter des Kindes mit einem anderen Mann lebt und dieser rechtlich als Vater des Kindes gilt.
Nach jetzigem deutschen Recht ist der biologische Vater, der keine enge Bezugsperson seines Kindes ist, kategorisch und ohne Prüfung des Kindeswohls vom Umgang mit seinem Kind ausgeschlossen. Das gilt auch dann, wenn ihm der Umstand, dass eine sozial-familiäre Beziehung zwischen Vater und Kind bisher nicht aufgebaut wurde, nicht zuzurechnen ist.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat festgestellt, dass die Bundesrepublik mit dieser Gesetzeslage gegen Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention verstößt. In seinen Entscheidungen hat der Gerichtshof einerseits die Rechte des biologischen Vaters gestärkt, andererseits aber auch festgestellt, dass die sozial-familiären Beziehungen, in denen das Kind lebt, schützenswert sein können. Es müsse immer genau geprüft werden, in welchem Verhältnis das Auskunfts- und Umgangsrecht des Vaters und das Wohl seines Kindes zueinander stehen.
Meine Damen und Herren, mit seiner Rechtsprechung hat uns der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine nicht ganz einfache Aufgabe aufgetragen: Das deutsche Recht muss gewährleisten, dass leibliche Väter, die nicht gleichzeitig auch rechtliche Väter sind, eine Beziehung zu ihren Kindern aufbauen können. Dennoch soll dabei kein Automatismus etabliert werden, sondern die Betrachtung des Einzelfalls im Vordergrund stehen.
Der Gesetzentwurf, über den wir heute debattieren, will die Rechtsstellung des biologischen Vaters stärken. Dem Vater werden unter bestimmten Umständen ein Umgangsrecht und ein Auskunftsrecht über die persönlichen Verhältnisse seines Kindes eingeräumt. Zusätzlich wird für diese Fälle ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren eröffnet.
Damit ist die Bundesregierung auf dem richtigen Weg. Unter Berücksichtigung des Kindeswohles muss das deutsche Recht gewährleisten, dass auch außenstehende biologische Väter eine Beziehung zu ihren Kindern aufbauen können. Im Vordergrund muss in allen Fällen das Kindeswohl stehen.
Ob und inwiefern die Regelungen des Gesetzentwurfs angemessen sind, werden wir im weiteren Gesetzgebungsverfahren, an dem wir uns konstruktiv beteiligen werden, zu beurteilen haben.
Nach derzeitigem Stand stellen sich noch viele Fragen zu den Einzelheiten. Die unbestimmten Formulierungen im Gesetzesentwurf sollen zwar der Berücksichtigung des Einzelfalles dienen; sie können aber auch zu Rechtsunsicherheit führen. Auch bin ich mir nicht sicher, ob die Neuregelungen sich in das Gesamtgefüge der familienrechtlichen Regelungen einfügen, ohne neue Widersprüche aufzuwerfen.
Meine Damen und Herren, unabhängig von der konkreten Ausgestaltung freuen wir Grünen uns aber noch aus einem anderen Grund auf die Diskussion über den Gesetzentwurf:
Die Formen familiären Zusammenlebens haben sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Mehrelternkonstellationen gibt es nicht nur in den Fällen, in denen es einen biologischen und einen rechtlichen Vater gibt. In einer kontinuierlich wachsenden Anzahl von Familien wachsen Kinder mit mehreren Eltern auf. In Patchwork- oder Regenbogenfamilien mit biologischen und sozialen Elternteilen haben Kinder regelmäßig mehr als zwei Elternteile. Einen ausreichenden rechtlichen Rahmen gibt es für diese Familienbeziehungen bisher nicht. Dies stellt viele Familien vor ganz praktische Probleme.
Heute haben wir hier im Bundestag die Reform des Sorgerechts für nicht miteinander verheiratete Eltern beschlossen. Väter, die nicht mit der Mutter ihres Kindes verheiratet sind, können jetzt niedrigschwellig einen Antrag auf Mitübertragung der elterlichen Sorge stellen. Das ist eine Reform, die längst überfällig war.
Mit dem Gesetz zur Stärkung der Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen
Vaters machen wir den nächsten Schritt hin zu einem moderneren Familienrecht. Damit passen wir das Recht ein kleines Stück mehr an die gesellschaftlichen Realitäten an. Weitere Schritte müssen folgen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
01.02.2013 Rede am 31.01.2013 zu "Erbrecht nichtehelicher und adoptierter Kinder"
Frau Präsidentin/ Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,
der Gesetzentwurf zum Schutz des Erbrechts und der Verfahrensbeteiligungsrechte nichtehelicher und einzeladoptierter Kinder im Nachlassverfahren, über den wir heute beraten, liest sich in Teilen wie ein Stück deutscher Geschichte.
Lange Zeit über wurden nichteheliche Kinder wie Kinder zweiter Klasse behandelt. Glücklicherweise sind nichteheliche Kinder, die nach dem 01.07.1949 geboren sind, seit 2011 den ehelichen Kindern auch im Erbrecht gleichgestellt.
Bis hierhin war es ein weiter Weg. Der Gesetzentwurf, den wir heute beraten, trägt nun dazu bei, dass nichteheliche und adoptierte Kinder, ihre Erbansprüche auch durchsetzen können.
Warum ist das notwendig?
Aufgrund einer Gesetzeslücke ist derzeit nicht sichergestellt, dass die Nachlassgerichte von den nichtehelichen Kindern eines Erblassers erfahren. Es droht die Ausstellung unrichtiger Erbscheine.
Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Eheliche Kinder werden in das Familienbuch ihrer verheirateten Eltern eingetragen. Für nichteheliche und auch adoptierte Kinder wurden bisher sogenannte „weiße Karteikarten“ erstellt. Im Falle des Todes einer Person, deren Erbe das nichteheliche oder adoptierte Kind war, wurden die „weißen Karteikarten“ an das zuständige Nachlassgericht weitergegeben. Grundlage war Verwaltungsvorschrift. Die ist im Jahr 2010 weggefallen. Seitdem fehlt es an einer Rechtsgrundlage dafür, dass das Geburtsstandesamt eines Kindes das Nachlassgericht automatisch über die Existenz eines nichtehelichen oder adoptierten Kindes unterrichtet.
Diese Lücke im Verfahren müssen wir schnellstmöglich schließen. Jeder Erbin und jedem Erben soll ihr beziehungsweise sein Erbrecht gewährleistet werden.
Das Gesetz, über das wir heute debattieren, schlägt folgenden Weg vor:
2010 wurde die Einführung eines Zentralen Testamentsregisters bei der Bundesnotarkammer beschlossen. Die Bundesnotarkammer überführt nun Verwahrungsnachrichten aus den Standesämtern in das Zentrale Testamentsregister und erfasst sie elektronisch.
Dieser Überführungsprozess soll nun auch für die Überführung der Daten genutzt werden, die auf den sogenannten „weißen Karteikarten“ niedergelegt sind. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Daten von den „weißen Karteikarten“ aus den Standesämtern in das Zentrale Testamentsregister der Bundesnotarkammer überführt werden. Stirbt ein Elternteil eines dort registrierten Kindes soll die Registerbehörde dann das zuständige Nachlassgericht benachrichtigen.
Dieses vom Bundesrat vorgeschlagene Verfahren halten auch wir Grünen für geboten und angemessen. Mit den Änderungen, die im Änderungsantrag der Koalition vorgesehen sind, wird der Ansatz des Bundesrates konsequent weiterentwickelt: Durch einen Verweis auf die Testamentsregister-Verordnung wird bestimmt, welche Daten zu überführen sind und der untechnische Begriff der „weißen Karteikarten“ vermieden. Außerdem wird klargestellt, dass die Übergabe der Daten grundsätzlich in landeseigener Verwaltung zu erfolgen hat. Die Bundesnotarkammer kann aber von den Ländern und auf deren Kosten im Wege der Organleihe mit dieser Aufgabe betraut werden.
Meine Damen und Herren, wir dürfen hier nicht noch mehr Zeit verstreichen lassen. Schon seit 2010 kann es vorkommen, dass Kinder eines Erblassers unberücksichtigt bleiben. Nicht in allen Fällen haben Kinder Kontakt zum Erblasser und melden sich dann im Falle dessen Todes beim zuständigen Nachlassgericht. Die genauen Abläufe zwischen Standesamt und Nachlassgericht und die Verfahrensänderungen sind in der Bevölkerung so gut wie unbekannt. Dennoch verlassen sich alle Kinder, Väter und Mütter darauf, dass im Erbfall die Behörden untereinander vernetzt sind und die relevanten Informationen an das Nachlassgericht weitergeben. Dies gilt für alle Familien, unabhängig davon, ob die Erben ehelich oder nichtehelich geboren oder adoptiert sind.
Die im Gesetzentwurf und im Änderungsantrag vorgeschlagene Lösung halten wir Grünen für sinnvoll. Wir werden dem Gesetzentwurf zustimmen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
01.02.2013 Rede am 31.01.2013 zu "Kostenrechtsmodernisierungsgesetz"
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
In diesem Hohen Hause besteht mit Sicherheit großer Konsens darüber, dass der Zugang zum Recht zur demokratischen Grundversorgung jeder Bürgerin und jedes Bürgers gehört. Um den Zugang zum Recht zu gewährleisten, muss es eine funktionsfähige Justiz geben. Diese bereitzustellen, und zwar für alle Mitbürgerinnen und Mitbürgern, das ist Aufgabe des Staates.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir debattieren heute über sechs Gesetzentwürfe, bei denen es, kurz gesagt, um Kosten und um Finanzierung geht. Ihre Umsetzung soll dazu führen, dass die Länder aufgrund der Neugestaltung der Gerichtskosten 177 Millionen Euro und aufgrund der Erhöhung der Gerichtsvollziehergebühren weitere 53 Millionen Euro Mehreinnahmen erzielen. Diese Erhöhungen orientieren sich an der Steigerung der allgemeinen Lebenshaltungskosten. Das ist vernünftig. Deshalb kann ich hier mit meiner Fraktion gern zustimmen.
(Beifall des Abg. Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Nun kommt aus dem Bundesrat zusätzlich der Vorschlag, dass eine neue Gebühr für Gerichtsvollzieher eingeführt wird, eine sogenannte Erfolgsgebühr. Meine Damen und Herren, Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher führen die staatliche Aufgabe der Zwangsvollstreckung aus. Sie dürfen Wohnungen betreten und unter Umständen sogar körperliche Gewalt anwenden. Zu dieser hoheitlichen Aufgabe passen Erfolgsgebühren nicht. Sie könnten den Eindruck vermitteln, dass die Gerichtsvollziehergebühren im Vordergrund stehen und nicht die Durchsetzung einer gerichtlich festgestellten Forderung. Mit diesem Vorschlag können wir Grüne uns deshalb nicht einverstanden erklären.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Mit einem weiteren Gesetz, über das wir heute auch debattieren, sollen die Gebühren der Rechtsanwältinnen und -anwälte, der Notare und Notarinnen sowie die Honorare der Sachverständigen und der Dolmetscher und Übersetzerinnen an die wirtschaftliche Entwicklung angepasst werden. Die Notargebühren wurden im Jahr 1986 zuletzt erhöht. Die Anwaltsgebühren wurden zuletzt im Jahr 2004 verändert. Es ist deshalb angemessen, auch diese Gebühren neu zu regeln.
Einige Berufsgruppen werden aber in Ihrem Gesetz nicht ausreichend berücksichtigt. Die Vergütung der Übersetzerinnen und der Sachverständigen sollte noch einmal überdacht werden. Auch sollten die Gebührenstreitwerte im Asylverfahren den Werten im Ausländerrecht angepasst werden. Bei beiden Verfahrensarten ist der Arbeitsaufwand der gleiche. Es geht um den Aufenthalt von Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit in Deutschland und damit um schwierige menschliche Schicksale. Es gibt keinen sachlichen oder juristischen Grund, hier mit zweierlei Maß zu messen, meine Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Jetzt komme ich zu den Gesetzentwürfen, die die Änderungen im Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferecht betreffen. Frau Kollegin Voßhoff, das ist bestimmt auch interessant für Ihre Fraktion. Denn eines ist klar: Ein Gerichtsverfahren kostet Geld. Wer sich einen Anwalt oder ein Gerichtsverfahren finanziell nicht leisten kann, muss staatliche Hilfe in Anspruch nehmen können. Wir gewährleisten das mit der Beratungshilfe und mit der Prozesskostenhilfe. Doch während die Lebenshaltungskosten im Bundesgebiet steigen, wollen die Bundesregierung und der Bundesrat die Prozesskostenhilfe und die Beratungshilfe einschränken. Durch Ihre Vorschläge, meine Damen und Herren, wird der Zugang zum Recht erheblich erschwert.
Ich nenne Ihnen hierfür drei ganz einfache, aber zentrale Gründe.
