Rechtspolitik

Mein großes Anliegen in der Rechtspolitik ist der Zugang zum Recht für alle Bürgerinnen und Bürger. Ich setze ich mich dafür ein, dass wir keine Justiz nach Kassenlage machen. Ich möchte dafür eintreten, dass wir das Recht für die gesellschaftlichen Realitäten weiter entwickeln. Dazu gehören für mich vor allem Änderungen im Familienrecht und die Gleichstellung von Frauen und Männern sowie Homo- und Heterosexuellen.

Recht Grün
Verein grüner und grünnaher Juristinnen und Juristen e.V.

Zweck des bundesweit aktiven gemeinnützigen Vereins ist die allgemeine Förderung eines demokratischen Staatswesens, die Stärkung des freien, demokratischen und sozialen Rechtsstaats in Deutschland und in Europa sowie die Volks- und Berufsbildung, außerdem die Förderung der Juristenausbildung.

Die Mitglieder des Vereins eint der Wille nach mehr Demokratie und sozialer Gerechtigkeit, das Gebot einer umfassenden Verwirklichung der Grund- und Menschenrechte, das Engagement für Frieden und Abrüstung, die Gleichstellung von Frauen und Männern, der Schutz von Minderheiten, die Bewahrung der Natur sowie die Grundvorstellung von umweltverträglichem Wirtschaften und Zusammenleben.

Vorsitzende des Vereins sind die Rechtsanwältinnen Ingrid Hönlinger aus Baden-Württemberg, ehemals Abgeordnete und Mitglied im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags, und Katja Keul aus Niedersachsen, Abgeordnete und rechtspolitische Sprecherin von Bündnis 90/DIE GRÜNEN und Mitglied im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz im Deutschen Bundestag.

Schatzmeister ist Jörg Tillmanns, Richter am Oberlandesgericht Frankfurt am Main. Weitere Vorstandsmitglieder sind die Abgeordneten Renate Künast aus Berlin, Vorsitzende des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz im Deutschen Bundestag, und Katharina Raue, Rechtsanwältin und rechtspolitische Sprecherin von Bündnis 90/DIE GRÜNEN im Landtag von Rheinland Pfalz.

Unter den Gründungsmitglieder sind auch die niedersächsische Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz und der baden-württembergische Landtagsabgeordnete Jürgen Filius.

Archiv Rechtspolitik

13.09.2013 Aussitzen war gestern! Wir bringen den Datenskandal vor die UN
30.08.2013 Herzlichen Glückwunsch an Edward Snowden

Herzlichen Glückwunsch an Edward Snowden

Anlässlich der heutigen Verleihung des Whistleblower-Preises 2013 von Transparency International, der International Association of Lawyers Against Nuclear Arms und der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler an Edward Snowden erklärt die Ludwigsburger Abgeordnete Ingrid Hönlinger, Sprecherin für Demokratiepolitik der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen:

Die Verleihung des Whistleblower-Preises 2013 an Edward Snowden begrüße ich. Er hat den Mut aufgebracht, die Öffentlichkeit darüber zu informieren, dass Geheimdienste weltweit massenhaft Daten sammeln, auswerten und speichern. Dazu gehören unsere persönlichen Mails, Beziehungen und Bewegungsprofile.

Eine geschützte Privatsphäre ist Voraussetzung für eine gelebte Demokratie. Massenhafte Datenausspähung gefährdet unsere Demokratie.

Whistleblower wie Edward Snowden gehören nicht an den Pranger. Ihr Mut verdient Anerkennung. Mit seinen Enthüllungen hat Edward Snowden uns allen einen großen Dienst erwiesen. Er verdient den Schutz unserer Gesellschaft. Deshalb setzen wir Grünen uns dafür ein, dass Edward Snowden in Deutschland ein Aufenthaltsrecht erhält.

Die Aufdeckung von Missständen in Unternehmen und Institutionen liegt im öffentlichen Interesse. Transparenz und Meinungsfreiheit sind Grundpfeiler der Demokratie. Auch in Deutschland brauchen wir dringend eine gesetzliche Regelung zum Schutz von Whisteblowern. Hierzu haben wir Grünen in dieser Legislaturperiode einen umfassenden Gesetzentwurf vorgelegt. Die schwarz-gelbe Regierungskoalition hat ihn abgelehnt. Ihre Begründung war: Es gibt keinen Handlungsbedarf.

Das ist unrichtig. Der Europäische Gerichtshof hat die Bundesrepublik im Fall der Berliner Whistleblowerin Brigitte Heinisch wegen Verletzung des Menschenrechts auf Meinungsfreiheit verurteilt. Wir brauchen auch in Deutschland dringend einen gesetzlichen Schutz für Whistleblower.

31.07.2013 Pressemitteilung: Whistleblower schützen, nicht kriminalisieren

Pressemitteilung: Whistleblower schützen, nicht kriminalisieren

Anlässlich des Schuldspruchs für den Wikileaks-Informanten Bradley Manning erklärt Ingrid Hönlinger, Sprecherin für Demokratiepolitik:

Der Schuldspruch für Bradley Manning zeigt, dass wir dringend einen besseren Schutz für  Whistleblower brauchen. Die Aufdeckung von Missständen in Unternehmen und Institutionen liegt im öffentlichen Interesse. Whistleblower gehören nicht an den Pranger. Ihr Mut bedarf der Anerkennung. Sie selbst verdienen den Schutz der Gesellschaft. Das gilt weltweit und natürlich auch für Deutschland.

Transparenz und Meinungsfreiheit sind Grundpfeiler von Demokratie. Sicherheit ist ein hohes Gut. Sie darf aber nicht gegen demokratische Grundwerte, wie den Schutz der Freiheit, ausgespielt werden.

Auch in Deutschland brauchen wir eine gesetzliche Regelung zum Schutz von Whistleblowern. Hierzu haben wir einen umfassenden Gesetzentwurf vorgelegt. Diesen Gesetzentwurf hat die schwarz-gelbe Regierung abgelehnt. Sie ist vier Jahre untätig geblieben. Das sind vier verlorene Jahre.

Der Fall einer deutschen Whistleblowerin belegt den Regelungsbedarf bei uns: Kündigt ein Arbeitgeber seine Angestellten, wenn diese Missstände aufdecken, verstößt das gegen die Meinungsfreiheit – das entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte.

31.07.2013 "Brauchen wir ein Whistleblowerschutz-Gesetz?" Radiointerview im Deutschlandradio Kultur

Sendung vom 30.07.2013 mit Ingrid Hönlinger

Zum Interview: Link

26.07.2013 Videolexikon der Grünen: Ingrid Hönlinger erklärt den Begriff "Whistleblower"

Videolexikon der Grünen: Ingrid Hönlinger erklärt den Begriff „Whistleblower“

Es sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Missstände in Unternehmen oder Institutionen aufdecken. Beispiele der letzten Zeit sind die Aufdeckung von Pferdefleisch in der Lasagne und die Internetüberwachung durch PRISM. Weil Whistleblower für ihre Courage leider oft viele persönliche Nachteile erleiden, brauchen sie einen besseren rechtlichen Schutz.

Zum Video

03.07.2013 Neues Rechtsinstitut soll soziale Elternschaft unterstützen

Neues Rechtsinstitut soll soziale Elternschaft unterstützen

Zum Fraktionsbeschluss über ein neues Rechtsinstitut zur Unterstützung sozialer Elternschaft erklären Katja Dörner, Sprecherin für Kinder- und Familienpolitik und Ingrid Hönlinger, Obfrau im Rechtsausschuss:

Immer mehr Kinder wachsen in Patchwork- oder Regenbogenfamilien auf. Wir haben eine steigende Anzahl von Personen in einer den Eltern ähnlichen Rolle. Soziale Eltern übernehmen im Alltag in vielfältiger Weise Verantwortung für Kinder, die in der Familie leben. Dieser Realität wird das deutsche Familienrecht nicht gerecht. Soziale Eltern werden zu wenig unterstützt. Das von uns entwickelte neue Rechtsinstitut schafft Rechtsicherheit, stärkt die Beziehung der Kinder zu ihren sozialen Eltern und erkennt deren Leistung an.

Für die sozialen Eltern-Kind-Beziehungen gibt es in Deutschland bisher keinen ausreichenden Rechtsrahmen. Um die Stabilität der Beziehungen zu fördern und mehr Rechtssicherheit zu schaffen, haben wir dieses neue Rechtsinstitut konzipiert. Sind die sorgeberechtigten Eltern einverstanden, kann die Verantwortung beim Jugendamt auf Wunsch des sozialen Elternteils auch auf diesen ausgeweitet werden. In diesem Fall treffen Eltern und soziale Eltern künftig gemeinsam und einvernehmlich Entscheidungen in grundsätzlichen Angelegenheiten des täglichen Lebens, aber auch Entscheidungen von erheblicher Bedeutung. Das betrifft etwa Schulwahl, Ausbildung, medizinische Versorgung, Auslandsreisen oder die Vertretung gegenüber Behörden.

Wir wollen, dass alle Kinder, unabhängig von der Familienform, in der sie aufwachsen, den gleichen Schutz sowie die gleiche Förderung und Unterstützung seitens des Staates erfahren. Das neue Rechtsinstitut ist ein entscheidender Baustein zur Stärkung der Rechte derer, die innerhalb der Familie Verantwortung füreinander übernehmen.

Den Fraktionsbeschluss finden Sie hier: PDF

Rede im Bundestag am 27.06.2013 zum Thema "Genossenschaften"

Rede im Bundestag am 27.06.2013 zum Thema „Genossenschaften“

 Frau/Herr Präsident/in, liebe Kolleginnen und Kollegen,

 „Genossenschaften erinnern die internationale Gemeinschaft daran, dass es möglich ist, Wirtschaftlichkeit und soziale Verantwortung zu vereinen“, sagte der Generalsekretär der Vereinten Nationen Ban Ki-moon zum Jahr der Genossenschaften 2012.

Meine Damen und Herren, die Kombination aus wirtschaftlichen und sozialen Elementen ist es, die die Rechtsform der Genossenschaft so einzigartig macht. Genossenschaften sind dazu da, ihre Mitglieder zu fördern. Es geht hier nicht um reine Kapitalansammlung. Genossenschaften sind mit dem Prinzip „jedes Mitglied – eine Stimme“ eine demokratische Rechtsform wie keine andere. Die verschwindend geringe Insolvenzquote von unter einem Prozent belegt außerdem, dass diese demokratische Form der Unternehmensführung der Wirtschaftlichkeit der Genossenschaften keinen Abbruch tut.

Verglichen mit anderen Gesellschaftsformen ist die Genossenschaft trotzdem eher das „Stiefkind“ der Rechtsformen. Seit der letzten Genossenschaftsreform sind die Gründungszahlen zwar gestiegen, aber selbst der Höchststand von 370 Neugründungen in 2011 ist immer noch eine niedrige Zahl, verglichen mit hunderttausenden Neugründungen anderer Gesellschaftsformen.

Das stellt uns vor die Fragen:

Wie können wir Genossenschaften besser fördern?

Und, wie können wir Menschen dazu ermutigen, diese Rechtsform zu wählen?

Unsere Vorstellungen, wie das Genossenschaftsrecht besser und weniger bürokratisch ausgestaltet werden kann, haben wir Grünen in unserem Antrag zur Stärkung der Genossenschaften formuliert. Unsere Kernpunkte sind Bürokratieabbau und rechtliche Erleichterungen. Gerade für Kleinstgenossenschaften, wie zum Beispiel einen kleinen Dorfladen, den die Dorfbewohner als Genossenschaft führen, sehen wir hierfür einen großen Bedarf.

Was meinen wir Grünen damit konkret?

Als Kleinstbetriebe gelten im Gesellschaftrecht Unternehmen mit nicht mehr als 350.000 Euro Bilanzsumme und 700.000 Euro Umsatzerlösen. Für diese Unternehmen sind Entlastungen hinsichtlich der Rechnungslegung im Gesetz vorgesehen. Dies gilt dank der Micro-Richtlinie sogar EU-weit. Wir sollten es den kleinen Genossenschaften nicht schwerer machen als anderen kleinen Gesellschaften. Wir sollten sie an diesen Erleichterungen teilhaben lassen.

Dazu gehört auch die Erleichterung der Pflichtprüfung. Die Pflichtprüfung dient der Feststellung der wirtschaftlichen Verhältnisse einer Genossenschaft. Sie erfolgt  bei kleinen Genossenschaften bisher zwingend alle zwei Jahre und wird vom Genossenschaftsverband durchgeführt. Bei kleinsten Genossenschaften ist das finanzielle Verlustrisiko gering. Kleinstgenossenschaften sollte es selbst überlassen sein, ob sie die sogenannte Pflichtprüfung durchführen wollen oder nicht.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist für uns Grüne die Förderung der Existenzgründung.

Gründerprogramme haben die selbstständige unternehmerische Tätigkeit im Blick. Genossenschaften aber sind anders strukturiert. Sie sind beispielsweise nicht auf einzelne Personen begrenzt, sondern sind für weitere Mitglieder  zugänglich. Daher erfüllen sie die Kriterien der Förderprogramme nicht. Folge ist, dass Genossenschaftsgründer in der Regel keine Gründungsförderung erhalten.

Wir müssen deshalb die Fördermaßnahmen umstrukturieren, um sie so auch Genossenschaften zugänglich zu machen. Vor allem sollte eine Förderung die Kosten der Gründungsprüfung der Genossenschaft abfangen können, insbesondere wenn die Genossenschaft soziale oder ökologische Zwecke verfolgt. Ambitionierte Menschen, die sich zusammenfinden, um unternehmerisch, gestaltend und zum Wohl der Gemeinschaft  aktiv zu werden, verdienen mehr Unterstützung als ihnen bisher zuteil wird. Ein Ausweichen auf die Rechtsform des Vereins, wie es derzeit teilweise geschieht, kann nicht die Lösung sein.

Außerdem sollten wir prüfen, wie eine Förderung aussehen könnte, wenn Mitarbeiter eines Krisenbetriebs sich bereit erklären, diesen als Genossenschaft fortzuführen und ihn so aus der Insolvenz retten. Hier sind über das Genossenschaftsgesetz hinaus auch Reformen in anderen Gesetzen, wie zum Beispiel der Insolvenzordnung, denkbar.

Unsere erste Bundestagsdebatte zu Genossenschaften fand vor Weihnachten, also vor einem halben Jahr, statt. In dieser Debatte haben die Koalitionsfraktionen angekündigt, einen Gesetzentwurf zum Thema Genossenschaften vorzulegen. Aus dem Bundesjustizministerium folgte dann tatsächlich im März ein Referentenentwurf.

Diesen Vorschlag finden wir Grünen nicht überzeugend, denn er hätte zur Folge, dass die Kleinstgenossenschaften faktisch nicht mehr richtig im genossenschaftlichen System eingebunden. Das wäre ein Schritt in die falsche Richtung.

Der Referentenentwurf aus dem Justizministerium zeigt aber, dass seit der Einbringung unseres Antrags in den Bundestag zumindest Bewegung in die Sache gekommen ist.

Das war’s dann aber schon. Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie haben vor Weihnachten behauptet, dass wir gemeinsam intensiv über Genossenschaften diskutieren, sobald ein Vorschlag aus dem Ministerium vorliegt. Aber die vollmundig angekündigten „konstruktiven Beratungen“ sind ausgeblieben.

Entweder haben Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition kein ernsthaftes Interesse daran, Erleichterungen für Genossenschaften zu schaffen. Oder Sie waren wieder einmal nicht in der Lage, sich in dieser Legislaturperiode auf Neuregelungen zu einigen.

Mit dieser Sitzungswoche endet die Legislaturperiode. Wir hätten im Bereich des Genossenschaftsrechts gemeinsam einige Verbesserungen erreichen können. Es ist schade um die verpasste Gelegenheit.

Wir Grünen werden die Reform des Genossenschaftsrechts mit einer neuen Regierung in der nächsten Legislaturperiode wieder aufgreifen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Rede zur "Verbraucherrechtelinie" am 14.06.2013 im Bundestag

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Heute debattieren wir über zwei Themen, die viele Menschen betreffen: das Verbraucherschutzrecht und das Mietrecht. Das Verbraucherschutzrecht haben wir hier im Bundestag im Jahr 2002 umfassend reformiert. Heute entwickeln wir die Verbraucherrechte weiter. Es geht konkret um das Widerrufsrecht für Haustürverträge und Fernabsatzverträge. Fernabsatzgeschäfte werden zum Beispiel per Telefon oder im Internet getätigt.

Bei genauer Betrachtung stellen wir fest, dass diese Bundesregierung leider nur das umsetzt, was Brüssel zwingend vorschreibt. Sie hat offensichtlich nicht den Mut und auch nicht den Willen, die vorhandenen Spielräume zu nutzen, die die Richtlinie für einen umfassenden Verbraucherschutz eröffnet hat.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Karin Binder (DIE LINKE))

Es fehlt noch an mehr. Die EU-Richtlinie fordert für Verstöße gegen Verbraucherschutzvorschriften Sanktionen, die wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sind.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Das ist die demokratiepolitische Sprecherin!)

Hier hat der Gesetzentwurf der Bundesregierung gar nichts zu bieten. Da muss nachgebessert werden. Die besten Verbraucherschutzrechte bringen nichts, wenn Verstöße folgenlos bleiben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Das Widerrufsrecht kann aber ohnehin nur ein Baustein im Gefüge der Verbraucherschutzrechte sein. Viel bedeutender sind für die Verbraucherinnen und Verbraucher weitere Rechte, wie zum Beispiel ihre Gewährleistungsrechte.

Werfen wir einmal einen Blick auf die alltägliche Praxis: Ein Verbraucher kauft eine Kaffeemaschine. Für dieses Produkt hat er zwei Jahre lang Gewährleistungsrechte. Tritt nun innerhalb dieser zwei Jahre ein Mangel an der Kaffeemaschine auf, kann der Verbraucher von seinem Verkäufer die Reparatur oder den Austausch des mangelhaften Produkts verlangen. Das Problem an der Sache ist: Die sogenannte Beweislastumkehr zugunsten des Verbrauchers gilt nur sechs Monate lang. Während dieser Zeit muss der Verkäufer beweisen, dass er dem Verbraucher eine mangelfreie Kaffeemaschine geliefert hat. Nach Ablauf der sechs Monate muss hingegen der Verbraucher beweisen, dass die Kaffeemaschine schon kaputt war, als er sie erworben hat. Wie soll der Verbraucher das beweisen? Das ist den meisten Verbrauchern in der Praxis nicht möglich.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Fragen Sie doch mal Frau Enkelmann, was sie meint!)

Damit laufen die Gewährleistungsrechte innerhalb der letzten anderthalb Jahre faktisch ins Leere. Wir müssen sicherstellen, dass Verbraucher ihre volle Gewährleistungsfrist ausschöpfen können, indem wir die Beweislastumkehr zugunsten des Verbrauchers auf zwei Jahre verlängern. Verbraucherschutz darf nicht eine leere Vokabel sein; Verbraucherschutz, meine Damen und Herren, muss den Alltagstest bestehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Nun hat die SPD einen Änderungsantrag zum  Mietrecht eingebracht, zu Recht,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

denn die Mieten schnellen überall in die Höhe. Bezahlbarer Wohnraum wird in Ballungsgebieten immer knapper. Mietpreissteigerungen von über 7 Prozent wurden 2011 in Großstädten wie Berlin und Hamburg verzeichnet; in der Studentenstadt Greifswald waren es sogar mehr als 10 Prozent.

Die Mietpreissteigerungen treffen vor allem einkommensschwache Haushalte. Familien müssen 30 oder 40 Prozent ‑ manchmal sogar mehr ‑ ihres Einkommens für die Miete ausgeben. Das dürfen wir nicht länger hinnehmen. Hier müssen wir endlich gesetzlich eingreifen, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Wir Grünen fordern seit drei Jahren, dass Mietobergrenzen bei der Wiedervermietung von Wohnungen in Gebieten mit Wohnraummangel eingeführt werden. Eine solche Mietpreisbremse für Regionen, in denen die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum nicht mehr gewährleistet ist, müssen wir jetzt endlich beschließen. Wohnen darf nicht zum Luxusgut werden; Wohnen ist ein Grundbedürfnis.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Eine bezahlbare Wohnung schafft Sicherheit und Stabilität für Mieter und für ihre Familien.

Wir werden deshalb dem SPD-Änderungsantrag zustimmen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Rede zu "elektronischer Rechtsverkehr" am 13.06.2013 im Bundestag

Frau/Herr Präsident/in, liebe Kolleginnen und Kollegen,

vor knapp 13 Jahren hat die rot-grüne Bundesregierung den ersten allgemeinen Rechtsrahmen für den Einsatz elektronischer Verfahren in der Justiz erstellt. Heute debattieren wir hier im Bundestag über die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs in der Justiz. Hierzu hat die schwarz-gelbe Bundesregierung ihren Gesetzentwurf vorgelegt. Dieser Vorschlag, meine Damen und Herren, ist noch verbesserungswürdig.

Warum?

Meine Fraktion und ich sehen deutliche Defizite in den Bereichen Barrierefreiheit und Datensicherheit. Hier gibt es noch erhebliches Verbesserungspotential.

Zur Barrierefreiheit:

Deutschland hat Anfang 2009 die UN-Behindertenrechtskonvention ratifiziert. Damit haben wir uns verpflichtet, alle geeigneten gesetzgeberischen Maßnahmen zu ergreifen, um Menschen mit Behinderung einen gleichberechtigen Zugang zur Justiz zu ermöglichen, außerdem eine selbstbestimmte Teilhabe an allen modernen Informations- und Kommunikationstechnologien, die elektronisch bereit gestellt werden oder zur Nutzung offen stehen. Auch wollen wir  vorhandene Zugangshindernisse und -barrieren beseitigen.

Der Änderungsantrag der Regierungskoalition geht jetzt auf wesentliche Bedenken von Blinden- und Sehbehindertenverbänden ein. Dafür haben auch wir Grünen uns im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens eingesetzt. Diese Weiterentwicklung begrüße ich, auch im Namen meiner Fraktion, ausdrücklich.

Allerdings enthält der Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen nach wie vor keine Regelung zur Barrierefreiheit bei Internetauftritten und -angeboten der Bundesjustiz. Auch sollten wir den Grundsatz der  Barrierefreiheit  verfahrensübergreifend in einem „Guss“ und umfassend zentral in § 191a ZPO regeln. Hier sind sowohl der Vorschlag der Bundesregierung als auch der Vorschlag der Regierungskoalition  unzureichend.

Eine positive Wendung nehmen wir Grünen allerdings bei der Frage des Empfangsbekenntnisses wahr.

Wenn Schriftstücke in Rechtsanwaltskanzleien eingehen, bestätigen diese bisher den Erhalt des Dokuments mit ihrer Unterschrift unter das Empfangsbekenntnis. Dieses schicken sie anschließend an den Absender, also beispielsweise an das Gericht, zurück.

Im Regierungsentwurf war die Einführung einer automatischen Eingangsbestätigung vorgesehen. Dies hätte zu einem erheblichen Paradigmenwechsel geführt. Anwalt und Anwältin hätten so keine eigene Kontrolle über die Bestätigung des Erhalts von Dokumenten gehabt.

An diesem Punkt hat die Koalition die geäußerte Kritik ernstgenommen. Nunmehr soll die Zustellung durch ein elektronisches Empfangsbekenntnis nachgewiesen werden. Dieses wird jetzt persönlich von der Anwältin oder dem Anwalt erstellt. Das entspricht der aktuellen Rechtslage. Das unterstützen wir Grünen ausdrücklich.

Wir betonen aber auch in der heutigen Debatte noch einmal die datenschutzrechtlichen Unsicherheiten, die bei Nutzung der DE-Mail bestehen. Hier gibt es keine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung und alle DE-Mails müssen zum Zwecke des Virenchecks geöffnet werden. Außerdem, und das möchte ich besonders hervorheben, bleibt ein besonderes Risiko: Es gibt insgesamt nur eine ganz kleine Anzahl von  De-Mail-Servern. Gelingt es einem Hacker, einen solchen Server zu öffnen, erhält er auf einen Schlag Unmengen von hochsensiblen Daten aus Gerichtsverfahren. Das können Scheidungsverfahren sein oder sonstige höchstpersönliche Angelegenheiten sein.

Einen solchen unsicheren Übermittlungsweg können wir Grünen, auch und gerade im Gerichtsbereich, nicht unterstützen, meine Damen und Herren. Für uns ist Datenschutz ein zentrales Anliegen. Nur mit einem hohen Datenschutzstandard können wir Vertraulichkeit und Privatsphäre in der Justiz sicherstellen.

Das aber leistet der Gesetzentwurf der schwarz-gelben Bundesregierung  nicht. Auch wenn er viele positive Ansätze enthält, können wir ihm aus den genannten Gründen nicht zustimmen. Wir werden uns bei der Abstimmung enthalten.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Rede zur "Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung" am 13.06.2013 im Bundestag

Frau/Herr Präsident/in, liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Bundesregierung will eine neue Rechtsform im Gesellschaftsrecht einführen. Diese soll für einige wenige Berufsgruppen gelten, nämlich für Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Die neue Rechtsform nennt sich Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung (PartmbB). Wie der Name schon andeutet, will die Regierung mit dem Gesetz den genannten Berufsgruppen die Möglichkeit geben, ihre Haftung für berufliche Fehler auf das Gesellschaftsvermögen zu beschränken. Eine persönliche Haftung der Berufsträger, wie sie derzeit geltendes Recht ist, ist dann ausgeschlossen.

Ziel des Gesetzes, so steht es in der Gesetzesbegründung, ist es, Anwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern eine deutsche Alternative zur angelsächsischen Limited Liability Partnership (LLP) zu bieten. Das hört sich im ersten Moment gut an. Aber die Lektüre des Gesetzentwurfs macht deutlich, woher hier der Wind weht. Schon in der Einleitung des Gesetzentwurfs können wir lesen, dass sich „im Bereich von anwaltlichen Großkanzleien“ ein Trend zum Wechsel in die LLP abzeichnet. Dies ist also ein Gesetz, mit dem die schwarz-gelbe  Koalition erneut einen Bereich ihrer Klientel bedient: die Großkanzleien. Die Regierungskoalition schenkt den Großkanzleien eine „eierlegende Wollmilchsau“, wie Kollege Strässer von der SPD die Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung in der ersten Beratung dieses Gesetzes treffend bezeichnet hat.

Natürlich beschränkt sich das Gesetz rein rechtlich nicht auf große Gesellschaften. Aber in der Realität werden kleine Kanzleien diese Rechtsform kaum nutzen können.

Die Versicherungsbeiträge werden bei der Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung deutlich in die Höhe gehen. Die Mindestversicherungssumme von 2,5 Millionen Euro pro Versicherungsfall erfordert hohe Prämien.

Und natürlich können wir aus Gründen des Gläubigerschutzes nicht darauf verzichten, eine hohe Mindestversicherungssumme für die Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung einzusetzen.

Unabhängig von der Versicherungsproblematik führt das Konzept der Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung zu einer weiteren Zersplitterung der Rechtsformen im ohnehin schon komplexen Gesellschaftsrecht. Es kommt zu einer Vermischung von Merkmalen der Personengesellschaft  und Merkmalen der Kapitalgesellschaft. Darüber hinaus unterfallen – anders als bei der LLP – nur die Ansprüche aus beruflichen Fehlern der Haftungsbeschränkung. Für sonstige Ansprüche gegen die Gesellschaft und den einzelnen Berufsträger gilt die Haftungsbeschränkung nicht. Das verkompliziert das System noch mehr.

Und insbesondere die Anwaltschaft muss sich fragen lassen, welchen Weg sie in Zukunft gehen will.

Rechtsanwälte sind Organe der Rechtspflege als berufene Vertreterinnen und Vertreter ihrer Mandantinnen und Mandanten. Sie sind unerlässlich, damit der Rechtsstaat den Rechtsgewährungsanspruch der Bürgerinnen und Bürger erfüllen kann. In dieser Funktion und der damit einhergehenden Einbindung in die Rechtsanwaltskammern bilden sie einen Beruf, der den Begehrlichkeiten anderer Berufe zur Rechtsberatung trotzen kann.

Der Weg in eine weitere Ökonomisierung der Rechtsanwaltstätigkeit, zum Rechtsanwalt als einem – wenn auch freien – so doch „gewöhnlichen“ Beruf, wie jeder andere, entfernt ihn von seiner ihn schützenden Organstellung als notwendiger Teil der Justiz, die Verfassungsrechte der Menschen gewährleistet.

Wenn es sich nicht als unabweislich notwendig erweist, der Rechtsanwaltschaft eine weitere haftungsbeschränkte Organisationsmöglichkeit zu eröffnen – und ein solcher Nachweis ist bisher weder aus der tatsächlichen Entwicklung noch systematisch geführt worden – dann sollte der Gesetzgeber den Lobby-Interessen eines kleinen Teils der Anwaltschaft nicht nachgeben.

Im Rechtsausschuss haben wir eine öffentliche Anhörung zu dem  Gesetzentwurf der schwarz-gelben Regierungskoalition durchgeführt. Es gab zahlreiche Änderungsvorschläge der Sachverständigen, die die Regierungskoalition nicht aufgegriffen hat. Diese schwarz-gelbe Koalition  peitscht kurz vor Ende der Wahlperiode ein Gesetz durch, das einfach noch nicht ausgereift ist.

Ich sehe das Bedürfnis für Reformen im Gesellschaftsrecht. Aber dieses Gesetz ist nicht die Lösung. Wenn wir hier etwas Neues schaffen, sollten wir über eine Rechtsform debattieren, von der alle Freiberufler etwas haben. Ein solches Gesetz könnte im internationalen Wettbewerb wirklich Erfolg haben. Dann könnten wir „Law Made in Germany“ als echtes Qualitätsprodukt auf den Markt bringen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Rede zur "Stärkung der Funktionen der Betreuungsbehörde" am 13.06.2013 im Bundestag

Sehr geehrte Frau/Herr Präsident/in, liebe Kolleginnen und Kollegen,

immer mehr Menschen sind in Deutschland auf Betreuung oder Assistenz angewiesen. In den letzten zehn Jahren haben wir einen kontinuierlichen Anstieg von Betreuungsverfahren erlebt. Im Jahr 2011 benötigten 1.319.361 Menschen eine rechtliche Betreuung. Und die Tendenz ist steigend.

Ursache für diese hohe Anzahl an Betreuungen sind demographische und gesellschaftliche Entwicklungen. Wir leben, das ist uns allen hier im Saal bewusst, in einer Gesellschaft, die immer älter wird und in der der familiäre Zusammenhalt sich immer mehr lockert.

Gleichzeitig ist uns allen wichtig, dass Menschen, solange sie hierzu in der Lage sind, ihre Entscheidungen selbstbestimmt treffen können. Deutschland hat sich auch in der UN-Behindertenrechtskonvention dazu verpflichtet, das Selbstbestimmungsrecht von Menschen mit Behinderung entscheidend zu stärken.

Unser Betreuungsrecht wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Wir müssen es deshalb umfassend reformieren, meine Damen und Herren.

Heute debattieren wir über den entsprechenden Gesetzesvorschlag der Bundesregierung.

Dass diese Bundesregierung nun überhaupt noch einen Reformvorschlag in den Bundestag eingebracht hat, freut uns. Die geplanten Maßnahmen zur Stärkung der Betreuungsbehörden bewerten wir positiv. Sie können dazu beitragen, Betreuungen zu vermeiden.

Auch die Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen und der Fraktion die Linke unterstützen wir. Es ist positiv, dass die Betreuungsbehörden den Betroffenen andere Hilfen „vermitteln“ und nicht nur „auf eine Vermittlung hinwirken“ sollen. Auch befürworten wir, dass bei der Erweiterung und der Verlängerung einer Betreuung die Anhörung der Betroffenen und der Betreuungsbehörde verpflichtend sein soll. Diese Maßnahmen können das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen stärken und im Ergebnis zur Vermeidung von Betreuungen beitragen.

Allerdings kann und wird das Gesetz nur Wirkung zeigen, wenn in den Betreuungsbehörden ausreichend personelle Kapazitäten und finanzielle Mittel für die Erfüllung der neuen Aufgaben vorhanden sind. Anders als dies im Gesetzentwurf zu lesen ist, sehen wir hier eine große finanzielle Mehrbelastung auf die Länder zukommen. Das haben uns auch die Sachverständigen in der Anhörung bestätigt. Nicht alle Länder werden diese Anstrengungen schultern können. Die Gesetzesänderung wird also vielerorts nur „heiße Luft“ bleiben. Die betroffenen Menschen werden davon nur in wenigen Fällen profitieren.

Insgesamt ist der Gesetzentwurf der Regierungskoalition also „nicht der große Wurf“. Das wurde schon in der Sachverständigenanhörung deutlich und das müssen wir auch hier noch einmal ganz klar feststellen.

Die vorgesehenen Änderungen können nur ein erster Schritt sein. Anstatt einige verfahrensrechtliche Regelungen für Betreuungsbehörden  vorzunehmen, wäre eine umfassende Reform des Betreuungsrechts  angezeigt gewesen. Wir Grünen haben in unserem Entschließungsantrag zu unserer Großen Anfrage die Eckpunkte einer solchen personenzentrierten und ganzheitlichen Reform des Betreuungsrechts bereits aufgezeigt.

Hierzu will ich Ihnen nur einige grundlegende Gedanken nennen:

Wenn wir darüber sprechen, ob eine Betreuung erforderlich ist oder nicht, geht es nicht nur darum, Betreuung zu vermeiden. Es geht auch darum, Selbstbestimmung zu ermöglichen. Die UN-Behindertenkonvention setzt hier zu Recht auf ein System der „unterstützten Entscheidungsfindung“. Der Staat muss also gewährleisten, dass Menschen mit eingeschränkter Entscheidungskompetenz die notwendige Unterstützung und Hilfe erhalten, um selbst handeln und entscheiden zu können.

Dies verlangt Betreuerinnen und Betreuern mitunter schwierige Abwägungsvorgänge ab. Häufig können diese Entscheidungen nicht ohne weiteres von Ehrenamtlichen getroffen werden.

Wir Grünen setzen uns daher im Interesse aller, also sowohl der Betreuten als auch der Betreuerinnen und Betreuer, für eine Festschreibung von Eignungskriterien für berufliche Betreuung ein.

Eine stärkere Professionalisierung und Spezialisierung von rechtlichen Betreuerinnen und Betreuern sollte sich konsequenterweise auch in einem neuen Vergütungsbemessungssystem widerspiegeln. Dieses wiederum sollte sich auch an der Schwierigkeit des jeweiligen Falls bemessen.

Ein System der unterstützten Entscheidungsfindung einhergehend mit der Festschreibung von gesetzlichen Eignungskriterien und einer Änderung des Vergütungsbemessungssystems wird entscheidend zur Qualitätssicherung von Betreuung  und zur Vermeidung von Betreuung beitragen. Davon sind wir Grünen überzeugt.

Meine Damen und Herren, von einer Verwirklichung dieser Gedanken  sind wir noch weit entfernt. Hier besteht erheblicher Nachbesserungsbedarf. Wir Grünen werden uns weiterhin für eine personenzentrierte und ganzheitliche Reform des Betreuungsrechts einsetzen. Das Betreuungsrecht benötigt endlich eine umfassende Modernisierung.

Dem Gesetzentwurf der Regierungskoalition können wir nicht zustimmen. Er ist inhaltlich nicht ausreichend. Wir werden uns bei der Abstimmung enthalten.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Artikel zur Leihmutterschaft in der FAZ vom 31.05.2013 "Käufliches Elternglück?"

Zum Link

Rede am zu "Prozessekostenhilfe und Kostenrechtsmodernisierung" am 16.05.2013 im Bundestag

Frau/Herr Präsident/in, liebe Kolleginnen und Kollegen,

in der Sachverständigenanhörung zum Kostenrecht, über das wir heute debattieren, hat Dr. Matthias Kilian folgendes festgestellt:

„Die durchschnittlichen Aufwendungen der europäischen Staaten für die Justiz machen nach Erhebungen des Europarats 1,9% des Staatshaushalts aus (Wert aus 2010). Die Aufwendungen des deutschen Fiskus für die deutsche Justiz liegen 16% unter diesem Mittelwert und betragen 1,6%. Im Ranking der 39 untersuchten europäischen Staaten ist der prozentuale Anteil der Kosten für das gesamte Justizsystem nur in 13 Staaten niedriger, aber in 25 Staaten höher als in Deutschland.“

Zwei große Themenblöcke beschäftigen uns heute: Es geht um die Neuregelung von Gerichts-, Anwalts- und Notarsgebühren und um die Neuregelung von finanziellen staatlichen Leistungen im Justizbereich, die Prozesskosten- und Beratungshilfe.

Ich möchte zunächst auf das Kostenrechtsmodernisierungsgesetz eingehen. Dieses Gesetz verbessert die Kostendeckung in der Justiz, indem es Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren erhöht. Natürlich verteuert diese Neuregelung Gerichtsverfahren. Sie ermöglicht aber den Bundesländern den finanziellen Spielraum, den sie benötigen, um den hohen Justizstandard, den wir in Deutschland haben, aufrecht zu erhalten. Meine Damen und Herren, diesen Gesetzentwurf halte ich deshalb für einen gelungenen Kompromiss zwischen Bund und Ländern.

Gleichzeitig passt das Gesetz die Vergütungen der Rechtsanwälte, Notare, Sachverständigen, Dolmetscher und Übersetzer an die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung an. Und dafür war es an der Zeit, meine Damen und Herren.

Wenn sich die wirtschaftliche Lage im Land ändert, ist es notwendig, dass wir die Gesetze der wirtschaftlichen Realität anpassen. Insbesondere freue ich mich, dass es im Rahmen der Verhandlungen über den Gesetzentwurf noch zu entscheidenden Verbesserungen am Gesetz gekommen ist, zum Beispiel für die Übersetzerinnen und Übersetzer. Hier haben Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, zu Recht die Intention des Änderungsantrags von Bündnis 90/Die Grünen aufgenommen.

Nicht aufgegriffen haben Sie allerdings unsere Forderung nach einer Angleichung der Anwaltsgebühren in Asylverfahren an die Gebühren in ausländerrechtlichen Verfahren. Das ist schade, aber Sie haben jetzt noch die Chance, dies nachzuholen, indem Sie unserem Änderungsantrag zustimmen. Und das wäre auch sachgerecht. Sowohl im Ausländer- als auch im Asylrecht geht es um Aufenthaltsrechte in Deutschland. Es gibt keinen sachgerechten Grund dafür, Anwälte in Asylverfahren geringer zu vergüten als in Verfahren nach dem Aufenthaltsgesetz. Hier müssen wir Gleichheit und eine faire und rechtssystematisch sinnvolle Anpassung herstellen.

 Jetzt komme ich zu den weiteren Änderungen im Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferecht.

 Ich fange mit der guten Nachricht an: Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Regierungskoalition, haben sich zu enormen Verbesserungen an dem Gesetzentwurf der Bundesregierung durchgerungen. Diese Verbesserungen bestehen größtenteils daraus, dass Sie die Hälfte der vorgesehenen Änderungen ersatzlos aus dem Gesetzentwurf streichen. Die drastischsten Einschränkungen in der Prozesskosten- und Beratungshilfe, die die Bundesregierung, aber auch der Bundesrat geplant hatten, entfallen auf diese Weise. Die Einkommensfreibeträge werden nicht gesenkt. Prozesskostenhilfe wird nicht teurer. Wer Beratungshilfe benötigt, kann direkt einen Anwalt kontaktieren und muss nicht erst beim Gericht einen Antrag auf Beratungshilfe stellen.

Dies sind nicht nur gute Nachrichten für diejenigen Bürgerinnen und Bürger, die auf Prozesskostenhilfe angewiesen sind, sondern auch für alle, die sich für den Erhalt des sozialen Rechtsstaats einsetzen. In einem Rechtsstaat regiert nicht Geld die Welt. Der Rechtsstaat ist für alle da, unabhängig von ihrem Einkommen oder Vermögen.

Auf die gute Nachricht folgt nun leider die schlechte Nachricht: Vom ursprünglichen Gesetzentwurf ist zwar nicht viel übrig geblieben, aber einige Verschärfungen will diese Regierung dennoch einführen.

 Das lehnen wir Grünen aus folgenden Gründen ab:

 Erstens: Jemand der Prozesskostenhilfe empfängt, muss diese grundsätzlich – gegebenenfalls in Raten – zurückzahlen. Das ist selbstverständlich auch in Ordnung. Die Ratenzahlung beginnt bisher allerdings ab einem verfügbaren Einkommen in Höhe von 15 Euro. Diese Schwelle von 15 Euro soll nun auf 10 Euro abgesenkt werden.

Der Aufwand des Gerichts, eine solche  Summe einzutreiben, steht in keinem Verhältnis zu den geringen Mehreinnahmen der Landeskassen. Hier ist der Kosten-Nutzen-Effekt nicht gewahrt. Auch greifen Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, zu tief in die sozialen Teilhabemöglichkeiten vieler Menschen ein, wenn Sie die Schwelle der ratenfreien Prozesskostenhilfe um ein Drittel senken.

 Zweitens: Das Gericht soll eine einmal bewilligte Prozesskostenhilfe für einen Beweisantritt wieder entziehen können, wenn der Beweis keine genügende Aussicht auf Erfolg bietet. Dies bedeutet einen Verstoß gegen das zivilprozessrechtliche Verbot der vorweggenommenen Beweiswürdigung.

 Drittens: Das Gericht soll die Prozesskostenhilfe schon dann vollständig entziehen, wenn der Empfänger Änderungen seiner Adresse oder seines Einkommens aus grober Nachlässigkeit nicht richtig oder nicht unverzüglich dem Gericht mitteilt.

Bisher kann das Gericht derartige Entscheidungen treffen.

Dieser Unterschied zwischen „soll“ und „kann“ wirkt auf den ersten Blick klein, ist aber in der Praxis groß. Er wird dazu führen, dass das Gericht zukünftig die spezifische Situation des Prozesskostenhilfeempfängers weniger berücksichtigen wird als das bisher der Fall ist.

Meine Damen und Herren, Deutschland gibt im internationalen Vergleich sehr wenig Geld für die Justiz im allgemeinen und die Prozesskostenhilfe im besonderen aus. Wenn wir wollen, dass unser Rechtssystem weiterhin auch international als vorbildlich betrachtet wird, dürfen wir die Prozesskosten- und Beratungshilfe nicht weiter einschränken. Wir müssen den Zugang zum Recht für alle erhalten, unabhängig von ihrer finanziellen Situation. Das ist gelebter Sozialstaat in der Justiz.

 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Rede zu "Restschuldbefreiungsverfahren" am 16.05.2013 im Bundestag

TOP 17 Restschuldbefreiungsverfahren – Ingrid Hönlinger MdB

Frau Präsidentin/Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,

das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte war von der schwarz-gelben Bundesregierung als großer Wurf geplant. Im Ergebnis ist nun ein Gesetz herausgekommen, das wenig verändern wird. Es verfehlt sein Ziel, Unternehmensgründern oder anderen verschuldeten Personen zügig einen finanziellen Neustart und eine zweite Chance zu eröffnen, völlig.

Die langen Ausführungen im Gesetzentwurf lesen sich wie eine Ironie:

Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, führen eingehend aus, warum eine sechsjährige Wohlverhaltensphase in der Verbraucherinsolvenz, wie sie derzeitig Rechtslage ist, zu lang ist. Hier stimmen wir Grünen Ihnen voll und ganz zu.

Sie schlagen nun eine Verkürzung der Wohlverhaltensphase um ein Jahr, also auf fünf Jahre, vor, wenn die Schuldnerin oder der Schuldner die Verfahrenskosten begleicht.

Ursprünglich hatten Sie eine weitere Verkürzung auf drei Jahre vorgesehen, wenn die Schuldnerin oder der Schuldner eine Mindestbefriedigungsquote von 25 Prozent erfüllt hat.

Beide Regelungen haben nicht nur wir Grünen in der Vergangenheit klar kritisiert. Auch in der Anhörung haben viele der Expertinnen und Experten deutlich zum Ausdruck gebracht, dass in der Praxis nur sehr wenige Schuldnerinnen und Schuldner von den Neuregelungen profitieren würden. Die überwiegende Zahl der Verbraucherschuldnerinnen und Verbraucherschuldner wird aufgrund ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht in der Lage sein, überhaupt eine Befriedigungsquote aus eigenem Einkommen und Vermögen zu tragen.

Aber es kommt noch schlimmer. In Ihrem Änderungsantrag wollen sie nun die Befriedigungsquote sogar auf 35 Prozent erhöhen. Und dies, obwohl Sie in Ihrer Begründung selbst schreiben, dass die Quote nicht zu hoch sein darf, um Leistungsanreize zu setzen.

Ein Anreizsystem halten auch wir Grünen nicht grundsätzlich für falsch. Bei der Begleichung der Verfahrenskosten zum Beispiel sind wir weniger kritisch. Aber mit Ihrer Mindestbefriedigungsquote von 35 Prozent kommen Sie einseitig den Interessen der Kreditwirtschaft nach – und dies auf dem Rücken der Verbraucherschuldnerinnen und Verbraucherschuldner.

Weitaus sinnvoller wäre es gewesen, für alle Schuldnerinnen und Schuldner gleichermaßen eine Verfahrensverkürzung auf drei Jahre einzuführen. Das wäre eine echte zweite Chance, eine Möglichkeit zum Neuanfang. Genau dies fordern wir Grünen in unserem Änderungsantrag.

Viele Menschen haben große Erwartungen in dieses Gesetz gesetzt. Das zeigen uns die vielen Zuschriften von Privatpersonen. Von einem gerechten Interessenausgleich zwischen Gläubigerinnen und Gläubigern einerseits und Schuldnerinnen und Schuldnern andererseits kann aber bei Ihrem Gesetz keine Rede mehr sein. Mit Ihrem Gesetzentwurf, meine Damen und Herren, wird nur ein ganz geringer Teil aller Schuldnerinnen und Schuldner in den Genuss einer vorzeitigen Restschuldbefreiung kommen. Hier kann ich nur sagen: Ziel deutlich verfehlt.

Erfreulicherweise nehmen Sie aber, das will ich positiv hervorheben, mit Ihrem Änderungsantrag die vorgesehene Abschaffung des Schuldenbereinigungsplanverfahrens zurück. Wenigstens in diesem Punkt haben Sie sich die Expertisen der Sachverständigen zu Herzen genommen. Doch von Ihren ursprünglichen Plänen, den äußerst erfolgreichen außergerichtlichen Einigungsversuch umfassend zu stärken, ist leider nicht viel übrig geblieben. Vorschläge hierzu hätte es genug gegeben.

Ein weiteres Problem haben Sie noch mit Ihrem Gesetzentwurf abgemildert: Sie begründen Kündigungsschutz für Schuldnerinnen und Schuldner, die eine Wohnung von Wohnungsbaugenossenschaften gemietet haben und mit einer bestimmten Anzahl von Genossenschaftsanteilen an der Genossenschaft beteiligt sind. Damit erhalten Mitglieder einer Wohnungsgenossenschaft, die in finanzielle Not geraten sind, wenigstens die Sicherheit, in der Insolvenz ihre Wohnung behalten zu können. Hier wird endlich eine Lücke geschlossen. Das befürworten wir sehr. Hierfür haben auch wir Grünen uns in der Vergangenheit stark gemacht. Wie der Bundesrat auch, hätten wir uns allerdings ein höheres Schutzniveau gewünscht.

Meine Damen und Herren, insgesamt ist dieses Gesetzeswerk enttäuschend für die vielen Verbraucherschuldnerinnen und Verbraucherschuldner, die lange darauf gewartet haben. Hier haben Sie nachvollziehbare Hoffnungen einseitig enttäuscht. Wir Grünen können Ihrem Gesetz in dieser Form nicht zustimmen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

06.05.2013 Kinder von Samenspendern - entscheidend ist das Kindeswohl

Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung am 05.05.2013

Zum Artikel

Rede zu "Rechte des leiblichen Vaters" am 25.04.2013 im Bundestag

Frau/Herr Präsident/in, liebe Kolleginnen und Kollegen,

in dieser Legislaturperiode hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg in mehreren Entscheidungen festgestellt, dass das deutsche Familienrecht nicht der Europäischen Menschenrechtskonvention entspricht. Auch heute debattieren wir wieder über einen Gesetzentwurf, der die Rechtsprechung des Gerichtshofs umsetzt. Das ist eine gesellschaftlich notwendige Fortentwicklung unseres Familienrechts.

Wir alle wissen: Es gibt Familienkonstellationen, in denen der leibliche Vater eines Kindes nicht identisch ist mit dessen rechtlichem Vater.

Die bisherige deutsche Rechtslage sieht vor, dass der leibliche Vater, der keine enge Bezugsperson für sein Kind ist, kategorisch und ohne Prüfung des Kindeswohls vom Umgang mit seinem Kind ausgeschlossen ist. Dies gilt auch dann, wenn ihm der Umstand, dass er bisher keine Beziehung zu seinem Kind aufbauen konnte, nicht zuzurechnen war. Beispielhaft sind die Fälle, in denen die soziale Familie, in der das Kind lebt, jeglichen Kontakt zwischen leiblichem Vater und Kind blockiert. Dieser Vater ist machtlos und rechtlos.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat entschieden:

Das deutsche Recht muss eine Regelung finden, die leiblichen Vätern ermöglicht, eine Beziehung zu ihren Kindern aufzubauen. Voraussetzung ist, dass es dem Kindeswohl entspricht.

Der Gesetzentwurf, über den wir heute debattieren, setzt diese Rechtsprechung um:

Wenn es dem Kindeswohl dient, steht dem Vater zukünftig ein Umgangsrecht zu. Wenn es dem Kindeswohl nicht widerspricht, hat er ein Recht auf Auskunft über die persönlichen Verhältnisse seines Kindes. Der leibliche Vater hat jetzt die Möglichkeit, Informationen über sein Kind zu erhalten und eine Beziehung zu seinem Kind herzustellen. Sachgerecht ist aus unserer Sicht auch, dass der Gesetzentwurf eine abgestufte Kindeswohlprüfung vorsieht, orientiert an der Frage, ob der Vater  Auskunfts- oder Umgangsrechte geltend macht. Und auch für das Kind ist es wichtig, dass klar geregelte Kontaktmöglichkeiten für den Vater bestehen. Ermöglicht dies doch dem Kind, Informationen über seine Herkunft, seine familiären Wurzeln, zu erhalten und im besten Fall eine Beziehung zu seinem leiblichen Vater aufbauen zu können. Und auch das Interesse der sozialen Familie, Störungen des Kindesinteresses durch Außenstehende zu vermeiden, wird berücksichtigt.

Wir Grünen begrüßen, dass wir heute fraktionsübergreifend das Familienrecht weiter modernisieren. Wir werden dem Gesetzentwurf zustimmen.

Allerdings hätten wir uns noch mehr Modernisierung gewünscht. Der Gesetzentwurf aus der Regierungskoalition regelt die Fälle, die der konkreten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zugrunde lagen: Dies waren typische „Seitensprung-Fälle“. Die Regelung, über die wir heute debattieren hilft Vätern weiter, die der Mutter ihres Kindes „beigewohnt“ haben.

Vor kurzem hat das „Samenspende-Urteil“ des Oberlandesgerichts Hamm für Aufsehen gesorgt. Das Gericht hat festgestellt, dass ein Kind, das mit Hilfe einer Samenspende gezeugt worden ist, das Recht hat, vom behandelnden Arzt Auskunft über die Identität des Samenspenders zu verlangen. Dieses Urteil ist mittlerweile rechtskräftig. Nun sind wir als Gesetzgeber aufgefordert, Konsequenzen daraus zu ziehen. Dazu gehört die Klärung der Rechtsstellung des Samenspenders. Er ist es, der in diesem Fall der leibliche Vater ist. Leider blendet der heute beratene Gesetzentwurf den Komplex „Samenspende“ komplett aus. Ebenso ist die Situation des weiblichen homosexuellen Paares, dessen Kind naturgemäß auch einen männlichen leiblichen Elternteil hat, weiter ungeklärt.

Alle diese Fälle haben eines gemeinsam: Sie zeigen, dass Kinder mehr als nur zwei Elternteile haben können. In allen diesen Fällen, seien es Patchworkfamilien mit verschieden geschlechtlichen Eltern oder Regenbogenfamilien, brauchen wir klare Regeln, die die Rechte und Pflichten aller Elternteile normieren.

Wir Grünen hätten uns gewünscht, dass Sie, meine Damen und Herren von der Regierungsbank die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zum Anlass nehmen, das Familienrecht insgesamt zu novellieren und konsequent weiterzudenken. Einen wichtigen Ansatz hierfür haben Sie schon in Ihren Gesetzentwurf aufgenommen. Sie ermöglichen erstmals, dass zusätzlich zum rechtlichen Vater ein zweiter Vater gerichtlich festgestellt wird. Dieser zweite Vater ist der leibliche Vater. Ihr Gesetzentwurf erkennt also an, dass Mehrelternkonstellationen nicht nur im sozialen, sondern auch im rechtlichen Sinne möglich sind.

Das ist ein Paradigmenwechsel, der bedeutend ist. Er ist aber auch dringend notwendig. Es wird höchste Zeit, meine Damen und Herren, dass wir hier im Parlament das Verhältnis von genetischer, sozialer und rechtlicher Elternschaft grundlegend neu klären. Denn alle Kinder haben die gleichen Rechte, unabhängig davon, in welcher Familienkonstellation sie aufwachsen und welchen Lebensentwurf ihre Eltern gewählt haben.

Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass weitere Bewegung in das überkommene Familienrecht kommt. Nach der Reform des Sorgerechts für nicht miteinander verheiratete Paare und der Stärkung der Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters ist es nun Zeit für eine umfassende Modernisierung des Familienrechts. Wir Grünen werden uns weiterhin dafür einsetzen, das Familienrecht konsequent weiter zu entwickeln und an die gesellschaftlichen Realitäten anzupassen. In der nächsten Legislaturperiode werden neue politische Mehrheiten uns das erleichtern.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Rede zu "Wirtschaftskriminalität" am 19.04.2013 im Bundestag

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Vor wenigen Jahren hat der Korruptionsskandal bei Siemens das Unternehmen nachhaltig erschüttert. Andere Unternehmen, die in diesem Zusammenhang genannt werden, sind: MAN, Ferrostahl, Daimler, Infineon, EADS, Thyssen-Krupp und Rheinmetall. Das beschreibt die FAZ unter dem prägnanten Titel „Bestechende Großunternehmen“.

Korruption ist fast immer ein Element von Wirtschaftskriminalität. Korruption begünstigt sie. Korruption kostet dem deutschen Staat und dem deutschen Steuerzahler Geld, sehr viel Geld. Wissenschaftliche Schätzungen gehen von einem Schaden von 250 Milliarden Euro jährlich aus. Noch viel schlimmer ist, dass Korruption das Vertrauen der Bevölkerung in Wirtschaft und Staat infrage stellt. Das zeigt: Hier besteht großer Handlungsbedarf. Wirtschaftskriminalität ist kein Kavaliersdelikt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte Ihnen heute drei Punkte nennen, die aus meiner Sicht zentral sind. Immer wieder gibt es einzelne Menschen, mutige Insider, die ihr Wissen nach außen tragen und Korruptionsskandale aufdecken. Diese Menschen müssen wir ermutigen, rechtswidriges Handeln anzuzeigen. Wir brauchen ein gesellschaftliches Klima, das es diesen Mitarbeitern ermöglicht, Fehler offen anzusprechen. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass sie nicht den Makel des Verpfeifens oder des Petzens tragen. Diese Menschen verdienen den Respekt unseres Staates und der Gesellschaft.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Raju Sharma (DIE LINKE))

Wir müssen eine sichere rechtliche Grundlage für den Schutz von Whistleblowern schaffen. Wir müssen sie vor Mobbing und Kündigung schützen. Das zeigt das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Fall von Brigitte Heinisch sehr deutlich. Wir Grüne haben in dieser Wahlperiode ebenso wie die beiden anderen Oppositionsfraktionen Initiativen zum Schutz von Whistleblowern in den Bundestag eingebracht. Nun stehen wir am Ende dieser Legislaturperiode, und diese Bundesregierung bleibt weiter untätig.

Die Bundesregierung hält sich auch nicht an ihre eigenen politischen Zusagen. Bereits im Herbst 2010 haben Sie, meine Damen und Herren von der Regierungsbank, in dem Antikorruptions-Aktionsplan der G-20-Staaten vollmundig erklärt, Sie würden bis Ende 2012 Regeln zum Whistleblower-Schutz erlassen und umsetzen. Was haben Sie bisher getan? ‑ Nichts. Damit werden Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, unglaubwürdig – national und auch international gegenüber unseren Partnerländern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir können noch ein weiteres Instrument schaffen, um Wirtschaftskriminalität effektiv zu bekämpfen. Lassen Sie uns endlich über die Einführung eines bundesweiten Korruptionsregisters nachdenken. Hintergrund ist folgender: Länder und Gemeinden vergeben jährlich Aufträge im Wert von mehreren Hundert Milliarden Euro an private Unternehmen. Sie müssen auf ein bundesweites Register zugreifen können, um festzustellen, ob ein Unternehmen, das sich um einen Auftrag bewirbt, bereits in Korruptionsfälle verwickelt war oder nicht. Die Bundesländer haben damit auf Landesebene gute Erfahrungen gemacht. Diese Korruptionsregister schaden auch nicht den Unternehmen. Ganz im Gegenteil! Sie helfen den Unternehmen, weil sie nämlich die integeren Unternehmen vor den schwarzen Schafen schützen, und sie ermöglichen fairen Wettbewerb. Mit Korruptionsregistern tragen wir dazu bei, dass die ehrlichen Unternehmen einen Vorteil haben und bei einer öffentlichen Auftragsvergabe nicht die Verlierer sind. Es wird höchste Zeit, dass wir hier im Bund endlich einheitliche Regeln treffen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt noch ein drittes Thema, auf das ich zum Schluss eingehen möchte ‑ Kollege Sharma hat es bereits genannt ‑, nämlich das Thema „UN-Konvention gegen Korruption“. Es gibt auf dieser Welt 165 Staaten, die diese Konvention unterzeichnet und ratifiziert haben. Sogar Myanmar und Swasiland gehören zu diesen 165 Staaten.

(Zuruf von der FDP: Liegen ganz hinten im Korruptionsindex!)

Führende Vertreter aus der Wirtschaft, liebe FDP, fordern die Bundesregierung auf, endlich zu handeln, weil hier die Glaubwürdigkeit Deutschlands international auf dem Spiel steht. Die Bundesregierung ist dafür verantwortlich, dass wir weiter auf einer Stufe stehen mit Ländern wie dem Sudan, Somalia, Tschad, Syrien oder Nordkorea.

(Jörg van Essen (FDP): Sie haben Japan vergessen!)

Sie reklamieren nach außen Wirtschaftskompetenz für sich, Kolleginnen und Kollegen von der schwarz-gelben Koalition; doch bei der Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität gibt es bei Ihnen noch erhebliche Defizite.

Wir Grünen haben hier die besseren Konzepte: Wir fordern den Schutz von Whistleblowern, wir fordern die Einführung eines bundesweiten Korruptionsregisters, und wir fordern eine Ausweitung der strafrechtlichen Regelung für den Tatbestand der Abgeordnetenbestechung,

(Jörg van Essen (FDP): Ihr Gesetzentwurf ist doch krachend durchgefallen!)

damit wir die UN-Konvention gegen Korruption endlich ratifizieren können. Erst eine rot-grüne Koalition wird die Kraft haben, sich eindeutig gegen Korruption zu positionieren.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Rede im Bundestag am 18.04.2013 zu "Aufgabenübertragung auf Notare"

Frau/Herr Präsident/in,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

heute haben wir hier im Bundestag wieder einmal ein Thema auf der Tagesordnung, mit dem die Koalition ihre Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag durchbricht. Ich zitiere aus dem Koalitionsvertrag:  „Als Beitrag zur Effizienzsteigerung und Entlastung der Justiz werden wir eine Übertragung der Aufgaben der Nachlassgerichte erster Instanz auf die Notare durch die Länder ermöglichen.“

Die Koalition scheint im Verlaufe des Verfahrens eingesehen zu haben, dass dies keine gute Idee war und der Justiz mehr schaden als nützen würde. So ist ein Riesen-Projekt ist auf ein Zwergen-Projekt zusammengeschrumpft. Und das ist gut so, meine Damen und Herren.

Wir Grünen begrüßen, dass die Koalition die Vorschläge des Bundrates mit ihrem Änderungsantrag eingeschränkt hat. Dennoch können wir auch diese Version der Aufgabenübertragung auf Notare nicht unterstützen.

Vor fast einem Jahr haben wir hier im Bundestag die Gesetzentwürfe des Bundesrates zur Übertragung von Aufgaben im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf Notare zum ersten Mal debattiert.

Es geht bei den Vorschlägen des Bundesrats um weit reichende Änderungen, die sogar eine Grundgesetzänderung erfordert hätten. Der Bundesrat wollte sämtliche Nachlasssachen, die sich in der ersten  Instanz befinden, auf Notare übertragen. Das heißt: Für alle rechtlichen Probleme im Zusammenhang mit Testament, Vermächtnis oder Erbe sollten nur noch Notare zuständig sein, nicht mehr die Gerichte.

Notarinnen und Notare erfüllen bereits jetzt einzelne öffentliche Aufgaben und sind eine unverzichtbare Unterstützung für die Justiz. Justiz ist aber eine hoheitliche Aufgabe. Im Grundgesetz ist der sogenannte „Funktionsvorbehalt“ statuiert: Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist in der Regel nur Angehörigen des öffentlichen Dienstes, also Beamten, erlaubt. Hier sollten wir nicht weiter eingreifen. Je mehr hoheitliche Aufgaben wir auf die privat tätige Notarschaft übertragen, desto mehr befeuern wir Bestrebungen, Justiz immer weiter zu privatisieren. Justiz aber ist Staatsaufgabe, meine Damen und Herren.

Im Laufe des Verfahrens im Bundestag haben wir stichhaltige Argumente gegen eine Übertragung aller Nachlasssachen auf Notare diskutiert. Diese haben glücklicherweise auch bei der Regierungskoalition Gehör gefunden. Wir haben heute umfangreiche Änderungsanträge zum Gesetzentwurf auf dem Tisch.

Aber was will die Koalition mit ihren Änderungsvorschlägen erreichen? Einige wenige Aufgaben sollen nun auf Notarinnen und Notare übertragen werden. Es handelt sich zum Beispiel um die Erstellung von notariellen Vollmachtsbescheinigungen als Eintragungsgrundlage im Grundbuch oder die Entscheidung über die Erteilung weiterer vollstreckbarer Ausfertigungen notarieller Urkunden. In Kurzform: Es werden große Worte geschwungen. Diese sind aber weder von besonderer praktischer Relevanz noch bringen sie Einsparungen für die Justiz. Bezüglich der Erteilung von Abdrucken aus dem Grundbuch hat die Bundesregierung sogar selbst noch in ihrer Stellungnahme zum Gesetzentwurf des Bundesrates angeführt, dass sie kein Erfordernis sieht, diese Aufgabe auf die Notare zu übertragen. Dieses Gesetz, über das wir heute abstimmen, meine Damen und Herren, bietet keinerlei Mehrwert – weder für die Bürgerinnen und Bürger noch für die Justiz.

Ein richtiges Problem sehen wir Grüne aber vor allem in der Neuregelung, dass von nun an ausschließlich die Notarinnen und Notare für die Aufnahme von Erbscheinsanträgen zuständig sein sollen. Bisher kann ein Erbe oder eine Erbin den Erbschein entweder beim Nachlassgericht oder beim Notar beantragen. An den Notar wenden sich zur Zeit aber nur etwa 10 bis 20 Prozent der Bürgerinnen und Bürger. Wer sich an das Nachlassgericht wendet, hat den Vorteil, dass er oder sie keine Mehrwertsteuer zahlen muss. Der Antrag ist also um 19 Prozent günstiger als beim Notar. Außerdem kann das Verfahren beim Amtsgericht deutlich schneller sein: Ich muss beim Nachlassgericht keinen Termin vereinbaren wie beim Notariat und ich muss keine Postübermittlung abwarten.

Die Bundesregierung erklärt, der Vorteil dieser Regelung für die Justiz bestehe darin, dass die Nachlassgerichte von der Aufgabe der zur Verfügungstellung von Formblättern entlastet werden. Ich überlasse es Ihnen, die Überzeugungskraft dieses Argumentes zu beurteilen.

Darüber hinaus ist die Neuregelung als Länderöffnungsklausel formuliert. Das heißt: Jedes einzelne Bundesland kann selbst darüber entscheiden, ob die Notare allein für die Aufnahme von Erbscheinsanträgen zuständig sein sollen oder ob es bei der gegenwärtigen Rechtslage bleiben will. Das sorgt für Rechtszersplitterung und unter Umständen für Verwirrungen bei Erbinnen und Erben. Das macht folgendes Beispiel deutlich: Ich wohne in Berlin. Mein Onkel in Brandenburg stirbt. Hat das Land Berlin von der Öffnungsklausel keinen Gebrauch gemacht, könnte ich mich in Berlin weiterhin an das Nachlassgericht wenden, um meinen Erbschein zu beantragen. Da mein Onkel aber in Brandenburg seinen letzten Wohnsitz hatte, muss ich jetzt wissen, ob auch Brandenburg keinen Gebrauch von der Öffnungsklausel gemacht hat oder ob ich dort jetzt vielleicht ausschließlich notariell beurkundete Erbscheinsanträge einreichen kann.

Das meine Damen und Herren, ist eine Verkomplizierung des Rechtssystems. Bürgerfreundliche Rechtspolitik, so wie wir Grünen sie verstehen, sieht anders aus. Sie erschwert nicht den Bürgerinnen und Bürgern den Zugang zum Recht, sondern erleichtert ihn.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

08.04.2013 Rechtsweg ausgeschlossen? – Die Prozesskostenhilfereform
Bundestags-Rede am 14.03.2013: Recht von Opfern sexuellen Missbrauchs

Bundestags-Rede am 14.03.2013: Recht von Opfern sexuellen Missbrauchs

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir sprechen heute über ein Thema, das eine juristische Seite hat. Es hat aber auch eine zutiefst menschliche, tragische Seite, und das Thema hat in seinen langfristigen Auswirkungen eine nicht absehbare Wirkung.

Wir alle sind betroffen von dem, was Tausenden von Kindern und Jugendlichen angetan worden ist, was sie ertragen und erleiden mussten, nicht für einen Tag oder eine Woche, nein, oftmals über viele Monate und Jahre hinweg. Mein Mitgefühl gilt diesen Menschen, die für die psychische und physische Verarbeitung des erlittenen Missbrauchs oft ein Leben lang brauchen. Vor diesem Hintergrund steht meine heutige Rede.

Die Grundfrage lautet: Wie können wir Recht und Gerechtigkeit möglichst nah zusammenbringen?

Wir Grünen begrüßen es, dass die Bundesregierung und die Regierungskoalition nun endlich Regelungen zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs voranbringen. Fast zwei Jahre lang mussten die Opfer und auch wir darauf warten. Das ist eine zu lange Zeit, wenn man bedenkt, dass an jedem Tag bis zum Inkrafttreten des Gesetzes Ansprüche der Opfer verjähren können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Immerhin haben Sie von der Koalition sich während dieser Zeit in einem Punkt zu einer wesentlichen Verbesserung durchgerungen, die auch im Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen enthalten ist. Die Verbesserung besagt, dass die Verjährung für die zivilrechtlichen Ansprüche der Opfer nicht schon direkt nach der Tat beginnen soll, unabhängig davon, ob das Opfer zu diesem Zeitpunkt noch ein Kind oder schon ein Erwachsener ist, sondern die Verjährung soll erst im Erwachsenenalter des Opfers beginnen, und auch der strafrechtliche Verjährungsbeginn soll hinausgeschoben werden. Die Frage bleibt aber: Wann soll die Verjährung tatsächlich beginnen?

Wir alle wissen, dass selbst junge Erwachsene häufig emotional noch nicht in der Lage sind, ihre Ansprüche wegen solcher Taten geltend zu machen. Wir Grünen schlagen deshalb in unserem Gesetzentwurf vor, dass die Verjährungsfrist im Zivil- und im Strafrecht erst mit der Vollendung des 25. Lebensjahres des Opfers beginnen soll. Zusätzlich wollen wir die zivilrechtliche Verjährungsfrist bei sexuellem Missbrauch auf 30 Jahre verlängern. Das trägt den Erkenntnissen aus den Missbrauchsfällen besser Rechnung als der Verjährungsbeginn mit der Vollendung des 21. Lebensjahres des Opfers, wie es im Gesetzentwurf der Regierungskoalition vorgesehen ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ihr Gesetzentwurf enthält aber auch Vorschläge, die massiv in die Prinzipien des Rechtsstaats eingreifen, ohne die Opfer in ihren Rechten tatsächlich zu stärken. Es hilft keinem Betroffenen, wenn dem Strafverfahren gegen den Täter mit juristischen Spitzfindigkeiten der Makel des unfairen Verfahrens angehängt wird.

Nennen will ich die Fälle, in denen einem mutmaßlichen Straftäter wegen der Schwere seiner Tat zwingend ein Anwalt beigeordnet werden muss. Wird eine richterliche Zeugenvernehmung durchgeführt, bei der der Beschuldigte oder sein Anwalt nicht anwesend waren, können sie sich in diese Vernehmung nicht mit Fragen einbringen. Wiederholt das Gericht die Zeugenvernehmung in der Hauptverhandlung nicht, sondern spielt sie nur per Video vor, kann der Angeklagte seine Verteidigungsrechte nicht ausreichend wahrnehmen. Hier besteht aus unserer Sicht Nachbesserungsbedarf.

Uns Grünen ist aber auch klar, dass die Menschen, die von sexuellem Missbrauch betroffen sind, jetzt die rechtliche Möglichkeit brauchen, die Verjährung ihrer Ansprüche zu vermeiden und die Täter zur Verantwortung zu ziehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssen jetzt ein klares Signal dafür setzen, dass sexueller Missbrauch kein Kavaliersdelikt ist, sondern ein Angriff auf die Würde und persönliche Integrität der davon Betroffenen. Aus Sicht der Betroffenen ist jetzt Rechtssicherheit geboten.

Der Gesetzesvorlage können wir Grünen aus rechtlichen Gründen nicht zustimmen. Wir werden uns bei der Abstimmung enthalten.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

15.03.2013 Bundestags-Rede am 14.03.2013: Kronzeugenregelung

Bundestags-Rede am 14.03.2013: Kronzeugenregelung

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Es kommt selten vor, dass die Bundesrechtsanwaltskammer, der Deutsche Anwaltverein, die Strafverteidigervereinigungen und der Deutsche Richterbund einer Meinung sind. 2009, bei der Einführung der Kronzeugenregelung in ihrer weiten Fassung, waren sie es.

Die Kronzeugenregelung beinhaltet – das wissen wir alle hier – Straferleichterungen für Straftäter. Richter dürfen die Strafe des selbst straffälligen Kronzeugen mildern oder ganz von der Strafe absehen, wenn dieser zur Aufklärung oder Verhinderung von schweren Straftaten beiträgt.

Die Rechtspraxis hat im Jahr 2009 geschlossen gesagt: Die Kronzeugenregelung ist ein Bruch in unserem Rechtsstaatsystem, und wir brauchen sie nicht. – Auch wir Grünen waren und sind dieser Rechtsauffassung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Heute begrüßen Anwaltskammer und Verbände die von der Bundesregierung vorgeschlagene Minikorrektur der Kronzeugenregelung. Auch wir Grünen sagen: Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings sagen wir auch: Es ist nur ein Schritt ‑ ein Schritt, der von einem Quantensprung weit entfernt ist.

Eingeführt werden soll das Konnexitätsprinzip. Zukünftig soll ein Kronzeuge nur noch dann eine Straferleichterung erhalten können, wenn zwischen seiner eigenen Straftat und der Tat, zu der er Aufklärungs- oder Präventionshilfe leistet, ein sachlich-inhaltlicher Zusammenhang besteht.

Möglicherweise wird die Zahl der Falschbelastungen Dritter ein wenig zurückgehen. Ausgeschlossen werden Denunziationen zum eigenen Vorteil im Strafverfahren jedoch nicht. Nach wie vor wird im Rahmen der Kronzeugenregelung das Motto gelten: Mehr ist mehr. Je mehr Anschuldigungen der Kronzeuge gegenüber anderen Personen macht, umso mehr Strafrabatt erhält er.

Dem steht kein ausreichender Nutzen gegenüber. Im Verfahren gegen die Person, die der Kronzeuge angeschuldigt hat, sind die Aussagen als Beweismittel wegen mangelnder Belastbarkeit häufig problematisch. Zu diesem Zeitpunkt haben sie aber ihren Zweck, nämlich Strafmilderung für den Kronzeugen zu erreichen, bereits meistens erfüllt. Der vermeintliche Kronzeuge läuft wenig Gefahr, wegen falscher Verdächtigung verurteilt zu werden.

Wenn überhaupt die Wahrheit ans Licht kommt, so wird doch häufig der Nachweis scheitern, dass der Kronzeuge seine Aussage wider besseres Wissen gemacht hat. Darauf wird der Kronzeuge setzen, zumal die Versuchung, mit der der Staat lockt, nämlich Strafmilderung oder Absehen von Strafe, groß ist.