Erstens. Rechtsuchende, deren Einkommen über den Sozialleistungen liegt, sollen mehr Geld für rechtlichen Beistand bezahlen. Wen trifft diese Neuregelung? ‑ Sie betrifft vor allem alleinerziehende Frauen, prekär Beschäftigte oder Erwerbslose. Das thematisieren die Gewerkschaft Verdi und eine Petition an den Bundestag zu Recht. Wer wenig Einkommen hat, wird sich dann dreimal überlegen, ob er oder sie unter diesen Bedingungen einen Prozess riskiert. Das, meine Damen und Herren, schreckt Rechtsuchende davon ab, ihr Recht in Anspruch zu nehmen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Zweitens. Das Gericht soll eine einmal bewilligte Prozesskostenhilfe aufheben können, soweit ein Antrag auf Beweiserhebung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Das verstößt gegen den Grundsatz der nicht vorwegzunehmenden Beweiswürdigung im Zivilprozess. Genau das ist nicht vorgesehen im Zivilprozess. Auch dieser Vorschlag von Ihnen verschlechtert die Prozesschancen der finanziell schlechtergestellten Partei.
Drittens. Prozesskostenhilfe wird vor allem in den Bereichen Familienrecht, Arbeitsrecht und Sozialrecht beantragt. Hier geht es um Unterhalt, die Arbeitsstelle oder Sozialleistungen. Gerade für Menschen mit geringem Einkommen ist es wichtig, sich auch in diesen elementaren Bereichen verteidigen zu können. Die geplante Einschränkung der Prozesskostenhilfe verschiebt aber die Chancen der Rechtsverfolgung zugunsten des finanziell Bessergestellten.
Mit diesem Gesetzesvorhaben erschweren Sie, meine Damen und Herren von Bundesregierung und von Bundesrat, finanziell schwächeren Bürgerinnen und Bürgern das Recht auf rechtliche Vertretung. Wir Grünen lehnen das ab. Mit uns Grünen gibt es nur eine Rechts- und Justizpolitik mit sozialem Augenmaß.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jens Petermann (DIE LINKE): Da sind wir uns einig, Frau Kollegin!)
Um die Justizhaushalte wirklich zu entlasten, ist es sinnvoller, die außergerichtliche Streitbeilegung zu stärken. Mit den Stimmen aller Fraktionen hier im Bundestag haben wir in dieser Legislaturperiode das Mediationsgesetz verabschiedet. Darin haben wir vorgesehen, dass Bund und Länder erforschen können, wie die Länder mit Mediation die Gerichte auch finanziell entlasten können. Deshalb sollten sich möglichst schnell möglichst viele Bundesländer an den Forschungsvorhaben beteiligen. Das wäre wirklich innovativ.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Rechte, meine Damen und Herren, sind nur dann wirkungsvoll, wenn die Bürgerinnen und Bürger sie auch durchsetzen können. Dazu brauchen sie im Einzelfall anwaltliche oder gerichtliche Hilfe. Mit dem Gesetz zur Prozesskosten- und Beratungshilfe schaffen Sie eine Zweiklassenjustiz. Wir Grünen können das nicht akzeptieren. Nach unserer Überzeugung muss der Zugang zum Recht allen Menschen offenstehen, unabhängig von ihrem Einkommen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
31.01.2013 Rede am 31.01.2013 zu "Änderung versicherungsrechtlicher Vorschriften"
Frau/Herr Präsident/in, liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir debattieren heute über einen ganzen Strauß von neuen Vorschriften im Bereich des Versicherungsrechts. Diese Neuregelungen sollen den Versicherten mehr Rechte verleihen. Das begrüßen wir Grünen.
Wenn eine Kfz-Haftpflichtversicherung sich in der Insolvenz befindet, sollen Versicherungsnehmerinnen und Versicherungsnehmer besser vor existenzbedrohenden Schadensersatzansprüchen nach einem Unfall geschützt werden. Krankenversicherte sollen selbst – und nicht nur über den Rechtsanwalt oder die Ärztin – bei ihrer privaten Krankenkasse Einsicht in Gutachten oder Stellungnahmen nehmen können, wenn die Notwendigkeit einer Heilbehandlung geprüft wird. Zusätzlich haben privat Versicherte mehr Zeit ihre Krankenversicherung zu kündigen, wenn die Beiträge erhöht werden.
Meine Damen und Herren, Versicherungen tragen dazu bei, finanzielle Lebensrisiken für den und die Einzelne abzusichern. Das ist eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe.
Besonders gut ist das Verhältnis zwischen Versicherung und Versicherten dann, wenn es ausgewogen ist. Deshalb ist es wichtig, dass beide Seiten starke Rechtspositionen haben und diese Rechte auch effektiv durchsetzen können.
Hier weist der Regierungsentwurf eine empfindliche Schwäche auf:
Die Bundesregierung will einen Auskunftsanspruch der privat Versicherten gegenüber ihren Krankenversicherungen einführen. Privat Versicherte sollen bei größeren Heilbehandlungen von ihrer Versicherung im Vorhinein Auskunft darüber verlangen dürfen, ob diese die Kosten der Behandlung übernimmt. In dringenden Fällen hat die Versicherung unverzüglich die Auskunft zu erteilen.
Die Regelung dieses Auskunftsanspruchs ist erforderlich, weil es immer wieder Fälle gibt, in denen Versicherungsnehmer so lange auf die Antwort ihrer Versicherung warten müssen, dass die Behandlung schon fast zu spät erfolgt. Im schlimmsten Fall tragen die Betroffenen dann irreparable Schäden davon.
Der Haken am neuen Auskunftsanspruch ist aber, dass der Gesetzentwurf der Regierung keine verbindliche Auskunft der Versicherung vorsieht. Das heißt: Der Versicherte bekommt eine Auskunft des Versicherungsunternehmens über die Kostenübernahme, kann sich aber nicht darauf verlassen, dass die Versicherung die Kosten anschließend tatsächlich übernimmt. – Und das ist nicht nur meine Einschätzung, meine Damen und Herren. Diese Interpretation teilt auch der Bundesrat.
Die Bundesregierung gibt zwar an, dass die Zusage der Versicherung verbindlich sei, wenn diese eine abschließende Bewertung anhand aller Unterlagen vorgenommen habe. Aber das schreibt sie nicht ins Gesetz. Der Vorgängerentwurf, der Referentenentwurf, hatte die Verbindlichkeit noch ausdrücklich beinhaltet. Und auch in der Gesetzesbegründung steht nicht, dass eine Zusage verbindlich ist. Ich zitiere Seite 13 des Gesetzentwurfs: „Legt der Versicherungsnehmer Unterlagen vor, muss der Versicherer in seiner Antwort im Sinne einer gesteigerten Darlegungslast auf die Unterlagen eingehen; die Antwort erlangt einen höheren Grad an Verbindlichkeit.“
Da frage ich mich: Was ist ein höherer oder niedrigerer Grad an Verbindlichkeit?
Meine Damen und Herren Kollegen, hier gibt es nur ein „Entweder/Oder“: Entweder ist eine Auskunft verbindlich oder sie ist es nicht.
Und es kommt noch schlimmer: Bleibt der Gesetzestext so, wie er jetzt ist, wäre es letztendlich für den Versicherten besser, er erhielte gar keine Antwort von seiner Versicherung. In diesem Fall greift nämlich nach Ablauf der Frist zur Antwort die gesetzliche Vermutung ein. Das bedeutet, es wird vermutet, dass die beabsichtigte Heilbehandlung notwendig ist und damit die Krankenversicherung die Kosten übernehmen muss. Um diese Vermutung zu widerlegen, muss dann die Versicherung beweisen, dass die Behandlung nicht notwendig war.
Im Klartext heißt das: Der Versicherte, der von seiner Versicherung keine Auskunft erhalten hat, hat im Prozess eine stärkere Position als die Versicherte, die eine unverbindliche Auskunft bekommen hat. Bei der unverbindlichen Auskunft trägt nämlich der Versicherte die Beweislast dafür, dass seine Versicherung zur Zahlung der Behandlungskosten verpflichtet ist.
Rechtsstreitigkeiten über die Verbindlichkeit einer Auskunft der Krankenversicherung sind damit vorprogrammiert. Das aber muss eine solide Rechtspolitik vermeiden. Ihr Anspruch muss sein, Rechtsstreitigkeiten vorzubeugen, nicht aber sie erst zu verursachen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
31.01.2013 "Wenn der Prozess zu teuer wird" - einkommensschwache Bürger werden benachteiligt
Artikel in den Stuttgarter Nachrichten
Zum Link
23.01.2013 Artikel in "Das Parlament" vom 21.01.2013
Freiheit oder Verantwortung
Patientenrechte: Umstrittenes Gesetz ermöglich erneut Zwangsbehandlung psychisch Kranker
10.01.2013 "Korruption wirksam bekämfpen" - unser neuer Flyer ist online
„Korruption wirksam bekämfpen“ – unser neuer Flyer ist online
Auf internationalem Parkett macht sich Deutschland für den Kampf gegen die Korruption stark. Die Bundesregierung pocht darauf, dass andere Staaten internationale Vorgaben einhalten. Doch sie selbst misst mit zweierlei Maß. Die schwarz-gelbe Koalition blockiert alles, was eine effektive Korruptionsbekämpfung innerhalb Deutschlands voranbringen könnte.
Wir wollen eine neue und nachhaltige Kultur der Transparenz und Offenheit von Entscheidungsprozessen schaffen. Dazu gehört auch die weitere Stärkung der Informationsfreiheit. Wir müssen in die Zukunft gerichtet denken, das heißt vorbeugend tätig werden. Es genügt nicht, nur in den Bereichen gegen Korruption vorzugehen, die vermeintlich am anfälligsten sind. Wir wollen die Wahrnehmung und das Bewusstsein aller – jeder Bürgerin und jedes Bürgers – gegenüber Korruption schärfen.
12.12.2012 Persönliche Erklärung von Ingrid Hönlinger zu „Entwurf eines Gesetzes über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes“
Persönliche Erklärung von Ingrid Hönlinger zu „Entwurf eines Gesetzes über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes“
In der Folge des Urteils des Kölner Landgerichts vom 07. Mai 2012, in dem die Beschneidung eines Jungen als rechtswidrige Körperverletzung gewertet wurde, kam es zu großen Verunsicherungen, zum einen bei jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, zum anderen bei Ärztinnen und Ärzten. Dem Urteil kommt weit über die Religionsgemeinschaften und Fachkreise hinaus große Aufmerksamkeit zu. Dies geschieht aus gutem Grund, denn betroffen sind mehrere grundrechtssensible Bereiche.
Der Staat muss auf diese Verunsicherungen reagieren und Rechtssicherheit schaffen. Dabei hat er die schwierige und verantwortungsvolle Aufgabe, sowohl die körperliche Unversehrtheit jedes Einzelnen zu schützen als auch die Religionsfreiheit zu gewährleisten und außerdem das Elternrecht auf Erziehung zu berücksichtigen.
Muslimisches und jüdisches religiöses Leben müssen in Deutschland weiterhin möglich sein. Gleichzeitig müssen wir sicherstellen, dass Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit nur in begründeten Fällen zulässig sind und vor allem medizinisch korrekt und ohne unnötige Schmerzen durchgeführt werden.
Vor einigen Monaten hatte ich dafür plädiert, eine intensive, vielschichtige und facettenreiche Diskussion zu führen und nicht vorschnell zu Lasten des einen oder anderen Grundrechtes zu entscheiden. Mir war es wichtig, das Gespräch mit Vertreterinnen und Vertretern der Religionsgemeinschaften, Medizinerinnen und Medizinern und anderen Fachleuten zu suchen, alle Argumente abzuwägen und auszuwerten, alle möglichen Blickwinkel einzunehmen und auch die Konsequenzen zu berücksichtigen, die die verschiedenen Möglichkeiten mit sich bringen. In den vergangenen Monaten habe ich gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen im Bundestag auf verschiedenen Ebenen diese Gespräche gesucht und geführt. In einem Fachgespräch der grünen Bundestagsfraktion und in verschiedenen Einzelgesprächen habe ich mich umfassend informiert.
Das Bundesjustizministerium hat einen Entwurf vorgelegt, der aus meiner Sicht in die richtige Richtung geht. Ich finde es richtig, eine Regelung im Familienrecht zu treffen und nicht im Strafrecht.
Hinsichtlich der Beachtung des Kindeswillens gibt es allerdings Verbesserungsmöglichkeiten. Ich meine, dass einsichts- und urteilsfähige Jungen selbst in die Beschneidung einwilligen müssen. Voraussetzung für die Wirksamkeit einer solchen Einwilligung ist, dass der betroffene Junge vor der Beschneidung umfassend durch denjenigen über den Eingriff aufgeklärt wird, der den Eingriff vornimmt. Äußert sich der Junge ablehnend gegenüber dem bevorstehenden Eingriff, darf die Beschneidung nicht durchgeführt werden. Damit das Kindeswohl optimale Berücksichtigung finden kann, ist weiterhin erforderlich, dass auch ein Junge, der noch nicht im Rechtssinne einsichts- und urteilsfähig ist, seine Beschneidung ablehnen kann.