Die Kronzeugenregelung verstößt darüber hinaus gegen zentrale Prinzipien unseres Rechtstaats. Zu nennen sind das Legalitätsprinzip, das Gleichheitsgebot sowie das Prinzip des schuldangemessenen Strafens. Polizei oder Staatsanwaltschaft, manchmal sogar Verfassungsschutzbehörden suchen Aufklärungserfolge, die leider nicht immer nur tatsächlicher, sondern häufig auch nur vermeintlicher Art sind. Dabei machen sie Straftätern die Zusage, sie vor einer schuldangemessenen Strafe zu schützen. Dem Gericht wird zugemutet, als Notar solche Geschäfte zu beglaubigen und auf eine Überprüfung der Wahrhaftigkeit der Kronzeugenaussage ganz oder zum Teil zu verzichten, weil die Einigung zwischen Straftäter und Staatsanwaltschaft bereits vor der Hauptverhandlung unter Dach und Fach gebracht werden muss.

Ich wiederhole, was wir Grünen 2009 bei der Einführung der Kronzeugenregelung gesagt haben: Es gibt keinen Bedarf für eine solche Regelung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Den Problemen, die es bei der Prävention zum Schutz der Bevölkerung, bei der Aufklärung von Straftaten sowie bei einer effektiven und schnellen Bearbeitung angeklagter Straftaten gibt, müssen die Länder mit einer ausreichenden Personal- und Sachausstattung der Ermittlungsbehörden begegnen. Die Flucht in die Kronzeugenregelung ist keine Lösung. Die wenigen tatsächlich durch Kronzeugen erzielten Aufklärungserfolge rechtfertigen nicht den hohen Verlust an Legitimität, die ein rechtsstaatliches Strafverfahren aber zwingend braucht.

So bleibt der Gesetzentwurf der Bundesregierung ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Er verpasst aber die Chance einer konsequenten und mutigen Korrektur dieses Fremdkörpers im Strafrecht. Wir Grünen werden uns deshalb bei der Abstimmung enthalten.

(Ansgar Heveling (CDU/CSU): Das ist aber kraftvoll!)

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

15.03.2013 Bundestags-Rede am 14.03.2013: Elektronischer Rechtsverkehr

Frau Präsidentin/Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Das Internet und die zunehmende Digitalisierung verändern nicht nur das Leben von Menschen und deren Verhältnis zur Gesellschaft. Sie verändern auch die Rolle und Funktionsweise des Staates. Meine Fraktion und ich begreifen diese Entwicklung als Chance für unsere Demokratie, als Chance für mehr Legitimation bei staatlichem Handeln, als Chance für mehr Partizipation.

Heute befassen wir uns mit der Nutzung elektronischer Technologien im Bereich der Justiz. Der erste allgemeine Rechtsrahmen für den Einsatz elektronischer Verfahren in der Justiz wurde vor knapp 13 Jahren gelegt. Unter der damals rot-grünen Bundesregierung hat der Bundestag 2001 beschlossen auf der Posteingangs und der -ausgangsseite der Justiz den Einsatz elektronischer Verfahren zu ermöglichen. Ebenfalls unter der rot-grünen Bundesregierung folgte eine weitere Öffnung der Justiz mit dem 2005 beschlossenen Gesetz über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz.

Nun beraten wir über zwei Gesetzentwürfe zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs in der Justiz bzw. mit den Gerichten. Klar ist: Es besteht Handlungsbedarf. Die Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs im Bereich der Justiz muss weiter gefördert werden. Hier gibt es noch erhebliches Verbesserungspotential.

Beide Gesetzentwürfe, so sehr sie in ihrem Ziel zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs zu begrüßen sind, werfen aber auch Fragen auf. Diese Fragen betreffen die Teilhabe von Menschen mit Behinderung, das Zivilprozessrecht und den Datenschutz. Sie müssen im weiteren parlamentarischen Verfahren geklärt werden:

Deutschland hat am 24. Februar 2009 die UN-Behindertenrechtskonvention ratifiziert und sich damit zugleich verpflichtet, gemäß Art. 4, 9 und 13 der Konvention alle geeigneten gesetzgeberischen Maßnahmen zu ergreifen, um Menschen mit Behinderung einen gleichberechtigen Zugang zur Justiz und eine selbstbestimmte Teilhabe an allen modernen Informations- und Kommunikationstechnologien, die elektronisch bereit gestellt werden oder zur Nutzung offen stehen, zu ermöglichen. Ausserdem sollen vorhandene Zugangshindernisse und -barrieren beseitigt werden. Die im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehenen Änderung für mehr Barrierefreiheit sind ein Schritt in die richtige Richtung. Exemplarisch zu nennen ist die Regelung zu § 31 a Abs. 1 Satz 2 BRAO, wonach das besondere elektronische Anwaltspostfach barrierefrei ausgestaltet sein soll. Gleichwohl genügen die Änderung nicht den Anforderungen der UN-Behindertenrechtskonvention. Nicht geregelt wird, dass auch das elektronische Postfach und die elektronische Poststelle des Gerichts nach § 130 a Abs. 4 Nr. 2 ZPO barrierefrei ausgestaltet werden muss, um den barrierefreien Übermittlungsweg zu gewährleisten.

Beide Gesetzentwürfe zielen darauf ab, durch den Einsatz elektronischer Zustellungsmöglichkeiten die zivilrechtliche Gerichtspraxis zu vereinfachen. Dieses ist grundsätzlich zu begrüßen. Jedoch ist dabei stets das Interesse aller am Prozess Beteiligten schonend zu berücksichtigen. Die Änderung des § 174 Abs. 4 ZPO führt zu einem erheblichen Paradigmenwechsel. Das Empfangsbekenntnis muss nun nicht mehr persönlich zurückgesandt, sondern soll durch eine automatisch generierte Eingangsbestätigung ersetzt werden. Dabei soll die Zustellung nach drei Werktagen ab Eingang der Schriftstücke im elektronischen Postfach der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte als bewirkt gelten, es sei denn, eine frühere Zustellung wird durch ein Empfangsbekenntnis nachgewiesen. Der Wertung der aktuellen Rechtslage würde es eher entsprechen, wenn zugleich mit dem zuzustellenden Dokument ein Empfangsbekenntnis im XJustiz-Standard zugestellt wird, welches nach Kenntnisnahme des Dokuments an das elektronische Gerichtspostfach zurückgesendet wird. Vor diesem Hintergrund sehen wir Grünen an dieser Stelle noch Klärungsbedarf.

Die zunehmende Digitalisierung führt auch zu einem Bedeutungszuwachs für den Datenschutz im Zivil- und Strafprozess. Im Bereich der Justiz ist die Kommunikation besonders vertraulich zu behandeln und entsprechend zu sichern. Eine Abkehr vom Standard der qualifizierten elektronischen Signatur, wie es der Regierungsentwurf zu   § 130 a Abs. 3 ZPO vorsieht, halten wir vor diesem Hintergrund für problematisch. Die Übermittlung im Wege einer DE-Mail bietet grundsätzlich eine Leitungsverschlüsselung, jedoch keine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Somit ist dieser im Regierungsentwurf in § 130 a Abs. 4 Nr. 1 ZPO als „sichere Übermittlungsweg“ markierte DE-Mail keineswegs so sicher, wie eine qualifizierte elektronische Signatur. An der weiteren Gesetzesberatung werden wir Grünen uns konstruktiv beteiligen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

13.03.2013 Pressemitteilung vom 13.03.2013: Keine Zweiklassenjustiz

Keine Zweiklassenjustiz

Zur heutigen öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss zu den Gesetzentwürfen von Bundesregierung und Bundesrat zur Modernsierung des Kostenrechts und zur Änderung des Prozesskosten- und Beratungshilferechts, erklärt Ingrid Hönlinger, Obfrau im Rechtsausschuss:

Die von Bundesregierung und Bundesrat vorgeschlagenen Neuregelungen zum sogenannten zweiten Kostenrechtsmodernisierungsgesetz erschweren erheblich den Zugang zum Recht für die finanziell Schwächsten in der Gesellschaft. Sie fördern das Entstehen einer Zweiklassen-Justiz. Sie wirken sich vor allem auf die Rechtsgebiete aus, in denen die Beteiligten klassischerweise auf Prozesskosten- und Beratungshilfe angewiesen sind: das Familienrecht, das Sozialrecht und das Ausländer- und Asylrecht.

Die vorgeschlagenen Änderungen stießen auf Kritik von Rechtsverbänden, dem Gewerkschaftsbund und dem Vertreter aus der Wissenschaft. Viele der Sachverständigen haben zutreffend dargestellt, dass Einsparungen im Justizhaushalt nicht zu Lasten der rechtssuchenden Bürgerinnen und Bürger gehen dürfen.

Für Menschen, die Sozialleistungen nach dem SGB II erhalten, ändert sich bei der Gewährung von Prozesskostenhilfe finanziell zwar nichts. Liegt ihr Einkommen aber, wenn auch nur geringfügig, über diesem Niveau, so greift der Gesetzentwurf der Bundesregierung. Dieser sieht eine Absenkung der Einkommensfreibeträge bis auf das Existenzminimum vor. Außerdem müssen Prozesskostenhilfeempfänger zwei Jahre länger Rückzahlungsraten aufbringen. Weiterhin kann Prozesskostenhilfe für eine beantragte Beweiserhebung wieder aufgehoben werden, wenn der Beweis keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Eine solche Aufhebung widerspricht dem Verbot der vorweggenommenen Beweiswürdigung im Zivilprozess. In Scheidungsverfahren muss trotz anwaltlicher Vertretung der antragsstellenden Partei der Gegenseite nicht mehr zwingend eine Anwältin oder ein Anwalt beigeordnet werden. Dies beeinträchtigt die Waffengleichheit der Parteien vor Gericht.

Rechte sind nur dann wirkungsvoll, wenn die Bürgerinnen und Bürger sie auch durchsetzen können. Dazu brauchen sie im Einzelfall anwaltliche oder gerichtliche Hilfe. Der Zugang zum Recht muss allen Menschen offenstehen, unabhängig von ihrem Einkommen.

01.03.2013 Kürzung der Prozesskostenhilfe: Weniger Hilfe für Geschiedene

Artikel in der taz am 01.03.2013

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28.02.2013 Rede im Bundestag am 28.02.2013 zu: Verbraucherschutz im Beurkundungsverfahren

Rede im Bundestag am 28.02.2013 zu: Verbraucherschutz im Beurkundungsverfahren

Frau/Herr Präsident/in,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

zwei neue Begriffe haben vor nicht allzu langer Zeit Eingang in unsere Sprache gefunden: die „Schrottimmobilie“ und der „Mitternachtsnotar“.

Spätestens als 2011 die wahrscheinlich kürzeste Amtszeit eines Senators endete – die zwölftägige Amtszeit des Berliner CDU-Senators für Justiz und Verbraucherschutz – ist das Problem, das sich hinter diesen Begriffen verbirgt, deutschlandweit bekannt: Verkäufe minderwertiger Immobilien werden kurzfristig beurkundet, ohne dass die Verbraucherin oder der Verbraucher genügend Zeit hatte, die Immobilie oder den Vertrag zu überprüfen. Die Beurkundung erfolgt häufig zu ungewöhnlichen Geschäftszeiten. Der Verkehrswert der Schrottimmobilie ist erheblich geringer als der vom Käufer zur Finanzierung der Immobilie aufgenommene Kredit. Das Resultat: Anstelle einer Geldanlage hat die Verbraucherin oder der Verbraucher ein lebenslanges Verschuldungsproblem.

Ich spreche hier nicht von Einzelfällen. Seit den neunziger Jahren wurden Verbraucherinnen und Verbrauchern systematisch Schrottimmobilen als Vermögensanlage oder Altersvorsorge verkauft. In Deutschland wurden Hunderttausende Opfer dieser „Erwerbsmodelle“. Es besteht offensichtlich eine Lücke im Verbraucherschutz. Der Gesetzentwurf des Bundesrates zur Stärkung des Verbraucherschutzes im notariellen Beurkundungsverfahren, über den wir heute debattieren, ist daher ein begrüßenswerter Schritt hin zu mehr Rechtssicherheit.

Verträge über den Kauf von Immobilen müssen notariell beurkundet werden. Dieser Formzwang verfolgt den Zweck, die Vertragspartner vor übereilten, folgenreichen Verpflichtungen zu schützen sowie eine sachgemäße Beratung zu gewährleisten. Die vom Bundesrat vorgeschlagene Vorschrift konkretisiert diesen Schutzzweck der notariellen Beurkundung: Der Notar soll dem Verbraucher den Vertragstext über den Immobilienkauf im Regelfall zwei Wochen vor der Beurkundung zur Verfügung stellen. Die Verbraucherinnen und Verbraucher bekommen so ausreichend Zeit, sich mit dem Kauf der Immobile auseinanderzusetzen. Wird die „Bedenkfrist“ von zwei Wochen unterschritten, muss der Notar in der Vertragsniederschrift die Gründe für die Unterschreitung angeben.

Die Notarin oder der Notar ist als neutraler Funktionsträger weder verpflichtet noch berechtigt, die wirtschaftlichen Grundlagen des Immobilienkaufs aufzuklären. Ihr oder ihm kommt vielmehr die Aufgabe zu, die Einhaltung der rechtlichen Vorschriften zu wahren und Rechtsbelehrung zu leisten. Es ist richtig, die Notarinnen und Notare in den Verbraucherschutz mit einzubeziehen. Es geht nicht darum, die Grenzen der notariellen Tätigkeit zu erweitern. Es geht darum, Verbraucherinnen und Verbraucher vor „schwarzen Schafen“ zu schützen. Betrügerisches Verhalten Einzelner soll verhindert und angemessen berufsrechtlich sanktioniert werden, bevor strafrechtliche Tatbestände einschlägig sind.

Ein weiteres Problem, das den systematischen Vertrieb von Schrottimmobilen erleichtert, wird durch die Neuregelung aber leider nicht gelöst: die Möglichkeit der getrennten Beurkundung von Vertragsangebot und Vertragsannahme. Zum Abschluss eines Kaufvertrages bedarf es immer eines Angebots und einer Annahme. Es ist zivilrechtlich zulässig, wenn ein Notar zunächst das Angebot und mit zeitlichem Abstand die Annahme beurkundet. Das kann den Vertragsschluss vereinfachen, da die Vertragsparteien nicht zur gleichen Zeit vor dem Notar erscheinen müssen. Aber die getrennte Beurkundung von Angebot und Annahme durch unterschiedliche Notare birgt Gefahren für die Beteiligten. Der Notar, der die Annahme beurkundet, muss nur über die rechtliche Bedeutung der Annahme belehren, nicht aber über das Angebot. Im Zweifelsfall kann der die Annahme beurkundende Notar die rechtliche Betreuungstätigkeit gar nicht ausüben, da er die dem Angebot zugrunde liegenden Tatsachen nicht kennt. Besondere berufsrechtliche Verfahrenspflichten, die dem Problem entgegen wirken sollen, bestehen zwar bereits. Im Zusammenhang mit der vom Bundesrat vorgeschlagenen Stärkung des Verbraucherschutzes im notariellen Beurkundungsverfahren sollte jedoch überprüft werden, ob die Schutzfunktion der Belehrung durch berufsrechtliche Richtlinien ausreichend gewahrt ist.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

28.02.2013 Entschließungsantrag: Personenzentrierte und ganzheitliche Reform des Betreuungswesens

Drucksache: 17/12539

28.02.2013 Große Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Personenzentrierte und ganzheitliche Reform des Betreuungsrechts

Die Grüne Bundestagsfraktion hat 50 Fragen an die Bundesregierung gestellt, um zu erfahren, ob die Bundesregierung eine Reform des Betreuungsrechts noch in dieser Wahlperiode plant und wie sie dieses Vorhaben umsetzen möchte. In diesem breiten Fragenkatalog haben wir skizziert, welche Themen zu beachten sind, würde man das Betreuungsrecht personenzentriert und ganzheitlich reformieren wollen.

Aus den Antworten der Bundesregierung geht hervor, dass die Bundesregierung durchaus zum Teil unsere Analyse teilt, dass die UN-Behindertenrechtskonvention sowie demographische und gesellschaftliche Entwicklungen das Betreuungsrecht vor neue Herausforderungen stellen. Dennoch hat die Bundesregierung in dieser Wahlperiode bisher keine umfängliche personenzentrierte und ganzheitliche Betreuungsrechtsreform in die Wege geleitet.

In unserem Entschließungsantrag fordern wir die Bundesregierung auf, die notwendigen Schritte für eine umfassende Reform des Betreuungsrechts zu ergreifen und skizzieren die dafür notwendigen Maßnahmen.

06.02.2013 Pressemitteilung: "Samenspende - Recht auf Kenntnis der Abstammung bestätigt"

Zum heutigen Urteil des Oberlandesgerichts Hamm zum Auskunftsrecht von „Spenderkindern“ gegenüber der Samenbank erklären Ingrid Hönlinger, Sprecherin für Demokratiepolitik und Obfrau im Rechtsausschuss, und Katja Dörner, Sprecherin für Kinder- und Familienpolitik:

Kinder, die durch eine Samenspende gezeugt wurden, haben das Recht zu wissen, wer ihr leiblicher Vater ist. Die Samenbank muss die Information künftig preisgeben. Diese Rechtsauffassung wurde heute durch das Oberlandesgericht (OLG) Hamm erstmals gerichtlich bestätigt. Wir begrüßen die deutliche Stärkung der Informationsrechte der betroffenen Kinder. Die Bundesregierung ist nun in der Pflicht, Rechtssicherheit zu schaffen und die Samenspende endlich klar zu regeln. Dabei geht es nicht um Unterhalts- oder Umgangspflichten des Spenders; es geht einzig um die Informationsrechte der betroffenen Kinder.

Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1989  ist klar, dass das Recht auf Kenntnis der eigenen genetischen Abstammung ein Teil des Persönlichkeitsrechts ist. Seit 1970 sind hierzulande 100.000 Kinder durch Samenspende gezeugt und geboren worden. Nur ein kleiner Teil weiß um ihre besonderen Zeugungsumstände. Deshalb reicht es nicht aus Auskunfts- und Aufbewahrungsfristen zu definieren und den Zugang zu medizinischen Informationen sicher zu stellen. Eltern müssen ermutigt werden, offen mit ihren Kindern über deren Abstammung zu sprechen.

04.02.2013 Kritik an Neuregelung der Prozesskostenhilfe

„Mit den geplanten Änderungen bei der Prozesskostenhilfe (17/11472) hat sich die Bundesregierung die Kritik der Opposition zugezogen.“ Mehr im Artikel in „Das Parlament“ vom 06.07.2013

01.02.2013 Pressemitteilung vom 01.02.2013: "Schwarz-gelb blockiert Mieterschutz auch im Bundesrat"

Pressemitteilung vom 01.02.2013: „Schwarz-gelb blockiert Mieterschutz auch im Bundesrat“

Schwarz-gelb blockiert Mieterschutz auch im Bundesrat

Zum heutigen Beschluss des Bundesrates zum Mietrechtsänderungsgesetz der Bundesregierung erklären die Bundestagsabgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen Daniela Wagner, Sprecherin für Bau- und Wohnungspolitik, und Ingrid Hönlinger, Obfrau im Rechtsausschuss:

Die Chance auf Verbesserung des Mietrechtsänderungsgesetzes durch ein von den rot-grün regierten Ländern angestrebtes Vermittlungsverfahren wurde vertan.

Nun werden unter dem Vorwand der energetischen Modernisierung die Rechte von Mieterinnen und Mietern unverhältnismäßig eingeschränkt. Zusätzlich wird sehenden Auges mit dem Mietminderungsausschluss auf drei Monate ein Systembruch im Mietrecht vollzogen. Wenn mietrechtliche Stellschrauben zu Gunsten der energetischen Modernisierung verstellt werden, müssen angesichts der vielerorts angespannten Situation auf den Wohnungsmärkten gleichzeitig die Mieterschutzrechte angepasst werden. Nur so ist eine gerechte Verteilung der Lasten möglich. Mieter- und Klimaschutz dürfen nicht gegeneinander ausgespielt, sondern müssen zusammengedacht werden. Ergänzend brauchen wir endlich ein Gesamtkonzept für die Umsetzung der Energiewende im Gebäudebereich, doch davon ist bei der Bundesregierung nichts zu erkennen.

Auch mit den Regelungen zu den „Mietnomaden“ schießt die Mietrechtsreform über das Ziel hinaus. So kann jetzt ein Mietvertrag ohne vorherige Abmahnung gekündigt werden, wenn der Mieter mit der Kaution im Zahlungsverzug ist. Damit werden Mieterrechte untergraben.

Außerdem führt die Reform mit der „Sicherungsanordnung“ ein problematisches neues Rechtsinstrument ein. Mit der Sicherungsanordnung kann ein Gericht schon vor dem Hauptsacheverfahren anordnen, dass der Mieter einen Geldbetrag hinterlegen muss, auf den der Vermieter nur möglicherweise einen Anspruch hat. Hinterlegt der Mieter das Geld nicht, so kann der Vermieter die Wohnung räumen lassen. Seinen Räumungsanspruch kann er durch eine einstweilige Verfügung durchsetzen, mit der bloßen Begründung, dass der Mieter das Geld nicht hinterlegt hat. Auf ein Verschulden des Mieters kommt es dabei gar nicht mehr an. So gibt es zwei Verfahren, nämlich die Anordnung der Sicherungsleistung und das Räumungsverfahren, aber keine Beweiserhebung. Vollendete Tatsachen werden geschaffen, ohne dass jemals ein Hauptsacheverfahren durchgeführt wurde. Der Mieter sitzt auf der Straße. Das schafft gerichtlich festgestellte Zahlungspflichten für Mieter, die auf nur kursorischer Prüfung und prognostizierten Erfolgsaussichten einer Klage basieren. Das ist ein systematischer Bruch im Zivilprozessrecht.

01.02.2013 Rede am 31.01.2013 zu "Rechte des leiblichen Vaters"

Frau/Herr Präsident/in, liebe Kolleginnen und Kollegen,

noch immer ist das deutsche Familienrecht auf das traditionelle klassisch-konservative Familienbild ausgerichtet. Aber nach und nach, angestoßen auch durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg, setzt sich, auch bei der Regierung, die Erkenntnis durch, dass es nicht nur ein einziges Familienbild gibt.

Ausgangspunkt unserer heutigen Debatte sind zwei Entscheidungen des

Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus den Jahren 2010 und 2011. Konkret geht es um Väter, die ihr Kind zwar gezeugt haben, aber nicht über die rechtliche Vaterstellung verfügen. Grund hierfür kann sein, dass die Vaterschaft des biologischen Vaters rechtlich nicht festgestellt ist. Grund hierfür kann auch sein, dass das Kind in eine Ehe hineingeboren wurde, in der die Mutter des Kindes mit einem anderen Mann lebt und dieser rechtlich als Vater des Kindes gilt.

Nach jetzigem deutschen Recht ist der biologische Vater, der keine enge Bezugsperson seines Kindes ist, kategorisch und ohne Prüfung des Kindeswohls vom Umgang mit seinem Kind ausgeschlossen. Das gilt auch dann, wenn ihm der Umstand, dass eine sozial-familiäre Beziehung zwischen Vater und Kind bisher nicht aufgebaut wurde, nicht zuzurechnen ist.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat festgestellt, dass die Bundesrepublik mit dieser Gesetzeslage gegen Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention verstößt. In seinen Entscheidungen hat der Gerichtshof einerseits die Rechte des biologischen Vaters gestärkt, andererseits aber auch festgestellt, dass die  sozial-familiären Beziehungen, in denen das Kind lebt,  schützenswert sein können. Es müsse immer genau geprüft werden, in welchem Verhältnis das Auskunfts- und Umgangsrecht des Vaters und das Wohl seines Kindes zueinander stehen.

Meine Damen und Herren, mit seiner Rechtsprechung hat uns der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine nicht ganz einfache Aufgabe aufgetragen: Das deutsche Recht muss gewährleisten, dass leibliche Väter, die nicht gleichzeitig auch rechtliche Väter sind, eine Beziehung zu ihren Kindern aufbauen können. Dennoch soll dabei kein Automatismus etabliert werden, sondern die Betrachtung des Einzelfalls im Vordergrund stehen.

Der Gesetzentwurf, über den wir heute debattieren, will die Rechtsstellung des biologischen Vaters stärken. Dem Vater werden unter bestimmten Umständen ein Umgangsrecht und ein Auskunftsrecht über die persönlichen Verhältnisse seines Kindes eingeräumt. Zusätzlich wird für diese Fälle ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren eröffnet.

Damit ist die Bundesregierung auf dem richtigen Weg. Unter Berücksichtigung des Kindeswohles muss das deutsche Recht gewährleisten, dass auch außenstehende biologische Väter eine Beziehung zu ihren Kindern aufbauen können. Im Vordergrund muss in allen Fällen das Kindeswohl stehen.

Ob und inwiefern die Regelungen des Gesetzentwurfs angemessen sind, werden wir im weiteren Gesetzgebungsverfahren, an dem wir uns konstruktiv beteiligen werden, zu beurteilen haben.

Nach derzeitigem Stand stellen sich noch viele Fragen zu den Einzelheiten. Die unbestimmten Formulierungen im Gesetzesentwurf sollen zwar der Berücksichtigung des Einzelfalles dienen; sie können aber auch zu Rechtsunsicherheit führen. Auch bin ich mir nicht sicher, ob die Neuregelungen sich in das Gesamtgefüge der familienrechtlichen Regelungen einfügen, ohne neue Widersprüche aufzuwerfen.

Meine Damen und Herren, unabhängig von der konkreten Ausgestaltung freuen wir Grünen uns aber noch aus einem anderen Grund auf die Diskussion über den Gesetzentwurf:

Die Formen familiären Zusammenlebens haben sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Mehrelternkonstellationen gibt es nicht nur in den Fällen, in denen es einen biologischen und einen rechtlichen Vater gibt. In einer kontinuierlich wachsenden Anzahl von Familien wachsen Kinder mit mehreren Eltern auf. In Patchwork- oder Regenbogenfamilien mit biologischen und sozialen Elternteilen haben Kinder regelmäßig mehr als zwei Elternteile. Einen ausreichenden  rechtlichen Rahmen gibt es für diese Familienbeziehungen bisher nicht. Dies stellt viele Familien vor ganz praktische Probleme.

Heute haben wir hier im Bundestag die Reform des Sorgerechts für nicht miteinander verheiratete Eltern beschlossen. Väter, die nicht mit der Mutter ihres Kindes verheiratet sind, können jetzt niedrigschwellig einen Antrag auf Mitübertragung der elterlichen Sorge stellen. Das ist eine Reform, die längst überfällig war.

Mit dem Gesetz zur Stärkung der Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen

Vaters machen wir den nächsten Schritt hin zu einem moderneren Familienrecht. Damit passen wir das Recht ein kleines Stück mehr an die gesellschaftlichen Realitäten an. Weitere Schritte müssen folgen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

01.02.2013 Rede am 31.01.2013 zu "Erbrecht nichtehelicher und adoptierter Kinder"

Frau Präsidentin/ Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,

der Gesetzentwurf zum Schutz des Erbrechts und der Verfahrensbeteiligungsrechte nichtehelicher und einzeladoptierter Kinder im Nachlassverfahren, über den wir heute beraten, liest sich in Teilen wie ein Stück deutscher Geschichte.

Lange Zeit über wurden nichteheliche Kinder wie Kinder zweiter Klasse behandelt. Glücklicherweise sind nichteheliche Kinder, die nach dem 01.07.1949 geboren sind, seit 2011 den ehelichen Kindern auch im Erbrecht gleichgestellt.

Bis hierhin war es ein weiter Weg. Der Gesetzentwurf, den wir heute beraten, trägt nun dazu bei, dass nichteheliche und adoptierte Kinder, ihre Erbansprüche auch durchsetzen können.

Warum ist das notwendig?

Aufgrund einer Gesetzeslücke ist derzeit nicht sichergestellt, dass die Nachlassgerichte von den nichtehelichen Kindern eines Erblassers erfahren. Es droht die Ausstellung unrichtiger Erbscheine.

Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Eheliche Kinder werden in das Familienbuch ihrer verheirateten Eltern eingetragen. Für nichteheliche und auch adoptierte Kinder wurden bisher sogenannte „weiße Karteikarten“ erstellt. Im Falle des Todes einer Person, deren Erbe das nichteheliche oder adoptierte Kind war, wurden die „weißen Karteikarten“ an das zuständige Nachlassgericht weitergegeben. Grundlage war Verwaltungsvorschrift. Die ist im Jahr 2010 weggefallen. Seitdem fehlt es an einer Rechtsgrundlage dafür, dass das Geburtsstandesamt eines Kindes das Nachlassgericht automatisch über die Existenz eines nichtehelichen oder adoptierten Kindes unterrichtet.

Diese Lücke im Verfahren müssen wir schnellstmöglich schließen. Jeder Erbin und jedem Erben soll ihr beziehungsweise sein Erbrecht  gewährleistet werden.

Das Gesetz, über das wir heute debattieren, schlägt folgenden Weg vor:

2010 wurde die Einführung eines Zentralen Testamentsregisters bei der Bundesnotarkammer beschlossen. Die Bundesnotarkammer überführt nun Verwahrungsnachrichten aus den Standesämtern in das Zentrale Testamentsregister und erfasst sie elektronisch.

Dieser Überführungsprozess soll nun auch für die Überführung der Daten genutzt werden, die auf den sogenannten „weißen Karteikarten“ niedergelegt sind. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Daten von den „weißen Karteikarten“ aus den Standesämtern in das Zentrale Testamentsregister der Bundesnotarkammer überführt werden. Stirbt ein Elternteil eines dort registrierten Kindes soll die Registerbehörde dann das zuständige Nachlassgericht benachrichtigen.

Dieses vom Bundesrat vorgeschlagene Verfahren halten auch wir Grünen für geboten und angemessen. Mit den Änderungen, die im Änderungsantrag der Koalition vorgesehen sind, wird der Ansatz des Bundesrates konsequent weiterentwickelt: Durch einen Verweis auf die Testamentsregister-Verordnung wird bestimmt, welche Daten zu überführen sind und der untechnische Begriff der „weißen Karteikarten“ vermieden. Außerdem wird klargestellt, dass die Übergabe der Daten grundsätzlich in landeseigener Verwaltung zu erfolgen hat. Die Bundesnotarkammer kann aber von den Ländern und auf deren Kosten im Wege der Organleihe mit dieser Aufgabe betraut werden.

Meine Damen und Herren, wir dürfen hier nicht noch mehr Zeit verstreichen lassen. Schon seit 2010 kann es vorkommen, dass Kinder eines Erblassers unberücksichtigt bleiben. Nicht in allen Fällen haben Kinder Kontakt zum Erblasser und melden sich dann im Falle dessen Todes beim zuständigen Nachlassgericht. Die genauen Abläufe zwischen Standesamt und Nachlassgericht und die Verfahrensänderungen sind in der Bevölkerung so gut wie unbekannt. Dennoch verlassen sich alle Kinder, Väter und Mütter darauf, dass im Erbfall die Behörden untereinander vernetzt sind und die relevanten Informationen an das Nachlassgericht weitergeben. Dies gilt für alle Familien, unabhängig davon, ob die Erben ehelich oder nichtehelich geboren oder adoptiert sind.

Die im Gesetzentwurf und im Änderungsantrag vorgeschlagene Lösung halten wir Grünen für sinnvoll. Wir werden dem Gesetzentwurf zustimmen.

 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

01.02.2013 Rede am 31.01.2013 zu "Kostenrechtsmodernisierungsgesetz"

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

In diesem Hohen Hause besteht mit Sicherheit großer Konsens darüber, dass der Zugang zum Recht zur demokratischen Grundversorgung jeder Bürgerin und jedes Bürgers gehört. Um den Zugang zum Recht zu gewährleisten, muss es eine funktionsfähige Justiz geben. Diese bereitzustellen, und zwar für alle Mitbürgerinnen und Mitbürgern, das ist Aufgabe des Staates.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir debattieren heute über sechs Gesetzentwürfe, bei denen es, kurz gesagt, um Kosten und um Finanzierung geht. Ihre Umsetzung soll dazu führen, dass die Länder aufgrund der Neugestaltung der Gerichtskosten 177 Millionen Euro und aufgrund der Erhöhung der Gerichtsvollziehergebühren weitere 53 Millionen Euro Mehreinnahmen erzielen. Diese Erhöhungen orientieren sich an der Steigerung der allgemeinen Lebenshaltungskosten. Das ist vernünftig. Deshalb kann ich hier mit meiner Fraktion gern zustimmen.

(Beifall des Abg. Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Nun kommt aus dem Bundesrat zusätzlich der Vorschlag, dass eine neue Gebühr für Gerichtsvollzieher eingeführt wird, eine sogenannte Erfolgsgebühr. Meine Damen und Herren, Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher führen die staatliche Aufgabe der Zwangsvollstreckung aus. Sie dürfen Wohnungen betreten und unter Umständen sogar körperliche Gewalt anwenden. Zu dieser hoheitlichen Aufgabe passen Erfolgsgebühren nicht. Sie könnten den Eindruck vermitteln, dass die Gerichtsvollziehergebühren im Vordergrund stehen und nicht die Durchsetzung einer gerichtlich festgestellten Forderung. Mit diesem Vorschlag können wir Grüne uns deshalb nicht einverstanden erklären.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit einem weiteren Gesetz, über das wir heute auch debattieren, sollen die Gebühren der Rechtsanwältinnen und -anwälte, der Notare und Notarinnen sowie die Honorare der Sachverständigen und der Dolmetscher und Übersetzerinnen an die wirtschaftliche Entwicklung angepasst werden. Die Notargebühren wurden im Jahr 1986 zuletzt erhöht. Die Anwaltsgebühren wurden zuletzt im Jahr 2004 verändert. Es ist deshalb angemessen, auch diese Gebühren neu zu regeln.

Einige Berufsgruppen werden aber in Ihrem Gesetz nicht ausreichend berücksichtigt. Die Vergütung der Übersetzerinnen und der Sachverständigen sollte noch einmal überdacht werden. Auch sollten die Gebührenstreitwerte im Asylverfahren den Werten im Ausländerrecht angepasst werden. Bei beiden Verfahrensarten ist der Arbeitsaufwand der gleiche. Es geht um den Aufenthalt von Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit in Deutschland und damit um schwierige menschliche Schicksale. Es gibt keinen sachlichen oder juristischen Grund, hier mit zweierlei Maß zu messen, meine Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Jetzt komme ich zu den Gesetzentwürfen, die die Änderungen im Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferecht betreffen. Frau Kollegin Voßhoff, das ist bestimmt auch interessant für Ihre Fraktion. Denn eines ist klar: Ein Gerichtsverfahren kostet Geld. Wer sich einen Anwalt oder ein Gerichtsverfahren finanziell nicht leisten kann, muss staatliche Hilfe in Anspruch nehmen können. Wir gewährleisten das mit der Beratungshilfe und mit der Prozesskostenhilfe. Doch während die Lebenshaltungskosten im Bundesgebiet steigen, wollen die Bundesregierung und der Bundesrat die Prozesskostenhilfe und die Beratungshilfe einschränken. Durch Ihre Vorschläge, meine Damen und Herren, wird der Zugang zum Recht erheblich erschwert.

Ich nenne Ihnen hierfür drei ganz einfache, aber zentrale Gründe.

Erstens. Rechtsuchende, deren Einkommen über den Sozialleistungen liegt, sollen mehr Geld für rechtlichen Beistand bezahlen. Wen trifft diese Neuregelung? ‑ Sie betrifft vor allem alleinerziehende Frauen, prekär Beschäftigte oder Erwerbslose. Das thematisieren die Gewerkschaft Verdi und eine Petition an den Bundestag zu Recht. Wer wenig Einkommen hat, wird sich dann dreimal überlegen, ob er oder sie unter diesen Bedingungen einen Prozess riskiert. Das, meine Damen und Herren, schreckt Rechtsuchende davon ab, ihr Recht in Anspruch zu nehmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Zweitens. Das Gericht soll eine einmal bewilligte Prozesskostenhilfe aufheben können, soweit ein Antrag auf Beweiserhebung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Das verstößt gegen den Grundsatz der nicht vorwegzunehmenden Beweiswürdigung im Zivilprozess. Genau das ist nicht vorgesehen im Zivilprozess. Auch dieser Vorschlag von Ihnen verschlechtert die Prozesschancen der finanziell schlechtergestellten Partei.

Drittens. Prozesskostenhilfe wird vor allem in den Bereichen Familienrecht, Arbeitsrecht und Sozialrecht beantragt. Hier geht es um Unterhalt, die Arbeitsstelle oder Sozialleistungen. Gerade für Menschen mit geringem Einkommen ist es wichtig, sich auch in diesen elementaren Bereichen verteidigen zu können. Die geplante Einschränkung der Prozesskostenhilfe verschiebt aber die Chancen der Rechtsverfolgung zugunsten des finanziell Bessergestellten.

Mit diesem Gesetzesvorhaben erschweren Sie, meine Damen und Herren von Bundesregierung und von Bundesrat, finanziell schwächeren Bürgerinnen und Bürgern das Recht auf rechtliche Vertretung. Wir Grünen lehnen das ab. Mit uns Grünen gibt es nur eine Rechts- und Justizpolitik mit sozialem Augenmaß.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jens Petermann (DIE LINKE): Da sind wir uns einig, Frau Kollegin!)

Um die Justizhaushalte wirklich zu entlasten, ist es sinnvoller, die außergerichtliche Streitbeilegung zu stärken. Mit den Stimmen aller Fraktionen hier im Bundestag haben wir in dieser Legislaturperiode das Mediationsgesetz verabschiedet. Darin haben wir vorgesehen, dass Bund und Länder erforschen können, wie die Länder mit Mediation die Gerichte auch finanziell entlasten können. Deshalb sollten sich möglichst schnell möglichst viele Bundesländer an den Forschungsvorhaben beteiligen. Das wäre wirklich innovativ.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Rechte, meine Damen und Herren, sind nur dann wirkungsvoll, wenn die Bürgerinnen und Bürger sie auch durchsetzen können. Dazu brauchen sie im Einzelfall anwaltliche oder gerichtliche Hilfe. Mit dem Gesetz zur Prozesskosten- und Beratungshilfe schaffen Sie eine Zweiklassenjustiz. Wir Grünen können das nicht akzeptieren. Nach unserer Überzeugung muss der Zugang zum Recht allen Menschen offenstehen, unabhängig von ihrem Einkommen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

31.01.2013 Rede am 31.01.2013 zu "Änderung versicherungsrechtlicher Vorschriften"

Frau/Herr Präsident/in, liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir debattieren heute über einen ganzen Strauß von neuen Vorschriften im Bereich des Versicherungsrechts. Diese Neuregelungen sollen den  Versicherten mehr Rechte verleihen. Das begrüßen wir Grünen.

Wenn eine Kfz-Haftpflichtversicherung sich in der Insolvenz befindet, sollen Versicherungsnehmerinnen und Versicherungsnehmer besser vor existenzbedrohenden Schadensersatzansprüchen nach einem Unfall geschützt werden. Krankenversicherte sollen selbst – und nicht nur über den Rechtsanwalt oder die Ärztin – bei ihrer privaten Krankenkasse Einsicht in Gutachten oder Stellungnahmen nehmen können, wenn die Notwendigkeit einer Heilbehandlung geprüft wird. Zusätzlich haben privat Versicherte mehr Zeit ihre Krankenversicherung  zu kündigen, wenn die Beiträge erhöht werden.

Meine Damen und Herren, Versicherungen tragen dazu bei, finanzielle Lebensrisiken für den und die Einzelne abzusichern. Das ist eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe.

Besonders gut ist das Verhältnis zwischen Versicherung und Versicherten dann, wenn es ausgewogen ist. Deshalb ist es wichtig, dass beide Seiten starke Rechtspositionen haben und diese Rechte auch effektiv durchsetzen können.

Hier weist der Regierungsentwurf eine empfindliche Schwäche auf:

Die Bundesregierung will einen Auskunftsanspruch der privat Versicherten gegenüber ihren Krankenversicherungen einführen. Privat Versicherte sollen bei größeren Heilbehandlungen von ihrer Versicherung im Vorhinein Auskunft darüber verlangen dürfen, ob diese die Kosten der Behandlung übernimmt. In dringenden Fällen hat die Versicherung unverzüglich die Auskunft zu erteilen.

Die Regelung dieses Auskunftsanspruchs ist erforderlich, weil es immer wieder Fälle gibt, in denen Versicherungsnehmer so lange auf die Antwort ihrer Versicherung warten müssen, dass die Behandlung schon fast zu spät erfolgt. Im schlimmsten Fall tragen die Betroffenen dann irreparable Schäden davon.

Der Haken am neuen Auskunftsanspruch ist aber, dass der Gesetzentwurf der Regierung keine verbindliche Auskunft der Versicherung vorsieht. Das heißt: Der Versicherte bekommt eine Auskunft des Versicherungsunternehmens über die Kostenübernahme, kann sich aber nicht darauf verlassen, dass die Versicherung die Kosten anschließend tatsächlich übernimmt. – Und das ist nicht nur meine Einschätzung, meine Damen und Herren. Diese Interpretation teilt auch der Bundesrat.

Die Bundesregierung gibt zwar an, dass die Zusage der Versicherung verbindlich sei, wenn diese eine abschließende Bewertung anhand aller Unterlagen vorgenommen habe. Aber das schreibt sie nicht ins Gesetz.  Der Vorgängerentwurf, der Referentenentwurf, hatte die Verbindlichkeit noch ausdrücklich beinhaltet. Und auch in der Gesetzesbegründung steht nicht, dass eine Zusage verbindlich ist. Ich zitiere Seite 13 des Gesetzentwurfs: „Legt der Versicherungsnehmer Unterlagen vor, muss der Versicherer in seiner Antwort im Sinne einer gesteigerten Darlegungslast auf die Unterlagen eingehen; die Antwort erlangt einen höheren Grad an Verbindlichkeit.“

Da frage ich mich: Was ist ein höherer oder niedrigerer Grad an Verbindlichkeit?

Meine Damen und Herren Kollegen, hier gibt es nur ein „Entweder/Oder“: Entweder ist eine Auskunft verbindlich oder sie ist es nicht.

Und es kommt noch schlimmer: Bleibt der Gesetzestext so, wie er jetzt ist, wäre es letztendlich für den Versicherten besser, er erhielte gar keine Antwort von seiner Versicherung. In diesem Fall greift nämlich nach Ablauf der Frist zur Antwort die gesetzliche Vermutung ein. Das bedeutet, es wird vermutet, dass die beabsichtigte Heilbehandlung notwendig ist und damit die Krankenversicherung die Kosten übernehmen muss. Um diese Vermutung zu widerlegen, muss dann die Versicherung beweisen, dass die Behandlung nicht notwendig war.

Im Klartext heißt das: Der Versicherte, der von seiner Versicherung keine Auskunft erhalten hat, hat im Prozess eine stärkere Position als die  Versicherte, die eine unverbindliche Auskunft bekommen hat. Bei der unverbindlichen Auskunft trägt nämlich der Versicherte die Beweislast dafür, dass seine Versicherung zur Zahlung der Behandlungskosten verpflichtet ist.

Rechtsstreitigkeiten über die Verbindlichkeit einer Auskunft der Krankenversicherung sind damit vorprogrammiert. Das aber muss eine solide Rechtspolitik vermeiden. Ihr Anspruch muss sein, Rechtsstreitigkeiten vorzubeugen, nicht aber sie erst zu verursachen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

31.01.2013 "Wenn der Prozess zu teuer wird" - einkommensschwache Bürger werden benachteiligt

Artikel in den Stuttgarter Nachrichten

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23.01.2013 Artikel in "Das Parlament" vom 21.01.2013

Freiheit oder Verantwortung

Patientenrechte: Umstrittenes Gesetz ermöglich erneut Zwangsbehandlung psychisch Kranker

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10.01.2013 "Korruption wirksam bekämfpen" - unser neuer Flyer ist online

„Korruption wirksam bekämfpen“ – unser neuer Flyer ist online

Auf internationalem Parkett macht sich Deutschland für den Kampf gegen die Korruption stark. Die Bundesregierung pocht darauf, dass andere Staaten internationale Vorgaben einhalten. Doch sie selbst misst mit zweierlei Maß. Die schwarz-gelbe Koalition blockiert alles, was eine effektive Korruptionsbekämpfung innerhalb Deutschlands voranbringen könnte.

Wir wollen eine neue und nachhaltige Kultur der Transparenz und Offenheit von Entscheidungsprozessen schaffen. Dazu gehört auch die weitere Stärkung der Informationsfreiheit. Wir müssen in die Zukunft gerichtet denken, das heißt vorbeugend tätig werden. Es genügt nicht, nur in den Bereichen gegen Korruption vorzugehen, die vermeintlich am anfälligsten sind. Wir wollen die Wahrnehmung und das Bewusstsein aller – jeder Bürgerin und jedes Bürgers – gegenüber Korruption schärfen.

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12.12.2012 Persönliche Erklärung von Ingrid Hönlinger zu „Entwurf eines Gesetzes über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes“

Persönliche Erklärung von Ingrid Hönlinger zu „Entwurf eines Gesetzes über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes“

 …und des Änderungsantrags des Abgeordneten Jerzy Montag und anderer Abgeordneter (BT-Drs. 17/11816)

In der Folge des Urteils des Kölner Landgerichts vom 07. Mai 2012, in dem die Beschneidung eines Jungen als rechtswidrige Körperverletzung gewertet wurde, kam es zu großen Verunsicherungen, zum einen bei jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, zum anderen bei Ärztinnen und Ärzten. Dem Urteil kommt weit über die Religionsgemeinschaften und Fachkreise hinaus große Aufmerksamkeit zu. Dies geschieht aus gutem Grund, denn betroffen sind mehrere grundrechtssensible Bereiche.

Der Staat muss auf diese Verunsicherungen reagieren und Rechtssicherheit schaffen. Dabei hat er die schwierige und verantwortungsvolle Aufgabe, sowohl die körperliche Unversehrtheit jedes Einzelnen zu schützen als auch die Religionsfreiheit zu gewährleisten und außerdem das Elternrecht auf Erziehung zu berücksichtigen.

Muslimisches und jüdisches religiöses Leben müssen in Deutschland weiterhin möglich sein. Gleichzeitig müssen wir sicherstellen, dass Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit nur in begründeten Fällen zulässig sind und vor allem medizinisch korrekt und ohne unnötige Schmerzen durchgeführt werden.

Vor einigen Monaten hatte ich dafür plädiert, eine intensive, vielschichtige und facettenreiche Diskussion zu führen und nicht vorschnell zu Lasten des einen oder anderen Grundrechtes zu entscheiden. Mir war es wichtig, das Gespräch mit Vertreterinnen und Vertretern der Religionsgemeinschaften, Medizinerinnen und Medizinern und anderen Fachleuten zu suchen, alle Argumente abzuwägen und auszuwerten, alle möglichen Blickwinkel einzunehmen und auch die Konsequenzen zu berücksichtigen, die die verschiedenen Möglichkeiten mit sich bringen. In den vergangenen Monaten habe ich gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen im Bundestag auf verschiedenen Ebenen diese Gespräche gesucht und geführt. In einem Fachgespräch der grünen Bundestagsfraktion und in verschiedenen Einzelgesprächen habe ich mich umfassend informiert.

Das Bundesjustizministerium hat einen Entwurf vorgelegt, der aus meiner Sicht in die richtige Richtung geht. Ich finde es richtig, eine Regelung im Familienrecht zu treffen und nicht im Strafrecht.

Hinsichtlich der Beachtung des Kindeswillens gibt es allerdings Verbesserungsmöglichkeiten. Ich meine, dass einsichts- und urteilsfähige Jungen selbst in die Beschneidung einwilligen müssen. Voraussetzung für die Wirksamkeit einer solchen Einwilligung ist, dass der betroffene Junge vor der Beschneidung umfassend durch denjenigen über den Eingriff aufgeklärt wird, der den Eingriff vornimmt. Äußert sich der Junge ablehnend gegenüber dem bevorstehenden Eingriff, darf die Beschneidung nicht durchgeführt werden. Damit das Kindeswohl optimale Berücksichtigung finden kann, ist weiterhin erforderlich, dass auch ein Junge, der noch nicht im Rechtssinne einsichts- und urteilsfähig ist, seine Beschneidung ablehnen kann.

Vor allem aber halte ich den im Regierungsentwurf vorgesehenen Ausnahmezeitraum, wonach in den ersten sechs Monaten nach der Geburt auch nichtärztliche Beschneiderinnen und Beschneider eine Beschneidung durchführen dürfen, für zu lang. Diese dürfen, anders als Ärztinnen oder Ärzte, keine Narkosemittel einsetzen. Sie arbeiten mit schmerzlindernden Salben und Zäpfchen. Das Narkoserisiko ist nach ärztlicher Auskunft gerade in den ersten vierzehn Tagen nach der Geburt eines Kindes sehr hoch, so dass bei der Beschneidung in dieser Zeit grundsätzlich keine Narkosen erfolgen. Nach Ablauf von vierzehn Tagen kann nur noch ein Arzt oder eine Ärztin die Abwägung zwischen Narkose- und Schmerzrisiko vornehmen. Deshalb halte ich es für richtig, die Frist für die Tätigkeit nichtärztlicher Beschneiderinnen und Beschneider auf vierzehn Tage nach der Geburt des Kindes zu begrenzen.

Ich stimme deshalb dem Änderungsantrag Nr. 17/11816 zu und enthalte mich bei der Abstimmung über den Gesetzentwurf der Bundesregierung.

21.11.2012 Bundestags-Rede zum Justizhaushalt am 20.11.2012

Frau Präsidentin!

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Frau Ministerin,

 eine Haushaltsrede hat immer mit Geld und mit Finanzen zu tun.

(Dr. Günter Krings (CDU/CSU): Bisher war es richtig!)

Ich rede heute über 250 Milliarden Euro. 250 Milliarden Euro ‑ so hoch ist der Schaden, den Korruption im Jahr 2012 für die deutsche Wirtschaft verursacht. Diese Schadenssumme hat der Wirtschaftswissenschaftler Friedrich Schneider aus dem österreichischen Linz errechnet. Der Schaden besteht vor allem darin, dass bei der Vergabe von Aufträgen nicht immer derjenige Anbieter zum Zug kommt, der das beste und günstigste Angebot macht. Hierdurch wird das Wirtschaftswachstum gehemmt, und die Steuereinnahmen sinken.

Was können wir dagegen tun? Bereits im Jahr 2003 hat die Bundesrepublik ‑ wir hatten damals eine rot-grüne Regierung ‑ die UN-Konvention gegen Korruption unterzeichnet. 161 Staaten dieser Welt haben die Konvention inzwischen ratifiziert. Nur wenige Staaten haben sie noch nicht gesetzlich umgesetzt. Dazu gehört auch Deutschland.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ‑ Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Schande!)

Das, meine Damen und Herren, ist blamabel.

(Christian Lange (Backnang) (SPD): Richtig!)

Bei dieser Frage bleibt die schwarz-gelbe Regierung auf dem Niveau von Sudan und Nordkorea; denn diese Regierung verweigert noch immer die Ratifikation der UN-Konvention ‑ und das, obwohl sogar führende Vertreter der deutschen Wirtschaft die Bundesregierung zur Ratifikation auffordern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)

Meine Damen und Herren von der Regierungsbank, für diese Verweigerungshaltung haben Sie nur einen einzigen Grund. Sie müssten nämlich die Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung ausweiten. Das wollen Sie offenbar um jeden Preis vermeiden.

(Dr. Günter Krings (CDU/CSU): „Ausweiten“ ist schon einmal ein richtiger Begriff!)

Dabei ist ein Gesetz, das Abgeordnetenbestechung im Sinne der UN-Konvention unter Strafe stellt, kein Ding der Unmöglichkeit. Wir Grüne haben hierzu schon längst unsere Vorschläge vorgelegt. Auch Bundestagspräsident Lammert hat jüngst einen eigenen Vorschlag zur Umsetzung der Konvention unterbreitet.

(Christian Lange (Backnang) (SPD): Genau!)

Es ist Zeit, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir international endlich klare Kante gegen Korruption zeigen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Korruption ist nicht nur ein monetäres Problem. Korruption untergräbt unseren Rechtsstaat und damit unsere Demokratie.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Es gibt noch weitere Initiativen, die das Bundesjustizministerium dringend anstoßen müsste. So brauchen wir in Deutschland endlich ein bundesweites Korruptionsregister. Dieses Register soll Unternehmen benennen, die wirtschaftskriminell auffällig geworden sind. Das ist dann gewissermaßen eine Liste der schwarzen Schafe auf der grünen Wiese der deutschen Unternehmenswelt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bund Länder und Gemeinden vergeben jährlich Aufträge im Wert von mehreren Hundert Milliarden Euro an private Unternehmen. Hiervon profitieren auch korrupte Unternehmen, weil die Vergabebehörden keine Kenntnis von deren Aktivitäten haben.

(Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU): Das stimmt doch gar nicht!)

Die ehrlichen, integren Konkurrenzunternehmen haben das Nachsehen. Das kann nicht sein, meine Damen und Herren. Das ehrliche Unternehmen, der ehrliche Familienbetrieb, darf nicht der Verlierer bei öffentlichen Aufträgen sein. Öffentliche Auftraggeber müssen besser erkennen und steuern können, welche Unternehmen sie beauftragen. Ein Korruptionsregister würde dazu beitragen, den fairen Wettbewerb zu erhalten. Hiervon profitieren wir alle.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Doch auch hier verweigert diese Bundesregierung, die sich doch sonst so gerne als wirtschaftskompetent preisen lässt, eine ordentliche gesetzliche Regelung.

(Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU): Wer hat Ihnen das eigentlich aufgeschrieben?)

Noch ein Weiteres ist mir wichtig: Menschen, die Korruption aufdecken, verdienen den Schutz und den Respekt unseres Staates. Wir brauchen endlich ein Gesetz, das Whistleblower besser schützt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Bundesregierung hat im Herbst 2010 im Rahmen der G‑20-Staaten vollmundig angekündigt, sie werde bis Ende 2012 Regeln zum Whistleblower-Schutz erlassen und auch umsetzen.

(Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da hat sie ja noch einen Monat Zeit!)

Heute haben wir den 20. November 2012, und von einem Gesetz zum Schutz von Whistleblowern ist weit und breit nichts zu sehen.

(Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die machen das im Omnibusverfahren!)

Das zeigt: In der Rechtspolitik nimmt es diese Bundesregierung mit der Umsetzung von Zusagen und Versprechen, die sie auf internationaler Ebene gegeben hat, nicht so genau.

Meine Damen und Herren von der Regierungsbank, mit Ihrer Blockadehaltung in Sachen Korruptionsbekämpfung gefährden Sie das Ansehen Deutschlands in der Welt. Sie haben bei der juristischen Bekämpfung der Korruption nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Damit fügen Sie Wirtschaft und Staat Schaden zu. Außerdem lassen Sie couragierte Bürgerinnen und Bürger, die Korruptionsskandale aufdecken, im Stich.

Es wird höchste Zeit, dass wir nächstes Jahr mit einer rot-grünen Regierung die Bekämpfung der Korruption energisch in die Hand nehmen.

(Zuruf von der CDU/CSU: War das eine Koalitionsaussage? ‑ Gegenruf des Abg. Christian Lange (Backnang) (SPD): Wenn es geht, schon!)

Das werden wir tun. Darauf können Sie sich verlassen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

19.11.2012 Kreismitgliederversammlung in Singen: Hönlinger diskutiert mit den Kreismitgliedern über die Neuordnung des Verfassungsschutzes in Deutschland

Zum Artikel im Südkurier

12.11.2012 Ingrid Höninger in der Talkshow "Deutschland akut" beim Sender N24 „Rosenkrieg und Patchworkglück – was können wir Kindern zumuten?“

50 Prozent aller Ehen werden innerhalb der ersten sieben Jahre wieder geschieden. Über die Hälfte der Väter und Mütter hat bereits nach einem Jahr wieder einen neuen Partner. Die Patchworkfamilie wird in den Medien als Zukunftsmodell gepriesen. Indes sind Scheidungskinder deutlich im Nachteil: Sie werden im Durchschnitt häufiger depressiv, konsumieren mehr Drogen und Alkohol und lassen sich später doppelt so oft scheiden wie andere Kinder.

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22.10.2012 Sachverständige bestätigen Grüne bei den Patientenrechten

Zu dem Gesetzentwurf der Koalition zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten und der Anhörung vom 22.10.2012 erklären Maria Klein-Schmeink, Sprecherin für Patientenrechte und Prävention und Ingrid Hönlinger, Obfrau im Rechtsausschuss:

Es ist bezeichnend, dass ein Großteil der Sachverständigen deutlichen Verbesserungsbedarf  gerade hinsichtlich der Stellung von Patientinnen und Patienten sieht, die einen gesundheitlichen Schaden durch eine Behandlung erlitten haben.  Bleibt es bei den Vorschlägen der Koalitionsfraktionen wird weiterhin gelten: nur wer reich, rechtschutzversichert und risikobereit ist, kann vor Gericht ein zivilrechtliches Verfahren auf Entschädigung riskieren.

Unser Vorschlag einer regelmäßigen Beweiserleichterung für Patientinnen und Patienten, bei denen nachweislich ein Gesundheitsschaden und ein Behandlungsfehler vorliegen, wurde von vielen Seiten unterstützt. Patientinnen und Patienten sollten als medizinische Laien nicht auch noch nachweisen müssen, dass der Behandlungsfehler eindeutig Ursache des Gesundheitsschadens war. An dieser Hürde scheitern heute viele Verfahren, weil dieser Nachweis oft nur schwer gelingt. Hier sollte Ärztin und Arzt widerlegen müssen, dass ein Behandlungsfehler nicht Ursache für den Gesundheitsschaden ihrer Patienten gewesen ist.

Auch unsere Forderung nach einem Härtefallfonds wird von vielen Seiten unterstützt.

Dieser Entschädigungsfonds soll sich ergänzend zum Arzthaftungsrecht auf die Fälle beschränken, bei denen Patientinnen und Patienten einen schweren gesundheitlichen Schaden erlitten haben, ein ärztlicher Behandlungsfehler aber nicht eindeutig ist. Der Widerstand insbesondere von Seiten der FDP kann sich auf kein vernünftiges Argument stützen, insbesondere ist der Einwand falsch damit würde das bisherige Haftungsverfahren aufgegeben.  Es handelt sich vielmehr um eine Ergänzung. Damit kann Menschen in einer existentiell belastenden Situation geholfen werden und eine schnelle unbürokratische Unterstützung ermöglicht werden.

Die eigenständige Regelung des Behandlungsvertrags im Bürgerlichen Gesetzbuch  ist überfällig. Der vorliegende Gesetzesentwurf bringt aber die notwendigen Verbesserungen für die Patienten und die Versicherten nicht.  Wir werden deshalb auch an vielen weiteren Stellen im Gesetzgebungsverfahren noch Korrekturen und Verbesserungen einfordern, wie etwa bei der Patienteninformation, der Wahrung der Rechte psychisch Kranker,  der Rechte bei den IGeL- Leistungen und auch beim Patientenschutz.

15.10.2012 Pressemitteilung vom 15.10.2012 zur Mietrechtsnovelle der Bundesregierung

Mietrechtsnovelle der Bundesregierung – Chance auf klimafreundliches und bezahlbares Wohnen vertan

Zur heutigen öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss über die Mietrechtsnovelle der Bundesregierung erklären Daniela Wagner, Sprecherin für Baupolitik und Ingrid Hönlinger, Obfrau im Rechtsausschuss:

Die Stellungnahmen der Sachverständigen bestätigen unsere Befürchtungen, dass MieterInnenrechte unter dem Deckmantel des Klimaschutzes und der Bekämpfung von „Mietnomaden“ unverhältnismäßig eingeschränkt werden. Damit verpasst die Bundesregierung die Chance auf eine klimafreundliche und bezahlbare Energiewende im Wohngebäudebereich.

Bereits heute haben wir nicht nur in Wachstumsregionen Verknappungstendenzen auf den Wohnungsmärkten und verstärkte Verdrängungstendenzen gegenüber einkommensschwachen Haushalten. Das belegt der Bericht über die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft 2012 der Bundesregierung eindeutig: So stiegen die Mieten bspw. in Freiburg um 8,1 % und in Greifswald um 10,4 %. Die bundesweite Mietpreissteigerung in 2011 betrug 2,9 Prozent und lag damit deutlich über der allgemeinen Preissteigerung. Weitere Erhöhungen sind zu befürchten, wenn die Mieterhöhungsmöglichkeiten nicht auf die zentralen Zukunftsfelder (energetische Sanierung, altersgerechter Umbau) ausgerichtet und gleichzeitig abgesenkt werden. Nur damit werden überflüssige Luxussanierungen nicht in unverhältnismäßiger Weise dem Mieter aufgebürdet. Deswegen wollen wir die Modernisierungsumlage von 11 auf 9 Prozent absenken und auf die energetische Sanierung sowie den altersgerechten Umbau konzentrieren. Wir haben in einem eigenen Antrag unser Gesamtkonzept vorgelegt und zeigen, dass Klimaschutz und Mieterschutz zusammengedacht werden können und nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen.

Zum Vorgehen gegen Mietnomaden werden Regelungen getroffen, die Auswirkungen zu Lasten aller Mieter haben können. Die neu eingeführte Sicherungsanordnung, mit der der Mieter zur Hinterlegung einer Geldsumme verpflichtet wird, kann gravierende Folgen für den Mieter haben: Zahlt der Mieter auf die Sicherungsanordnung hin nicht, kann der Vermieter ein Räumungsurteil erwirken, ohne dass das Gericht eine abschließende Entscheidung über das tatsächliche Bestehen der Ansprüche des Vermieters getroffen hätte. Das ist ein tiefer Eingriff in die Prinzipien des Zivilprozessrechts, der  nicht mit vereinzelten Fällen von Mietnomadentum gerechtfertigt werden kann.

28.09.2012 Rede im Bundestag am 28.09.2012 zu "Rechte von PatientInnen"

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Das Patientenrechtegesetz wird durch folgende zentrale Begriffe gekennzeichnet und beschrieben: Beteiligungsrechte, Aufklärungspflichten, Dokumentationsrechte und vor allem Transparenz und Rechtssicherheit. Schon an dieser Begrifflichkeit lässt sich ablesen, dass es sich um ein komplexes und besonders wichtiges Rechtsgebiet handelt. Patientinnen und Patienten und auch Sie selbst, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, haben, wie sich Ihren Worten entnehmen lässt, hohe Ansprüche an dieses Gesetz. Diesen Ansprüchen wird das Patientenrechtegesetz in seiner jetzigen Form nicht gerecht.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dass Sie uns nun endlich ein solches Gesetz vorlegen und dass der Behandlungsvertrag damit als eigener Vertrag im Bürgerlichen Gesetzbuch kodifiziert wird, begrüßen wir ausdrücklich. Sie erkennen damit an, dass zwischen Patient und Arzt ein besonderes Rechtsverhältnis besteht. Die gesetzliche Regelung des Behandlungsvertrags war überfällig, ausreichend ist sie jedoch noch immer nicht. Sehr deutlich zeigt sich das bei der Festlegung der Beweislast.

Hier kodifizieren Sie die ständige Rechtsprechung des BGH zur Beweislastumkehr bei groben Behandlungsfehlern. Demgemäß erkennen Sie nur hier an ‑ Zitat von Seite 30 Ihres Gesetzentwurfs ‑: „ … dass der Behandelnde ‚näher dran‘ ist, das Beweisrisiko zu tragen. Demgegenüber wird der Patient im Regelfall kaum etwas zur Klärung des Sachverhalts beitragen können …“.

Aber schauen Sie doch genau hin! Das ist bei weniger krassen Behandlungsfehlern nicht anders. Im Regelfall ist es bei kleineren Fehlern sogar noch viel schwieriger für die Patientinnen und Patienten, den Behandlungsfehler nachzuweisen.

Das Besondere an einem Behandlungsvertrag ist doch gerade, dass ein erhebliches Ungleichgewicht zwischen den Vertragsparteien besteht, meine Damen und Herren. Die Beweislastumkehr im Ausnahmefall reicht deshalb nicht aus. Wir brauchen eine zusätzliche Beweiserleichterung in Form einer widerlegbaren Vermutung auch für einfache Behandlungsfehler. Ich sage ausdrücklich „Beweiserleichterung“ und nicht „Beweislastumkehr“. Damit meine ich: Wenn der Patient zur Überzeugung des Gerichts darlegt, dass ein Behandlungsfehler vorliegt und dass ein Gesundheitsschaden eingetreten ist, muss der Arzt die Vermutung erschüttern, dass hier ein Kausalzusammenhang besteht. Nur so kann ein effektiver Schutz von Patientinnen und Patienten erreicht werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Ein weiterer wichtiger Faktor in Arzthaftungsprozessen ist die Frage, nach welchem Verfahren sachverständige Gutachter bestellt werden. In den allermeisten Fällen fehlt Juristinnen und Juristen der medizinische Sachverstand. Das gilt für Anwälte/Anwältinnen genauso wie für Richter/Richterinnen. Die Entscheidung darüber, wer das medizinische Gutachten erstellt, ist so in Wirklichkeit oft die vorweggenommene Entscheidung darüber, wie der Prozess ausgeht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir Grünen meinen deshalb: In die Entscheidungsfindung zu der Frage, welcher Gutachter bestellt wird, müssen die Parteien viel stärker eingebunden werden als bisher. Wir brauchen klare und transparente Regeln für die Gutachtenvergabe.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch die Verfahrensabläufe bei den Schlichtungs- und Gutachterkommissionen der Ärztekammern können wir noch verbessern. Wir sollten auch Möglichkeiten der alternativen Streitbeilegung verstärkt nutzen. Mit dem Mediationsgesetz haben wir hier vor der Sommerpause überfraktionell, mit allen Fraktionen, eine sichere rechtliche Grundlage geschaffen.

Diese und weitere Punkte wie ein Härtefallfonds, meine Damen und Herren, müssen im Gesetzgebungsverfahren noch eingearbeitet werden; denn das oberste Ziel dieses Gesetzes muss es sein, die Rechtsstellung von Patientinnen und Patienten umfassend zu verbessern und diese im Behandlungsprozess von Betroffenen zu Beteiligten zu machen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)

28.09.2012 Rede im Bundestag am 27.09.2012 zu "Verjährungsfrist zu sexuellem Missbrauch"

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir alle konnten uns in den schlimmsten Alpträumen nicht vorstellen, was sich seit den 70er-Jahren und teilweise bis in die Gegenwart hinein hinter den Mauern von kirchlichen, schulischen und anderen Einrichtungen ereignet hat. Das Ausmaß des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen, schutzbefohlenen Mädchen und Jungen spielte sich jahrelang im Geheimen ab. Bis heute sind nicht alle Fälle aufgeklärt, die Traumatisierungen der Opfer sind noch lange nicht geheilt, und diese Untaten sind nicht ausreichend gesühnt, weder moralisch noch finanziell.

Wir wissen heute, dass Opfer von sexuellem Missbrauch oft jahrelang das Erlebte nicht in Worte fassen können. Sie brauchen Zeit, um über das sprechen zu können, was ihnen widerfahren ist. Vor diesem Hintergrund müssen wir unsere rechtlichen Abwägungen treffen.

Das aktuelle Recht räumt den Opfern nicht ausreichend Zeit ein. Bei den Missbrauchsfällen aus den 70er- und 80er-Jahren sind die Verjährungsfristen längst abgelaufen, und zwar sowohl die zivil- als auch die strafrechtlichen Fristen. Wir als Gesetzgeber müssen jetzt den rechtlichen Rahmen dafür schaffen, dass die Menschen, deren Forderungen noch nicht verjährt sind oder die in Zukunft Opfer sexueller Gewalt werden, ihre Ansprüche in angemessener Zeit durchsetzen können.

Heute sprechen wir über den Gesetzentwurf der SPD. Auch wir Grünen haben einen Gesetzentwurf zur Verbesserung der rechtlichen Stellung von Opfern sexuellen Missbrauchs vorgelegt. Einig sind wir uns mit der SPD darin, dass die Verjährungsfrist im Zivilrecht für Ansprüche von Opfern sexueller Gewalt viel zu kurz ist. Wir Grünen wollen, genauso wie die SPD, eine Ausweitung auf 30 Jahre einführen.

Im Gegensatz zur SPD wollen wir die Hemmungsregelungen nicht nur beibehalten, sondern ausweiten. Sowohl im Zivil- als auch im Strafrecht soll der Beginn der Verjährung bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres eines misshandelten Menschen gehemmt sein.

Die Hemmungstatbestände treffen den Kern der Diskussion ‑ das Schweigen junger Menschen nach sexuellem Missbrauch. Selbst junge Erwachsene sind häufig emotional nicht in der Lage, ihre Ansprüche wegen solcher Taten geltend zu machen; gerade hier sollten wir ansetzen.

Nun wende ich mich an die Regierung, die ebenfalls einen Gesetzentwurf vorgelegt hat. Sie, meine Damen und Herren, wollen im Zivilrecht ebenfalls die Verjährungsfrist auf 30 Jahre anheben, aber im Gegenzug wollen Sie die Hemmung komplett streichen. Damit beginnt die Verjährungsfrist bereits mit dem Entstehen des Anspruchs, also sofort nach der Tat und nicht erst mit Vollendung des 21. Lebensjahres des Opfers, wie das nach aktuellem Recht der Fall ist. Das ist ein völlig falsches Signal an die Betroffenen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Der Regierungsentwurf weist auch noch ein weiteres Problem auf: Die Verjährungsfrist von 30 Jahren soll nicht nur für Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung gelten, sondern auch für sonstige vorsätzliche Verletzungen des Körpers und der Gesundheit. Damit unterfiele jede Beibringung einer Wunde der Verjährungsfrist von 30 Jahren.

(Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jede Ohrfeige!)

Sicher stimmen Sie mit mir überein, dass wir hier differenzieren müssen.

Dass Sie innerhalb der Koalition noch über den Gesetzentwurf der Regierung streiten und sich nicht einigen können, zeigt den Zustand Ihrer Koalition und schadet den Betroffenen. Meine Damen und Herren von der Regierung, beschränken Sie Ihren Gesetzentwurf auf die Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung, verlängern Sie die Verjährungsfrist im Zivilrecht, und schieben Sie den Verjährungsbeginn im Zivil- und Strafrecht hinaus! Je länger Sie mit dem Inkraftsetzen des Gesetzes warten, desto mehr Ansprüche von Opfern verjähren. Dies sollte für die Rechtspolitik Grund genug sein, schnell und gründlich zu handeln.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

27.09.2012 Rede im Bundestag am 27.09.2012 zu "Bekämpfung von Zahlungsverzug"

Sehr geehrte Frau/Herr Präsident/in, liebe Kolleginnen und Kollegen,

die verspätete Bezahlung von Rechnungen bringt kleine und mittlere Unternehmen in Europa immer wieder in ernste Schwierigkeiten. Diese können bis zum finanziellen Ruin der Unternehmen führen. Um kleinere Auftragnehmer in Europa besser zu schützen, hat die Europäische Union Anfang 2011 eine Richtlinie erlassen, die den Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr besser reglementieren soll.

Heute debattieren wir über das Gesetz, das die Richtlinie in Deutschland umsetzen soll. Es geht um den Schutz der Unternehmen, die sich einem übermächtigen Verhandlungspartner gegenüber sehen, der ihnen Zahlungsfristen „diktiert“. Die Regelungen gelten für die öffentliche Hand und private Unternehmen, nicht für Verbraucherinnen und Verbraucher.

Ein hoher Zahlungsverzug ist auch in Deutschland keine Seltenheit. Lange Höchstfristen werden in Verträgen festgelegt und bis zum Ende ausgereizt. Das neue Gesetz die Zahlungsfristen auf sechzig  Tage, für öffentliche Auftraggeber sogar auf dreißig Tage beschränken.

Sechzig Tage sind eine lange Zeit, insbesondere wenn man hierzu noch dreißig Tage als Höchstgrenze der Abnahmefrist hinzu zählt. Bleibt die Zahlung für neunzig Tage aus, kann dies in Vorleistung getretene Unternehmen bereits in eine finanzielle Bredouille führen.

Die neuen Regelungen lösen deshalb im Unternehmenskreis die Befürchtung aus, dass das Ziel der Richtlinie – Bekämpfung des Zahlungsverzugs – nicht erreicht wird, sondern sich im Gegenteil am Markt Fristen etablieren, die fern von unserem gesetzlichen Leitbild liegen.

Unser gesetzliches Leitbild sieht die für den Gläubiger günstigste Variante vor: Der Gläubiger kann im Zweifel die Zahlung sofort verlangen. Um das Ziel der Richtlinie, den Zahlungsverzug zu vermeiden, nicht ins Gegenteil zu verkehren, müssen wir bei der Umsetzung darauf achten, dass unser gesetzliches Leitbild in Funktion bleibt. Wir müssen klar stellen, dass die Zahlungsfrist von maximal sechzig Tagen das Äußerste ist, was im Geschäftsverkehr noch tragbar ist. Wir dürfen dem Ausreizen von Höchstfristen keinen Vorschub leisten.

Abzuwarten bleibt darüber hinaus, ob ein weiteres Element im Gesetzentwurf  zu einer Verbesserung der Zahlungsmoral führen wird: Die Einführung eines Pauschalbetrags von vierzig Euro für so genannte „Beitreibungskosten“. Der Anspruch entsteht, wenn der Gläubiger Anspruch auf Verzugszinsen hat.

Dies ist ein Novum im deutschen Recht. Mit vierzig Euro ist dieser Anspruch zwar moderat bemessen. Dennoch ist der pauschale Anspruch, der unabhängig davon vorliegt, ob ein solcher Schaden beim Gläubiger überhaupt entstanden ist, dem deutschen Schadenersatzsystem fremd.