Vor allem aber halte ich den im Regierungsentwurf vorgesehenen Ausnahmezeitraum, wonach in den ersten sechs Monaten nach der Geburt auch nichtärztliche Beschneiderinnen und Beschneider eine Beschneidung durchführen dürfen, für zu lang. Diese dürfen, anders als Ärztinnen oder Ärzte, keine Narkosemittel einsetzen. Sie arbeiten mit schmerzlindernden Salben und Zäpfchen. Das Narkoserisiko ist nach ärztlicher Auskunft gerade in den ersten vierzehn Tagen nach der Geburt eines Kindes sehr hoch, so dass bei der Beschneidung in dieser Zeit grundsätzlich keine Narkosen erfolgen. Nach Ablauf von vierzehn Tagen kann nur noch ein Arzt oder eine Ärztin die Abwägung zwischen Narkose- und Schmerzrisiko vornehmen. Deshalb halte ich es für richtig, die Frist für die Tätigkeit nichtärztlicher Beschneiderinnen und Beschneider auf vierzehn Tage nach der Geburt des Kindes zu begrenzen.
Ich stimme deshalb dem Änderungsantrag Nr. 17/11816 zu und enthalte mich bei der Abstimmung über den Gesetzentwurf der Bundesregierung.
21.11.2012 Bundestags-Rede zum Justizhaushalt am 20.11.2012
Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Frau Ministerin,
eine Haushaltsrede hat immer mit Geld und mit Finanzen zu tun.
(Dr. Günter Krings (CDU/CSU): Bisher war es richtig!)
Ich rede heute über 250 Milliarden Euro. 250 Milliarden Euro ‑ so hoch ist der Schaden, den Korruption im Jahr 2012 für die deutsche Wirtschaft verursacht. Diese Schadenssumme hat der Wirtschaftswissenschaftler Friedrich Schneider aus dem österreichischen Linz errechnet. Der Schaden besteht vor allem darin, dass bei der Vergabe von Aufträgen nicht immer derjenige Anbieter zum Zug kommt, der das beste und günstigste Angebot macht. Hierdurch wird das Wirtschaftswachstum gehemmt, und die Steuereinnahmen sinken.
Was können wir dagegen tun? Bereits im Jahr 2003 hat die Bundesrepublik ‑ wir hatten damals eine rot-grüne Regierung ‑ die UN-Konvention gegen Korruption unterzeichnet. 161 Staaten dieser Welt haben die Konvention inzwischen ratifiziert. Nur wenige Staaten haben sie noch nicht gesetzlich umgesetzt. Dazu gehört auch Deutschland.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ‑ Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Schande!)
Das, meine Damen und Herren, ist blamabel.
(Christian Lange (Backnang) (SPD): Richtig!)
Bei dieser Frage bleibt die schwarz-gelbe Regierung auf dem Niveau von Sudan und Nordkorea; denn diese Regierung verweigert noch immer die Ratifikation der UN-Konvention ‑ und das, obwohl sogar führende Vertreter der deutschen Wirtschaft die Bundesregierung zur Ratifikation auffordern.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)
Meine Damen und Herren von der Regierungsbank, für diese Verweigerungshaltung haben Sie nur einen einzigen Grund. Sie müssten nämlich die Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung ausweiten. Das wollen Sie offenbar um jeden Preis vermeiden.
(Dr. Günter Krings (CDU/CSU): „Ausweiten“ ist schon einmal ein richtiger Begriff!)
Dabei ist ein Gesetz, das Abgeordnetenbestechung im Sinne der UN-Konvention unter Strafe stellt, kein Ding der Unmöglichkeit. Wir Grüne haben hierzu schon längst unsere Vorschläge vorgelegt. Auch Bundestagspräsident Lammert hat jüngst einen eigenen Vorschlag zur Umsetzung der Konvention unterbreitet.
(Christian Lange (Backnang) (SPD): Genau!)
Es ist Zeit, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir international endlich klare Kante gegen Korruption zeigen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Korruption ist nicht nur ein monetäres Problem. Korruption untergräbt unseren Rechtsstaat und damit unsere Demokratie.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Es gibt noch weitere Initiativen, die das Bundesjustizministerium dringend anstoßen müsste. So brauchen wir in Deutschland endlich ein bundesweites Korruptionsregister. Dieses Register soll Unternehmen benennen, die wirtschaftskriminell auffällig geworden sind. Das ist dann gewissermaßen eine Liste der schwarzen Schafe auf der grünen Wiese der deutschen Unternehmenswelt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Bund Länder und Gemeinden vergeben jährlich Aufträge im Wert von mehreren Hundert Milliarden Euro an private Unternehmen. Hiervon profitieren auch korrupte Unternehmen, weil die Vergabebehörden keine Kenntnis von deren Aktivitäten haben.
(Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU): Das stimmt doch gar nicht!)
Die ehrlichen, integren Konkurrenzunternehmen haben das Nachsehen. Das kann nicht sein, meine Damen und Herren. Das ehrliche Unternehmen, der ehrliche Familienbetrieb, darf nicht der Verlierer bei öffentlichen Aufträgen sein. Öffentliche Auftraggeber müssen besser erkennen und steuern können, welche Unternehmen sie beauftragen. Ein Korruptionsregister würde dazu beitragen, den fairen Wettbewerb zu erhalten. Hiervon profitieren wir alle.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Doch auch hier verweigert diese Bundesregierung, die sich doch sonst so gerne als wirtschaftskompetent preisen lässt, eine ordentliche gesetzliche Regelung.
(Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU): Wer hat Ihnen das eigentlich aufgeschrieben?)
Noch ein Weiteres ist mir wichtig: Menschen, die Korruption aufdecken, verdienen den Schutz und den Respekt unseres Staates. Wir brauchen endlich ein Gesetz, das Whistleblower besser schützt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Die Bundesregierung hat im Herbst 2010 im Rahmen der G‑20-Staaten vollmundig angekündigt, sie werde bis Ende 2012 Regeln zum Whistleblower-Schutz erlassen und auch umsetzen.
(Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da hat sie ja noch einen Monat Zeit!)
Heute haben wir den 20. November 2012, und von einem Gesetz zum Schutz von Whistleblowern ist weit und breit nichts zu sehen.
(Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die machen das im Omnibusverfahren!)
Das zeigt: In der Rechtspolitik nimmt es diese Bundesregierung mit der Umsetzung von Zusagen und Versprechen, die sie auf internationaler Ebene gegeben hat, nicht so genau.
Meine Damen und Herren von der Regierungsbank, mit Ihrer Blockadehaltung in Sachen Korruptionsbekämpfung gefährden Sie das Ansehen Deutschlands in der Welt. Sie haben bei der juristischen Bekämpfung der Korruption nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Damit fügen Sie Wirtschaft und Staat Schaden zu. Außerdem lassen Sie couragierte Bürgerinnen und Bürger, die Korruptionsskandale aufdecken, im Stich.
Es wird höchste Zeit, dass wir nächstes Jahr mit einer rot-grünen Regierung die Bekämpfung der Korruption energisch in die Hand nehmen.
(Zuruf von der CDU/CSU: War das eine Koalitionsaussage? ‑ Gegenruf des Abg. Christian Lange (Backnang) (SPD): Wenn es geht, schon!)
Das werden wir tun. Darauf können Sie sich verlassen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)
19.11.2012 Kreismitgliederversammlung in Singen: Hönlinger diskutiert mit den Kreismitgliedern über die Neuordnung des Verfassungsschutzes in Deutschland
Zum Artikel im Südkurier
12.11.2012 Ingrid Höninger in der Talkshow "Deutschland akut" beim Sender N24 „Rosenkrieg und Patchworkglück – was können wir Kindern zumuten?“
50 Prozent aller Ehen werden innerhalb der ersten sieben Jahre wieder geschieden. Über die Hälfte der Väter und Mütter hat bereits nach einem Jahr wieder einen neuen Partner. Die Patchworkfamilie wird in den Medien als Zukunftsmodell gepriesen. Indes sind Scheidungskinder deutlich im Nachteil: Sie werden im Durchschnitt häufiger depressiv, konsumieren mehr Drogen und Alkohol und lassen sich später doppelt so oft scheiden wie andere Kinder.
Zum Video
22.10.2012 Sachverständige bestätigen Grüne bei den Patientenrechten
Zu dem Gesetzentwurf der Koalition zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten und der Anhörung vom 22.10.2012 erklären Maria Klein-Schmeink, Sprecherin für Patientenrechte und Prävention und Ingrid Hönlinger, Obfrau im Rechtsausschuss:
Es ist bezeichnend, dass ein Großteil der Sachverständigen deutlichen Verbesserungsbedarf gerade hinsichtlich der Stellung von Patientinnen und Patienten sieht, die einen gesundheitlichen Schaden durch eine Behandlung erlitten haben. Bleibt es bei den Vorschlägen der Koalitionsfraktionen wird weiterhin gelten: nur wer reich, rechtschutzversichert und risikobereit ist, kann vor Gericht ein zivilrechtliches Verfahren auf Entschädigung riskieren.
Unser Vorschlag einer regelmäßigen Beweiserleichterung für Patientinnen und Patienten, bei denen nachweislich ein Gesundheitsschaden und ein Behandlungsfehler vorliegen, wurde von vielen Seiten unterstützt. Patientinnen und Patienten sollten als medizinische Laien nicht auch noch nachweisen müssen, dass der Behandlungsfehler eindeutig Ursache des Gesundheitsschadens war. An dieser Hürde scheitern heute viele Verfahren, weil dieser Nachweis oft nur schwer gelingt. Hier sollte Ärztin und Arzt widerlegen müssen, dass ein Behandlungsfehler nicht Ursache für den Gesundheitsschaden ihrer Patienten gewesen ist.
Auch unsere Forderung nach einem Härtefallfonds wird von vielen Seiten unterstützt.
Dieser Entschädigungsfonds soll sich ergänzend zum Arzthaftungsrecht auf die Fälle beschränken, bei denen Patientinnen und Patienten einen schweren gesundheitlichen Schaden erlitten haben, ein ärztlicher Behandlungsfehler aber nicht eindeutig ist. Der Widerstand insbesondere von Seiten der FDP kann sich auf kein vernünftiges Argument stützen, insbesondere ist der Einwand falsch damit würde das bisherige Haftungsverfahren aufgegeben. Es handelt sich vielmehr um eine Ergänzung. Damit kann Menschen in einer existentiell belastenden Situation geholfen werden und eine schnelle unbürokratische Unterstützung ermöglicht werden.
Die eigenständige Regelung des Behandlungsvertrags im Bürgerlichen Gesetzbuch ist überfällig. Der vorliegende Gesetzesentwurf bringt aber die notwendigen Verbesserungen für die Patienten und die Versicherten nicht. Wir werden deshalb auch an vielen weiteren Stellen im Gesetzgebungsverfahren noch Korrekturen und Verbesserungen einfordern, wie etwa bei der Patienteninformation, der Wahrung der Rechte psychisch Kranker, der Rechte bei den IGeL- Leistungen und auch beim Patientenschutz.
15.10.2012 Pressemitteilung vom 15.10.2012 zur Mietrechtsnovelle der Bundesregierung
Mietrechtsnovelle der Bundesregierung – Chance auf klimafreundliches und bezahlbares Wohnen vertan
Zur heutigen öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss über die Mietrechtsnovelle der Bundesregierung erklären Daniela Wagner, Sprecherin für Baupolitik und Ingrid Hönlinger, Obfrau im Rechtsausschuss:
Die Stellungnahmen der Sachverständigen bestätigen unsere Befürchtungen, dass MieterInnenrechte unter dem Deckmantel des Klimaschutzes und der Bekämpfung von „Mietnomaden“ unverhältnismäßig eingeschränkt werden. Damit verpasst die Bundesregierung die Chance auf eine klimafreundliche und bezahlbare Energiewende im Wohngebäudebereich.
Bereits heute haben wir nicht nur in Wachstumsregionen Verknappungstendenzen auf den Wohnungsmärkten und verstärkte Verdrängungstendenzen gegenüber einkommensschwachen Haushalten. Das belegt der Bericht über die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft 2012 der Bundesregierung eindeutig: So stiegen die Mieten bspw. in Freiburg um 8,1 % und in Greifswald um 10,4 %. Die bundesweite Mietpreissteigerung in 2011 betrug 2,9 Prozent und lag damit deutlich über der allgemeinen Preissteigerung. Weitere Erhöhungen sind zu befürchten, wenn die Mieterhöhungsmöglichkeiten nicht auf die zentralen Zukunftsfelder (energetische Sanierung, altersgerechter Umbau) ausgerichtet und gleichzeitig abgesenkt werden. Nur damit werden überflüssige Luxussanierungen nicht in unverhältnismäßiger Weise dem Mieter aufgebürdet. Deswegen wollen wir die Modernisierungsumlage von 11 auf 9 Prozent absenken und auf die energetische Sanierung sowie den altersgerechten Umbau konzentrieren. Wir haben in einem eigenen Antrag unser Gesamtkonzept vorgelegt und zeigen, dass Klimaschutz und Mieterschutz zusammengedacht werden können und nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen.
Zum Vorgehen gegen Mietnomaden werden Regelungen getroffen, die Auswirkungen zu Lasten aller Mieter haben können. Die neu eingeführte Sicherungsanordnung, mit der der Mieter zur Hinterlegung einer Geldsumme verpflichtet wird, kann gravierende Folgen für den Mieter haben: Zahlt der Mieter auf die Sicherungsanordnung hin nicht, kann der Vermieter ein Räumungsurteil erwirken, ohne dass das Gericht eine abschließende Entscheidung über das tatsächliche Bestehen der Ansprüche des Vermieters getroffen hätte. Das ist ein tiefer Eingriff in die Prinzipien des Zivilprozessrechts, der nicht mit vereinzelten Fällen von Mietnomadentum gerechtfertigt werden kann.
28.09.2012 Rede im Bundestag am 28.09.2012 zu "Rechte von PatientInnen"
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Das Patientenrechtegesetz wird durch folgende zentrale Begriffe gekennzeichnet und beschrieben: Beteiligungsrechte, Aufklärungspflichten, Dokumentationsrechte und vor allem Transparenz und Rechtssicherheit. Schon an dieser Begrifflichkeit lässt sich ablesen, dass es sich um ein komplexes und besonders wichtiges Rechtsgebiet handelt. Patientinnen und Patienten und auch Sie selbst, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, haben, wie sich Ihren Worten entnehmen lässt, hohe Ansprüche an dieses Gesetz. Diesen Ansprüchen wird das Patientenrechtegesetz in seiner jetzigen Form nicht gerecht.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Dass Sie uns nun endlich ein solches Gesetz vorlegen und dass der Behandlungsvertrag damit als eigener Vertrag im Bürgerlichen Gesetzbuch kodifiziert wird, begrüßen wir ausdrücklich. Sie erkennen damit an, dass zwischen Patient und Arzt ein besonderes Rechtsverhältnis besteht. Die gesetzliche Regelung des Behandlungsvertrags war überfällig, ausreichend ist sie jedoch noch immer nicht. Sehr deutlich zeigt sich das bei der Festlegung der Beweislast.
Hier kodifizieren Sie die ständige Rechtsprechung des BGH zur Beweislastumkehr bei groben Behandlungsfehlern. Demgemäß erkennen Sie nur hier an ‑ Zitat von Seite 30 Ihres Gesetzentwurfs ‑: „ … dass der Behandelnde ‚näher dran‘ ist, das Beweisrisiko zu tragen. Demgegenüber wird der Patient im Regelfall kaum etwas zur Klärung des Sachverhalts beitragen können …“.
Aber schauen Sie doch genau hin! Das ist bei weniger krassen Behandlungsfehlern nicht anders. Im Regelfall ist es bei kleineren Fehlern sogar noch viel schwieriger für die Patientinnen und Patienten, den Behandlungsfehler nachzuweisen.
Das Besondere an einem Behandlungsvertrag ist doch gerade, dass ein erhebliches Ungleichgewicht zwischen den Vertragsparteien besteht, meine Damen und Herren. Die Beweislastumkehr im Ausnahmefall reicht deshalb nicht aus. Wir brauchen eine zusätzliche Beweiserleichterung in Form einer widerlegbaren Vermutung auch für einfache Behandlungsfehler. Ich sage ausdrücklich „Beweiserleichterung“ und nicht „Beweislastumkehr“. Damit meine ich: Wenn der Patient zur Überzeugung des Gerichts darlegt, dass ein Behandlungsfehler vorliegt und dass ein Gesundheitsschaden eingetreten ist, muss der Arzt die Vermutung erschüttern, dass hier ein Kausalzusammenhang besteht. Nur so kann ein effektiver Schutz von Patientinnen und Patienten erreicht werden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Ein weiterer wichtiger Faktor in Arzthaftungsprozessen ist die Frage, nach welchem Verfahren sachverständige Gutachter bestellt werden. In den allermeisten Fällen fehlt Juristinnen und Juristen der medizinische Sachverstand. Das gilt für Anwälte/Anwältinnen genauso wie für Richter/Richterinnen. Die Entscheidung darüber, wer das medizinische Gutachten erstellt, ist so in Wirklichkeit oft die vorweggenommene Entscheidung darüber, wie der Prozess ausgeht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir Grünen meinen deshalb: In die Entscheidungsfindung zu der Frage, welcher Gutachter bestellt wird, müssen die Parteien viel stärker eingebunden werden als bisher. Wir brauchen klare und transparente Regeln für die Gutachtenvergabe.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Auch die Verfahrensabläufe bei den Schlichtungs- und Gutachterkommissionen der Ärztekammern können wir noch verbessern. Wir sollten auch Möglichkeiten der alternativen Streitbeilegung verstärkt nutzen. Mit dem Mediationsgesetz haben wir hier vor der Sommerpause überfraktionell, mit allen Fraktionen, eine sichere rechtliche Grundlage geschaffen.
Diese und weitere Punkte wie ein Härtefallfonds, meine Damen und Herren, müssen im Gesetzgebungsverfahren noch eingearbeitet werden; denn das oberste Ziel dieses Gesetzes muss es sein, die Rechtsstellung von Patientinnen und Patienten umfassend zu verbessern und diese im Behandlungsprozess von Betroffenen zu Beteiligten zu machen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)
28.09.2012 Rede im Bundestag am 27.09.2012 zu "Verjährungsfrist zu sexuellem Missbrauch"
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir alle konnten uns in den schlimmsten Alpträumen nicht vorstellen, was sich seit den 70er-Jahren und teilweise bis in die Gegenwart hinein hinter den Mauern von kirchlichen, schulischen und anderen Einrichtungen ereignet hat. Das Ausmaß des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen, schutzbefohlenen Mädchen und Jungen spielte sich jahrelang im Geheimen ab. Bis heute sind nicht alle Fälle aufgeklärt, die Traumatisierungen der Opfer sind noch lange nicht geheilt, und diese Untaten sind nicht ausreichend gesühnt, weder moralisch noch finanziell.
Wir wissen heute, dass Opfer von sexuellem Missbrauch oft jahrelang das Erlebte nicht in Worte fassen können. Sie brauchen Zeit, um über das sprechen zu können, was ihnen widerfahren ist. Vor diesem Hintergrund müssen wir unsere rechtlichen Abwägungen treffen.
Das aktuelle Recht räumt den Opfern nicht ausreichend Zeit ein. Bei den Missbrauchsfällen aus den 70er- und 80er-Jahren sind die Verjährungsfristen längst abgelaufen, und zwar sowohl die zivil- als auch die strafrechtlichen Fristen. Wir als Gesetzgeber müssen jetzt den rechtlichen Rahmen dafür schaffen, dass die Menschen, deren Forderungen noch nicht verjährt sind oder die in Zukunft Opfer sexueller Gewalt werden, ihre Ansprüche in angemessener Zeit durchsetzen können.
Heute sprechen wir über den Gesetzentwurf der SPD. Auch wir Grünen haben einen Gesetzentwurf zur Verbesserung der rechtlichen Stellung von Opfern sexuellen Missbrauchs vorgelegt. Einig sind wir uns mit der SPD darin, dass die Verjährungsfrist im Zivilrecht für Ansprüche von Opfern sexueller Gewalt viel zu kurz ist. Wir Grünen wollen, genauso wie die SPD, eine Ausweitung auf 30 Jahre einführen.
Im Gegensatz zur SPD wollen wir die Hemmungsregelungen nicht nur beibehalten, sondern ausweiten. Sowohl im Zivil- als auch im Strafrecht soll der Beginn der Verjährung bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres eines misshandelten Menschen gehemmt sein.
Die Hemmungstatbestände treffen den Kern der Diskussion ‑ das Schweigen junger Menschen nach sexuellem Missbrauch. Selbst junge Erwachsene sind häufig emotional nicht in der Lage, ihre Ansprüche wegen solcher Taten geltend zu machen; gerade hier sollten wir ansetzen.
Nun wende ich mich an die Regierung, die ebenfalls einen Gesetzentwurf vorgelegt hat. Sie, meine Damen und Herren, wollen im Zivilrecht ebenfalls die Verjährungsfrist auf 30 Jahre anheben, aber im Gegenzug wollen Sie die Hemmung komplett streichen. Damit beginnt die Verjährungsfrist bereits mit dem Entstehen des Anspruchs, also sofort nach der Tat und nicht erst mit Vollendung des 21. Lebensjahres des Opfers, wie das nach aktuellem Recht der Fall ist. Das ist ein völlig falsches Signal an die Betroffenen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)
Der Regierungsentwurf weist auch noch ein weiteres Problem auf: Die Verjährungsfrist von 30 Jahren soll nicht nur für Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung gelten, sondern auch für sonstige vorsätzliche Verletzungen des Körpers und der Gesundheit. Damit unterfiele jede Beibringung einer Wunde der Verjährungsfrist von 30 Jahren.
(Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jede Ohrfeige!)
Sicher stimmen Sie mit mir überein, dass wir hier differenzieren müssen.
Dass Sie innerhalb der Koalition noch über den Gesetzentwurf der Regierung streiten und sich nicht einigen können, zeigt den Zustand Ihrer Koalition und schadet den Betroffenen. Meine Damen und Herren von der Regierung, beschränken Sie Ihren Gesetzentwurf auf die Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung, verlängern Sie die Verjährungsfrist im Zivilrecht, und schieben Sie den Verjährungsbeginn im Zivil- und Strafrecht hinaus! Je länger Sie mit dem Inkraftsetzen des Gesetzes warten, desto mehr Ansprüche von Opfern verjähren. Dies sollte für die Rechtspolitik Grund genug sein, schnell und gründlich zu handeln.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
27.09.2012 Rede im Bundestag am 27.09.2012 zu "Bekämpfung von Zahlungsverzug"
Sehr geehrte Frau/Herr Präsident/in, liebe Kolleginnen und Kollegen,
die verspätete Bezahlung von Rechnungen bringt kleine und mittlere Unternehmen in Europa immer wieder in ernste Schwierigkeiten. Diese können bis zum finanziellen Ruin der Unternehmen führen. Um kleinere Auftragnehmer in Europa besser zu schützen, hat die Europäische Union Anfang 2011 eine Richtlinie erlassen, die den Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr besser reglementieren soll.
Heute debattieren wir über das Gesetz, das die Richtlinie in Deutschland umsetzen soll. Es geht um den Schutz der Unternehmen, die sich einem übermächtigen Verhandlungspartner gegenüber sehen, der ihnen Zahlungsfristen „diktiert“. Die Regelungen gelten für die öffentliche Hand und private Unternehmen, nicht für Verbraucherinnen und Verbraucher.
Ein hoher Zahlungsverzug ist auch in Deutschland keine Seltenheit. Lange Höchstfristen werden in Verträgen festgelegt und bis zum Ende ausgereizt. Das neue Gesetz die Zahlungsfristen auf sechzig Tage, für öffentliche Auftraggeber sogar auf dreißig Tage beschränken.
Sechzig Tage sind eine lange Zeit, insbesondere wenn man hierzu noch dreißig Tage als Höchstgrenze der Abnahmefrist hinzu zählt. Bleibt die Zahlung für neunzig Tage aus, kann dies in Vorleistung getretene Unternehmen bereits in eine finanzielle Bredouille führen.
Die neuen Regelungen lösen deshalb im Unternehmenskreis die Befürchtung aus, dass das Ziel der Richtlinie – Bekämpfung des Zahlungsverzugs – nicht erreicht wird, sondern sich im Gegenteil am Markt Fristen etablieren, die fern von unserem gesetzlichen Leitbild liegen.
Unser gesetzliches Leitbild sieht die für den Gläubiger günstigste Variante vor: Der Gläubiger kann im Zweifel die Zahlung sofort verlangen. Um das Ziel der Richtlinie, den Zahlungsverzug zu vermeiden, nicht ins Gegenteil zu verkehren, müssen wir bei der Umsetzung darauf achten, dass unser gesetzliches Leitbild in Funktion bleibt. Wir müssen klar stellen, dass die Zahlungsfrist von maximal sechzig Tagen das Äußerste ist, was im Geschäftsverkehr noch tragbar ist. Wir dürfen dem Ausreizen von Höchstfristen keinen Vorschub leisten.
Abzuwarten bleibt darüber hinaus, ob ein weiteres Element im Gesetzentwurf zu einer Verbesserung der Zahlungsmoral führen wird: Die Einführung eines Pauschalbetrags von vierzig Euro für so genannte „Beitreibungskosten“. Der Anspruch entsteht, wenn der Gläubiger Anspruch auf Verzugszinsen hat.