Fraglich ist, ob eine solche Pauschale tatsächlich Schuldner dazu anhält, rechtzeitig zu zahlen. Schuldner, die bewusst Zahlungen nach hinten hinaus schieben und auf einen „Kredit“ des Gläubigers setzen, werden sich von 40 Euro nicht unbedingt abschrecken lassen.

Auch lässt die Pauschale eine gewisse Nähe zum Strafschadenersatz erkennen. Die vierzig Euro sollen zwar laut EU-Kommission keine strafende Wirkung haben. Sie sollen dem Gläubiger als Ausgleich für seine Beitreibungskosten dienen. Aber Schadenersatzforderungen ohne nachgewiesenen Schaden haben einen „Wiedergutmachungscharakter“, der auch dem Strafschadensersatz innewohnt.

Und die EU-Kommission treibt die Einrichtung von Pauschalzahlungen voran: Im Entwurf zum Gemeinsamen Europäischen Kaufrecht findet sich der Anspruch auf vierzig Euro Entschädigung für Beitreibungskosten wieder.

Meine Damen und Herren, auf EU-Ebene sollten wir uns weiterhin Bestrebungen zur Einführung von unangemessen hohen Pauschalbeträgen oder von Strafschadenersatz im Zivilrecht entgegen stellen. Ein Strafschadenersatz, der weit über einen tatsächlich eingetretenen Schaden hinausgeht, stellt eine Bereicherung des Gläubigers dar. Er führt zu einer nicht kalkulierbaren Zusatzbelastung von Schuldnern oder im Fall von öffentlichen Auftraggebern letztlich von Steuerzahlern. Einer solchen Zusatzbelastung müssen wir vorbeugen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

27.09.2012 Rede im Bundestag am 27.09.2012 zur "Partnergesellschaft mit beschränkter Berufshaftung"

Sehr geehrte Frau/Herr Präsident/in, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sollen nach dem Gesetzentwurf der Regierung, über den wir heute beraten, für ihre berufliche Zusammenarbeit künftig eine neue Organisationsform wählen können: Die Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Haftung (PartGmbH).

Das Auffällige an dieser neuen Gesellschaftsform ist die Kumulation von Vorteilen: Die Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Haftung soll die steuerlichen Vorteile der Personengesellschaft mit den Vorteilen der beschränkten Haftung der Kapitalgesellschaft verbinden.

Damit will die Regierung eine deutsche Alternative zur anglo-amerikanischen Limited Liability Partnership (LLP) schaffen. Im Gesetzentwurf hat sie dementsprechend auch dargelegt, dass in Deutschland ein erheblicher Trend zur Nutzung der Rechtsform der LLP zu verzeichnen sei.

Allerdings führt die Bundesregierung im Gesetzentwurf keine Anzahl der LLPs in Deutschland auf. Exakte Zahlen konnte sie auch nicht nennen, als wir sie in unserer schriftlichen Frage konkret darum baten. Vielmehr heißt es in der Antwort der Regierung: „Aus Berufskreisen der Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater wird berichtet, dass die Zahl der Zusammenschlüsse in Form der LLP steigend ist.“

Schauen wir uns die öffentlich verfügbaren Zahlen genauer an, so stellen wir fest: In den nach jetziger Rechtslage möglichen deutschen Gesellschaftsformen sind weit über 2000 Kanzleien in der Rechtsform der Partnerschaftsgesellschaft (ohne beschränkte Haftung) organisiert, über 300 haben die Rechtsform der GmbH gewählt. Bei den verbleibenden Anwaltszusammenschlüssen dominiert die Gesellschaft bürgerlichen Rechts

Sucht man im Handelsregister nach der Rechtsform der LLP, so stellt man fest: 54 LLPs sind eingetragen. Und das sind nicht nur die Freiberufler, denen das Gesetz zu Gute kommen soll. Neben Rechtsanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern sind zum Beispiel auch Architekten bei den 54 LLPs im Handelsregister  eingetragen.

Das sind Zahlen, die nicht auf gesetzgeberischen Handlungsbedarf schließen lassen, meine Damen und Herren.

Und es stellt sich noch ein weiteres Problem:

Unterläuft einem Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer in seiner Tätigkeit ein Fehler, so haftet er bisher mit seinem Privatvermögen. Dieses Risiko sichert er mit einer Berufshaftpflichtversicherung ab. Die Mindestversicherungssumme liegt für Rechtsanwälte derzeit bei 250.000 Euro pro Versicherungsfall.

Bei der Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Haftung entfällt die persönliche Haftung des Rechtsanwalts, Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers. Eine versicherungsrechtliche Lösung soll den Schutz von Mandanten gewährleisten.

Rechtsanwälte müssen dann eine Berufshaftpflichtversicherung von mindestens 2,5 Millionen Euro pro Versicherungsfall unterhalten. Dies ist das zehnfache der bisherigen Mindestversicherungssumme. Ein entsprechend hoher Versicherungsbeitrag ist die Folge.

Wie viele Partnerschaften sich diesen Versicherungsschutz leisten können werden, ist fraglich. Wenn überhaupt, ist eine solche Versicherungssumme nur für große Kanzleien erschwinglich.

Das Gesetz hat also im Kern eine sehr beschränkte Zielgruppe:  Großkanzleien.

Kleine und mittelständische Kanzleien werden von der Möglichkeit der Gründung einer Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Haftung kaum profitieren.

Die Folgen eines solchen Gesetzes aber betreffen das gesamte Gesellschaftsrecht: Die Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Haftung  bedeutet eine Vermischung von Merkmalen der Personengesellschaft mit Merkmalen der Kapitalgesellschaft. Sie bewirkt eine weitere Aufsplitterung der Gesellschaftsformen. Ein Gesetz mit einem solch‘ begrenzten Anwendungsbereich wie dieses sollte nicht dazu führen, unser gesellschaftsrechtliches System zu durchbrechen.

Gerne können wir die Hinweise auf die Nutzung ausländischer Rechtsformen, wie der LLP, dazu nutzen, über eine grundlegende Reform des Gesellschaftsrechts nachzudenken. Ziel muss es aber sein, dessen Komplexität zu verringern und nicht zu vergrößern.

Meine Damen und Herren Rechtspolitikerinnen und Rechtspolitiker, wir müssen durchdachte und sinnvolle Gesetze anbieten, wenn wir mit „Law Made in Germany“ in Konkurrenz zu anderen Rechtsordnungen treten wollen. Diesem Anspruch genügt das vorliegende Gesetz nicht.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

27.09.2012 Rede im Bundestag am 27.09.2012 zum "Mietrechtsänderungsgesetz"

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wenn ich mir den Gesetzentwurf dieser Regierung zum Bereich Mietnomaden anschaue, dann drängt sich mir der Verdacht auf, dass die damit befassten Regierungsmitglieder zu viel Zeit vor dem Fernseher verbracht

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Halina Wawzyniak (DIE LINKE))

und sich dabei auch noch die falschen Sendungen angeschaut haben.

(Dr. Günter Krings (CDU/CSU): Das wollen Sie jetzt auch noch bestimmen? Jetzt wird noch reglementiert, was wir gucken sollen! Was darf ich denn noch gucken, Frau Kollegin?)

Meine Damen und Herren, nur weil in Spiegel TV eine reißerische Sendung mit dem Titel „Mietnomaden: Pöbeleien am Gartenzaun“ lief, müssen Sie noch lange nicht das Prozessrecht ändern!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)

20.09.2012 Rede anlässlich des Empfangs zum 69. Juristentag am 20. September in München

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde,

ich begrüße Sie und Euch ganz herzlich zum Empfang der Grünen Bundestagsfraktion hier auf dem Deutschen Juristentag in München. Ich freue mich sehr, heute mit Ihnen hier sein zu können, um mit Ihnen – auch grundsätzliche – juristische Themen aufgreifen zu können.

Ich komme aus Ludwigsburg bei Stuttgart, Christine Stahl aus Nürnberg, Prof. Dr. Martin Henssler gebürtig aus Stuttgart und Jerzy Montag aus München. Wir sind hier also auf einem kleinen juristischen Südgipfel, von wo aus wir gemeinsam mit Renate Künast den weiten Bogen zur Berliner Rechtspolitik spannen.

„Recht und Politik im Dialog“ lautet der Titel unserer Einladung an Sie.

Ich möchte dies konkretisieren und über „Recht und GRÜNE Politik im Dialog“ sprechen und da stellt sich die Frage: Was macht eigentlich Grüne Rechtspolitik aus? Was ist der Kern grüner Rechtspolitik?

Aufzeigen werde ich das an einigen Beispielen aus meinem Aufgabenbereich. Kernpunkt 1 lautet „Menschenrechte wahren“.

In den vergangenen Jahren hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte auch Deutschland immer wieder wegen Verstößen gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verurteilt. Im Fall von Brigitte Heinisch, einer Pflegekraft aus Berlin, die Missstände in ihrer Pflegeeinrichtung öffentlich angeprangert hatte, hat das Gericht festgestellt, dass die daraufhin erfolgte Kündigung gegen das Menschenrecht auf Meinungsfreiheit verstößt.

Dies war mit ein Anlass dafür, dass wir einen Gesetzentwurf zum Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern in den Bundestag eingebracht haben. Darin schaffen wir einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen von Arbeitnehmern, Arbeitgebern und betroffener Öffentlichkeit.

Im Lichte des aktuellen Armutsberichts der Bundesregierung müssen wir auch in Gesetzgebung und Rechtsprechung darauf achten, dass wir die Spaltung der Gesellschaft in ein „Oben“ und ein „Unten“ nicht vertiefen, sondern den Graben eher schließen.

 Mein Kernpunkt 2 heißt: Wir müssen in Europa hohe Rechtsstandards erhalten.

Meine Mitgliedschaft im Unterausschuss Europarecht des Bundestages führt mir immer wieder deutlich vor Augen, wie stark unser deutsches Recht inzwischen durch europäische Rechtsetzung geprägt ist.

Traditionell stehen wir Grüne der europäischen Integration offen gegenüber. Wichtig ist uns, keine einseitige Klientelpolitik zu betreiben, sondern einen angemessenen Ausgleich, zum Beispiel zwischen Verbrauchern und Unternehmern, zu finden.

Unter dem Aspekt, unsere hohen nationalen Rechtsstandards zu erhalten und sie möglichst noch zu verbessern, stehen wir dem EU-Kommissionsvorschlag eines Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts kritisch gegenüber. Wir meinen, dass dieses einen zu weitgehenden und noch nicht ausreichend durchdachten Eingriff in unser nationales Zivilrecht, vor allem den Allgemeinen Teil und das allgemeine Schuldrecht, darstellt.

EU-Recht darf nicht zu einer Verschlechterung der nationalen Standards führen.

Als wichtige Aufgabe unserer grünen Rechtspolitik sehe ich es als meinen Kernpunkt 3 an, das Recht diskriminierungsfrei zu gestalten.

Dazu gehört die vollständige Gleichbehandlung von verschieden- und gleichgeschlechtlichen Paaren. Wir setzen uns dafür ein, dass das Ehegattensplitting, das volle Adoptionsrecht und das Recht auf Eheschließung auch für gleichgeschlechtliche Paare gelten.

Wichtiger Ansatzpunkt in der Familienpolitik ist für uns außerdem die Perspektive des Kindes. Insbesondere für Kinder ist es unerheblich, ob ihre Eltern miteinander verheiratet sind oder nicht. Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zum Sorgerecht für Väter, die nicht mit der Mutter ihres Kindes verheiratet sind, haben wir beispielsweise im Bundestag beantragt, dass den nicht verheirateten Vätern eine niedrig schwellige Antragsmöglichkeit beim Jugendamt eingeräumt wird. Unser Antrag stammt vom Oktober 2010. Wenn ich das mit einem Augenzwinkern sagen darf: Die Bundesregierung ist unserem Antragsmodell zwei Jahre später mit einem sehr ähnlichen Gesetzesvorschlag gefolgt.

Das heißt Gutes setzt sich durch. Bei manchen schneller, bei anderen langsamer.

Eine starke Justiz beizubehalten, ist mein Kernpunkt 4.

Immer wieder gibt es Ansätze, die Justiz durch Privatisierung „zu entlasten“. Ein Beispiel ist die Privatisierung des Strafvollzugs in Baden-Württemberg, die jetzt unter der Grün-roten Regierung zurück genommen worden ist.

Wir Grüne betrachten diese Tendenzen skeptisch. Oft stellen wir fest, dass der Servicegedanke leidet, wenn Aufgaben der Justiz von Privaten ausgeführt werden. Ich sehe auch keine finanziellen Vorteile, denn bei privater Rechnungsstellung kommt die Mehrwertsteuer oben drauf.

Wir wollen der Justiz mehr Möglichkeiten zur Selbstverwaltung einräumen. Außerdem sehen wir in der alternativen Konfliktlösung, wie sie zum Beispiel die Mediation darstellt, eine gute Möglichkeit zur Entlastung der Gerichte sowie zur Etablierung einer eigenverantwortlicheren Streitkultur.

Das führt mich zu meinem abschließenden 5. Kernpunkt „Zugang zum Recht für alle erhalten“

Wir haben in Deutschland einen sehr hohen Rechtsstandard. Rechte sind allerdings nur wirkungsvoll, wenn die Bürgerinnen und Bürger sie auch durchsetzen können. Zu einem ausgewogenen Rechtsstaat gehört, dass der Zugang zur Justiz jeder und jedem Einzelnen offensteht. Wer sich einen Anwalt oder ein Gerichtsverfahren finanziell nicht leisten kann, muss staatliche Hilfe in Anspruch nehmen können.

Wir setzen uns deshalb dafür ein, dass unser System der Prozesskosten- und Beratungshilfe bestehen bleibt. Eine Beschränkung würde die Möglichkeiten der finanziell Schwächeren, zu ihrem Recht zu kommen, verringern. Einer solchen Zweiklassenjustiz treten wir entschieden entgegen. Der Zugang zum Recht muss allen offenstehen. Hier darf sich die Schere zwischen Arm und Reich nicht noch weiter öffnen.

Recht, meine Damen und Herren, muss für jede Bürgerin und jeden Bürger zugänglich sein.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

13.09.2012 Rede im Bundestag zum Einzelplan Justiz am 13.09.2012

Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Zur Videoübertragung der Rede: Link

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin! „Das Bundesjustizministerium: Hüter des Rechtsstaates ‑ Motor der Rechtspolitik“. So ambitioniert betitelt das Bundesjustizministerium seine Internetseite. Ziehen wir nach drei Jahren Regierungszeit Bilanz, so stellen wir fest: Der Motor war in Bewegung. Er hat auch Geräusche von sich gegeben. Aber nach vorne bewegt hat er sich nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jüngstes Beispiel ist der „Entwurf eines Gesetzes zur Bereinigung des Rechts der Lebenspartner“. Änderungen waren hier längst fällig. Sie, meine Damen und Herren von der Regierungsbank, hatten die Chance, echte Fortschritte bei der Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft zu bewirken. Wir stellen fest: Sie haben die Chance vertan. Eine echte Gleichstellung haben Sie nicht geschaffen. Was fehlt Ihrem Entwurf? An zentrale Punkte wagen Sie sich nicht heran.

Das sind das Ehegattensplitting und das volle Adoptionsrecht für Homosexuelle. Von der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare sind Sie noch meilenweit entfernt. Das zeigt: Ihre Rechts- und Gesellschaftspolitik ist realitätsfern. Sie haben nicht den Mut, den Entwicklungen in der Gesellschaft mit modernen Gesetzen Rechnung zu tragen. Sie betreiben hier ein Stück Realitätsverweigerung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Selbst wenn Sie eine kleine Vorwärtsbewegung andeuten, dann kommt der Koalitionspartner ‑ diesmal in Person von Gerda Hasselfeldt, ihres Zeichens Landesgruppenchefin ‑ und erklärt, die Zukunft liege „in Familie, Kindern und Ehe und nicht in homosexuellen Lebenspartnerschaften“. Damit tritt sie mit beiden Beinen auf die Bremse.

Als Rechtspolitikerin sage ich Ihnen an dieser Stelle: Wenn Menschen Verantwortung füreinander übernehmen, dann ist das ein hohes gesellschaftliches Gut. Dann kommt es auch nicht darauf an, ob die Partner verschieden- oder gleichgeschlechtlich sind. Solche verantwortungsvollen Lebenspartnerschaften haben es verdient, gleichbehandelt zu werden, und zwar sowohl rechtlich als auch steuerlich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Das zweite Motto des Bundesjustizministeriums lautet, das Justizministerium sei der Hüter des Rechtsstaats. Eine der tragenden Säulen unseres Rechtsstaates ist die Justiz. Für eine funktionierende Justiz brauchen wir ausreichend Richterstellen und die erforderlichen Sachmittel. Dies ist im aktuellen Haushaltsplan berücksichtigt. Zu einem ausgewogenen Rechtsstaat gehört aber auch, dass der Zugang zur Justiz jeder Bürgerin und jedem Bürger offensteht. Wer sich einen Anwalt oder ein Gerichtsverfahren finanziell nicht leisten kann, muss staatliche Hilfe in Anspruch nehmen können. Wir gewährleisten das mit Prozesskostenhilfe und mit Beratungshilfe.

Doch wie sieht hier die Realität aus? Alle Lebenshaltungskosten steigen. Und was ist der Plan der Bundesregierung? Sie will die Prozesskostenhilfe und die Beratungshilfe einschränken und damit den Zugang zum Recht für ärmere Einkommensschichten erschweren. Verdeutlichen möchte ich das an drei Beispielen.

Erstens. Die Rechtsuchenden, deren Einkommen über den Sozialleistungen liegt, sollen mehr Geld für rechtlichen Beistand bezahlen. Wer also wenig Einkommen hat, wird sich dann noch genauer überlegen, ob er das Geld für den Schulausflug seiner Kinder ausgibt oder für einen Prozess einsetzt. Das schreckt Rechtsuchende vom Gang zum Gericht ab.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens. Das Gericht soll eine einmal bewilligte Prozesskostenhilfe aufheben können, soweit ein Antrag auf Beweiserhebung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Das verstößt gegen den Grundsatz der vorweggenommenen Beweiswürdigung im Zivilprozess, und das verschlechtert die Prozesschancen zulasten der finanziell schlechter gestellten Partei erheblich.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Drittens. Bisher hat ein Ehegatte, der im Scheidungsverfahren Prozesskostenhilfe erhält, das Recht auf einen Anwalt, wenn sein Partner oder seine Partnerin anwaltlich vertreten ist. Dieses Recht soll eingeschränkt werden. Ein Anwalt muss dann nur noch über Prozesskostenhilfe beigeordnet werden, wenn die Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage dies erfordert. Die Beiordnung wird also nicht mehr automatisch bewilligt, wenn auch die Gegenpartei einen Anwalt hat. Das schränkt die Verteidigungsmöglichkeiten von Menschen mit geringem Einkommen deutlich ein. Das verschiebt die erfolgreiche Rechtsverfolgung zugunsten des finanziell Bessergestellten.

Rechte, meine Damen und Herren, sind nur dann wirkungsvoll, wenn die Bürgerinnen und Bürger diese auch durchsetzen können. Mit diesem Gesetz zur Prozesskosten- und Beratungshilfe schaffen Sie eine Zweiklassenjustiz. Dieses Gesetz behütet nicht den Rechtsstaat, dieses Gesetz beschädigt den Rechtsstaat.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir Grünen werden einem Gesetzentwurf, der im Rechtsbereich die Schere zwischen Arm und Reich noch weiter aufmacht, nicht zustimmen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

05.09.2012 Die „Mini-GmbH“ – eine gute Wahl zur Existenzgründung?

Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt), kurz UG, ist eine 2008 durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) geschaffene Sonderform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Für die Gründung der UG ist die kein Mindeststammkapital erforderlich, sie kann mit nur einem Euro Kapitaleinsatz gegründet werden. Umgangssprachlich wird sie auch „Mini-GmbH“ genannt. Die Konzeption der UG zielt darauf ab, dass die Gesellschaft durch Bildung einer gesetzlichen Rücklage Eigenkapital ansammelt, die es ihr ermöglichen soll, in eine „reguläre“ GmbH zu wechseln.

In einer Kleinen Anfrage hinterfragt Ingrid Hönlinger, ob die Ziele des MoMiGs erreicht wurden. Die Antwort der Bundesregierung enthält leider keine eigene Daten ist daher nur wenig aussagekräftig. Deutlich wird aber, dass die Bundesregierung nicht plant, die mittlerweile entstandene Komplexität des Gesellschaftsrechts durch Gesetzesänderungen zu verringern. Dabei ist die UG gerade dazu eingeführt worden, die Existenzgründung zu erleichtern und so auch kleinen Unternehmen eine Chance am Markt zu geben. Bürokratieaufwand und komplizierte Umwandlungsvorgänge zur GmbH können diesem Ziel aber entgegenstehen. Die Bundesregierung täte gut daran, die seit fast vier Jahren bestehende Regelung zu evaluieren und für kleine Unternehmen den Bürokratieabbau im Gesellschaftsrecht voranzutreiben.

19.07.2012 Ingrid Hönlinger gibt persönliche Erklärung zur aktuellen Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP zur Beschneidung von minderjährigen Jungen ab:

Persönliche Erklärung nach § 31 GOBT 

Das Urteil des Kölner Landgerichts vom 07. Mai 2012, in dem die Beschneidung eines Jungen als rechtswidrige Körperverletzung gewertet wurde, hat zu Verunsicherungen einerseits bei jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, andererseits bei Ärzten geführt. Dem Urteil kommt aber auch weit über die Religionsgemeinschaften und Fachkreise hinaus große Aufmerksamkeit zu. Dies geschieht aus gutem Grund, denn die Beschneidung – oder auch Zirkumzision – betrifft nicht nur einen, sondern mehrere grundrechtssensible Bereiche.

Will man rechtliche Regelungen zur Beschneidung treffen, müssen verschiedene miteinander kollidierende grundrechtlich verbürgte Positionen gegeneinander abgewogen werden: das Recht auf körperliche Unversehrtheit, die Religionsfreiheit und das Recht der Eltern auf Erziehung. Das Wohl des Kindes ist ein zentraler Gesichtspunkt: Seine körperliche Unversehrtheit und sein Recht, als gleichberechtigtes Mitglied einer Religionsgemeinschaft aufzuwachsen, müssen im Mittelpunkt der Diskussion stehen.

Jede Operation erfüllt den Tatbestand der Körperverletzung. Durch rechtswirksame Einwilligung ist sie gerechtfertigt und dann straffrei.

Religionsfreiheit umfasst die Freiheit einen Glauben zu haben und die Freiheit, den Glauben ausüben zu können.

Der Staat hat die schwierige und verantwortungsvolle Aufgabe, sowohl die körperliche Unversehrtheit jedes Einzelnen zu schützen als auch die Religionsfreiheit zu gewährleisten und hierbei auch das Elternrecht auf Erziehung zu berücksichtigen.

In Deutschland muss muslimisches und jüdisches religiöses Leben weiterhin möglich sein. Ich begrüße die religiöse Vielfalt, die es in unserem Land gibt. Gleichzeitig müssen wir sicherstellen, dass Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit nur in begründeten Fällen zulässig sind und vor allem medizinisch korrekt und ohne unnötige Schmerzen durchgeführt werden.

Um eine gute Regelung zu finden, dürfen wir nicht vorschnell zu Lasten des einen oder anderen Grundrechtes entscheiden. Statt dessen müssen wir eine intensive, vielschichtige und facettenreiche Diskussion führen. Hierbei müssen wir die Konsequenzen berücksichtigen, die die verschiedenen Möglichkeiten mit sich bringen. Dazu müssen wir das Gespräch mit Vertretern der Religionsgemeinschaften, Medizinerinnen und Medizinern und anderen Fachleuten suchen, alle Argumente abwägen und auswerten und alle möglichen Blickwinkel einnehmen.

Eine nicht vollständig durchdachte Regelung kann mehr Unruhe stiften als Rechtsfrieden bringen. Wir müssen eine ausgewogene, dauerhafte Regelung finden und nicht voreilige Entscheidungen treffen. Daher enthalte ich mich in der Abstimmung über den Antrag.

18.06.2012 Zeitungsartikel in "Das Parlament: "Whistleblower übernehmen Verantwortung für die Demokratie" sagt Ingrid Hönlinger
18.06.2012 Ingrid Hönlinger im Interview mit domradio zum Thema Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber (Whistleblower)
30.05.2012 "Impfungen mit Stiefpapas Segen"

Artikel in der taz vom 24.05.2012

24.05.2012 Artikel in der Welt vom 24.05.2012: "Grüne für neues Sorgerecht in Patchwork-Familien"
25.05.2012 Mitverantwortung sozialer Eltern stärken!
25.05.2012 Zitat von Ingrid Hönlinger in der Welt-online vom 25.05.2012: Grüne wollen neues Sorgerecht in Patchwork-Familien

„Soziale Eltern“, die mit einem Kind zusammenleben, aber nicht verwandt sind, sollen mehr Befugnisse erhalten. Für den häufigen Streit um den Unterhalt aber haben die Grünen noch keine Lösung.

Zum Link in der Welt-online

23.05.2012 Ingrid Hönlinger in der taz am 23.05.2012: Arbeitnehmer werden besser geschützt

Die Grünen-Fraktion stellt einen Gesetzesentwurf zum Schutz von Whistleblowern vor. Der soll Angestellten helfen, die Skandale in ihrem Unternehmen aufzudecken.

Zum Link

10.04.2012 Artikel in der taz vom 10.04.: "Hönlinger zu Berufsverbote wegen Radikalenerlass"
23.03.2012 Pressemitteilung vom 23. März: Kein Automatismus bei der Anerkennung als leiblicher Vater

Anlässlich des Urteils des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte erklären Ingrid Hönlinger, Obfrau im Rechtsausschuss, und Katja Dörner, Sprecherin für Kinder- und Familienpolitik:

Wir begrüßen die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg, dass leibliche Väter kein grundsätzliches Recht darauf haben, sich in eine bestehende Familie einzuklagen und als rechtlicher Vater anerkannt zu werden. Auch die bestehenden sozial-familiären Beziehungen können im Interesse des Kindeswohls schützenswert sein.

Es ist dabei kein Widerspruch, dass das Gericht in der Vergangenheit die Stellung leiblicher Väter gestärkt hat. Auch außenstehende leibliche Väter sollten eine Beziehung zu ihren Kindern aufbauen dürfen. Wenn es dem Kindeswohl entspricht, muss das deutsche Recht dies gewährleisten. Ein Automatismus besteht aber nicht.

05.03.2012 Pressemitteilung von Ingrid Hönlinger zur öffentlichen Anhörung zum Schutz von HinweisgeberInnen am 05.03.2012 im Bundestag

Anlässlich der öffentlichen Anhörung zum Schutz von HinweisgeberInnen (Whistleblowern) im Ausschuss für Arbeit und Soziales des Bundestages erklärt Ingrid Hönlinger, Sprecherin für Demokratiepolitik und Obfrau im Rechtsausschuss:

Die heutige Anhörung wird uns darin bestätigen, dass eine gesetzliche Regelung zum Schutz von HinweisgeberInnen überfällig ist.

Wir Grünen haben als erste Bundestagsfraktion einen Gesetzentwurf erarbeitet. Unser Gesetzentwurf bietet eine ausdifferenzierte und umfassende Lösung für alle Beteiligten an.

Im Gegensatz zur SPD wollen wir auch Beamtinnen und Beamte schützen. Unser Rechtsgüterschutz ist umfassender. Systematisch ist der Grüne Gesetzentwurf dem SPD-Entwurf vorzuziehen, weil wir kein eigenes Gesetz schaffen, sondern die neuen Regelungen in die jeweiligen Gesetze im Arbeitsrecht und Beamtenrecht einpassen.

Unser Gesetzentwurf bietet mit einem dreistufigen System eine ausgewogene Lösung. Anders als der Entwurf der SPD sehen wir vor, dass sich Hinweisgeber grundsätzlich zuerst an eine interne Stelle und erst dann an eine externe Stelle bzw. die Öffentlichkeit wenden sollen. Wir möchten aber auch regeln, dass Hinweisgeber sich in eng begrenzten Fällen direkt an die Öffentlichkeit wenden können, wenn eine hoch angelegte Gefahrenschwelle für wichtige Rechtsgüter erreicht ist.

02.03.2012 Rede von Ingrid Hönlinger am 02. März 2012 zu: "Elektronischer Geschäftsverkehr"

Artikel in der Freien Presse Sachsen am 02. März 2012 Zum Link

Artikel im Handelsblatt am 02. März 2012 Zum Link

Artikel auf Spiegel-Online am 02. März 2012 Zum Link

 Verbraucherschutz und Internet, das ist ein echtes Massenphänomen, ein Phänomen, das auch eine erhebliche Belastung der Gerichte zur Folge hat. Heute stimmen wir über einen Gesetzentwurf ab, der Verbraucher vor genau diesen unseriösen Praktiken schützen soll. Wir setzen damit in Deutschland eine EU-Richtlinie um. Erfreulich ist, dass wir die Frist zur Umsetzung der Richtlinie nicht abwarten, sondern es schon jetzt machen.

Das verhindert, dass noch mehr Verbraucher Opfer von Internetfallen werden. Allerdings haben wir dieses Thema am 2. Dezember 2010 schon einmal debattiert. Mehr als ein Jahr hat es gedauert, bis wir jetzt über den Gesetzentwurf abstimmen können. Weniger erfreulich ist deshalb, dass wir nicht früher handeln konnten.

Meine Damen und Herren, wir alle wissen: Im Internet ist die Zeit zwischen optischem Reiz und Kaufklick extrem kurz. In einem Lebensmittelgeschäft zum Beispiel ist das ganz anders. Da können Sie auch einmal eine Dose Mango in die Hand nehmen, schauen, wie viel Zucker drin ist, und die Dose bei Nichtgefallen wieder ins Regal stellen. Das muss in ähnlicher Form auch im Internet möglich sein.

Wir sind der Meinung, dass die Umsetzung der sogenannten Buttonlösung für Vertragsabschlüsse im Internet einen richtigen Schritt darstellt. Wenn der Button zu sehen ist, sind dem Nutzer und der Nutzerin das Produkt und der Gesamtpreis klar. Er und sie wissen dann: Jetzt wird es ernst, jetzt tippt der Verkäufer die Rechnung ein, jetzt kostet es Cash. Die Buttonlösung ist ein Verbraucherschutzinstrument, für das wir Grüne uns seit langem einsetzen. Wir werden dem Gesetzentwurf, der die Buttonlösung vorsieht, zustimmen, weil wir damit den Verbraucherschutz im Internet stärken.

Aus verbraucherpolitischer Sicht hätten wir uns aber mehr von der Bundesregierung gewünscht.

Es geht hier um einen Gesetzentwurf, der einzig und allein die Stärkung des Verbraucherschutzes zum Ziel hat. Deshalb sollten wir den Verbraucherinnen und Verbrauchern alle Möglichkeiten an die Hand geben, ihre Rechte zu erkennen und durchzusetzen.

Unser Ziel ist es, den Verbraucherinnen und Verbrauchern im Internet ein Instrument an die Hand zu geben, das ihnen klar und deutlich ihre Rechte vor Augen führt.

Dazu gehört Folgendes:

Erstens: Die EU-Richtlinie gibt vor, dass der Unternehmer die Beweislast dafür trägt, dass er seine Informationspflichten im Internet erfüllt hat. Nach den Regelungen der Zivilprozessordnung ist klar: Wer eine Geldforderung einklagt ‑ das ist im Regelfall der Unternehmer ‑, trägt die Beweislast dafür, dass der Vertrag im Internet wirksam zustande gekommen ist. Für den juristischen Laien ergibt sich das aus der vorgeschlagenen Regelung aber nicht auf den ersten Blick. Deshalb ist hier aus unserer Sicht eine Klarstellung erforderlich.

Zweitens: Technische Entwicklungen sind schnelllebig; das wissen wir alle. Wir müssen deshalb ein Auge darauf haben, dass Internetanbieter neuere Entwicklungen nicht dazu nutzen können, ihre Pflichten zu umgehen. Auch eine Musterschaltfläche erscheint uns sinnvoll. Wir meinen, dass wir die Verbraucherinnen und Verbraucher damit noch besser vor unseriösen Anbietern, die ganz bewusst nach Umgehungsmöglichkeiten suchen, schützen können.

Drittens: Wir treffen jetzt Regelungen, um unseriöse Internetangebote zu verhindern. Es wäre sinnvoll gewesen, dies mit Regelungen zu unseriösen Inkassomaßnahmen zu verbinden. Häufig ist es doch so: Auch wenn der Klick im Internet nicht zu einem Vertragsabschluss führt, gibt es Internetanbieter, die ihre vermeintliche Forderung Inkassounternehmen zum Einzug übergeben. Diese senden Mahnungen an die Verbraucher. Die Verbraucher fühlen sich eingeschüchtert und zahlen. Hier brauchen wir dringend eine gesetzliche Regelung, die unseriösem Inkassogebahren Einhalt gebietet.

Mit der Abstimmung über diesen Gesetzentwurf stimmen wir nicht nur über die Buttonlösung in Bezug auf Vertragsabschlüsse im Internet ab, sondern zusätzlich auch über eine Änderung im Wohnungseigentumsgesetz. 2007 wurden die Verfahren in Wohnungseigentumssachen der Zivilprozessordnung unterstellt und aus der Freiwilligen Gerichtsbarkeit herausgenommen. Die Zivilprozessordnung sieht verschiedene Rechtsmittel vor, darunter auch die Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof. Um eine Überlastung des BGH zu vermeiden, wurde die Nichtzulassungsbeschwerde in Wohnungseigentumssachen für eine Übergangsfrist ausgeschlossen. Diese Frist würde am 1. Juli dieses Jahres enden.

Jetzt soll die Frist bis zum 31. Dezember 2014 um zweieinhalb Jahre verlängert werden.

Das sind zweieinhalb Jahre, in denen sich die Beteiligten in Wohnungseigentumssachen nicht an den Bundesgerichtshof wenden können. Ein Rechtsmittel, das die Zivilprozessordnung für diese Fälle vorsieht, wird ihnen per Gesetz verweigert.

Wir Grünen haben 2007 klar zum Ausdruck gebracht, dass Wohnungseigentumssachen besser in der Freiwilligen Gerichtsbarkeit aufgehoben wären. Nun sind sie in der ZPO geregelt. Das war der Wille des Gesetzgebers. Jetzt müssen wir auch die Konsequenzen daraus tragen. Eine Konsequenz ist, dass die Rechtsmittel, die die ZPO bietet, jedem zur Verfügung stehen. Ausnahmen bedürfen einer triftigen Begründung.

Die Koalition bezieht sich in ihrem Änderungsantrag auf Erfahrungen aus den Jahren 2008 bis 2010. Sie erklärt, dass es nicht gelungen ist, eine zuverlässige Prognose darüber aufzustellen, wie viele der Fälle in Wohnungseigentumssachen der Nichtzulassungsbeschwerde zugänglich wären. Diese Erklärung genügt uns nicht.

Inzwischen liegt das Jahr 2011 hinter uns. Vier Jahre müssten genügen, um eine klare Prognose zu erstellen. Der Zugang zum Recht muss für alle Rechtsstreitigkeiten gleichermaßen eröffnet sein. Das beinhaltet auch den Zugang zur höchstrichterlichen Rechtsprechung.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

30.11.2011 Fachgespräch zum Thema "Whistleblower-Schutz" (Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern) am 30.11.2011 im Bundestag

Hier geht´s zur Dokumentation des Fachgesprächs. Der Gesetzentwurfs wurde Ende Mai in den Bundestag eingebracht. Dieser ist im Anhang des Readers zu finden.

Link

30.09.2011 Parlamentsrede von Ingrid Hönlinger zu "Whistleblowern" am 30.09.2011

Das Aufdecken von Missständen in Unternehmen und Institutionen ist von großer gesamtgesellschaftlicher Bedeutung. Kritikwürdige Zustände im Pflegebereich und Steuerhinterziehung in Millionenhöhe sind nur zwei Beispiele von vielen. Oft hat nur ein begrenzter Personenkreis Zugang zu den relevanten Informationen, um von Missständen überhaupt erfahren zu können. Deshalb ist die Gesellschaft auf diese Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber angewiesen.

Es gehört viel Mut dazu, Missstände beim eigenen Arbeitgeber oder beim Dienstherrn anzuprangern. Umso empörender ist es, dass diesen Menschen in der Folge auf ihren Hinweis noch immer häufig die Kündigung droht. Hierfür gibt es leider viele Negativbeispiele.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch die Öffentlichkeit hat ein Interesse daran, dass skandalöse Zustände aufgedeckt werden. Dieses Interesse ist gewichtig. An dieser Stelle nenne ich nur das Beispiel Gammelfleisch. Wir müssen endlich anerkennen, dass Whistleblower einen wichtigen Beitrag für unsere Gesellschaft leisten. Whistleblower sind Indikatoren für gesellschaftliche Fehlentwicklungen. Sie haben unseren Schutz verdient, auch den gesetzlichen.

Die Bundesregierung scheint diese Problematik einfach zu übergehen. Diese Ignoranz ist umso beschämender, als erst vor kurzem auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg Deutschland in einem Whistleblower-Fall wegen Verletzung der Meinungsfreiheit verurteilt hat. Sie alle haben von dem Fall gehört. Der Berliner Altenpflegerin Brigitte Heinisch wurde von ihrem Arbeitgeber gekündigt. Dabei haben wir es ihr zu verdanken, dass menschenunwürdige Zustände in einer Berliner Pflegeeinrichtung aufgeklärt wurden. Das ist nur ein Fall von vielen, aber er zeigt, in welch schwieriger Situation Menschen stecken, die Ungerechtigkeiten entdecken und aufdecken wollen.

Wir Grünen wollen, dass nicht die Vertuscher von Missständen geschützt werden, sondern die Aufdecker von Missständen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vor diesem Hintergrund kann ich es einfach nicht verstehen, dass diese Regierung nach wie vor keine Pläne hat, um den Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern gesetzlich zu regeln. Trotz des dringenden Handlungsbedarfs hält es die Regierung nicht einmal für nötig, aktiv zu werden und sich einen Zeitplan zu geben. Stattdessen bleibt sie passiv und wartet auf die Empfehlungen und Diskussionsergebnisse der G‑20-Staaten. Das ergibt sich aus der Antwort auf unsere Kleine Anfrage.

(Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Regierung sieht sowieso sehr müde aus!)

Ich frage mich: Will sich die Regierung hinter dieser G‑20-Arbeitsgruppe verstecken? Es muss doch eigentlich allen klar sein, dass eine internationale Arbeitsgruppe den nationalen Gesetzgeber weder ersetzen noch ihm die Arbeit abnehmen kann. Für die konkrete Formulierung eines nationalen Gesetzes kann eine internationale Arbeitsgruppe wenig Hilfestellung leisten. Die G-20-Arbeitsgruppe wird kaum Untersuchungen dazu anstellen, auf welche Weise sich eine gesetzliche Neuregelung am besten in das bestehende deutsche Recht eingliedern lässt. Das ist schon Ihre Aufgabe, meine Herren von der Regierungsbank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD ‑ Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Oder von der Koalition, Herr Kober!)

Den Antrag der Linken zum Thema Whistleblowing finden wir prinzipiell berechtigt, aber uns fehlt die Konkretion für eine gesetzliche Gestaltung. Der Antrag ist so unkonkret, dass er sich in dieser Form nicht in ein Gesetz umsetzen lässt. Zum Beispiel lässt sich nicht erkennen, wie Sie den Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern im Arbeitsrecht und im Beamtenrecht verankern wollen. Welche Rechtsgüter sollen geschützt werden? Wie kann ein angemessener Ausgleich zwischen den verschiedenen Interessen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gefunden werden?

Wir Grünen haben uns intensiv mit dem Problem auseinandergesetzt. Wir wollen keinen schnellen Antrag, sondern einen gründlichen und ausgereiften. Deshalb werden wir demnächst einen Gesetzentwurf vorlegen und zur Diskussion stellen. Er wird eine praktikable Entscheidungsgrundlage darstellen. Wir meinen nämlich, dass die Regelung zum Schutz von Whistleblowern eine präzise Diskussion verdient.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

29.09.2011 Rede zu "überlangen Gerichtsverfahren" am 29.09.2011 im Deutschen Bundestag

Das Grundgesetz und die Europäische Menschenrechtskonvention gewährleisten den Anspruch jedes Bürgers und jeder Bürgerin auf Rechtsschutz – und zwar in angemessener Zeit. Wir alle wissen: Die große Mehrzahl der gerichtlichen Verfahren in Deutschland wird zeitnah abgeschlossen. Dennoch gibt es einzelne Verfahren, die Jahre oder gar Jahrzehnte dauern. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hat deshalb zu Recht die Bundesrepublik in über 50 Fällen wegen unangemessener Verzögerung von Gerichtsverfahren verurteilt.

Zusätzlich hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte festgestellt, dass wir im deutschen Recht noch keinen wirksamen Rechtsbehelf gegen überlange Gerichtsverfahren haben. Er hat auch Mindestanforderungen an einen solchen Rechtsbehelf aufgestellt. Diese Anforderungen müssen und wollen wir gesetzlich umsetzen.

Aber warum sollten wir uns auf diese Mindestvorgaben beschränken, meine Damen und Herren? Das Grundgesetz und die Europäische Menschenrechtskonvention geben lediglich den äußeren Rahmen für die Gesetzgebung vor. Die Ausgestaltung dieses Rahmens ist unsere Aufgabe im Bundestag. Hier gilt es, möglichst wirkungsvoll zu arbeiten und nicht auf halbem Wege stehen zu bleiben! Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung konzentriert sich auf die Einführung einer Verzögerungsrüge und einer nachträglichen Entschädigungslösung.

Die Entschädigung für immaterielle Nachteile kann nur verlangt werden, „soweit nicht“ – so der Wortlaut des Entwurfs – „Wiedergutmachung auf andere Weise“ ausreichend ist. Die „Wiedergutmachung auf andere Weise“ soll insbesondere durch eine gerichtliche Feststellung erfolgen, dahingehend, dass die Verfahrensdauer unangemessen war.

In welcher Weise kann solch eine Feststellung aber etwas wieder gutmachen? Und: Welchen Nutzen soll der Betroffene aus dieser Feststellung ziehen?

Wir Grünen setzen uns für eine Umkehr der Rangfolge im Entwurf ein: In der Regel ist die Entschädigung in Geld zu leisten; nur in Ausnahmefällen kann die Wiedergutmachung auch auf andere Weise erfolgen.

Hinzu kommt: Der Entwurf sieht eine Entschädigung von 1.200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung vor. Das bedeutet zum einen, dass derjenige, dessen Verfahren sich zum Beispiel um 11 Monate verzögert, keine Kompensation erhält. Zum anderen könnte es für Bund und Länder günstiger sein, überlange Verfahren hinzunehmen anstatt an den Strukturen in der Justizverwaltung zu arbeiten und eventuell auch neue Richter und Richterinnen einzustellen. Diese Entschädigung ist viel zu niedrig, meine Damen und Herren. Angemessen wäre ein Entschädigungsbetrag von 1.000 Euro pro Monat.

Eine nachträgliche Entschädigungslösung ist aber auch nicht ausreichend. Wir müssen auch präventiv denken.

Um sicherzustellen, dass Gerichtsverfahren in angemessener Zeit abgeschlossen werden, schlagen wir deshalb eine Regelung vor, gemäß der das Präsidium des Gerichts ein Verfahren an den Vertretungsrichter übertragen kann, wenn der zuständige Richter verzögert arbeitet. Bewusst stellen wir die Entscheidung hierüber in das Ermessen des Präsidiums, um die Unabhängigkeit der Richter zu wahren und den Gerichten eine Entscheidung im Einzelfall zu ermöglichen.

Die Arbeit der Justiz hängt natürlich zudem von der sachlichen und personellen Ausstattung der Gerichte ab. Der Schlüssel zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes liegt also auch in der Bereitstellung von ausreichenden Mitteln an die Justiz. Wir meinen deshalb, dass das Präsidium des Gerichts feststellen sollte, wie viele Richterstellen voraussichtlich zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben benötigt werden. Diese Feststellung sollte das Präsidium dann dem Haushaltsgesetzgeber zuleiten können.

Wir Grünen fordern mit unseren Änderungsanträgen zum Regierungsentwurf dazu auf, nicht auf halbem Weg stehen zu bleiben. Wir wollen das Ziel – die Gewährung effektiven Zugangs zum Recht – umfassend anzugehen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

29.09.2011 Rede zu "Kammern für internationale Handelssachen" am 29.09.2011 im Deutschen Bundestag

Mit der Zunahme des globalen Wirtschaftsverkehrs stellen sich auch im Handelsrecht neue Herausforderungen. Viele internationale Handelsverträge werden heute in englischer Sprache verfasst. Diese Vertragssprache ist ein Grund dafür, dass für Verträge häufig das anglo-amerikanische Recht gewählt und der Gerichtsstand im anglo-amerikanischen Raum begründet wird. So bewegen sich deutsche Unternehmen oft nicht mehr im deutschen Recht bzw. in der deutschen Gerichtsbarkeit, wenn sie ihre Ansprüche durchsetzen wollen. Dies schwächt den Gerichtsstandort Deutschland und die Stellung des deutschen Rechts im Weltmarkt.

Der Bundesrat möchte mit seiner Gesetzesinitiative für bestimmte Rechtsstreitigkeiten die englische Sprache als Gerichtssprache in Deutschland einführen. Ermöglicht werden soll die Einrichtung von Kammern für internationale Handelssachen, die Handelssachen mit internationalem Bezug in englischer Sprache verhandeln können. Hierdurch will der Bundesrat die Attraktivität des Rechtsstandortes Deutschland und des deutschen materiellen Rechts steigern.

In der Praxis wird es sich vermutlich um eine überschaubare Anzahl von Fällen handeln, die vor den Handelskammern für internationale Handelssachen ausgetragen werden. Diese Fälle können jedoch von hoher Bedeutsamkeit sein und so die Bedeutung deutschen Rechts fördern. Deshalb lohnt es sich, dass wir diese Gesetzesinitiative sorgfältig prüfen.

Meine Damen und Herren, im deutschen Recht berücksichtigen wir bereits die Besonderheiten von Handelssachen. Die Kammern für Handelssachen sind nicht nur mit Berufsrichtern, sondern mit einem Richter und zwei ehrenamtlichen Richtern aus dem Kaufmannsstand besetzt. Durch die Mischung aus Fach- und Sachkompetenz erreichen wir eine hohe Qualität in der Entscheidungsfindung.

Es wäre kein Novum, wenn in Deutschland in fremder Sprache nach deutschem Recht verhandelt würde. Vor Schiedsgerichten können die Parteien bereits die Sprache, in der das Verfahren geführt werden soll, vereinbaren. So werden in Schiedsgerichten Verfahren in englischer Sprache geführt, die nach deutschem Recht entschieden werden. Die Freiheit der Sprachwahl trägt sicher zu der „Abwanderung“ von den Handelskammern an die Schiedsgerichte bei.

Auch die deutsche Rechtswissenschaft hat sich schon lange auf einen internationalen Wettbewerb eingestellt. Es gibt englischsprachige Vorlesungen, Seminare und Studiengänge. Zahlreiche Studentinnen und Studenten verbringen einen Teil ihres Studiums im Ausland. Wir sollten nun auch unser deutsches Rechtssystem und unsere deutsche Rechtsordnung am internationalen Wettbewerb teilhaben lassen und als interessante Alternative zum angloamerikanischen Recht fördern.

Uns Grünen ist neben der internationalen „Wettbewerbsfähigkeit“ deutscher Gerichte aber auch wichtig, dass Deutsch als Gerichtssprache seine Bedeutung beibehält. Englisch soll nicht als generelle weitere Gerichtssprache eingeführt werden. Es soll auch keine Vermischung der Sprachen geben. Die Anwendung englischer Sprache soll auf die Fälle beschränkt werden, die vor den Kammern für internationale Handelssachen verhandelt werden. In den Verfahren muss es sich um eine Handelssache mit internationalem Bezug handeln und die Parteien müssen zugestimmt haben, das Verfahren in englischer Sprache durchführen zu wollen. Niemandem soll aufgedrängt werden, in einer Fremdsprache zu verhandeln. Sollten alle Parteien des Rechtsstreits ausdrücklich erklären, dass sie eine Verhandlung in englischer Sprache bevorzugen, so soll ihnen dieser Weg nicht versperrt sein. In der Praxis wird sich dann noch erweisen müssen, wie sich in diesen Verfahren der Instanzenzug bis zum Bundesgerichtshof bewährt.

Zusammenfassend begrüßen wir Grüne, dass der vorliegende Gesetzesentwurf die Stärkung des deutschen Rechtssystems im globalen Wettbewerb zum Thema macht. Das ist auch uns ein wichtiges Anliegen. Der Gesetzesentwurf geht daher in die richtige Richtung.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

22.07.2011 Whistleblower erhalten Unterstützung aus Straßburg - Artikel aus der FAZ

In einem Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung spricht sich Ingrid Hönlinger nach dem EGMR-Urteil für einen verstärkten Schutz von Whistleblowern aus.

21.07.2011 Nachsitzen für die Bundesregierung: EGMR rügt fehlenden Whistleblowerschutz

Zur heutigen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zum Schutz einer Arbeitnehmerin aus der Altenpflege, die Strafanzeige gegen Vivantes erstattet hatte, erklärt die Ludwigsburger Bundestagsabgeordnete und Sprecherin für Demokratiepolitik von Bündnis 90/DIE GRÜNEN Ingrid Hönlinger:

Das heutige Urteil des EGMR zeigt: Es besteht dringender Handlungsbedarf beim Schutz von Whistleblowern in Deutschland. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die im Interesse der Allgemeinheit kriminelle Machenschaften und illegale Praktiken in Unternehmen, Institutionen und Behörden aufdecken, müssen endlich besser vor Kündigungen geschützt werden. Arbeitgeber können von ihnen grundsätzlich Loyalität, aber keinen Kadavergehorsam erwarten. Die spätere Einstellung eines Strafverfahrens gegen den Arbeitgeber darf nicht zur Schutzlosigkeit mutiger Hinweisgeber führen.

Deutschland steht auch nach dem G 20-Antikorruptions-Aktionsplan in der Pflicht. Die
Bundesregierung handelt nicht, sondern verweigert sich wieder einmal dem Notwendigen. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen feilt schon an einem Gesetzentwurf. Wir werden ihn nach der Sommerpause vorlegen und zeigen, wie eine ausgewogene Lösung aussehen kann.

Wir fordern die Regierungskoalition auf, kein Rechtsmittel gegen die Entscheidung der
kleinen Kammer des EGMR einzulegen, sondern endlich ihre Hausaufgaben zu machen.
Vorschläge aus der letzten Legislaturperiode hatte die Union gestoppt. Der heutige Fall zeigt einmal mehr, dass wir endlich klare Regeln brauchen

18.07.2011 "Sicherungsverwahrung und Führungsaufsicht" Hönlinger diskutiert am 18.07.2011 in der evangelischen Akademie Bad Boll zum Thema

Zum Artikel des Verbandes Bewährungs- und Straffälligenhilfe (mehr)

Flyer Tagung Bad Boll

07.07.2011 Rede von Ingrid Hönlinger am 07.07.2011 zu "§ 522 der Zivilprozessordnung"

Durch § 522 Absatz 2 und 3 der Zivilprozessordnung in der jetzigen Fassung wird auch weiterhin der Zugang zum Recht für Bürgerinnen und Bürger unnötig eingeschränkt. Berufungsgerichte können weiterhin durch schriftlichen Beschluss das Verfahren für die Betroffenen abschließend beenden.

Die ungleiche Handhabung des § 522 Absatz 2 Zivilprozessordnung an den Gerichten wird durch die jetzt neuen Einschränkungen nicht beseitigt.

Uns allen sind die Zahlen bekannt: Obwohl § 522 Absatz 2 ZPO bisher sogar zwingenden Charakter hat und es keinen Spielraum bei der Anwendung gibt, liegt die Diskrepanz in der Anwendung der Vorschrift bei ungefähr 22 Prozent, wie ein Vergleich aus dem Jahr 2009 zeigt. In Bremen hat das Oberlandesgericht in diesem Jahr 5,2 Prozent der Berufungsverfahren durch schriftlichen Beschluss zurück gewiesen. In Rostock hingegen wurde das Verfahren durch schriftlichen Beschluss des Oberlandesgerichts in 27,1 Prozent der Verfahren beendet.

Jetzt soll aus der zwingende Vorschrift eine Sollvorschrift werden.

Meine Damen und Herren, wenn schon bisher die Handhabung bundesweit so uneinheitlich war, dann wird das eine Sollvorschrift nicht ändern, auch wenn wir die Voraussetzungen für die Anwendung der Vorschrift schärfen, wie von der Regierung vorgeschlagen.

Des Weiteren wird die Bedeutung der mündlichen Verhandlung für die Parteien nicht ausreichend gewürdigt – und das bei einer abschließenden Entscheidung. Bei den Betroffenen wird so auch weiterhin der Eindruck zurück bleiben, dass sie für das Anliegen, das sie persönlich betrifft, bei Gericht nicht ausreichend Gehör finden konnten.

Die Möglichkeit, gegen den zurückweisenden Beschluss vorzugehen, soll noch immer erst ab einem Beschwerdewert von 20 000 EUR möglich sein. Dies betrifft leider nur die wenigsten Fälle. Für eine Vielzahl von Betroffenen wird sich somit nichts ändern. Soziale Gerechtigkeit ist das nicht.

Hinzu kommt: Die Bundesregierung möchte mit dem Gesetzesentwurf auch § 7 der Insolvenzordnung aufheben. Das ist nicht sinnvoll und schon gar nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Die Bundesregierung hat gerade einen Gesetzesentwurf zur Erleichterung von Unternehmenssanierungen vorgelegt. Unabhängig davon, dass dieser noch an vielen Stellen nachgebessert werden muss, ist es wichtig, dass Entscheidungen im Insolvenzrecht eine einheitliche Rechtsprechung erfahren. § 7 Insolvenzordnung hat das mit der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof gewährleistet. Mit der Aufhebung dieser Vorschrift ist eine einheitliche Rechtsprechung nicht mehr sichergestellt, was zu Rechtszersplitterung führen wird. Diese Regelung ist für uns nicht akzeptabel.

Zu guter Letzt möchte ich noch auf die Änderungen zu § 586 der Zivilprozessordnung zu sprechen kommen. Wir begrüßen, dass die Bundesregierung die Ausschlussfrist von fünf Jahren für die Restitutionsklage nach § 580 Nr. 8 ZPO nicht mehr anwenden will. Diese Frist war bisher besonders problematisch, wenn ein Gerichtsurteil durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aufgehoben wurde, denn diese Verfahren nehmen sehr viel Zeit in Anspruch. Immer wieder kam es vor, dass die Fünfjahresfrist bereits abgelaufen war, wenn der Europäische Gerichtshof sein Urteil sprach. Mit der Neuregelung kann eine Partei nun auch in diesen Verfahren ihre Ansprüche zivilprozessual geltend machen.

Dieser eine sachgerechte Aspekt reicht allerdings nicht für unsere Zustimmung aus. Im Gesamten ist der Gesetzesentwurf aus unserer Sicht nicht weitgehend genug. Daher lehnt meine Fraktion den Gesetzesentwurf ab.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

07.07.2011 Rede von Ingrid Hönlinger am 07.07.2011 zu "Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs"

Dass diese Fälle erst so viele Jahre später bundesweit ans Tageslicht kamen, zeugt von der Schwere der Taten und der über viele Jahre wirkenden Traumatisierung. Auch sogenannte Schweigekartelle, die bis in die jüngste Vergangenheit hinein gewirkt haben und teilweise heute noch wirksam sind, kamen ans Tageslicht. In diesen Schweigekartellen war es den Opfern aufgrund einer kontrollierenden Umgebung und Abhängigkeitsverhältnissen oft nicht möglich, über den erlittenen Missbrauch zu sprechen.

Die betroffenen Einrichtungen und Institutionen haben erste Schritte unternommen, das begangene Unrecht aufzuarbeiten. Die bisherigen Anstrengungen und manche Vorschläge für Ausgleichszahlungen reichen aber noch nicht aus.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht für das Strafverfahren neue Regelungen vor. So sollen Mehrfachvernehmungen von Opfern vermieden werden. Die Informationsrechte des Opfers bezüglich Urlaubs und anderer Lockerungen im Strafvollzug, die zugunsten des Verurteilten bewilligt worden sind, sollen erweitert werden.

Diese Vorschläge dienen erkennbar dem Opferschutz. Im weiteren Gesetzgebungsprozess wird jedoch zu diskutieren sein, ob damit die Verteidigungsmöglichkeiten des Angeklagten und die Resozialisierungsmöglichkeiten des Verurteilten, die ihm unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten zustehen müssen, ausreichend bestehen bleiben.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht weiter vor, dass Schadenersatzansprüche, die auf der vorsätzlichen Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung beruhen, künftig erst nach 30 Jahren verjähren sollen.

Meine Damen und Herren, Verjährungsregelungen müssen tatsächlich stärker als bisher berücksichtigen, dass die Traumatisierung der Opfer eine Klage oft über lange Zeit hinweg verhindert. Traumatisierungen bewirken das Verdrängen des Geschehenen, sie machen die Betroffenen ohnmächtig. Auch Schamgefühle oder die weitere Abhängigkeit vom Schädiger oder der Institution führen dazu, dass deren Opfer ihre Ansprüche nicht geltend machen. Die bisherige dreijährige Regelverjährungsfrist bei zivilrechtlichen Ansprüchen hat sich – trotz der zusätzlichen Hemmung der Verjährung nach § 208 BGB – für die Durchsetzung dieser Schadensersatzansprüche in vielen Fällen als zu kurz erwiesen.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung muss allerdings noch präzisiert werden. In der vorliegenden Fassung wäre auch beinhaltet, dass Schadenersatzansprüche wegen jeder vorsätzlichen Ohrfeige oder jedes kurzfristigen Einschließens im Klassenzimmer erst nach dreißig Jahren verjähren.

Wir Grünen haben zur Regelung der Verjährung einen Gesetzesentwurf vorgelegt. Wir wollen die zivilrechtlichen Verjährungsfristen für Schadenersatzansprüche aus einer vorsätzlichen Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung auf dreißig Jahre verlängern. Zudem sollen die bisherigen Regelungen zur Hemmung der Verjährung in §§ 207, 208 BGB angehoben werden. Bei Kindern, bei denen der sexuelle Missbrauch schon im frühen Kindesalter stattgefunden hat, reicht auch eine Verjährungsfrist von dreißig Jahren nicht aus. In solchen Fällen ist von besonderer Bedeutung, dass die Verjährungsfrist erst in dem Zeitpunkt beginnt, in dem das Opfer sein 25. Lebensjahr beendet hat, bzw. spätestens in dem Zeitpunkt, in dem das Opfer, das mit dem Täter in häuslicher Gemeinschaft lebt, diese beendet. Das 25. Lebensjahr soll zusätzlich auch bei der Hemmung der Verfolgungsverjährung im Strafrecht der maßgebliche Zeitpunkt werden.

Wir wollen damit den Opfern die Möglichkeit, ihre Ansprüche durchzusetzen, möglichst lange offenhalten und ihnen auf diese Weise die Gelegenheit geben, vor den Gerichten Schmerzensgeld sowie Schadensersatz für Therapie- und Rehabilitationsbehandlungen einzuklagen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

06.07.2011 Rechte von Patientinnen und Patienten durchsetzen

Wir Grünen wollen die Patientinnen und Patienten von Betroffenen zu Beteiligten machen. Die Stärkung der Autonomie und Selbstbestimmung von Patienten und Patientinnen ist Ausgangspunkt unseres Antrags für ein Patientenrechtegesetz. Wir wollen die grundlegenden Rechte von Patientinnen und Patienten sowie die Rechte und Pflichten von Ärzten und Ärztinnen und anderen Heilbehandlerinnen und Heilbehandlern in einem eigenständigen Abschnitt des Bürgerlichen Gesetzbuches zusammenführen.

Menschen, die durch einen medizinischen Behandlungsfehler gesundheitlich geschädigt wurden, müssen die Chance einer gerechten Entschädigung erhalten. Wir unterstützen deshalb u.a. die zusätzliche Einführung von Beweiserleichterungen bei einfachen Behandlungsfehlern und wollen ergänzend die Beweislastumkehr bei groben Behandlungsfehlern beibehalten.

04.07.2011 Whistleblower vor Benachteiligungen schützen

Zur Verleihung des Whistleblower-Preises durch VDW und IALANA erklären Ingrid Hönlinger, Obfrau im Rechtsausschuss, und Dr. Konstantin von Notz, Sprecher für Innenpolitik:

Ob Korruption, Finanzskandale, Gammelfleisch oder gefälschte Statistiken – Missstände in Betrieben und Verwaltung kommen oft erst durch interne Hinweisgeber ans Tageslicht. Verantwortungsvolle Whistleblower zeigen Zivilcourage, wenn sie unhaltbare Zustände, Risiken für die Allgemeinheit oder gar strafbares Handeln aufdecken.

Wir gratulieren den Preisträgern Dr. Rainer Moormann und „Anonymus“ für den wichtigen Beitrag, den sie zur Aufdeckung von Missständen geleistet haben.

Bedauerlicherweise werden Whistleblower häufig noch immer als Denunzianten beschimpft, gemobbt und von ihren Arbeitgebern gekündigt.

Wir werden einen Gesetzesvorschlag vorlegen, um einen wirksamen Schutz vor Benachteiligungen von Hinweisgebern sowohl in der öffentlichen Verwaltung als auch in der Privatwirtschaft zu erreichen.

29.06.2011 Bericht zur Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestags - ESUG

Am 29. Juni fand im Rechtsausschuss des Bundestages die Anhörung zum Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) statt, an dem Ingrid Hönlinger für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN teilnahmen. Einen Bericht dazu gibt es im aktuellen INDAT-Report.

Download INDAT-Report

27.06.2011 Der Bundesverband der Berufsbetreuer/innen e.V. sagt über das Fachgespräch "Anforderungen an das Betreuungswesen" im Bundestag:

Die ganztägige Veranstaltung wurde unterteilt und jeweils eingeleitet von Vertreter/innen aus der Sicht von Menschen mit Behinderung, aus Sicht der Wissenschaft, der Gerichte und der Verbände wie auch des BdB. Diskutiert wurden die Herausforderungen durch die Behinder-tenrechtskonvention (BRK), Anforderungen an Betreuer/innen, Qualitätsfragen und über die Notwendigkeit, zu einer Gesetzesänderung zu kommen.

Interessanterweise gingen alle Referenten von der Notwendigkeit einer Weiterentwicklung oder Reform des Betreuungswesens aus – bis auf den Vertreter der Bundeskonferenz der Betreuungsvereine (BUKO). Die (BRK) wurde als die entscheidende Grundlage für die Not-wendigkeit einer Veränderung angesehen. Das allein stellt eine Neuerung dar. D.h. es wird kaum noch darüber gesprochen, ob eine Weiterentwicklung des BtG erforderlich ist, sondern wie eine Veränderung aussehen sollte.

In der Diskussion wurden aber auch Unterschiede in den Reformvorstellungen deutlich: Der BdB möchte Verbesserungen für die Klientinnen und Klienten erreichen, durch mehr Kom-petenz , die ihnen direkt an die Seite gestellt wird. Der BdB will eine Entwicklung der Profes-sion Betreuung und damit die Stärkung von unabhängiger Unterstützung (Geeignete Stelle). Eine andere Position geht eher von der Notwendigkeit einer Veränderung des Systems zu-gunsten von Aufsicht, Kontrolle, und Reduzierung von Betreuung durch andere Hilfen aus. Das soll erreicht werden durch die Schaffung von mehr Kompetenz bei Behörden. Wir halten das im Sinne der Forderungen der BRK nach mehr Selbstbestimmung nicht für zielführend.

Der BdB hat durch seine Vorarbeit mit dazu beigetragen, dass eine Diskussion über das Betreuungswesen begonnen hat. Unsere Vorschläge für Veränderungen finden Eingang in diesen Diskussionsprozess, der zu einer Verbesserung der Unterstützungsmöglichkeiten der Klient/innen und zu einer Verbesserung unserer Arbeitsbedingungen führen muss.

06.06.2011 Wir Grüne wollen die Möglichkeiten kollektiven Rechtsschutzes ausbauen. Mehr zu unserer Stellungnahme an die EU-Kommission

Der Zugang zum Recht ist in bestimmten Situationen nicht effektiv genug ausgestaltet. In Fällen, in denen Produkte Streuschäden verursachen, sind oft eine Vielzahl von Verbraucherinnen und Verbraucher betroffen. Die Schadenshöhe ist jedoch meist gering. Für jeden Einzelnen lohnt sich der Gang zum Gericht daher oft nicht. Um dies zu ändern, wollen wir Formen des kollektiven Rechtsschutzes auf europäischer Ebene stärken, ohne die Nachteile von Sammelklagen US-amerikanischer Prägung einzuführen. In diesem Sinne hat die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die GRÜNEN eine Stellungnahme im Rahmen der Konsultation der EU-Kommission abgegeben. (zum Link)

06.06.2011 Fachgespräch "Anforderungen an das Betreuungswesen" am 06. Juni 2011 im Bundestag

„Anforderungen an das Betreuungswesen“ ist der Titel des Fachgesprächs, das Ingrid Hönlinger im vergangenen Sommer gemeinsam mit MdB Markus Kurth im Bundestag veranstaltet hat.

Über die Anforderungen an das Betreuungswesen und vor allem die Anforderungen an ehrenamtliche und berufliche Betreuer und Betreuerinnen wurde aus Sicht der Menschen mit Behinderung, der Wissenschaft und der Betreuungsgerichte, der Berufsverbände und der Betreuungsvereine diskutiert.

26.05.2011 Hönlinger´s Rede zum Umwandlungsgesetz am 26.05.2011 im Bundestag

Unter einem Squeeze-out, ist ein unter Zwang vollzogener Ausschluss von Minderheitsaktionären aus einer Aktiengesellschaft zu verstehen. Das bedeutet: Wenn ein Aktionär – direkt oder über von ihm abhängige Unternehmen – mindestens 95 % des Grundkapitals einer Aktiengesellschaft hält, kann er die restlichen Aktionäre gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung aus dem Unternehmen drängen. Mit dem Gesetzesentwurf senken wir die Squeeze-out-Schwelle entsprechend der europäischen Vorgaben auf 90 %.

Uns ist bewusst, dass eine Absenkung der Squeeze-out-Schwellen nicht unproblematisch ist. Dieser Zwangsausschluss der Minderheitsaktionäre stellt einen erheblichen Eingriff in die eigentumsrechtliche Position der Minderheitsaktionäre dar.

Schon jetzt zeigt sich die Rechtsprechung zunehmend großzügig. Beispielsweise hält sie auch Fälle für unbedenklich, in denen der Hauptaktionär die für den Zwangsausschluss der Minderheitsaktionäre erforderliche Beteiligungsquote von 95 % erst durch ein Wertpapierdarlehen erreicht hat.

Vor diesem Hintergrund begrüßen wir, dass der Regierungsentwurf den Schwellenwert von 95% für den ,,normalen“ gesellschaftsrechtlichen und übernahmerechtlichen Squeeze-out unangetastet lässt! Für den Zwangsausschluss im Zusammenhang mit einer Konzernverschmelzung im Aktienrecht müssen wir hingegen die Absenkung des Schwellenwertes auf 90 % im Gesetz etablieren, da dieses den europarechtlichen Vorgaben entspricht.

Begrüßenswert ist zudem, dass mit diesem Gesetzesentwurf die Transparenz für Aktionäre erhöht wird. Mit der Einführung des neuen § 64 Abs. 1 Umwandlungsgesetzes schreiben wir die Unterrichtungspflicht über Vermögensänderungen auch für Verschmelzungen von Aktiengesellschaften fest. Bisher gab es diese Verpflichtung nur bei Spaltungen von Aktiengesellschaften.

Abschließend ist hervorzuheben, dass wir mit diesem Gesetzesentwurf in Hinblick auf die Vorbereitung einer Hauptversammlung Bürokratie abbauen. Überflüssige Kosten werden für Unternehmen minimiert. Durch die Gesetzesänderung können die die Hauptversammlung vorbereitenden Unterlagen den Aktionären auf elektronischen Wege zu geleitet werden. Das bedeutet nicht nur eine erhebliche Ersparnis an Papier und Zeit, sondern kommt auch unserer Umwelt zu gute.

Wir Grünen unterstützen daher das Gesetzesvorhaben.

18.04.2011 Zivilrechtliche Verjährungsfristen für Schadensersatzansprüche von Opfern sexueller Gewalt auf 30 Jahre verlängern

Anfang 2010 wurden nach Jahren und Jahrzehnten des Schweigens zahlreiche Fälle sexuellen Missbrauchs an Kindern und Jugendlichen aus den 1970er und 1980er Jahren bekannt. Die Öffentlichkeit war erschüttert über die Vielzahl der Fälle, über die Traumatisierung der Opfer und deren langes Schweigen. Die meisten dieser Fälle sexueller Gewalt ereigneten sich in Institutionen wie Internaten oder Internatsschulen. Aber auch in Heimen hat es in der Vergangenheit
verachtenswerte Verletzungen der Menschenwürde gegeben.

Dass die Fälle erst so viele Jahre später bundesweit ans Tageslicht kamen, zeugt von der Schwere der Taten und der über viele Jahre wirkenden Traumatisierung. Es ist zudem ein untrügliches Zeichen dafür, dass sogenannte Schweigekartelle bis in die jüngste Vergangenheit wirksam waren und es teilweise heute noch sind.
Die vorgebrachten Vorwürfe müssen auch nach Jahrzehnten ernst genommen und soweit, wie es nur möglich ist, aufgeklärt werden. Dabei darf die Perspektive der Opfer nicht aus den Augen verloren werden. Der Runde Tisch „Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich“ hat sich über ein Dreivierteljahr
hinweg intensiv mit der Aufarbeitung dieser Problematik beschäftigt und im Dezember 2010 seinen Zwischenbericht vorgelegt. Die grüne Bundestagsfraktion hat das zögerliche Handeln der verantwortlichen Bundesministerinnen kritisiert. Sie hat sich aber auch konstruktiv in den Aufarbeitungsprozess eingebracht und am Runden Tisch und seinen Arbeitsgremien mitgewirkt.

Die Medien haben die Entwicklungen intensiv begleitet. Die Öffentlichkeit ist seitdem
in höchstem Maße sensibilisiert für die Problematik der Betroffenen. Auch wartet die Öffentlichkeit seit geraumer Zeit auf Konsequenzen, die aus den schrecklichen Geschehnissen gezogen werden.
Zu den ersten Konsequenzen, die aus der Arbeit des Runden Tisches gezogen werden sollen, gehört ein Bündel an Verbesserungen zur Stärkung der Opferrechte, unter anderem die Verlängerung der zivilrechtlichen Verjährungsfrist. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung „Gesetz zur Stärkung der Recht von Opfern sexuellen Missbrauchs (StORMG) sieht vor, dass Schadensersatzansprüche,
die auf der vorsätzlichen Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit,
der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung beruhen, künftig in § 197 BGB ergänzt werden und somit erst nach 30 Jahren verjähren sollen. Die Hemmung der Verjährung bei Ansprüchen wegen Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung nach § 208 BGB soll in dem Gesetzentwurf gestrichen werden.
Verjährungsregelungen müssen stärker als bisher berücksichtigen, dass die Traumatisierung der Opfer Klage oft über lange Zeit hinweg verhindert. Traumatisierungen bewirken das Verdrängen des Geschehenen, sie machen die Betroffenen ohnmächtig auf das, was ihnen widerfahren ist, zu reagieren. Auch Schamgefühle oder die weitere Abhängigkeit vom Schädiger führen dazu, dass Opfer ihre Ansprüche nicht geltend machen. Die bisherige dreijährige Regelverjährungsfrist
bei zivilrechtlichen Ansprüchen hat sich – trotz der zusätzlichen Hemmung der Verjährung nach § 208 BGB – unserer Auffassung nach und nach Auffassung der meisten am Runden Tisch mitwirkenden Expertinnen und Experten wie auch der OpfervertreterInnen, für die Durchsetzung dieser Schadensersatzansprüche in vielen Fällen als zu kurz erwiesen.

Die Geschädigten sind oft nicht in der Lage, innerhalb der dreijährigen Regelverjährungsfrist ihre zivilrechtlichen Ansprüche geltend zu machen. Zusammen mit zahlreichen Kinderschutz- Fachleuten und OpfervertreterInnen haben wir die Rechtslage überprüft und diskutiert. Inzwischen halten wir eine alleinige Ausweitung der Hemmungsregelungen für wenig praktikabel und wirksam. Sie hilft den Opfern nicht ausreichend, zumal sie im Streitfall überhaupt erst die Tatsachen beweisen müssten, die die Hemmung begründen.

Wir fordern eine Ausweitung der zivilrechtlichen Verjährungsfristen auf 30 Jahre bei einer vorsätzlichen Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung. Zudem sind wir der Ansicht, dass die bisherigen Regelungen bezüglich der Hemmung der Verjährung in §§ 207, 208 BGB auf das 25. Lebensjahr angehoben werden sollten, da bei Kindern, bei denen der sexuelle Missbrauch schon im frühen Kindesalter stattgefunden hat, allein eine Verjährungsfrist von 30 Jahren nicht ausreicht. In solchen Fällen ist es von besonderer Bedeutung, dass die Verjährungsfrist erst mit der Vollendung des 25. Lebensjahres beginnt beziehungsweise spätestens mit der Beendigung
der häuslichen Gemeinschaft, wenn das Opfer mit dem Täter in einer solchen lebt.
Wir wollen den Opfern die Möglichkeit, ihre zivilrechtlichen Ansprüche durchzusetzen, möglichst lange offenhalten und ihnen auf diese Weise die Gelegenheit geben vor den Gerichten Schmerzensgeld sowie Schadensersatz für Therapie- und Rehabilitationsbehandlungen einzuklagen.