Dies ist ein Novum im deutschen Recht. Mit vierzig Euro ist dieser Anspruch zwar moderat bemessen. Dennoch ist der pauschale Anspruch, der unabhängig davon vorliegt, ob ein solcher Schaden beim Gläubiger überhaupt entstanden ist, dem deutschen Schadenersatzsystem fremd.
Fraglich ist, ob eine solche Pauschale tatsächlich Schuldner dazu anhält, rechtzeitig zu zahlen. Schuldner, die bewusst Zahlungen nach hinten hinaus schieben und auf einen „Kredit“ des Gläubigers setzen, werden sich von 40 Euro nicht unbedingt abschrecken lassen.
Auch lässt die Pauschale eine gewisse Nähe zum Strafschadenersatz erkennen. Die vierzig Euro sollen zwar laut EU-Kommission keine strafende Wirkung haben. Sie sollen dem Gläubiger als Ausgleich für seine Beitreibungskosten dienen. Aber Schadenersatzforderungen ohne nachgewiesenen Schaden haben einen „Wiedergutmachungscharakter“, der auch dem Strafschadensersatz innewohnt.
Und die EU-Kommission treibt die Einrichtung von Pauschalzahlungen voran: Im Entwurf zum Gemeinsamen Europäischen Kaufrecht findet sich der Anspruch auf vierzig Euro Entschädigung für Beitreibungskosten wieder.
Meine Damen und Herren, auf EU-Ebene sollten wir uns weiterhin Bestrebungen zur Einführung von unangemessen hohen Pauschalbeträgen oder von Strafschadenersatz im Zivilrecht entgegen stellen. Ein Strafschadenersatz, der weit über einen tatsächlich eingetretenen Schaden hinausgeht, stellt eine Bereicherung des Gläubigers dar. Er führt zu einer nicht kalkulierbaren Zusatzbelastung von Schuldnern oder im Fall von öffentlichen Auftraggebern letztlich von Steuerzahlern. Einer solchen Zusatzbelastung müssen wir vorbeugen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
27.09.2012 Rede im Bundestag am 27.09.2012 zur "Partnergesellschaft mit beschränkter Berufshaftung"
Sehr geehrte Frau/Herr Präsident/in, liebe Kolleginnen und Kollegen,
Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sollen nach dem Gesetzentwurf der Regierung, über den wir heute beraten, für ihre berufliche Zusammenarbeit künftig eine neue Organisationsform wählen können: Die Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Haftung (PartGmbH).
Das Auffällige an dieser neuen Gesellschaftsform ist die Kumulation von Vorteilen: Die Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Haftung soll die steuerlichen Vorteile der Personengesellschaft mit den Vorteilen der beschränkten Haftung der Kapitalgesellschaft verbinden.
Damit will die Regierung eine deutsche Alternative zur anglo-amerikanischen Limited Liability Partnership (LLP) schaffen. Im Gesetzentwurf hat sie dementsprechend auch dargelegt, dass in Deutschland ein erheblicher Trend zur Nutzung der Rechtsform der LLP zu verzeichnen sei.
Allerdings führt die Bundesregierung im Gesetzentwurf keine Anzahl der LLPs in Deutschland auf. Exakte Zahlen konnte sie auch nicht nennen, als wir sie in unserer schriftlichen Frage konkret darum baten. Vielmehr heißt es in der Antwort der Regierung: „Aus Berufskreisen der Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater wird berichtet, dass die Zahl der Zusammenschlüsse in Form der LLP steigend ist.“
Schauen wir uns die öffentlich verfügbaren Zahlen genauer an, so stellen wir fest: In den nach jetziger Rechtslage möglichen deutschen Gesellschaftsformen sind weit über 2000 Kanzleien in der Rechtsform der Partnerschaftsgesellschaft (ohne beschränkte Haftung) organisiert, über 300 haben die Rechtsform der GmbH gewählt. Bei den verbleibenden Anwaltszusammenschlüssen dominiert die Gesellschaft bürgerlichen Rechts
Sucht man im Handelsregister nach der Rechtsform der LLP, so stellt man fest: 54 LLPs sind eingetragen. Und das sind nicht nur die Freiberufler, denen das Gesetz zu Gute kommen soll. Neben Rechtsanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern sind zum Beispiel auch Architekten bei den 54 LLPs im Handelsregister eingetragen.
Das sind Zahlen, die nicht auf gesetzgeberischen Handlungsbedarf schließen lassen, meine Damen und Herren.
Und es stellt sich noch ein weiteres Problem:
Unterläuft einem Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer in seiner Tätigkeit ein Fehler, so haftet er bisher mit seinem Privatvermögen. Dieses Risiko sichert er mit einer Berufshaftpflichtversicherung ab. Die Mindestversicherungssumme liegt für Rechtsanwälte derzeit bei 250.000 Euro pro Versicherungsfall.
Bei der Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Haftung entfällt die persönliche Haftung des Rechtsanwalts, Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers. Eine versicherungsrechtliche Lösung soll den Schutz von Mandanten gewährleisten.
Rechtsanwälte müssen dann eine Berufshaftpflichtversicherung von mindestens 2,5 Millionen Euro pro Versicherungsfall unterhalten. Dies ist das zehnfache der bisherigen Mindestversicherungssumme. Ein entsprechend hoher Versicherungsbeitrag ist die Folge.
Wie viele Partnerschaften sich diesen Versicherungsschutz leisten können werden, ist fraglich. Wenn überhaupt, ist eine solche Versicherungssumme nur für große Kanzleien erschwinglich.
Das Gesetz hat also im Kern eine sehr beschränkte Zielgruppe: Großkanzleien.
Kleine und mittelständische Kanzleien werden von der Möglichkeit der Gründung einer Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Haftung kaum profitieren.
Die Folgen eines solchen Gesetzes aber betreffen das gesamte Gesellschaftsrecht: Die Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Haftung bedeutet eine Vermischung von Merkmalen der Personengesellschaft mit Merkmalen der Kapitalgesellschaft. Sie bewirkt eine weitere Aufsplitterung der Gesellschaftsformen. Ein Gesetz mit einem solch‘ begrenzten Anwendungsbereich wie dieses sollte nicht dazu führen, unser gesellschaftsrechtliches System zu durchbrechen.
Gerne können wir die Hinweise auf die Nutzung ausländischer Rechtsformen, wie der LLP, dazu nutzen, über eine grundlegende Reform des Gesellschaftsrechts nachzudenken. Ziel muss es aber sein, dessen Komplexität zu verringern und nicht zu vergrößern.
Meine Damen und Herren Rechtspolitikerinnen und Rechtspolitiker, wir müssen durchdachte und sinnvolle Gesetze anbieten, wenn wir mit „Law Made in Germany“ in Konkurrenz zu anderen Rechtsordnungen treten wollen. Diesem Anspruch genügt das vorliegende Gesetz nicht.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
27.09.2012 Rede im Bundestag am 27.09.2012 zum "Mietrechtsänderungsgesetz"
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wenn ich mir den Gesetzentwurf dieser Regierung zum Bereich Mietnomaden anschaue, dann drängt sich mir der Verdacht auf, dass die damit befassten Regierungsmitglieder zu viel Zeit vor dem Fernseher verbracht
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Halina Wawzyniak (DIE LINKE))
und sich dabei auch noch die falschen Sendungen angeschaut haben.
(Dr. Günter Krings (CDU/CSU): Das wollen Sie jetzt auch noch bestimmen? Jetzt wird noch reglementiert, was wir gucken sollen! Was darf ich denn noch gucken, Frau Kollegin?)
Meine Damen und Herren, nur weil in Spiegel TV eine reißerische Sendung mit dem Titel „Mietnomaden: Pöbeleien am Gartenzaun“ lief, müssen Sie noch lange nicht das Prozessrecht ändern!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)
20.09.2012 Rede anlässlich des Empfangs zum 69. Juristentag am 20. September in München
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde,
ich begrüße Sie und Euch ganz herzlich zum Empfang der Grünen Bundestagsfraktion hier auf dem Deutschen Juristentag in München. Ich freue mich sehr, heute mit Ihnen hier sein zu können, um mit Ihnen – auch grundsätzliche – juristische Themen aufgreifen zu können.
Ich komme aus Ludwigsburg bei Stuttgart, Christine Stahl aus Nürnberg, Prof. Dr. Martin Henssler gebürtig aus Stuttgart und Jerzy Montag aus München. Wir sind hier also auf einem kleinen juristischen Südgipfel, von wo aus wir gemeinsam mit Renate Künast den weiten Bogen zur Berliner Rechtspolitik spannen.
„Recht und Politik im Dialog“ lautet der Titel unserer Einladung an Sie.
Ich möchte dies konkretisieren und über „Recht und GRÜNE Politik im Dialog“ sprechen und da stellt sich die Frage: Was macht eigentlich Grüne Rechtspolitik aus? Was ist der Kern grüner Rechtspolitik?
Aufzeigen werde ich das an einigen Beispielen aus meinem Aufgabenbereich. Kernpunkt 1 lautet „Menschenrechte wahren“.
In den vergangenen Jahren hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte auch Deutschland immer wieder wegen Verstößen gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verurteilt. Im Fall von Brigitte Heinisch, einer Pflegekraft aus Berlin, die Missstände in ihrer Pflegeeinrichtung öffentlich angeprangert hatte, hat das Gericht festgestellt, dass die daraufhin erfolgte Kündigung gegen das Menschenrecht auf Meinungsfreiheit verstößt.
Dies war mit ein Anlass dafür, dass wir einen Gesetzentwurf zum Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern in den Bundestag eingebracht haben. Darin schaffen wir einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen von Arbeitnehmern, Arbeitgebern und betroffener Öffentlichkeit.
Im Lichte des aktuellen Armutsberichts der Bundesregierung müssen wir auch in Gesetzgebung und Rechtsprechung darauf achten, dass wir die Spaltung der Gesellschaft in ein „Oben“ und ein „Unten“ nicht vertiefen, sondern den Graben eher schließen.
Mein Kernpunkt 2 heißt: Wir müssen in Europa hohe Rechtsstandards erhalten.
Meine Mitgliedschaft im Unterausschuss Europarecht des Bundestages führt mir immer wieder deutlich vor Augen, wie stark unser deutsches Recht inzwischen durch europäische Rechtsetzung geprägt ist.
Traditionell stehen wir Grüne der europäischen Integration offen gegenüber. Wichtig ist uns, keine einseitige Klientelpolitik zu betreiben, sondern einen angemessenen Ausgleich, zum Beispiel zwischen Verbrauchern und Unternehmern, zu finden.
Unter dem Aspekt, unsere hohen nationalen Rechtsstandards zu erhalten und sie möglichst noch zu verbessern, stehen wir dem EU-Kommissionsvorschlag eines Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts kritisch gegenüber. Wir meinen, dass dieses einen zu weitgehenden und noch nicht ausreichend durchdachten Eingriff in unser nationales Zivilrecht, vor allem den Allgemeinen Teil und das allgemeine Schuldrecht, darstellt.
EU-Recht darf nicht zu einer Verschlechterung der nationalen Standards führen.
Als wichtige Aufgabe unserer grünen Rechtspolitik sehe ich es als meinen Kernpunkt 3 an, das Recht diskriminierungsfrei zu gestalten.
Dazu gehört die vollständige Gleichbehandlung von verschieden- und gleichgeschlechtlichen Paaren. Wir setzen uns dafür ein, dass das Ehegattensplitting, das volle Adoptionsrecht und das Recht auf Eheschließung auch für gleichgeschlechtliche Paare gelten.
Wichtiger Ansatzpunkt in der Familienpolitik ist für uns außerdem die Perspektive des Kindes. Insbesondere für Kinder ist es unerheblich, ob ihre Eltern miteinander verheiratet sind oder nicht. Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zum Sorgerecht für Väter, die nicht mit der Mutter ihres Kindes verheiratet sind, haben wir beispielsweise im Bundestag beantragt, dass den nicht verheirateten Vätern eine niedrig schwellige Antragsmöglichkeit beim Jugendamt eingeräumt wird. Unser Antrag stammt vom Oktober 2010. Wenn ich das mit einem Augenzwinkern sagen darf: Die Bundesregierung ist unserem Antragsmodell zwei Jahre später mit einem sehr ähnlichen Gesetzesvorschlag gefolgt.
Das heißt Gutes setzt sich durch. Bei manchen schneller, bei anderen langsamer.
Eine starke Justiz beizubehalten, ist mein Kernpunkt 4.
Immer wieder gibt es Ansätze, die Justiz durch Privatisierung „zu entlasten“. Ein Beispiel ist die Privatisierung des Strafvollzugs in Baden-Württemberg, die jetzt unter der Grün-roten Regierung zurück genommen worden ist.
Wir Grüne betrachten diese Tendenzen skeptisch. Oft stellen wir fest, dass der Servicegedanke leidet, wenn Aufgaben der Justiz von Privaten ausgeführt werden. Ich sehe auch keine finanziellen Vorteile, denn bei privater Rechnungsstellung kommt die Mehrwertsteuer oben drauf.