Im Zusammenhang mit den Diskussionen am Runden Tisch wurde deutlich, dass die
von sexueller Gewalt Betroffenen sich des Risikos eines Scheiterns in einem Zivilverfahren aus Beweislastgründen und der damit verbundenen Belastungen sehr bewusst sind. Es ist nicht zu Ende gedacht, sie durch kurze Verjährungsfristen vor diesen Belastungen im Verfahren „schützen“ zu wollen. Im Gegenteil: Etliche Betroffene argumentieren, dass die relativ kurze Verjährungsfrist das eigentlich schmerzliche Element für die Opfer sei. Es wiederhole ihre frühere Ohnmacht, kein Gehör und keinen Glauben für die Schilderung ihres Leids geschenkt zu bekommen,
wenn sie wegen der Einrede der Verjährung erst gar nicht vor Gericht gehört werden.

14.04.2011 Bundestagsrede von Ingrid Hönlinger am 14.04.2011

Bundestags-Rede zu „Vormundschafts- und Betreuungsrecht“ am 14.04.2011

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir debattieren heute über Änderungen im Vormundschaftsrecht. Zentrale Frage ist, wie wir den Schutz des Mündels realistisch verbessern und die Qualität der Vormundschaft sichern können.

Der erste Ansatzpunkt dafür ist die Begrenzung der Fallzahlen für die Vormundschaft. Die Bundesregierung sieht in ihrem Gesetzentwurf eine Sollvorschrift vor. Die Amtsvormundschaften sollen auf 50 Mündel pro Vormund beschränkt werden. Im Einzelfall ist es also möglich, dass ein Vormund übergangsweise mehr als 50 Mündel betreut.

Meine Fraktion unterstützt in der jetzigen Lage den Gesetzentwurf. Er gibt den Kommunen eine klare Grenze nach oben vor, und er berücksichtigt auch, dass die Kommunen Zeit und Raum brauchen, Herr Kollege Wunderlich, um ihre finanzielle und personelle Situation an die Neuregelung anzupassen.

In dem zweiten Schritt, den die Bundesregierung angekündigt hat, sollte aber unbedingt klargestellt werden, wie wir die Sollvorschrift zu einer Mussvorschrift umgestalten können. Denn es ist auf Dauer unerlässlich, dass die Fallzahlen auf 50 beschränkt werden. Das haben auch alle Sachverständigen in der Anhörung bestätigt. Hier müssen wir handeln, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Jörn Wunderlich (DIE LINKE))

Ein zweiter wichtiger Ansatzpunkt ist die Verpflichtung des Vormunds zum persönlichen Kontakt mit dem Mündel. In der Regel, so der Gesetzentwurf, soll der persönliche Kontakt zwischen Vormund und Mündel einmal im Monat stattfinden. Dieser monatliche Kontakt wird auch dem Schutz und den Interessen des Mündels gerecht. Missstände können frühzeitig erkannt und helfende Maßnahmen rechtzeitig ergriffen werden. Die Gerichte haben auch einen klaren Maßstab für die Überprüfung der vormundschaftlichen Tätigkeit.

Laut Gesetzentwurf kann der Besuchsabstand in Ausnahmefällen verkürzt oder verlängert werden. Das kann für die Individualität der vormundschaftlichen Arbeit sinnvoll sein. Allerdings sollte die Bundesregierung auch über ein geeignetes Instrumentarium nachdenken, um eine Überprüfung bzw. einen Nachweis zu ermöglichen. Das könnte zum Beispiel eine Berichtspflicht des Vormunds gegenüber dem Gericht oder auch eine Zustimmungspflicht des Gerichts für längere Besuchsabstände sein.

Frau Kollegin Granold, wir Grünen haben tatsächlich Probleme damit, dass auch Änderungen im Betreuungsrecht vorgesehen sind. Wir meinen, dass wir grundlegend über das Betreuungsrecht nachdenken müssen und dass sogar die UN-Behindertenrechtskonvention eine grundlegende Reform erfordern könnte. Wir meinen, dass Regelungen zum Betreuungsrecht nicht am Rande anderer Gesetze getroffen werden sollten. An diesem Punkt können wir dem Gesetzentwurf nicht zustimmen.

Insgesamt begrüßen wir den Gesetzentwurf der Bundesregierung, soweit er das Vormundschaftsrecht betrifft. Für eine umfassende Reform ist der angekündigte zweite Schritt dringend erforderlich. Zu den bereits genannten Punkten der zwingenden Begrenzung der Fallzahlen auf 50 und der Kontrolle des persönlichen Kontakts zwischen Vormund und Mündel kommen aus unserer Sicht drei weitere hinzu.

Erstens. Interessenkollisionen innerhalb der Jugendämter sollten überprüft werden. Zum Beispiel sollten Fachkräfte, die finanzielle Aufgaben des Jugendamts als Sozialleistungsträger wahrnehmen, von der Führung von Amtsvormundschaften ausgeschlossen sein, soweit sie die Person ihres Mündels betreffen.

Zweitens. Dem Vormund sollte ein eigenes Anhörungsrecht im familiengerichtlichen Verfahren eingeräumt werden, um eine umfassendere Beurteilung zu ermöglichen.

Drittens sollte geprüft werden, inwieweit dem Mündel gegen Entscheidungen seines Vormunds eine Beschwerdemöglichkeit eingeräumt werden kann.

Meine Damen und Herren von der Koalition und von der Regierungsbank, wir werden Sie an die offenen Punkte erinnern.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

14.04.2011 Bundestagsrede von Ingrid Hönlinger am 14.04.2011

Bundestagsrede zur „außergerichtlichen Konfliktbeilegung“ | Video

Sehr geehrter Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin!

Wir diskutieren heute über den Entwurf eines Gesetzes der Bundesregierung zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung. Heribert Prantl hat die Intention dieses Gesetzentwurfs in der Süddeutschen Zeitung als „juristischen Paradigmenwechsel“ geadelt.

Was müssen wir gesetzlich regeln, damit Mediation ein effektiver Bestandteil dieser Gesellschaft wird? Wir müssen uns zunächst im Klaren darüber sein, wo und wie wir Mediation und andere Konfliktlösungsmethoden vorrangig verankern wollen. Wollen wir sie in den Gerichtssälen bei den Richtern oder außerhalb des Gerichtsverfahrens bei freiberuflichen Mediatorinnen und Mediatoren oder Beratungsstellen integrieren?

(Mechthild Dyckmans (FDP): Warum „oder“? ‑ Otto Fricke (FDP): Wie wäre es mit „oder/und“?)

In dem Gesetzentwurf werden beide Modelle definiert. Die Begrifflichkeit orientiert sich aber am Wort „Gericht“, indem von außergerichtlicher, gerichtsnaher und gerichtsinterner Mediation ausgegangen wird. Die gerichtsinterne Mediation wird dabei durch Kostenfreiheit privilegiert.

Meine Damen und Herren, das Mediationsverfahren gewinnt seine Wirksamkeit durch Eigenverantwortlichkeit der Parteien und durch die Gesprächsleitung eines allparteilichen Mediators. In den Sitzungen können die Parteien ihre Interessen und Bedürfnisse im direkten Gespräch selbst herausarbeiten. Normalerweise dauert ein Mediationsverfahren zwischen drei und acht Sitzungen à 1,5 Stunden. Es erstreckt sich über mehrere Wochen hin, und am Ende kann eine gültige, von allen Parteien unterzeichnete Vereinbarung stehen.

Wie stellt sich der Vergleich zwischen richterlicher und außergerichtlicher Mediation dar? Der Richterberuf ist aufgrund hoher Fallzahlen und gekürzter Richterstellen durch einen enormen Zeit- und Erfolgsdruck geprägt.

(Otto Fricke (FDP): Böse Länder!)

Die Modellprojekte der richterlichen Mediation zeigen, dass dort die Mediation in ein bis zwei Sitzungen durchgeführt wird. Oft hat der Richter die Akte vorher gelesen, lässt sich die Interessenlage also nicht von den Parteien erklären, und am Ende gibt es einen Vergleichsvorschlag. Wir verkennen nicht, dass zahlreiche Richterinnen und Richter viel Zeit und Geld investiert haben, um eine Mediationsausbildung zu absolvieren. Innerhalb der ihnen zur Verfügung stehenden Zeit arbeiten sie mit viel Engagement, erzielen auch gute Ergebnisse, aber das Verfahren entspricht doch eher dem Modell eines Güterichters, wie wir es aus Thüringen und Bayern kennen, das in § 278 Abs. 5 ZPO verankert ist, und nicht der Mediation, wie sie außerhalb der Gerichte durchgeführt wird.

(Mechthild Dyckmans (FDP): Völlig falsch!)

Wenn wir eine eigenverantwortliche Konfliktlösung und die Entlastung der Justiz erreichen wollen, dann müssen wir weiterdenken. Dann müssen wir auch an die Punkte denken, die die Kolleginnen und Kollegen schon angesprochen haben, nämlich daran, wie wir die Aus- und Fortbildung von Mediatorinnen und Mediatoren sichern können. Wir müssen die Grundzüge klar artikulieren. Ich weiß, dass große Mediations- und Anwaltsverbände schon an Qualitätsstandards arbeiten und eine qualitätsvolle Ausbildung anbieten. Es reicht aber nicht aus, diese Entwicklung nur dem freien Markt zu überlassen, wie es die Bundesregierung vorschlägt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Ist die Qualität der Mediation erst einmal gesichert, dann wird es der Justiz sicher leichter fallen, Streitfälle an geeignete Mediatorinnen und Mediatoren nach außen zu verweisen. Das hätte viele Vorteile. Die Koordinationsstellen, die schon an den Gerichten existieren, könnten genutzt werden, um Fälle auf ihre Geeignetheit hin zu überprüfen. Dort arbeiten erfahrene Richterinnen und Richter, die Mediationsfälle bearbeitet haben. Ein ähnliches Modell kennen wir aus den Niederlanden. Auch dort werden häufig Mediationsfälle in die freie Mediation verwiesen.

(Mechthild Dyckmans (FDP): Das ist doch auch heute schon möglich!)

Für die Mediatorinnen und Mediatoren bestünde ein Anreiz, an dem Projekt mitzuwirken. Wir könnten die Mitwirkung auch mit der Verpflichtung zu einer Evaluation verbinden. Es entstünde ein positiver Kreislauf: Wir könnten die Gerichte effektiv entlasten, die außergerichtliche Mediation würde in Anspruch genommen, die Konfliktlösungen würden immer nachhaltiger, und die Gerichte würden weiter entlastet.

Das führt mich zu dem letzten Schritt, den wir aus meiner Sicht gehen müssen: die Einführung einer Mediationskostenhilfe. Das würde Mediation unabhängig vom Einkommen ermöglichen und durch die Anbindung an die Gerichte die notwendige Qualitätssicherung bieten. Die Bundesregierung führt immer wieder an, das sei nicht finanzierbar und falle in die Länderzuständigkeit. Wir wissen aber, dass zum Beispiel ein streitiges Familiengerichtsverfahren mit Regelungen zum Sorgerecht, zum Umgang und zum Unterhalt sehr viel Zeit, Geld und Nerven kostet. Ich denke, auch die Bundesländer sollten ernsthaft darüber nachdenken, zumindest in Modellprojekten eine Mediationskostenhilfe einzuführen; denn die Mediation würde mit Sicherheit auch die Justizhaushalte entlasten.

(Otto Fricke (FDP): Das können ja die Rot-Grünen machen!)

Aus unserer Sicht ist der Gesetzentwurf leider in der aktuellen Form nicht ausgewogen genug. Deswegen können wir ihm in dieser Form nicht zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

08.04.2011 Rede von Ingrid Hönlinger zum Thema "Gesetz zur Änderung der ZPO"

Rede von Ingrid Hönlinger im Deutschen Bundestag zum § 522 ZPO am 07.04.2011

 Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine Vorrednerinnen und Vorredner haben schon viel Bedenkenswertes zu § 522 ZPO gesagt. Wir alle wissen: Im Jahr 2002 wurde die Vorschrift eingeführt, um die Gerichte zu entlasten und Rechtsmittelverfahren zu beschleunigen. In den letzten Jahren haben wir verschiedene Erfahrungen damit gemacht. Auf der Grundlage dieser Erfahrungen nehmen auch wir Grünen eine Neubewertung der Vorschrift vor.

Wir alle wissen: Für Betroffene endet der Rechtsweg abrupt, wenn sie durch schriftlichen Beschluss mitgeteilt bekommen, dass ihre Berufung zurückgewiesen wird, weil es keine Aussicht auf Erfolg gibt, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, weil kein Erfordernis einer Fortbildung des Rechts vorliegt oder keine Sicherstellung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist. Es findet keine mündliche Verhandlung statt. Der Rechtsweg ist endgültig beendet und damit auch der Zugang der Bürgerinnen und Bürger zum Recht. Diese Rechtspraxis ist bedenklich. Deswegen diskutieren wir heute zu Recht über diese Vorschrift.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ein weiteres Problem ist – das wurde schon gesagt -, dass § 522 ZPO von den Berufungsgerichten sehr unterschiedlich angewandt wird. Die Diskrepanz liegt bei ungefähr 22 Prozent; der Herr Staatssekretär hat das Beispiel schon angeführt. Das Oberlandesgericht Bremen weist 5,2 Prozent der Berufungsverfahren durch schriftlichen Beschluss zurück, während das Oberlandesgericht Rostock sehr viel überschwänglicher damit umgeht und 27,1 Prozent der Verfahren durch schriftlichen Beschluss beendet. Diese Diskrepanz besteht, obwohl § 522 Abs. 2 zwingenden Charakter hat und es keinen Spielraum bei der Anwendung gibt. Für die Betroffenen, aber auch für juristische Expertinnen und Experten wie auch für uns ist es unbegreiflich, dass eine zwingende Vorschrift eine derart unterschiedliche Handhabung erfährt.

Wir diskutieren heute auch über den Gesetzentwurf der Bundesregierung. Er beinhaltet unter anderem Folgendes: Erstens. Eine mündliche Verhandlung findet nicht statt, wenn sie nicht angemessen ist. Das Wort „angemessen“ ist aus unserer Sicht ein weiterer unbestimmter Rechtsbegriff, der wieder dazu einlädt, dass die Berufungsgerichte die Vorschrift unterschiedlich handhaben. Zweitens. Die Nichtzulassungsbeschwerde, mit der die Betroffenen gegen den zurückweisenden Beschluss vorgehen können, wird eingeführt; dies ist aber erst ab einem Beschwerdewert von 20 000 Euro möglich. Damit ändert sich für einen Großteil der Betroffenen nichts. Ihr Rechtsweg ist nach wie vor beendet, wenn der schriftliche Beschluss vorliegt. Wir führen den Bürgerinnen und Bürgern damit vor, dass wir uns um ihre finanziellen Angelegenheiten nur dann vollumfänglich kümmern, wenn es sich um einen relativ hohen finanziellen Betrag handelt. Dies ist aus unserer Sicht nicht ausreichend, um soziale Gerechtigkeit herzustellen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Der Änderungsvorschlag greift also aus unserer Sicht zu kurz. Wir meinen: Alleinige Abhilfe bietet eine vollständige Abschaffung von § 522 Abs. 2 ZPO. Dann würde in jedem Fall eine mündliche Verhandlung stattfinden. Der Richter bzw. die Richterin kann sich ein persönliches Bild von den Parteien machen, eventuell noch auf eine Einigung hinwirken, vielleicht auch darauf hinwirken, dass die Berufung zurückgenommen wird. Wir gewährleisteten den Bürgerinnen und Bürgern damit umfassenden Zugang zu einer zweiten Instanz und damit zum Recht. Im Klartext: Eine wirkliche Verbesserung der rechtlichen Situation bietet nur die ersatzlose Streichung einer Vorschrift, die sich weder bewährt noch zur Gleichbehandlung beigetragen hat. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Vizepräsident Eduard Oswald: Gestatten Sie noch eine Frage der Frau Kollegin Dyckmans? Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber gern. Vizepräsident Eduard Oswald: Bitte schön, Frau Kollegin.

Mechthild Dyckmans (FDP): Frau Kollegin, Sie haben gesagt, es sei eine Ungerechtigkeit, eine Nichtzulassungsbeschwerde bei einem Betrag von über 20 000 Euro einzuführen. Können Sie mir erklären, wieso Sie meinen, dies sei eine Ungerechtigkeit? Können Sie mir erklären, wie es sich bei einem Urteil verhält, wann also bei einem Urteil die Nichtzulassungsbeschwerde gegeben ist? Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist bei einem Urteil genau dasselbe. Aber das Urteil setzt die mündliche Verhandlung voraus. Hier gehen wir von dem Fall aus, dass der schriftliche Beschluss vorliegt. Nach unserer Auffassung ist es notwendig, im Berufungsverfahren eine mündliche Verhandlung zu ermöglichen, um umfassendes rechtliches Gehör zu gewährleisten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Gesetzentwurf

24.03.2011 Rede von Ingrid Hönlinger zu Bagatellkündigungen

Sehr geehrte/r Frau/Herr Präsident/in,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

auch in Zeiten, in denen weltpolitische Themen und Landtagswahlen alle anderen Politikfelder zu überlagern scheinen, ist es unsere Aufgabe als Parlamentarierinnen und Parlamentarier, die vermeintlich nachrangigen Angelegenheiten ebenfalls im Auge zu behalten.

Ich zitiere den Schriftsteller Berthold Auerbach: „Heimisch in der Welt wird man nur durch Arbeit. Wer nicht arbeitet, ist heimatlos.“

Dieses Zitat veranschaulicht sehr genau die Bedeutung des Wortes „Arbeitsplatz“. Und wir alle wissen auch, dass viele Menschen die sozialen und kulturellen Möglichkeiten, die unsere Gesellschaft bietet, nur dann wahrnehmen können, wenn sie über einen sicheren Arbeitsplatz und ein ausreichendes Einkommen verfügen. Und für uns Grüne ist es ein zentrales politisches Anliegen, die gesellschaftliche Teilhabe für alle Menschen zu gewährleisten.

Heute debattieren wir über das Thema „Bagatellkündigung“. Dieser Begriff beschreibt, unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer kündigen kann, wenn dieser im Arbeitsverhältnis widerrechtlich einen geringfügigen wirtschaftlichen Schaden verursacht hat.

Wir erinnern uns: Der Fall Emmely hat enormes Aufsehen erregt. Viele Menschen waren empört, weil sie sich in ihrer eigenen beruflichen Existenz bedroht fühlten, und: weil sie es als ungerecht empfunden haben, dass der Kassiererin Emmely nach 30 Jahren Betriebszugehörigkeit wegen eines Pfandbons von 1,30 Euro fristlos gekündigt wurde. Dieser Fall hat die Öffentlichkeit zu Recht empört. Und zu Recht hat auch das Bundesarbeitsgericht der Klage von Emmely statt gegeben.

Wir alle wissen aber auch, dass es schon andere Gerichtsentscheidungen gab. In vielen sogenannten „Bagatellfällen“ mussten Beschäftigte auch bei geringfügiger Schadenverursachung mit einer fristlosen Kündigung rechnen.

Es gibt also zwei unterschiedliche Linien in der Rechtsprechung.

Was bedeutet das für uns Abgeordnete?

Viele Abgeordnete in diesem Hause sind sich darüber einig, dass gehandelt werden muss. Denn: Wir brauchen an dieser Stelle Rechtsklarheit und Rechtssicherheit für alle Beteiligten und insbesondere für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die oftmals ohnehin schon ein sehr geringes Einkommen erzielen, meine Damen und Herren.

Wir Grüne meinen, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer durch ein „Bagatelldelikt“ nicht unwiederbringlich gestört ist, zumal diese Delikte auch aus Gedankenlosigkeit oder Unwissenheit begangen werden können. Konkret setzen wir uns dafür ein, dass bei Kündigungen wegen Bagatelldelikten in der Regel eine vorherige Abmahnung erfolgt sein muss. Denn mit der Abmahnung zeigt die Arbeitgeberseite den Beschäftigten, dass ihr Verhalten nicht hingenommen wird. Das ist ein Warnschuss für den Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin, den wir gesetzlich etablieren müssen.

Also: Nichts zu unternehmen – wie es die Damen und Herren von der Koalition handhaben wollen – ist keine Lösung.

Ein guter und klarer Ausgleich zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen ist Grundlage für einen effektiv arbeitenden Betrieb. Arbeitnehmer, die solchen, fast schon willkürlichen, Kündigungen ausgesetzt sind, entwickeln nicht ihre optimale Leistungsfähigkeit. Wenn sie in der ständigen Furcht leben müssen, wegen geringfügigster Delikte und ohne zweite Chance fristlos entlassen zu werden, arbeiten sie weder effektiv noch motiviert. Sie sind viel zu sehr mit der Sorge um ihren Arbeitsplatz beschäftigt. Das, meine Damen und Herren, können wir weder in unseren betrieblichen Arbeitsverhältnissen, noch gesamtgesellschaftlich anstreben!

Wir müssen deshalb an diesem Punkt das Arbeitsverhältnis auf ein solides gesetzliches Fundament stellen. Damit gewährleisten wir den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein Stück weit, „heimisch“ zu werden in dieser Welt, und unseren Arbeitsprozessen ein gutes Stück Gerechtigkeit und Stabilität. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

23.03.2011 Überlange Verfahren wirksam bekämpfen

Deutschland ist zum wiederholten Mal wegen Verletzung des Anspruchs auf Rechtsschutz in angemessener Zeit vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gerügt worden. Zwar steht die Bundesrepublik mit der Dauer ihrer Gerichtsverfahren im europäischen Vergleich nicht schlecht da. Aber den Einzelnen, die von unzumutbaren Verzögerungen betroffen sind, hilft das nicht.

Die Bundesregierung hat nun zu dieser Problematik einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der lediglich vorsieht, dass die Bürgerinnen und Bürger am Ende eines zu langen Verfahrens durch ein Gericht erklärt bekommen, dass ihr Verfahren zu lang gedauert hat. Nur in Ausnahmefällen sollen die Betroffenen Entschädigungszahlungen von maximal 1.200 Euro pro Jahr erhalten. Das hilft den Bürgerinnen und Bürgern wenig. Wir haben deshalb einen Änderungsantrag eingebracht und fordern, dass Bürgerinnen und Bürger grundsätzlich Entschädigungszahlungen von 1.000 Euro pro Monat erhalten.

Bei einem geringeren Betrag ist es für Bund und Länder günstiger, sich wegen überlanger Verfahren verurteilen zu lassen, statt neue Richterstellen zu schaffen. Das kann nicht das Ziel der Gesetzesänderung sein.

Nachträgliche Entschädigungszahlungen allein reichen jedoch nicht aus. Wir schlagen deshalb zusätzlich eine interne Kontrolle innerhalb der Gerichte vor. Das Präsidium eines Gerichts soll alle Verfahren überprüfen, die länger als ein Jahr dauern. Auf diese Weise wird schon im Vorfeld langen Verfahrensdauern entgegengewirkt.

Wir setzen damit nicht nur auf repressive, sondern auch auf präventive Maßnahmen. Im Gegensatz zur Bundesregierung bleiben wir nicht auf halben Wege stehen. Wir wollen den Bürgerinnen und Bürgern in Zukunft ein Verfahren in angemessener Zeit sichern.

04.03.2011 Hönlinger fordert Mediationsgesetz auf solider Grundlage

Anlässlich der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ingrid Hönlinger und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Thema „Richterliche Mediation – Entlastung der Justiz“ erklärt Ingrid Hönlinger, Sprecherin für Demokratiepolitik und Mitglied im Rechtsausschuss:

In ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage lässt die Bundesregierung erkennen, dass sie keinen Überblick über die aktuelle richterliche Vermittlung/Mediation hat. Sie konnte keine Auskunft darüber geben, ob die Justiz hierdurch entlastet wird. Trotzdem beabsichtigt die Regierung die richterliche Mediation durch Gesetz zu regeln.

Aufgrund der Europäischen Mediationsrichtlinie vom 21. März 2008 legte die Bundesregierung Mitte Januar 2011 einen Kabinettsbeschluss zu einem deutschen Mediationsgesetz vor. In diesem sind Teile der europäischen regelungsbedürftigen Aspekte aufgegriffen. Zusätzlich sieht der Entwurf eine Rechtsgrundlage für die richterliche Vermittlung/Mediation vor. Dabei wird innerhalb des Gerichts von einem nicht entscheidungsbefugten Richter mit mediativen Techniken auf eine einvernehmliche Lösung hingewirkt. Für die Parteien entstehen keine zusätzlichen Kosten. Durch den Gesetzesentwurf sollen die Bundesländer ermächtigt werden, durch Rechtsverordnung die richterliche Vermittlung/ Mediation zu regeln.

Wesentliches Ziel der Bundesregierung sei, die Mediation und andere Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung zu fördern. Dabei solle ein Schwerpunkt auf der Entlastung der Justiz liegen. Aber kann echte Justizentlastung tatsächlich geschaffen werden, wenn Verfahren zwar nicht mehr durch den Streitrichter, aber durch einen anderen Richter, den Richtermediator, weiterbearbeitet werden?

Die 76. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister vom 29. bis 30. Juni 2005 in Dortmund hat beschlossen, dass die richterliche Vermittlung/ Mediation als Übergangslösung ein lohnender Weg ist, um konsensuale Streitbeilegung zu fördern. Daraufhin wurden in verschiedenen Bundesländern Pilotprojekte zu richterlicher Vermittlung/ Mediation gestartet. Dieses Verfahren hat sich in den Bundesländern unterschiedlich stark etabliert.

Als Mitglied des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages wollte ich mit einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung den aktuellen Stand der in Deutschland praktizierten Mediation erfragen. Leider erhielt ich keinerlei inhaltliche Aussage. Besonders ärgerlich in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass die Regierung nicht einmal zur Praxis der richterlichen Mediation an Gerichten Auskünfte geben konnte.

Der Hinweis der Bundesregierung, die Zuständigkeit liege alleine bei den Ländern, kann hier nicht gelten. Es muss ein Anliegen auch des Bundes sein, über die Umsetzung eines Bundesgesetzes informiert zu sein. Das gilt insbesondere, wenn zum ersten Mal die Mediation in Deutschland geregelt wird und die Bundesregierung die Justiz dauerhaft entlasten möchte.

Durch die vorgesehene Einführung der richterlichen Vermittlung/Mediation und die mangelnde Förderung der außergerichtlichen Mediation ist zu erwarten, dass die Gerichte vermehrt personell und finanziell belastet werden. Die Bundesregierung sollte bei jährlich ca. 2,5 Millionen neuer Zivilverfahren, schnell auch die erheblichen Einsparpotenziale von außergerichtlicher Mediation erkennen und umsetzen. Die Gleichwertigkeit des mediativen mit dem juristischen Verfahren muss durch die zeitnahe Einführung einer Mediationskostenbeihilfe unterstrichen werden.

Blickt man in die Nachbarländer, so gibt es Ansätze einer richterlichen Mediation nur vereinzelt in skandinavischen und osteuropäischen Rechtsordnungen. In den Niederlanden wurde der entsprechende Modellversuch nicht auf Dauer eingeführt.

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03.03.2011 Bündnis 90/DIE GRÜNEN werden vor dem BVerfG gegen die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke klagen

Dazu erklärt die Ludwigsburger Bundestagsabgeordnete Ingrid Hönlinger, Sprecherin für Demokratiepolitik der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen und Mitglied im Rechtsausschuss:

Die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke ist gleich aus zwei Gründen verfassungswidrig. Erstens ist der von der schwarz-gelben Bundestagsmehrheit durchgesetzte Beschluss ohne Zustimmung der Länder erfolgt. Zweitens verstößt die entsprechende Novelle des Atomgesetzes gegen die Schutzpflicht der Bundesregierung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern. Die grüne Bundestagsfraktion wird deshalb zusammen mit der SPD-Fraktion noch diese Woche eine Klage beim Bundesverfassungsgericht einreichen.

Kein deutsches Atomkraftwerk wäre heute noch genehmigungsfähig. Trotz einiger Nachrüstungen konnten vor allem die Sicherheit der Altmeiler nicht auf den heutigen Stand von Wissenschaft und Technik gebracht werden. Bereits jetzt weisen die vier ältesten Atomkraftwerke Neckarwestheim 1, Brunsbüttel, Biblis A und B jeweils über 400 meldepflichtige Ereignisse auf. Sie gehören wegen der technischen Mängel schleunigst stillgelegt.

Die Bundesregierung hat dennoch die Laufzeiten verlängert, ohne sie von einem Sicherheits-Check oder technischen Nachrüstungen abhängig zu machen. Durch den neuen Paragraphen 7d Atomgesetz hat sie sogar den Sicherheitsstandard abgesenkt und die bislang gültige „bestmögliche Schadensvorsorge“ beim Betrieb von Atomkraftwerken ausgehebelt. Diese Politik entzieht sich der Verantwortung für die Sicherheit der Menschen.

12.01.2011 Mediationsgesetz ist Schritt in die richtige Richtung

Anlässlich der heutigen Verabschiedung des Entwurfs eines Mediationsgesetzes durch das Bundeskabinett erklärt Ingrid Hönlinger, Sprecherin für Demokratiepolitik und Mitglied im Rechtsausschuss:

Wir begrüßen, dass die Bundesregierung den Entwurf eines neuen Mediationsgesetzes vorlegt. Das Verfahren der Mediation bietet die Chance, in Deutschland eine neue Rechtskultur voranzubringen in der „der Kampf ums Recht“ vom „Verhandeln bis zur friedlichen Lösung“ abgelöst wird. Auch werden die Menschen – und nicht zuletzt auch die Gerichte – durch dieses Verfahren entlastet.

Der Gesetzentwurf der Bundesjustizministerin sieht allerdings keine verbindliche Mediationskostenhilfe vor. Das ist  sozial unausgewogen. Es wird ein ungleicher Zugang zu diesem wichtigen und wertvollen Instrument der Konfliktbereinigung geschaffen.

Die Einführung einer Mediationskostenhilfe sehen wir als unerlässlich an. Denn auch für einkommensschwache Menschen muss, analog zur Prozesskostenhilfe, die Möglichkeit für Mediation eröffnet werden. Bereits eine Vielzahl von EU-Mitgliedsstaaten haben Regelungen für eine Kostenhilfe in Mediationsverfahren geschaffen, so z.B. die Niederlande, Frankreich, Österreich, das Vereinigte Königreich und Portugal. Deutschland muss diesem hohen europäischen Standard auch gerecht werden.

Unklar ist auch, wie die Qualitätsstandards bei der Ausbildung von Mediatorinnen und Mediatoren gesichert werden sollen. Hier muss die Bundesregierung dringend nachbessern und für eine klare Regelung sorgen.

23.12.2010 Auch beim Umgangsrecht muss Kindeswohl im Mittelpunkt stehen

Zum Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) das Umgangsrecht biologischer, aber rechtlich nicht anerkannter Väter mit ihren Kindern betreffend, erklären Ingrid Hönlinger, Obfrau im Rechtsausschuss, und Katja Dörner, Sprecherin für Kinder- und Familienpolitik:

Wir begrüßen das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. In diesem Urteil wird richtigerweise festgestellt, dass Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention das Interesse eines Kindes bzw. dessen biologischen Vaters schützt, eine familiäre Beziehung aufzubauen. Eine Beziehung zwischen Kind und Vater kann nur  durch deren direkten Kontakt aufgebaut werden. Hierfür bietet das Umgangsrecht die rechtliche Möglichkeit. Der Kontakt eines Kindes zu seinem biologischen Vater muss nach dem aktuellen Urteil auch dann rechtlich durchgesetzt werden können, wenn zuvor zwischen Kind und Vater keine soziale Beziehung bestanden hat.

Die aktuelle deutsche Rechtslage wurde unterschiedlichen Lebenssituationen nicht vollständig gerecht. Dies betrifft Fälle, in denen bisher keine sozial-familiäre Beziehung zwischen Kind und biologischem, aber rechtlich nicht anerkanntem Vater besteht. Das Interesse des Kindes am Kontakt zu seinem biologischen Vater hatte keine gesetzliche Grundlage, ebenso wenig das entsprechende Kontaktinteresse dieses Vaters.

Die Bundesjustizministerin fordert zurecht, dass nach dem Sorgerecht nun auch das Umgangsrecht auf den Prüfstand muss. Bis heute liegt allerdings trotz mehrfacher Ankündigung kein Vorschlag zur Neuregelung des Sorgerechts auf dem Tisch. Wir fordern die Bundesregierung auf, hier endlich aktiv zu werden. Außerdem muss die Bundesregierung auch das aktuelle Urteil des EGMR zeitnah umsetzen.

05.12.2010 Rede von Ingrid Hönlinger auf der LDK in Bruchsal am 05.12.2010

Liebe Freundinnen und Freunde,

gerade diskutieren wir über viele wichtige Themen, wie z.B. über Stuttgart 21 oder über den Atomausstieg. Wir müssen aber aufpassen, dass nicht im Windschatten dieser großen Themen folgenschwere Beschlüsse in anderen Bereichen gefasst werden.

Ich vertrete unsere Bundestagsfraktion im Rechtsausschuss. Dort setze ich mich auseinander mit juristischen Initiativen aus der schwarz-gelben Regierung, aber auch mit Vorschlägen, die aus den Bundesländern über den Bundesrat kommen. Ich möchte euch da auf drei wichtige Themen aufmerksam machen.

Abhören von Telefonaten

Im Rahmen der Sicherheitsgesetze wurde beschlossen, dass – bei Verdacht auf schwere Straftaten – die Telefone von Ärzten, Anwälten, Journalisten oder auch Steuerberatern abgehört werden können. Geschützt davor waren lediglich Rechtsanwälte, wenn sie als Strafverteidiger gearbeitet haben, Geistliche und Abgeordnete.

Jetzt hat die Bundesjustizministerin durchgesetzt, dass Rechtsanwälte wieder allgemein vor Abhörmaßnahmen geschützt werden, unabhängig davon ob sie als Strafverteidiger arbeiten oder nicht. Das ist gut so. Das dient dem Rechtsstaat.

Ich frage mich aber, was ist mit den anderen Gruppen, die dem Berufsgeheimnisträgerschutz unterliegen. Was ist z.B. mit den Journalisten, auch hier in Baden-Württemberg? Sie sind noch immer nicht vor Abhörmaßnahmen sicher.

Liebe Freundinnen und Freunde, das ist ein tiefer Eingriff in die Pressefreiheit. Das dürfen wir so nicht hinnehmen. Wir werden weiter daran arbeiten, dass alle Berufsgeheimnisträgerinnen und –träger vor Abhörmaßnahmen geschützt werden.

Denn: Pressefreiheit ist kein abstrakter Begriff. Pressefreiheit ist so viel wert, wie wir die entsprechende Berufsgruppe vor staatlicher Überwachung schützen.

Vorratsdatenspeicherung

Ihr alle wisst: Das Bundesverfassungsgericht hat die Vorratsdatenspeicherung in der bisherigen Form für verfassungswidrig erklärt.

Jetzt wird schon wieder der Ruf laut, vor allem aus den CDU-geführten Bundesländern , nach einer verdachtsunabhängigen Speicherung der Telekommunikationsdaten aller Bürgerinnen und Bürger – denn nichts anderes ist die Vorratsdatenspeicherung als die massenhafte und anlasslose Speicherung der Daten unbescholtener Bürgerinnen und Bürger.

In Zeiten einer erhöhten Bedrohung oder Gefährdung ist es Aufgabe der Sicherheitsbehörden, hier ihren Job zu machen. Die gesetzlichen Möglichkeiten dazu gibt es schon. Politik muss sie in ihren Aufgaben mit Augenmaß unterstützen, parteipolitisches Taktieren ist hier fehl am Platz. Und fehl am Platz ist auch der Ruf nach einer Einschränkung der Pressefreiheit, wie sie ausgerechnet der Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag, Siegfried Kauder, gefordert hat.

Wir werden im Rechtsausschuss mit Adleraugen darüber wachen, dass nicht mit juristischen Finessen unser Rechtsstaat ausgehöhlt wird.

und letztens:

Auch aus den Ländern hören wir immer wieder den Ruf, dass die Ausgaben für Prozesskosten- und Beratungshilfe eingeschränkt werden müssen. Das hört sich harmlos an und es kann dazu dienen, dass Ausgaben gespart werden.

Man muss aber wissen, dass im Justizbereich ein hoher Deckungsgrad im Ausgabenbereich besteht. Mehr als 80 % ihrer Ausgaben deckt die Justiz durch eigene Einnahmen.

Würde man den Sparforderungen folgen, würde der Zugang zu Anwälten und Gerichten davon abhängen, ob Mann oder Frau sich das finanziell leisten kann.