Wir wollen der Justiz mehr Möglichkeiten zur Selbstverwaltung einräumen. Außerdem sehen wir in der alternativen Konfliktlösung, wie sie zum Beispiel die Mediation darstellt, eine gute Möglichkeit zur Entlastung der Gerichte sowie zur Etablierung einer eigenverantwortlicheren Streitkultur.
Das führt mich zu meinem abschließenden 5. Kernpunkt „Zugang zum Recht für alle erhalten“
Wir haben in Deutschland einen sehr hohen Rechtsstandard. Rechte sind allerdings nur wirkungsvoll, wenn die Bürgerinnen und Bürger sie auch durchsetzen können. Zu einem ausgewogenen Rechtsstaat gehört, dass der Zugang zur Justiz jeder und jedem Einzelnen offensteht. Wer sich einen Anwalt oder ein Gerichtsverfahren finanziell nicht leisten kann, muss staatliche Hilfe in Anspruch nehmen können.
Wir setzen uns deshalb dafür ein, dass unser System der Prozesskosten- und Beratungshilfe bestehen bleibt. Eine Beschränkung würde die Möglichkeiten der finanziell Schwächeren, zu ihrem Recht zu kommen, verringern. Einer solchen Zweiklassenjustiz treten wir entschieden entgegen. Der Zugang zum Recht muss allen offenstehen. Hier darf sich die Schere zwischen Arm und Reich nicht noch weiter öffnen.
Recht, meine Damen und Herren, muss für jede Bürgerin und jeden Bürger zugänglich sein.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
13.09.2012 Rede im Bundestag zum Einzelplan Justiz am 13.09.2012
Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Zur Videoübertragung der Rede: Link
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin! „Das Bundesjustizministerium: Hüter des Rechtsstaates ‑ Motor der Rechtspolitik“. So ambitioniert betitelt das Bundesjustizministerium seine Internetseite. Ziehen wir nach drei Jahren Regierungszeit Bilanz, so stellen wir fest: Der Motor war in Bewegung. Er hat auch Geräusche von sich gegeben. Aber nach vorne bewegt hat er sich nicht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Jüngstes Beispiel ist der „Entwurf eines Gesetzes zur Bereinigung des Rechts der Lebenspartner“. Änderungen waren hier längst fällig. Sie, meine Damen und Herren von der Regierungsbank, hatten die Chance, echte Fortschritte bei der Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft zu bewirken. Wir stellen fest: Sie haben die Chance vertan. Eine echte Gleichstellung haben Sie nicht geschaffen. Was fehlt Ihrem Entwurf? An zentrale Punkte wagen Sie sich nicht heran.
Das sind das Ehegattensplitting und das volle Adoptionsrecht für Homosexuelle. Von der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare sind Sie noch meilenweit entfernt. Das zeigt: Ihre Rechts- und Gesellschaftspolitik ist realitätsfern. Sie haben nicht den Mut, den Entwicklungen in der Gesellschaft mit modernen Gesetzen Rechnung zu tragen. Sie betreiben hier ein Stück Realitätsverweigerung.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Selbst wenn Sie eine kleine Vorwärtsbewegung andeuten, dann kommt der Koalitionspartner ‑ diesmal in Person von Gerda Hasselfeldt, ihres Zeichens Landesgruppenchefin ‑ und erklärt, die Zukunft liege „in Familie, Kindern und Ehe und nicht in homosexuellen Lebenspartnerschaften“. Damit tritt sie mit beiden Beinen auf die Bremse.
Als Rechtspolitikerin sage ich Ihnen an dieser Stelle: Wenn Menschen Verantwortung füreinander übernehmen, dann ist das ein hohes gesellschaftliches Gut. Dann kommt es auch nicht darauf an, ob die Partner verschieden- oder gleichgeschlechtlich sind. Solche verantwortungsvollen Lebenspartnerschaften haben es verdient, gleichbehandelt zu werden, und zwar sowohl rechtlich als auch steuerlich.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Das zweite Motto des Bundesjustizministeriums lautet, das Justizministerium sei der Hüter des Rechtsstaats. Eine der tragenden Säulen unseres Rechtsstaates ist die Justiz. Für eine funktionierende Justiz brauchen wir ausreichend Richterstellen und die erforderlichen Sachmittel. Dies ist im aktuellen Haushaltsplan berücksichtigt. Zu einem ausgewogenen Rechtsstaat gehört aber auch, dass der Zugang zur Justiz jeder Bürgerin und jedem Bürger offensteht. Wer sich einen Anwalt oder ein Gerichtsverfahren finanziell nicht leisten kann, muss staatliche Hilfe in Anspruch nehmen können. Wir gewährleisten das mit Prozesskostenhilfe und mit Beratungshilfe.
Doch wie sieht hier die Realität aus? Alle Lebenshaltungskosten steigen. Und was ist der Plan der Bundesregierung? Sie will die Prozesskostenhilfe und die Beratungshilfe einschränken und damit den Zugang zum Recht für ärmere Einkommensschichten erschweren. Verdeutlichen möchte ich das an drei Beispielen.
Erstens. Die Rechtsuchenden, deren Einkommen über den Sozialleistungen liegt, sollen mehr Geld für rechtlichen Beistand bezahlen. Wer also wenig Einkommen hat, wird sich dann noch genauer überlegen, ob er das Geld für den Schulausflug seiner Kinder ausgibt oder für einen Prozess einsetzt. Das schreckt Rechtsuchende vom Gang zum Gericht ab.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Zweitens. Das Gericht soll eine einmal bewilligte Prozesskostenhilfe aufheben können, soweit ein Antrag auf Beweiserhebung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Das verstößt gegen den Grundsatz der vorweggenommenen Beweiswürdigung im Zivilprozess, und das verschlechtert die Prozesschancen zulasten der finanziell schlechter gestellten Partei erheblich.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Drittens. Bisher hat ein Ehegatte, der im Scheidungsverfahren Prozesskostenhilfe erhält, das Recht auf einen Anwalt, wenn sein Partner oder seine Partnerin anwaltlich vertreten ist. Dieses Recht soll eingeschränkt werden. Ein Anwalt muss dann nur noch über Prozesskostenhilfe beigeordnet werden, wenn die Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage dies erfordert. Die Beiordnung wird also nicht mehr automatisch bewilligt, wenn auch die Gegenpartei einen Anwalt hat. Das schränkt die Verteidigungsmöglichkeiten von Menschen mit geringem Einkommen deutlich ein. Das verschiebt die erfolgreiche Rechtsverfolgung zugunsten des finanziell Bessergestellten.
Rechte, meine Damen und Herren, sind nur dann wirkungsvoll, wenn die Bürgerinnen und Bürger diese auch durchsetzen können. Mit diesem Gesetz zur Prozesskosten- und Beratungshilfe schaffen Sie eine Zweiklassenjustiz. Dieses Gesetz behütet nicht den Rechtsstaat, dieses Gesetz beschädigt den Rechtsstaat.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir Grünen werden einem Gesetzentwurf, der im Rechtsbereich die Schere zwischen Arm und Reich noch weiter aufmacht, nicht zustimmen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
05.09.2012 Die „Mini-GmbH“ – eine gute Wahl zur Existenzgründung?
Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt), kurz UG, ist eine 2008 durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) geschaffene Sonderform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Für die Gründung der UG ist die kein Mindeststammkapital erforderlich, sie kann mit nur einem Euro Kapitaleinsatz gegründet werden. Umgangssprachlich wird sie auch „Mini-GmbH“ genannt. Die Konzeption der UG zielt darauf ab, dass die Gesellschaft durch Bildung einer gesetzlichen Rücklage Eigenkapital ansammelt, die es ihr ermöglichen soll, in eine „reguläre“ GmbH zu wechseln.
In einer Kleinen Anfrage hinterfragt Ingrid Hönlinger, ob die Ziele des MoMiGs erreicht wurden. Die Antwort der Bundesregierung enthält leider keine eigene Daten ist daher nur wenig aussagekräftig. Deutlich wird aber, dass die Bundesregierung nicht plant, die mittlerweile entstandene Komplexität des Gesellschaftsrechts durch Gesetzesänderungen zu verringern. Dabei ist die UG gerade dazu eingeführt worden, die Existenzgründung zu erleichtern und so auch kleinen Unternehmen eine Chance am Markt zu geben. Bürokratieaufwand und komplizierte Umwandlungsvorgänge zur GmbH können diesem Ziel aber entgegenstehen. Die Bundesregierung täte gut daran, die seit fast vier Jahren bestehende Regelung zu evaluieren und für kleine Unternehmen den Bürokratieabbau im Gesellschaftsrecht voranzutreiben.
19.07.2012 Ingrid Hönlinger gibt persönliche Erklärung zur aktuellen Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP zur Beschneidung von minderjährigen Jungen ab:
Persönliche Erklärung nach § 31 GOBT
Das Urteil des Kölner Landgerichts vom 07. Mai 2012, in dem die Beschneidung eines Jungen als rechtswidrige Körperverletzung gewertet wurde, hat zu Verunsicherungen einerseits bei jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, andererseits bei Ärzten geführt. Dem Urteil kommt aber auch weit über die Religionsgemeinschaften und Fachkreise hinaus große Aufmerksamkeit zu. Dies geschieht aus gutem Grund, denn die Beschneidung – oder auch Zirkumzision – betrifft nicht nur einen, sondern mehrere grundrechtssensible Bereiche.
Will man rechtliche Regelungen zur Beschneidung treffen, müssen verschiedene miteinander kollidierende grundrechtlich verbürgte Positionen gegeneinander abgewogen werden: das Recht auf körperliche Unversehrtheit, die Religionsfreiheit und das Recht der Eltern auf Erziehung. Das Wohl des Kindes ist ein zentraler Gesichtspunkt: Seine körperliche Unversehrtheit und sein Recht, als gleichberechtigtes Mitglied einer Religionsgemeinschaft aufzuwachsen, müssen im Mittelpunkt der Diskussion stehen.
Jede Operation erfüllt den Tatbestand der Körperverletzung. Durch rechtswirksame Einwilligung ist sie gerechtfertigt und dann straffrei.
Religionsfreiheit umfasst die Freiheit einen Glauben zu haben und die Freiheit, den Glauben ausüben zu können.
Der Staat hat die schwierige und verantwortungsvolle Aufgabe, sowohl die körperliche Unversehrtheit jedes Einzelnen zu schützen als auch die Religionsfreiheit zu gewährleisten und hierbei auch das Elternrecht auf Erziehung zu berücksichtigen.
In Deutschland muss muslimisches und jüdisches religiöses Leben weiterhin möglich sein. Ich begrüße die religiöse Vielfalt, die es in unserem Land gibt. Gleichzeitig müssen wir sicherstellen, dass Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit nur in begründeten Fällen zulässig sind und vor allem medizinisch korrekt und ohne unnötige Schmerzen durchgeführt werden.
Um eine gute Regelung zu finden, dürfen wir nicht vorschnell zu Lasten des einen oder anderen Grundrechtes entscheiden. Statt dessen müssen wir eine intensive, vielschichtige und facettenreiche Diskussion führen. Hierbei müssen wir die Konsequenzen berücksichtigen, die die verschiedenen Möglichkeiten mit sich bringen. Dazu müssen wir das Gespräch mit Vertretern der Religionsgemeinschaften, Medizinerinnen und Medizinern und anderen Fachleuten suchen, alle Argumente abwägen und auswerten und alle möglichen Blickwinkel einnehmen.
Eine nicht vollständig durchdachte Regelung kann mehr Unruhe stiften als Rechtsfrieden bringen. Wir müssen eine ausgewogene, dauerhafte Regelung finden und nicht voreilige Entscheidungen treffen. Daher enthalte ich mich in der Abstimmung über den Antrag.
18.06.2012 Zeitungsartikel in "Das Parlament: "Whistleblower übernehmen Verantwortung für die Demokratie" sagt Ingrid Hönlinger
18.06.2012 Ingrid Hönlinger im Interview mit domradio zum Thema Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber (Whistleblower)
Whistleblower.mp3 / 5.1 M
30.05.2012 "Impfungen mit Stiefpapas Segen"
Artikel in der taz vom 24.05.2012
24.05.2012 Artikel in der Welt vom 24.05.2012: "Grüne für neues Sorgerecht in Patchwork-Familien"
25.05.2012 Mitverantwortung sozialer Eltern stärken!
25.05.2012 Zitat von Ingrid Hönlinger in der Welt-online vom 25.05.2012: Grüne wollen neues Sorgerecht in Patchwork-Familien
„Soziale Eltern“, die mit einem Kind zusammenleben, aber nicht verwandt sind, sollen mehr Befugnisse erhalten. Für den häufigen Streit um den Unterhalt aber haben die Grünen noch keine Lösung.
Zum Link in der Welt-online
23.05.2012 Ingrid Hönlinger in der taz am 23.05.2012: Arbeitnehmer werden besser geschützt
Die Grünen-Fraktion stellt einen Gesetzesentwurf zum Schutz von Whistleblowern vor. Der soll Angestellten helfen, die Skandale in ihrem Unternehmen aufzudecken.
10.04.2012 Artikel in der taz vom 10.04.: "Hönlinger zu Berufsverbote wegen Radikalenerlass"
23.03.2012 Pressemitteilung vom 23. März: Kein Automatismus bei der Anerkennung als leiblicher Vater
Anlässlich des Urteils des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte erklären Ingrid Hönlinger, Obfrau im Rechtsausschuss, und Katja Dörner, Sprecherin für Kinder- und Familienpolitik:
Wir begrüßen die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg, dass leibliche Väter kein grundsätzliches Recht darauf haben, sich in eine bestehende Familie einzuklagen und als rechtlicher Vater anerkannt zu werden. Auch die bestehenden sozial-familiären Beziehungen können im Interesse des Kindeswohls schützenswert sein.
Es ist dabei kein Widerspruch, dass das Gericht in der Vergangenheit die Stellung leiblicher Väter gestärkt hat. Auch außenstehende leibliche Väter sollten eine Beziehung zu ihren Kindern aufbauen dürfen. Wenn es dem Kindeswohl entspricht, muss das deutsche Recht dies gewährleisten. Ein Automatismus besteht aber nicht.
05.03.2012 Pressemitteilung von Ingrid Hönlinger zur öffentlichen Anhörung zum Schutz von HinweisgeberInnen am 05.03.2012 im Bundestag
Anlässlich der öffentlichen Anhörung zum Schutz von HinweisgeberInnen (Whistleblowern) im Ausschuss für Arbeit und Soziales des Bundestages erklärt Ingrid Hönlinger, Sprecherin für Demokratiepolitik und Obfrau im Rechtsausschuss:
Die heutige Anhörung wird uns darin bestätigen, dass eine gesetzliche Regelung zum Schutz von HinweisgeberInnen überfällig ist.
Wir Grünen haben als erste Bundestagsfraktion einen Gesetzentwurf erarbeitet. Unser Gesetzentwurf bietet eine ausdifferenzierte und umfassende Lösung für alle Beteiligten an.
Im Gegensatz zur SPD wollen wir auch Beamtinnen und Beamte schützen. Unser Rechtsgüterschutz ist umfassender. Systematisch ist der Grüne Gesetzentwurf dem SPD-Entwurf vorzuziehen, weil wir kein eigenes Gesetz schaffen, sondern die neuen Regelungen in die jeweiligen Gesetze im Arbeitsrecht und Beamtenrecht einpassen.
Unser Gesetzentwurf bietet mit einem dreistufigen System eine ausgewogene Lösung. Anders als der Entwurf der SPD sehen wir vor, dass sich Hinweisgeber grundsätzlich zuerst an eine interne Stelle und erst dann an eine externe Stelle bzw. die Öffentlichkeit wenden sollen. Wir möchten aber auch regeln, dass Hinweisgeber sich in eng begrenzten Fällen direkt an die Öffentlichkeit wenden können, wenn eine hoch angelegte Gefahrenschwelle für wichtige Rechtsgüter erreicht ist.
02.03.2012 Rede von Ingrid Hönlinger am 02. März 2012 zu: "Elektronischer Geschäftsverkehr"
Artikel in der Freien Presse Sachsen am 02. März 2012 Zum Link
Artikel im Handelsblatt am 02. März 2012 Zum Link
Artikel auf Spiegel-Online am 02. März 2012 Zum Link
Verbraucherschutz und Internet, das ist ein echtes Massenphänomen, ein Phänomen, das auch eine erhebliche Belastung der Gerichte zur Folge hat. Heute stimmen wir über einen Gesetzentwurf ab, der Verbraucher vor genau diesen unseriösen Praktiken schützen soll. Wir setzen damit in Deutschland eine EU-Richtlinie um. Erfreulich ist, dass wir die Frist zur Umsetzung der Richtlinie nicht abwarten, sondern es schon jetzt machen.
Das verhindert, dass noch mehr Verbraucher Opfer von Internetfallen werden. Allerdings haben wir dieses Thema am 2. Dezember 2010 schon einmal debattiert. Mehr als ein Jahr hat es gedauert, bis wir jetzt über den Gesetzentwurf abstimmen können. Weniger erfreulich ist deshalb, dass wir nicht früher handeln konnten.
Meine Damen und Herren, wir alle wissen: Im Internet ist die Zeit zwischen optischem Reiz und Kaufklick extrem kurz. In einem Lebensmittelgeschäft zum Beispiel ist das ganz anders. Da können Sie auch einmal eine Dose Mango in die Hand nehmen, schauen, wie viel Zucker drin ist, und die Dose bei Nichtgefallen wieder ins Regal stellen. Das muss in ähnlicher Form auch im Internet möglich sein.
Wir sind der Meinung, dass die Umsetzung der sogenannten Buttonlösung für Vertragsabschlüsse im Internet einen richtigen Schritt darstellt. Wenn der Button zu sehen ist, sind dem Nutzer und der Nutzerin das Produkt und der Gesamtpreis klar. Er und sie wissen dann: Jetzt wird es ernst, jetzt tippt der Verkäufer die Rechnung ein, jetzt kostet es Cash. Die Buttonlösung ist ein Verbraucherschutzinstrument, für das wir Grüne uns seit langem einsetzen. Wir werden dem Gesetzentwurf, der die Buttonlösung vorsieht, zustimmen, weil wir damit den Verbraucherschutz im Internet stärken.
Aus verbraucherpolitischer Sicht hätten wir uns aber mehr von der Bundesregierung gewünscht.
Es geht hier um einen Gesetzentwurf, der einzig und allein die Stärkung des Verbraucherschutzes zum Ziel hat. Deshalb sollten wir den Verbraucherinnen und Verbrauchern alle Möglichkeiten an die Hand geben, ihre Rechte zu erkennen und durchzusetzen.
Unser Ziel ist es, den Verbraucherinnen und Verbrauchern im Internet ein Instrument an die Hand zu geben, das ihnen klar und deutlich ihre Rechte vor Augen führt.
Dazu gehört Folgendes:
Erstens: Die EU-Richtlinie gibt vor, dass der Unternehmer die Beweislast dafür trägt, dass er seine Informationspflichten im Internet erfüllt hat. Nach den Regelungen der Zivilprozessordnung ist klar: Wer eine Geldforderung einklagt ‑ das ist im Regelfall der Unternehmer ‑, trägt die Beweislast dafür, dass der Vertrag im Internet wirksam zustande gekommen ist. Für den juristischen Laien ergibt sich das aus der vorgeschlagenen Regelung aber nicht auf den ersten Blick. Deshalb ist hier aus unserer Sicht eine Klarstellung erforderlich.
Zweitens: Technische Entwicklungen sind schnelllebig; das wissen wir alle. Wir müssen deshalb ein Auge darauf haben, dass Internetanbieter neuere Entwicklungen nicht dazu nutzen können, ihre Pflichten zu umgehen. Auch eine Musterschaltfläche erscheint uns sinnvoll. Wir meinen, dass wir die Verbraucherinnen und Verbraucher damit noch besser vor unseriösen Anbietern, die ganz bewusst nach Umgehungsmöglichkeiten suchen, schützen können.
Drittens: Wir treffen jetzt Regelungen, um unseriöse Internetangebote zu verhindern. Es wäre sinnvoll gewesen, dies mit Regelungen zu unseriösen Inkassomaßnahmen zu verbinden. Häufig ist es doch so: Auch wenn der Klick im Internet nicht zu einem Vertragsabschluss führt, gibt es Internetanbieter, die ihre vermeintliche Forderung Inkassounternehmen zum Einzug übergeben. Diese senden Mahnungen an die Verbraucher. Die Verbraucher fühlen sich eingeschüchtert und zahlen. Hier brauchen wir dringend eine gesetzliche Regelung, die unseriösem Inkassogebahren Einhalt gebietet.
Mit der Abstimmung über diesen Gesetzentwurf stimmen wir nicht nur über die Buttonlösung in Bezug auf Vertragsabschlüsse im Internet ab, sondern zusätzlich auch über eine Änderung im Wohnungseigentumsgesetz. 2007 wurden die Verfahren in Wohnungseigentumssachen der Zivilprozessordnung unterstellt und aus der Freiwilligen Gerichtsbarkeit herausgenommen. Die Zivilprozessordnung sieht verschiedene Rechtsmittel vor, darunter auch die Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof. Um eine Überlastung des BGH zu vermeiden, wurde die Nichtzulassungsbeschwerde in Wohnungseigentumssachen für eine Übergangsfrist ausgeschlossen. Diese Frist würde am 1. Juli dieses Jahres enden.
Jetzt soll die Frist bis zum 31. Dezember 2014 um zweieinhalb Jahre verlängert werden.
Das sind zweieinhalb Jahre, in denen sich die Beteiligten in Wohnungseigentumssachen nicht an den Bundesgerichtshof wenden können. Ein Rechtsmittel, das die Zivilprozessordnung für diese Fälle vorsieht, wird ihnen per Gesetz verweigert.
Wir Grünen haben 2007 klar zum Ausdruck gebracht, dass Wohnungseigentumssachen besser in der Freiwilligen Gerichtsbarkeit aufgehoben wären. Nun sind sie in der ZPO geregelt. Das war der Wille des Gesetzgebers. Jetzt müssen wir auch die Konsequenzen daraus tragen. Eine Konsequenz ist, dass die Rechtsmittel, die die ZPO bietet, jedem zur Verfügung stehen. Ausnahmen bedürfen einer triftigen Begründung.
Die Koalition bezieht sich in ihrem Änderungsantrag auf Erfahrungen aus den Jahren 2008 bis 2010. Sie erklärt, dass es nicht gelungen ist, eine zuverlässige Prognose darüber aufzustellen, wie viele der Fälle in Wohnungseigentumssachen der Nichtzulassungsbeschwerde zugänglich wären. Diese Erklärung genügt uns nicht.
Inzwischen liegt das Jahr 2011 hinter uns. Vier Jahre müssten genügen, um eine klare Prognose zu erstellen. Der Zugang zum Recht muss für alle Rechtsstreitigkeiten gleichermaßen eröffnet sein. Das beinhaltet auch den Zugang zur höchstrichterlichen Rechtsprechung.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
30.11.2011 Fachgespräch zum Thema "Whistleblower-Schutz" (Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern) am 30.11.2011 im Bundestag
Hier geht´s zur Dokumentation des Fachgesprächs. Der Gesetzentwurfs wurde Ende Mai in den Bundestag eingebracht. Dieser ist im Anhang des Readers zu finden.
30.09.2011 Parlamentsrede von Ingrid Hönlinger zu "Whistleblowern" am 30.09.2011
Das Aufdecken von Missständen in Unternehmen und Institutionen ist von großer gesamtgesellschaftlicher Bedeutung. Kritikwürdige Zustände im Pflegebereich und Steuerhinterziehung in Millionenhöhe sind nur zwei Beispiele von vielen. Oft hat nur ein begrenzter Personenkreis Zugang zu den relevanten Informationen, um von Missständen überhaupt erfahren zu können. Deshalb ist die Gesellschaft auf diese Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber angewiesen.
Es gehört viel Mut dazu, Missstände beim eigenen Arbeitgeber oder beim Dienstherrn anzuprangern. Umso empörender ist es, dass diesen Menschen in der Folge auf ihren Hinweis noch immer häufig die Kündigung droht. Hierfür gibt es leider viele Negativbeispiele.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Auch die Öffentlichkeit hat ein Interesse daran, dass skandalöse Zustände aufgedeckt werden. Dieses Interesse ist gewichtig. An dieser Stelle nenne ich nur das Beispiel Gammelfleisch. Wir müssen endlich anerkennen, dass Whistleblower einen wichtigen Beitrag für unsere Gesellschaft leisten. Whistleblower sind Indikatoren für gesellschaftliche Fehlentwicklungen. Sie haben unseren Schutz verdient, auch den gesetzlichen.
Die Bundesregierung scheint diese Problematik einfach zu übergehen. Diese Ignoranz ist umso beschämender, als erst vor kurzem auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg Deutschland in einem Whistleblower-Fall wegen Verletzung der Meinungsfreiheit verurteilt hat. Sie alle haben von dem Fall gehört. Der Berliner Altenpflegerin Brigitte Heinisch wurde von ihrem Arbeitgeber gekündigt. Dabei haben wir es ihr zu verdanken, dass menschenunwürdige Zustände in einer Berliner Pflegeeinrichtung aufgeklärt wurden. Das ist nur ein Fall von vielen, aber er zeigt, in welch schwieriger Situation Menschen stecken, die Ungerechtigkeiten entdecken und aufdecken wollen.
Wir Grünen wollen, dass nicht die Vertuscher von Missständen geschützt werden, sondern die Aufdecker von Missständen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vor diesem Hintergrund kann ich es einfach nicht verstehen, dass diese Regierung nach wie vor keine Pläne hat, um den Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern gesetzlich zu regeln. Trotz des dringenden Handlungsbedarfs hält es die Regierung nicht einmal für nötig, aktiv zu werden und sich einen Zeitplan zu geben. Stattdessen bleibt sie passiv und wartet auf die Empfehlungen und Diskussionsergebnisse der G‑20-Staaten. Das ergibt sich aus der Antwort auf unsere Kleine Anfrage.
(Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Regierung sieht sowieso sehr müde aus!)
Ich frage mich: Will sich die Regierung hinter dieser G‑20-Arbeitsgruppe verstecken? Es muss doch eigentlich allen klar sein, dass eine internationale Arbeitsgruppe den nationalen Gesetzgeber weder ersetzen noch ihm die Arbeit abnehmen kann. Für die konkrete Formulierung eines nationalen Gesetzes kann eine internationale Arbeitsgruppe wenig Hilfestellung leisten. Die G-20-Arbeitsgruppe wird kaum Untersuchungen dazu anstellen, auf welche Weise sich eine gesetzliche Neuregelung am besten in das bestehende deutsche Recht eingliedern lässt. Das ist schon Ihre Aufgabe, meine Herren von der Regierungsbank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD ‑ Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Oder von der Koalition, Herr Kober!)
Den Antrag der Linken zum Thema Whistleblowing finden wir prinzipiell berechtigt, aber uns fehlt die Konkretion für eine gesetzliche Gestaltung. Der Antrag ist so unkonkret, dass er sich in dieser Form nicht in ein Gesetz umsetzen lässt. Zum Beispiel lässt sich nicht erkennen, wie Sie den Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern im Arbeitsrecht und im Beamtenrecht verankern wollen. Welche Rechtsgüter sollen geschützt werden? Wie kann ein angemessener Ausgleich zwischen den verschiedenen Interessen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gefunden werden?
Wir Grünen haben uns intensiv mit dem Problem auseinandergesetzt. Wir wollen keinen schnellen Antrag, sondern einen gründlichen und ausgereiften. Deshalb werden wir demnächst einen Gesetzentwurf vorlegen und zur Diskussion stellen. Er wird eine praktikable Entscheidungsgrundlage darstellen. Wir meinen nämlich, dass die Regelung zum Schutz von Whistleblowern eine präzise Diskussion verdient.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
29.09.2011 Rede zu "überlangen Gerichtsverfahren" am 29.09.2011 im Deutschen Bundestag
Das Grundgesetz und die Europäische Menschenrechtskonvention gewährleisten den Anspruch jedes Bürgers und jeder Bürgerin auf Rechtsschutz – und zwar in angemessener Zeit. Wir alle wissen: Die große Mehrzahl der gerichtlichen Verfahren in Deutschland wird zeitnah abgeschlossen. Dennoch gibt es einzelne Verfahren, die Jahre oder gar Jahrzehnte dauern. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hat deshalb zu Recht die Bundesrepublik in über 50 Fällen wegen unangemessener Verzögerung von Gerichtsverfahren verurteilt.
Zusätzlich hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte festgestellt, dass wir im deutschen Recht noch keinen wirksamen Rechtsbehelf gegen überlange Gerichtsverfahren haben. Er hat auch Mindestanforderungen an einen solchen Rechtsbehelf aufgestellt. Diese Anforderungen müssen und wollen wir gesetzlich umsetzen.
Aber warum sollten wir uns auf diese Mindestvorgaben beschränken, meine Damen und Herren? Das Grundgesetz und die Europäische Menschenrechtskonvention geben lediglich den äußeren Rahmen für die Gesetzgebung vor. Die Ausgestaltung dieses Rahmens ist unsere Aufgabe im Bundestag. Hier gilt es, möglichst wirkungsvoll zu arbeiten und nicht auf halbem Wege stehen zu bleiben! Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung konzentriert sich auf die Einführung einer Verzögerungsrüge und einer nachträglichen Entschädigungslösung.
Die Entschädigung für immaterielle Nachteile kann nur verlangt werden, „soweit nicht“ – so der Wortlaut des Entwurfs – „Wiedergutmachung auf andere Weise“ ausreichend ist. Die „Wiedergutmachung auf andere Weise“ soll insbesondere durch eine gerichtliche Feststellung erfolgen, dahingehend, dass die Verfahrensdauer unangemessen war.
In welcher Weise kann solch eine Feststellung aber etwas wieder gutmachen? Und: Welchen Nutzen soll der Betroffene aus dieser Feststellung ziehen?
Wir Grünen setzen uns für eine Umkehr der Rangfolge im Entwurf ein: In der Regel ist die Entschädigung in Geld zu leisten; nur in Ausnahmefällen kann die Wiedergutmachung auch auf andere Weise erfolgen.
Hinzu kommt: Der Entwurf sieht eine Entschädigung von 1.200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung vor. Das bedeutet zum einen, dass derjenige, dessen Verfahren sich zum Beispiel um 11 Monate verzögert, keine Kompensation erhält. Zum anderen könnte es für Bund und Länder günstiger sein, überlange Verfahren hinzunehmen anstatt an den Strukturen in der Justizverwaltung zu arbeiten und eventuell auch neue Richter und Richterinnen einzustellen. Diese Entschädigung ist viel zu niedrig, meine Damen und Herren. Angemessen wäre ein Entschädigungsbetrag von 1.000 Euro pro Monat.
Eine nachträgliche Entschädigungslösung ist aber auch nicht ausreichend. Wir müssen auch präventiv denken.
Um sicherzustellen, dass Gerichtsverfahren in angemessener Zeit abgeschlossen werden, schlagen wir deshalb eine Regelung vor, gemäß der das Präsidium des Gerichts ein Verfahren an den Vertretungsrichter übertragen kann, wenn der zuständige Richter verzögert arbeitet. Bewusst stellen wir die Entscheidung hierüber in das Ermessen des Präsidiums, um die Unabhängigkeit der Richter zu wahren und den Gerichten eine Entscheidung im Einzelfall zu ermöglichen.
Die Arbeit der Justiz hängt natürlich zudem von der sachlichen und personellen Ausstattung der Gerichte ab. Der Schlüssel zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes liegt also auch in der Bereitstellung von ausreichenden Mitteln an die Justiz. Wir meinen deshalb, dass das Präsidium des Gerichts feststellen sollte, wie viele Richterstellen voraussichtlich zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben benötigt werden. Diese Feststellung sollte das Präsidium dann dem Haushaltsgesetzgeber zuleiten können.
Wir Grünen fordern mit unseren Änderungsanträgen zum Regierungsentwurf dazu auf, nicht auf halbem Weg stehen zu bleiben. Wir wollen das Ziel – die Gewährung effektiven Zugangs zum Recht – umfassend anzugehen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
29.09.2011 Rede zu "Kammern für internationale Handelssachen" am 29.09.2011 im Deutschen Bundestag
Mit der Zunahme des globalen Wirtschaftsverkehrs stellen sich auch im Handelsrecht neue Herausforderungen. Viele internationale Handelsverträge werden heute in englischer Sprache verfasst. Diese Vertragssprache ist ein Grund dafür, dass für Verträge häufig das anglo-amerikanische Recht gewählt und der Gerichtsstand im anglo-amerikanischen Raum begründet wird. So bewegen sich deutsche Unternehmen oft nicht mehr im deutschen Recht bzw. in der deutschen Gerichtsbarkeit, wenn sie ihre Ansprüche durchsetzen wollen. Dies schwächt den Gerichtsstandort Deutschland und die Stellung des deutschen Rechts im Weltmarkt.
Der Bundesrat möchte mit seiner Gesetzesinitiative für bestimmte Rechtsstreitigkeiten die englische Sprache als Gerichtssprache in Deutschland einführen. Ermöglicht werden soll die Einrichtung von Kammern für internationale Handelssachen, die Handelssachen mit internationalem Bezug in englischer Sprache verhandeln können. Hierdurch will der Bundesrat die Attraktivität des Rechtsstandortes Deutschland und des deutschen materiellen Rechts steigern.
In der Praxis wird es sich vermutlich um eine überschaubare Anzahl von Fällen handeln, die vor den Handelskammern für internationale Handelssachen ausgetragen werden. Diese Fälle können jedoch von hoher Bedeutsamkeit sein und so die Bedeutung deutschen Rechts fördern. Deshalb lohnt es sich, dass wir diese Gesetzesinitiative sorgfältig prüfen.
Meine Damen und Herren, im deutschen Recht berücksichtigen wir bereits die Besonderheiten von Handelssachen. Die Kammern für Handelssachen sind nicht nur mit Berufsrichtern, sondern mit einem Richter und zwei ehrenamtlichen Richtern aus dem Kaufmannsstand besetzt. Durch die Mischung aus Fach- und Sachkompetenz erreichen wir eine hohe Qualität in der Entscheidungsfindung.
Es wäre kein Novum, wenn in Deutschland in fremder Sprache nach deutschem Recht verhandelt würde. Vor Schiedsgerichten können die Parteien bereits die Sprache, in der das Verfahren geführt werden soll, vereinbaren. So werden in Schiedsgerichten Verfahren in englischer Sprache geführt, die nach deutschem Recht entschieden werden. Die Freiheit der Sprachwahl trägt sicher zu der „Abwanderung“ von den Handelskammern an die Schiedsgerichte bei.
Auch die deutsche Rechtswissenschaft hat sich schon lange auf einen internationalen Wettbewerb eingestellt. Es gibt englischsprachige Vorlesungen, Seminare und Studiengänge. Zahlreiche Studentinnen und Studenten verbringen einen Teil ihres Studiums im Ausland. Wir sollten nun auch unser deutsches Rechtssystem und unsere deutsche Rechtsordnung am internationalen Wettbewerb teilhaben lassen und als interessante Alternative zum angloamerikanischen Recht fördern.
Uns Grünen ist neben der internationalen „Wettbewerbsfähigkeit“ deutscher Gerichte aber auch wichtig, dass Deutsch als Gerichtssprache seine Bedeutung beibehält. Englisch soll nicht als generelle weitere Gerichtssprache eingeführt werden. Es soll auch keine Vermischung der Sprachen geben. Die Anwendung englischer Sprache soll auf die Fälle beschränkt werden, die vor den Kammern für internationale Handelssachen verhandelt werden. In den Verfahren muss es sich um eine Handelssache mit internationalem Bezug handeln und die Parteien müssen zugestimmt haben, das Verfahren in englischer Sprache durchführen zu wollen. Niemandem soll aufgedrängt werden, in einer Fremdsprache zu verhandeln. Sollten alle Parteien des Rechtsstreits ausdrücklich erklären, dass sie eine Verhandlung in englischer Sprache bevorzugen, so soll ihnen dieser Weg nicht versperrt sein. In der Praxis wird sich dann noch erweisen müssen, wie sich in diesen Verfahren der Instanzenzug bis zum Bundesgerichtshof bewährt.
Zusammenfassend begrüßen wir Grüne, dass der vorliegende Gesetzesentwurf die Stärkung des deutschen Rechtssystems im globalen Wettbewerb zum Thema macht. Das ist auch uns ein wichtiges Anliegen. Der Gesetzesentwurf geht daher in die richtige Richtung.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
22.07.2011 Whistleblower erhalten Unterstützung aus Straßburg - Artikel aus der FAZ
21.07.2011 Nachsitzen für die Bundesregierung: EGMR rügt fehlenden Whistleblowerschutz
18.07.2011 "Sicherungsverwahrung und Führungsaufsicht" Hönlinger diskutiert am 18.07.2011 in der evangelischen Akademie Bad Boll zum Thema
07.07.2011 Rede von Ingrid Hönlinger am 07.07.2011 zu "§ 522 der Zivilprozessordnung"
07.07.2011 Rede von Ingrid Hönlinger am 07.07.2011 zu "Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs"
06.07.2011 Rechte von Patientinnen und Patienten durchsetzen
04.07.2011 Whistleblower vor Benachteiligungen schützen
29.06.2011 Bericht zur Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestags - ESUG
27.06.2011 Der Bundesverband der Berufsbetreuer/innen e.V. sagt über das Fachgespräch "Anforderungen an das Betreuungswesen" im Bundestag:
06.06.2011 Wir Grüne wollen die Möglichkeiten kollektiven Rechtsschutzes ausbauen. Mehr zu unserer Stellungnahme an die EU-Kommission
06.06.2011 Fachgespräch "Anforderungen an das Betreuungswesen" am 06. Juni 2011 im Bundestag
„Anforderungen an das Betreuungswesen“ ist der Titel des Fachgesprächs, das Ingrid Hönlinger im vergangenen Sommer gemeinsam mit MdB Markus Kurth im Bundestag veranstaltet hat.
Über die Anforderungen an das Betreuungswesen und vor allem die Anforderungen an ehrenamtliche und berufliche Betreuer und Betreuerinnen wurde aus Sicht der Menschen mit Behinderung, der Wissenschaft und der Betreuungsgerichte, der Berufsverbände und der Betreuungsvereine diskutiert.