Wenn wir tatsächlich in Regierungsverantwortung kommen, müssen wir dafür sorgen, dass sich diese Forderung nicht durchsetzt. Der Zugang zum Recht muss allen Menschen offen stehen, unabhängig von der Höhe ihre Einkommens. Wir Grünen müssen auch dafür sorgen, dass unser Rechtsstaat demokratiefest und gerecht bleibt. Wir müssen vermeiden, dass unser Rechtssystem zu einer Zwei-Klassen-Justiz wird. Vielen Dank.

03.12.2010 Rede von Ingrid Hönlinger zu Verbraucherschutz bei Vetragsabschlüssen im Internet

Sehr geehrte Frau/Herr Präsidenti/n,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

Verbraucherschutz ist ein Thema, das kontinuierlich den wirtschaftlichen Veränderungen angepasst werden muss. Wenn eine wesentliche Weiterentwicklung im Konsumbereich stattfindet, dann betrifft das viele Menschen. In einem solchen Fall müssen wir hier im Parlament darauf achten, dass sich diese Veränderung nicht zum Nachteil der Verbraucherinnen und Verbraucher entwickelt.

Im Bereich der Vertragsabschlüsse im Internet haben sich in den letzten Jahren eine Vielzahl von Ungereimtheiten, auch verbunden mit juristischen Nachspielen, eingestellt. Die Rückmeldungen der Verbraucherzentralen belegen das deutlich und auch wir alle wissen: Internetkäufe haben ihre Risiken.

Ich rede dabei nicht nur davon, dass ein älterer Herr in Rostock, der soeben einen VHS-Internetkurs belegt hat, versehentlich ein Zweijahresabo von „Die Frau im Spiegel“ bestellt hat oder davon, dass eine 16-jährige in Bad Teinach beim nächtlichen Surfen 130 Musiktitel downgeloadet hat.

Nein, meine Damen und Herren, es geht nicht nur um Einzelfälle, sondern um ein ernstes Massenphänomen. – Übrigens auch mit der Folge, dass es tausende gerichtsanhängige Streitigkeiten gibt, mit entsprechenden Belastungen in der Justiz.

Tausende Menschen kaufen im Internet Waren und Dienstleistungen ein, die sie eigentlich nicht wollen oder nicht brauchen. Hier stimmt etwas an der Struktur nicht, und deshalb müssen wir gesetzgeberisch tätig werden.

Was können wir tun?

Wir können uns an den seriösen Anbietern im Internet orientieren.

Was machen die seriösen Anbieter im Internet?

Sie vermeiden, dass ein einziger versehentlicher „Klick zu viel“ schon einen Kauf auflöst. Sie stellen Angebot und Preis transparent und offenkundig dar. Sie unterscheiden zwischen kostenfreien und kostenpflichtigen Produkten und sie stellen sich darauf ein, dass Menschen unterschiedlich kompetent in der Nutzung des Internets sind.

Diese Firmen beraten so, wie es früher in guten Geschäften auch der Fall war.

Wir Grüne, meine Damen und Herren, wir wollen den Internethandel nicht unterbinden. Seriöse Anbieter sollen diese Vertriebsform nutzen können.

Aber der Verbraucher und die Verbraucherin müssen vor unnötigen Kaufrisiken geschützt werden.

Wir wollen im Internet eine „Good-Practice“ einführen und schwarzen Schafen keine Plattform bieten. Dafür setzen wir Grüne uns ein.

Meine Damen und Herren, wir alle wissen: Im Internet ist die Zeit zwischen optischem Reiz und Kaufklick extrem kurz. Im Lebensmittelgeschäft zum Beispiel ist das anders. Da kann ich auch eine Ananas-Dose mal in die Hand nehmen, schauen, wie viel Zucker drin ist und die Dose dann bei Nichtgefallen wieder in das Regal stellen.

Das muss auch im Internet möglich sein können.

Wir sind deshalb der Meinung, dass die so genannte Button-Lösung für Vertragsabschlüsse im Internet einen richtigen Schritt darstellt. Wenn der Button kommt, dann sind dem Nutzer und der Nutzerin das Produkt und der Gesamtpreis klar. Er und sie wissen dann, jetzt wird es ernst, jetzt tippt der Verkäufer die Rechnung ein, jetzt kostet es cash.

Die Button-Lösung ist ein Verbraucherschutzinstrument, für das wir Grüne uns seit langem einsetzen.

In diesem Sinne unterstützen wir den Gesetzentwurf der SPD zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei Vertragsabschlüssen im Internet. Vielen Dank.

02.12.2010 Rede von Ingrid Hönlinger zum Testamentsregister

Sehr geehrte Frau/Herr Präsident/in,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir befinden uns heute in der abschließenden Beratung des Gesetzentwurfes zur Schaffung eines zentralen Testamentsregisters.

Ziel des Gesetzes ist es, das Auffinden von Testamenten im Zeitpunkt des Eintritts eines Erbfalls zu erleichtern. Das ermöglicht eine schnellere und sicherere Klärung von Erbfällen. Das ist ein Anliegen, das wir ausdrücklich begrüßen.

Im Gesetzentwurf sind verschiedene Auskunftsrechte, z.B. für Gerichte, geregelt. Im Entwurf ist aber nicht ausdrücklich festgehalten, dass auch der Erblasser oder die Erblasserin selbst Auskunft über seine und ihre letztwilligen Verfügungen vom Register erhalten kann.

Natürlich kann man sagen: „Das ergibt sich implizit aus der Verweisung aus diesem Gesetz in das Bundesdatenschutzgesetz.“

Dennoch ist es für den Bürger und die Bürgerin klarer und einfacher zu erkennen, wenn sein und ihr Auskunftsanspruch direkt im einschlägigen Gesetz nachzulesen ist.

Wenn wir schon neue Gesetze entwerfen, dann sollten wir sie auch so gestalten, dass nicht der Bürger vor der Anwendung Rechtsbeistand aufsuchen muss, meine Damen und Herren.

Und noch auf ein weiteres Thema möchte ich eingehen:

In dem Gesetz sind verschiedene Regelungen zum elektronischen Rechtsverkehr beinhaltet.

Wir alle wissen, dass der elektronische Rechtsverkehr den bürokratischen Aufwand erheblich vereinfachen und beschleunigen kann. Allerdings birgt die elektronische Übermittlung von Daten auch Risiken.

Für uns lauten die zentralen Fragen: Wie können wir den Datenschutz bei einem so umfassenden Vorhaben lückenlos gewährleisten? Wie können wir also das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung am besten gewährleisten?

Im Gesetzentwurf wird auf den Datenschutz eingegangen. Er ist mittels einer Verweisung auf das Bundesdatenschutzgesetz geregelt.

Das verkennen wir nicht.

Wir bezweifeln aber, dass das ausreichend ist.

Das Bundesdatenschutzgesetz ist in seiner Anwendung sehr weit, insbesondere § 9 BDSG und der dazu gehörenden Anlage finden eine weite Anwendung auf viele unterschiedliche Lebenssachverhalte.

Aus unserer Sicht wäre es sinnvoller, eine passgenaue Regelung für das zentrale Testamentsregister zu schaffen. Gerade im Hinblick auf die Größenordnung der Vorhabens – gerechnet wird mit Gesamtkosten in Höhe von 12,6 Mio. Euro und laufenden Kosten für den Registerbetrieb in Höhe von jährlich 2,8 Mio. Euro – sollte der Datenschutz nicht nur am Rande geregelt werden. Bloße Verweisungen auf das Bundesdatenschutzgesetz bergen immer Lücken.

Das haben wir auch in dem erweiterten Berichterstattergespräch am 22.11.2010 ausführlich erörtert. Die Experten des Datenschutzes – Herr Holzapfel vom Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit und Frau Körffer vom Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein – haben in diesem Gespräch darauf hingewiesen, dass für die speziellen Bedürfnisse des Testamentsregisters bereichsspezifische Datensicherheitsregelungen geschaffen werden sollten. Das würde mehr Datensicherheit gewährleisten und mehr Klarheit schaffen, meine Damen und Herren.

Und noch eine weitere Frage stellt sich: Für wen sollen die Überführungsvorschriften und auch die Regelungen zum Datenschutz und zur Datensicherheit konkret gelten?

Der Gesetzentwurf sieht vor vor, dass die Registerbehörde sich zur Überführung der Verwahrnachrichten eines oder mehrerer Auftragnehmer bedienen kann.

In dem bereits erwähnten Expertengespräch mit den Datenschützern am 22.11.2010 kam klar zum Ausdruck, dass bei Unterauftragsverhältnissen erhebliche Komplikationen mit dem Datenschutz und der Datensicherheit auftreten können. Sie haben daher angeraten, Unterauftragsverhältnisse auszuschließen. Auch sollte aus Sicht der Datenschützer das Testamentsverzeichnis-Überführungsgesetz für den Auftragnehmer zur Anwendung kommen. Das ist im Gesetzentwurf nicht geregelt worden.

Zusammenfassend kann ich sagen: Wir befürworten die Einführung eines zentralen Testamentsregister. Jedoch sehen wir den Datenschutz und die Datensicherheit in dem Gesetzentwurf nicht ausreichend gewährleistet. Deshalb werden wir uns bei der Abstimmung enthalten.

Vielen Dank

02.12.2010 Rede von Ingrid Hönlinger zur Dienstleistungsrichtlinie

Sehr geehrte/r Frau/Herr Präsident/in,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

auf der Tagesordnung steht heute der „Gesetzentwurf zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie in der Justiz und zur Änderung weiterer Vorschriften.“

Der Gesetzentwurf umfasst die unterschiedlichsten Regelungen.

Ich möchte mich mit meinen Ausführungen auf nur eines dieser vielen Themen beschränken. Das ist ein Thema, das mir aus Sicht des einzelnen Bürgers und der einzelnen Bürgerin besonders wichtig erscheint, das Pfändungsschutzkonto – kurz: das sogenannte P-Konto.

Wir alle wissen: Ein P-Konto ist kein neues Bankkonto. Es ermöglicht dem Verbraucher, mit Banken oder Sparkassen zu vereinbaren, dass ein bereits bestehendes Girokonto als Pfändungsschutzkonto geführt wird. Das Geldinstitut muss dann dafür Sorge tragen, dass der Pfändungsschutz gewahrt bleibt. Im Falle einer Zwangsvollstreckung gegen seinen Kunden darf das Geldinstitut den pfändungsfreien Betrag nicht an den Gläubiger auskehren.

Die Regelungen zum Pfändungsschutz finden sich in § 850k ZPO. Absatz 8 dieser Vorschrift soll nun neu gefasst werden.

Was verbirgt sich nun in § 850k Abs. 8 ZPO?

Durch § 850k Abs. 8 ZPO soll sicher gestellt werden, dass jeder Bürger und jede Bürgerin nur ein einziges und nicht mehrere Pfändungsschutzkonten führt. Denn natürlich kann jede Schuldnerin und jeder Schuldner den Pfändungsfreibetrag auch nur einmal und nicht mehrmals in Anspruch nehmen.

Bisher ist geregelt, dass Geldinstitute ausschließlich die SCHUFA Holding AG über die Existenz von Pfändungsschutzkonten informieren, die dann ihrerseits anderen Kreditinstituten Auskunft erteilen kann. Mit der Neufassung soll die Einschränkung auf die SCHUFA aufgehoben werden. Auch andere Auskunfteien sollen in das Informationssystem zum Pfändungsschutzkonto einbezogen werden.

Wir Grünen begrüßen und unterstützen diese Neufassung. Insbesondere in ländlichen Gebieten arbeiten einzelne Banken und regionale Sparkassen teilweise nicht mit der SCHUFA zusammen, sondern mit anderen Auskunfteien. Diesen Unterschieden wird mit der Neuregelung Raum geschaffen. Auch ist nicht nachvollziehbar, warum die SCHUFA gegenüber allen anderen Auskunfteien, seien sie national oder europäisch tätig, derart bevorzugt werden soll. Hier ist Ausgewogenheit wichtig.

Weiter begrüßen wir folgendes: Derzeit ist möglich, dass Geldinstitute ihren P-Konto-Kunden die Zustimmung dazu abnötigen, deren Daten für die Beurteilung ihrer Kreditwürdigkeit oder für die Berechnung von Score-Werten weiterzuverwenden. Das ist eine Nutzung von Daten über den ursprünglichen Zweck hinaus, die nicht notwendig ist. Diese Möglichkeit wird mit der Neufassung des § 850k Abs. 8 ZPO ausdrücklich ausgeschlossen. Damit wird der ordnungsgemäße Umgang mit den Daten der betroffenen Bürgerinnen und Bürger gewährleistet.

Im Zusammenhang mit dem Pfändungsschutzkonto besteht allerdings noch weiterer Handlungsbedarf. Dieser stellt sich bei der sogenannten „Monatsanfangsproblematik“.

Was verbirgt sich hinter dem Wort „Monatsanfangsproblematik“?

Nach Auffassung einiger Finanzinstitute sind Zahlungen nur in dem Monat vor der Zwangsvollstreckung geschützt, in welchem sie auf das Pfändungsschutzkonto eingehen. Das bedeutet, dass zum Beispiel Sozialleistungen, die schon am Ende des Vormonats für den kommenden Monat überwiesen worden sind, nach Auffassung einiger Banken teilweise nur einen Tag oder zwei Tage dem Pfändungsschutz unterfallen.

Eigentlich sollte hier der Wortlaut des § 850k Abs. 1 S. 2 ZPO klar sein: Zahlungen, beispielsweise an SGB-II-Empfänger, die bereits Ende November überwiesen worden sind, jedoch für den Monat Dezember bestimmt sind, sollten auch bis Ende Dezember vom Pfändungsschutz umfasst sein!

Aber anscheinend verstehen einzelne Bankinstitute die Norm anders. Uns erreichen immer wieder Beschwerden über diese Praxis!

Im September diesen Jahres hat das Justizministerium angekündigt dieses Problem in Angriff zu nehmen. Wir sind auf die Neuregelung gespannt und werden die Diskussion darüber gerne mitgestalten.

Zusammenfassend kann ich feststellen. Mit dem Gesetzentwurf zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie in der Justiz und zur Änderung weiterer Vorschriften werden viele wichtige Teilbereiche zutreffend geregelt. Wir werden diesem Gesetzentwurf deshalb zustimmen.

26.11.2010 Justizrede von Ingrid Hönlinger

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Jetzt hat Ingrid Hönlinger das Wort für Bündnis 90/ Die Grünen.

Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin! Vor kurzem wurde in diesem Haus das Elfte Änderungsgesetz zum Atomgesetz beschlossen, das Gesetz zur Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Bisher war alles richtig! – Gegenruf des Abg. Florian Toncar [FDP]: Ja! Nur dass dieses Thema gerade nicht auf der Tagesordnung steht!)

Im Vorfeld kam die Frage auf, ob die Zustimmung des Bundesrates zu diesem Gesetz notwendig ist. Zahlreiche Experten, auch Experten, die die Bundesregierung benannt hat, haben diese Frage bejaht. Über all diese Bedenken haben sich die Regierungsfraktionen hinweggesetzt und das Gesetz im gestreckten Galopp durch die Gremien gejagt.

(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Wie wahr!)

Für diese Vorgehensweise erntete die Koalition selbst aus den eigenen Reihen herbe Kritik. So äußerte Ihr CDU-Kollege Bundestagspräsident Professor Lammert, dass dieses Verfahren den Verdacht der mangelnden Sorgfalt in sich trage. Es handele sich nicht um ein Glanzstück von Parlamentsarbeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)

Würde man diese Bewertung in Schulnoten ausdrücken, wäre das eine glatte Fünf, einfach mangelhaft.

(Christoph Strässer [SPD]: Nein! Eine Sechs! – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Bei mir wäre das eine Sechs!)

Wir meinen, dass wir uns in diesem Hause keinen solch schlechten Standard leisten dürfen und dass dies die Arbeit im Parlament massiv beschädigt. Wir dürfen uns auch nicht wundern, dass so viele Menschen ihren Protest gegen diese Politik zum Ausdruck bringen und in großer Zahl auf die Straße gehen. Sie selbst sorgen systematisch dafür, dass der soziale Frieden bei diesem Thema und bei anderen Themen gefährdet wird. Die Begünstigung von Lobbygruppen, hier der Atomlobby, führt dazu, dass die parlamentarische Arbeit an ihre Belastungsgrenze geführt wird, die der Bürger und der Polizei manchmal sogar über die Belastungsgrenze hinaus.

Wir Grünen sind gegen diese Art von Politik.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Typisch! Dagegen, dagegen, dagegen!)

Wir stehen für eine sorgfältige und ausgewogene Politik. Wir wollen verfassungsrechtliche Fragen gerne hier im Parlament beraten und dies nicht dem Bundesverfassungsgericht überlassen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Aha! Haben Sie etwa deshalb damals diesen komischen Kompromiss gemacht?)

Das gilt genauso für das Zugangserschwerungsgesetz, besser bekannt unter dem Stichwort „Netzsperren“. Zu diesem Gesetz fanden im Bundestag verschiedene Anhörungen statt; erst vor kurzem wurde eine Anhörung im Unterausschuss Neue Medien durchgeführt. Es wurde deutlich: Netzsperren sind ineffektiv und im Kampf gegen die Darstellung von Kindesmissbrauch im Netz sogar kontraproduktiv. Denn sie könnten ein Frühwarnsystem für Täter sein, mit der Folge, dass sie sich der Verfolgung entziehen könnten.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜND-NISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Ingo Wellenreuther [CDU/CSU]: Dummes Geschwätz!)

– Danke für den Beifall.

(Sebastian Blumenthal [FDP]: Das war zum Thema, nicht für Sie persönlich!)

Aus verfassungsrechtlicher Sicht kamen auch die Experten im Rechtsausschuss zu einem interessanten Schluss. Sie sagten, das Zugangserschwerungsgesetz sei mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Vor allem die Aussetzung des Gesetzes durch Ministererlass und damit einhergehend die Umgehung des Parlaments waren in der Geschichte dieser Republik einmalig. Das ist keine sorgfältige Rechtspolitik, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Burkhard Lischka [SPD]: Noch mal eine Sechs! – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Langsam ist die Versetzung gefährdet!)

Ein weiteres Thema, das uns in der Rechtspolitik beschäftigt, ist die Vorratsdatenspeicherung. Wir alle wissen: Das Bundesverfassungsgericht hat die Vorratsdatenspeicherung in ihrer bisherigen Form für verfassungswidrig und damit für nichtig erklärt. Vor allem aus verschiedenen Bundesländern wird in letzter Zeit der Ruf nach der raschen Wiedereinführung der verdachtsunabhängigen Speicherung von Telekommunikationsdaten aller Bürgerinnen und Bürger laut.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Ja! Genau das will doch auch das Bundesverfassungsgericht!)

Genau das ist Vorratsdatenspeicherung: die massenhafte und anlasslose Speicherung von Daten unbescholtener Bürger. Es ist schade, dass Ihnen nichts Besseres einfällt, als diese alten, verstaubten Vorschläge aus dem Hut zu ziehen.

Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle beim Bundesinnenminister, der klargestellt hat: Jetzt ist nicht der Gesetzgeber gefragt. – Es ist vollkommen richtig: Bei Hinweisen auf eine Gefährdungs- oder Bedrohungslage ist es die Aufgabe der Sicherheitsbehörden, zu handeln. Wir, die Politik, sollten sie dabei bestmöglich unterstützen. Wir sollten keine Panik machen, und wir sollten auch kein parteipolitisches Kalkül im Blick haben. Mit Verlaub, Herr Kollege Kauder, auch ich muss betonen: Auch der Ruf nach einer Einschränkung der Pressefreiheit ist hier fehl am Platze.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN – Burkhard Lischka [SPD]: Noch mal eine Sechs!)

Vorratsdatenspeicherung ist – da sind sich die Fachleute einig – kein wirkungsvolles Mittel der Terrorismusbekämpfung. Der demokratische Schaden steht in keinem angemessenen Verhältnis zum sicherheitspolitischen Nutzen.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Na ja! Es kommt darauf an, welche Fachleute man fragt!)

Gerade in Zeiten einer erhöhten Gefährdung sollten wir die Grundsätze unseres Rechtsstaates und unserer Demokratie hochhalten.

(Ingo Wellenreuther [CDU/CSU]: Sie sollten das Urteil wirklich noch einmal lesen!)

Das sollten Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der Union, bitte auch Ihren Kolleginnen und Kollegen in den Ländern deutlich machen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sollten bedenken, dass die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung gerade auf dem Prüfstand steht und es sich dabei um einen ergebnisoffenen Prozess handelt.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Aha! Und dann gilt sie nicht mehr, oder was? Was geprüft wird, gilt also nicht mehr! Was ist denn das für ein Rechtsstaatsverständnis?)

Wir stimmen mit der Justizministerin überein: Wir sollten das Ergebnis dieser Evaluierung abwarten. Würden wir jetzt überhastet einen neuen Gesetzentwurf vorlegen, müssten wir unsere Entscheidung in wenigen Monaten revidieren. Das wäre nicht gerade sinnfördernd.

Wir sollten jetzt die Gelegenheit nutzen, uns gemeinsam Gedanken zu machen, wie wir ein hohes Maß an Sicherheit gewährleisten, gleichzeitig aber auch dafür sorgen können, dass wir die Bürgerrechte, die verfassungsrechtlich verbürgten Bürgerrechte, nicht aufweichen. Denn, um es mit Carl Friedrich von Weizsäcker zu sagen, Freiheit ist ein Gut, das durch Gebrauch wächst, aber durch Nichtgebrauch dahinschwindet.

Frau Ministerin, meine Damen und Herren, unsere Aufgabe im Parlament besteht darin, verfassungskonforme Gesetze zu machen. Es darf nicht sein, dass wir das verfassungsmäßige Recht erst vor dem Bundesverfassungsgericht erkämpfen müssen. Wir müssen sorgfältig darauf achten, dass wir die Balance zwischen den Ansprüchen einer rechtsstaatlichen Demokratie und eines demokratischen Rechtsstaats halten.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Hier gibt es die Rede als Video.

29.10.2010 Bundestagsrede von Ingrid Hönlinger zum Erbrecht

Sehr geehrte Frau/Herr Präsident/in,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

heute beraten wir den Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder, die vor dem 01. Juli 1949 geboren sind.

Wir Grünen befürworten prinzipiell die Gleichstellung von nichtehelichen mit ehelichen Kindern. Bereits seit Jahren ist uns die umfassende Gleichstellung nichtehelicher und ehelicher Kinder ein zentrales Anliegen.

Es wird Zeit, dass dieses Thema auf die Tagesordnung des Bundestages kommt. Leider hat die Bundesregierung hat es erst nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vom 28. Mai 2009 aufgegriffen. In diesem Urteil wurde festgestellt, wie Sie wissen, dass im deutschen Erbrecht die Ungleichbehandlung von ehelichen und nichtehelichen Kindern, die vor dem 01. Juli 1949 geboren sind, im Widerspruch zur Europäischen Menschenrechtskonvention steht. Hier besteht eine Gleichstellungslücke, die dringend geschlossen werden muss.

Richtig ist, dass bei der Gleichstellung der Kinder im Erbrecht bereits viel geschehen ist. Mit ihrem Gesetzesentwurf fügt die Bundesregierung hier eine weitere Regelung hinzu. Sie beinhaltet eine Gleichstellung für Erbfälle, die nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte am 28.Mai 2009 eingetreten sind und eintreten werden.

Was ist aber mit den Erbfällen, die davor eingetreten sind?

Für diese Erbfälle sieht die Bundesregierung keine Neuregelung vor. Hier soll es bei der bisherigen Situation bleiben, also bei erbrechtlichen Unterschieden für ehelich und nicht ehelich geborene Kinder. Zur Begründung für die Beibehaltung dieser Ungleichbehandlung führt die Regierung an, dass für den Erblasser und seine Familie Vertrauensschutz bestehe.

Das ist fraglich. Zunächst einmal ist festzuhalten: Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes basiert gerade auf einem Fall, in dem der Erblasser bereits im Jahre 1998 verstarb, also schon 10 Jahre vor dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes. Hinzu kommt:

Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil klargestellt, dass der Gesichtspunkt des „Vertrauens“ des Erblassers und seiner Familie dem Gebot der Gleichbehandlung nichtehelicher und ehelicher Kinder unterzuordnen ist.

Das bedeutet aus unserer Sicht, dass die Menschenrechtskonvention von 1953 unter Berücksichtigung der Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eine weiter gehende Regelung erfordern könnte.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat im Jahr 1979 in einem Fall aus Belgien, im Marckx-Urteil, die Ungleichbehandlung nichtehelicher und ehelicher Kindern beanstandet. Diese Entscheidung bezieht sich auch auf erbrechtliche Fragen. Bereits seit 1979 steht damit fest, dass auch im Erbrecht eine Regelung gefunden muss, die eheliche und nichteheliche Kinder möglichst weitgehend gleichstellt.

Für einen nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung in der jetzigen Bundesrepublik wäre das auch nichts Neues. In den Gebieten, die jetzt die Bundesländer Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen umfassen, wurde bereits 1976 die volle erbrechtliche Gleichstellung für eheliche und nichteheliche Kinder implementiert.

Wenn wir uns also fragen, ab wann und wie wir die erbrechtliche Gleichstellung für Kinder, die vor dem 01. Juli 1949 nichtehelich geboren sind, vornehmen müssen, dann ergeben sich dafür mehrere Möglicheiten:

Das könnte der Tag des Inkrafttretens der Europäischen Menschenrechtskonvention, der 3. September 1953 sein. Darin ist geregelt, dass eheliche und nichteheliche Kinder gleich zu behandeln sind.

Das könnte auch der Tag sein, nach dem der Gerichtshof in seinem Urteil gegen Belgien die Ungleichbehandlung nichtehelicher und ehelicher Kindern beanstandet hat, also der 14. Juni 1979. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war klar, dass die Ungleichbehandlung gegen die Menschenrechtskonvention verstößt.

Das könnte der Tag sein, den nun die Bundesregierung in ihrem Entwurf gewählt hat, also der 29.09.2009.

Die letzte Alternative erscheint uns nicht ausreichend. Deshalb können wir dem Gesetzesentwurf in der jetzigen Form nicht zustimmen. Wir sollten in den kommenden Beratungen noch einmal intensiv darüber diskutieren, ab welchem Tag wir die Neuregelung eintreten lassen und welche Form wir hierfür wählen. Vielen Dank.

28.10.2010 Bundestagsrede von Ingrid Hönlinger zu Teilzeitwohnrechteverträgen

Sehr geehrte Frau/Herr Präsident/in,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir befassen uns heute mit dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Modernisierung der Regelungen über Teilzeit-Wohnrechteverträge und andere Urlaubsprodukte. Dabei geht es um das Recht des Kunden, ein Ferienobjekt oder ein Hotel jedes Jahr für eine gewisse Zeit zu nutzen.

Der Gesetzesentwurf setzt die Richtlinie 2008/122/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Januar 2009 über den Schutz der Verbraucher im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Teilzeitnutzungsverträge und andere Urlaubsprodukte um. Die Richtlinie basiert auf dem Prinzip der Vollharmonisierung. Abweichende innerstaatliche Regelungen – auch zugunsten des Verbrauchers – sind damit innerhalb des Regelungsumfanges der Richtlinie grundsätzlich nicht zulässig.

Auf europäischer Ebene fand die Richtlinie ebenfalls unsere Zustimmung. Damit begrüßen wir den Gesetzesentwurf der Bundesregierung.

Um Ihr Verständnis für den Inhalt der Richtlinie und deren Bedeutung zu wecken, möchte ich Ihnen einen Einblick in den Regelungsgehalt der Richtlinie geben.

Für welche Ferienprodukte hat die Richtlinie die Anwendung vorgesehen?

Meine Damen und Herren, neu erfasst werden Teilzeit-Nutzrechte an beweglichen Unterkünften, wie zum Beispiel an Hausbooten oder Wohnmobilen. Ferner werden erstmals langfristige Urlaubsprodukte erfasst, bei denen es um Preisnachlässe oder andere Vergünstigungen im Zusammenhang mit einer Unterkunft geht. Das betrifft zum Beispiel die Mitgliedschaft in so genannten Reise-Rabatt-Clubs. Schließlich werden Vermittlungsverträge sowie Mitgliedschaften in Tauschsystemen über Teilzeit-Wohnrechteverträge erfasst.

Um den Schutzbereich der zugrunde gelegten Vorschriften verbraucherfreundlicher zu gestalten, wurde die Laufzeit auf ein Jahr verkürzt. Zuvor betrug die Laufzeit drei Jahre. Dieser erweiterte Anwendungsbereich trägt der veränderten und ausgeweiteten Nutzung der Teilzeit-Wohnrechte Rechnung.

Eine weiterer wichtiger Aspekt ist das Widerrufsrecht des Verbrauchers.

Für uns war es besonders wichtig, dass der Verbraucher bei allen Verträgen dieser Art mindestens ein 14-tägiges Widerrufsrecht erhält. Hinzukommt, dass während der Widerrufsfrist ein Anzahlungsverbot besteht. Ein weiterer wichtiger Aspekt des Verbraucherschutzes ist, dass der Verbraucher im Falle eines Widerrufs keine Kosten tragen und auch kein Nutzungsersatz zahlen muss.

Ein anderes zentrales Thema in diesem Kontext ist die vorvertragliche Informationspflicht des Unternehmers.

Meine Damen und Herren, die Richtlinie sieht vor, dass der Unternehmer den Verbraucher vor Vertragsschluss ausführlich über die wesentlichen Aspekte, wie über den Leistungsumfang und den Preis samt Nebenkosten, informieren muss. Dafür müssen europaweit einheitliche vorgegebene Informationsformulare benutzt werden. Dies dient dem Verbaucher. Er kann auf einem Blick unterschiedliche Angebote miteinander vergleichen.

Meine Damen und Herren, eine große Barriere liegt oft in den unterschiedlichen Sprachen. Wie soll der Deutsche auf spanisch seine Rechte verstehen? Oder wie soll der Spanier in Frankreich seine Rechte verstehen?

Um diesem Problem Rechnung zu tragen, sieht die Richtlinie vor, dass die Informationen und der Vertrag grundsätzlich in der Amtssprache des Staates verfasst sein muss, in welchem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat.

Wir begrüßen den Gesetzesentwurf der Bundesregierung. Er setzt die Vorgaben der Europäischen Richtlinie konstruktiv um.

Die Richtlinie bringt ganz Europa auf ein höheres Verbraucherschutzniveau, egal ob die Verträge in Deutschland, Spanien oder einem anderen EU-Mitgliedstaat geschlossen werden. Die Richtlinie ermöglicht einen umfassenden Verbraucherschutz für Teilzeit-Wohnrechte und andere Urlaubsprodukte.

21.10.2010 Kleine Anfrage von Ingrid Hönlinger zu §522 Absatz 2 Zivilprozessordnung

In der am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Zivilprozessreform wurden neben anderen Strukturänderungen die Rechtsmittel neu gestaltet. Ziel war es, eine Entlastung der Gerichte zu erwirken. In diesem Zuge wurde auch § 522 Absatz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) neu eingeführt, der den Umgang mit unbegründeten Berufungen regelt.

Die Vorschrift besagt, dass das Berufungsgericht die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch einstimmigen Beschluss zurückweisen kann, wenn die Be- rufung keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheit- lichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfor- dert. Gemäß § 522 Absatz 3 ZPO ist der zurückweisende Beschluss unanfecht- bar. Damit ist für die Berufungsklägerin bzw. den Berufungskläger der Rechts- weg vor den ordentlichen Gerichten erschöpft.

Wird dagegen die Berufung als unzulässig verworfen, weil sie nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden ist, ist gegen diesen Beschluss das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde gege- ben. Das Rechtsmittel ist möglich, obwohl in diesem Fall lediglich formale Gründe zur Verwerfung geführt haben.
Auch wenn das Berufungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Ver- handlung durch Urteil über die Berufung entscheidet, gibt es ein Rechtsmittel, die Revision. Sie findet statt, wenn das Berufungsgericht sie in seinem Urteil zugelassen hat oder wenn eine erfolgreiche Nichtzulassungsbeschwerde erfolgt ist.

In der 16. Wahlperiode hat die Fraktion der FDP bereits einen Gesetzentwurf zur Änderung der Zivilprozessordnung (§ 522 ZPO) eingebracht.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Rechtssachen werden seit der Zivilrechtsreform 2002 im Beru- fungsverfahren bei den Oberlandesgerichten jährlich erledigt?

2. Wie hoch sind die jeweiligen Anteile in Prozentzahlen, untergliedert nach streitigem Urteil, § 522 Absatz 1 ZPO (Verwerfung), § 522 Absatz 2 ZPO (Zurückweisung) und Berufungsrücknahme im Bundesdurchschnitt?

3. Wie hoch sind die jeweiligen Prozentzahlen bei einer Untergliederung nach Bundesländern?

4. Wie hoch sind die jeweiligen Prozentzahlen bei den einzelnen Oberlandes- gerichten?

5. Wie hoch sind die jeweiligen Prozentzahlen seit 2002 im Bundesdurch- schnitt bei den Landgerichten?

6. Wie hoch sind die jeweiligen Prozentzahlen seit 2002 auf Landgerichts- ebene bei einer Untergliederung nach Bundesländern?

7. Falls die einzelnen Quoten hinsichtlich der Beschlüsse nach § 522 Absatz 2 ZPO von Bundesland zu Bundesland bzw. zwischen den verschiedenen Oberlandesgerichtsbezirken variieren, worauf sind diese Differenzen zu- rückzuführen?

8. Aus welchem sachlichen Grund gibt es bei § 522 Absatz 2, 3 ZPO – im Gegensatz zu § 522 Absatz 1 ZPO – nicht die Möglichkeit, gegen die Zurückweisung der Berufung mit der Rechtsbeschwerde vorzugehen?

9. Wie hoch ist die Entlastung der Gerichte in konkreten Zahlen, die durch die Schaffung des § 522 Absatz 2 ZPO erreicht worden ist?

10. Wie hoch ist die Prozentzahl der erfolgreichen Nichtzulassungsbeschwer- den nach Zurückweisung von Berufungen durch Urteil im Bundesdurch- schnitt?

11. Wie hoch ist jeweils die Prozentzahl in den einzelnen Bundesländern?

12. Wie hoch ist jeweils die Prozentzahl in den einzelnen Oberlandesgerichts- bezirken?

13. Beabsichtigt die Bundesregierung die Norm des § 522 Absatz 2 ZPO zu reformieren, und wenn ja, inwiefern, und aus welchen Gründen?

14. Welche Meinung vertritt die Bundesregierung zu einer vollständigen Strei- chung des § 522 Absatz 2 ZPO?

15. Wenn eine Reformierung angestrebt wird, wann soll diese konkret vor- genommen werden?

Soll sie noch in diesem Jahr geschehen?

Die Anfrage als Bundestagsdrucksache finden Sie hier.

Bundestagsrede von Ingrid Hönlinger zum Testamentsregister

Sehr geehrte Frau/Herr Präsident/in,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir befassen uns heute mit dem Antrag des Bundesrates zur Einführung eines zentralen Testamentsregisters und eines zentralen Vorsorgeregisters. Der vorliegende Gesetzesentwurf befasst sich neben der Zusammenführung von Urkunden zu Erbfällen, auch mit Bereichen der Vorsorgevollmacht und Betreuungsvollmacht.

Grundsätzlich befürworten wir die Einführung von zentralen Registern. Denn durch sie können – bei richtiger Umsetzung – Verfahren vereinfacht und vor allem beschleunigt werden. Zentrale Register können zu einer Reduzierung von bürokratischen Abläufen führen.

Der Gesetzesentwurf beantwortet allerdings nicht hinreichend die Frage, wie ein zentrales Testamentsregister und Vorsorgeregister sicher und sinnvoll instrumentalisiert werden kann.

Meine Damen und Herren, der Gesetzesentwurf des Bundesrates sieht vor, die Materie durch Rechtsverordnung zu regeln. Neben der Zusammenführung von Urkunden zu Erbfällen werden auch Bereiche der Vorsorgevollmacht und Betreuungsvollmacht erfasst. In den zentralen Registern sollen somit Daten aus verschiedenen Lebensbereichen und von unterschiedlichen Stellen zusammengeführt werden. Dadurch entsteht eine zentrale Datenbank. Entscheidende Punkte, wie der Umfang der anzumeldenden Dokumente, die Aufsichtspflicht über den Bestand, Sicherheitsstandards usw. bergen erhebliche datenschutzrechtliche Risiken, insbesondere im Blick auf das Recht der informationellen Selbstbestimmung.

Für Vorhaben dieser Größenordnung sieht unsere Verfassung den Vorbehalt des Gesetzes vor. Das Parlament darf es sich nicht nehmen lassen, diese Materie durch ein Gesetz zu regeln.

Auch auf weitere Aspekte aus dem Gesetzesentwurf möchte ich eingehen.

Meine Damen und Herren, wir sind der Ansicht, dass auch für ein sicheres Testamentsregister der Datenschutz an oberster Stelle stehen muss. Wir können nicht 12,6 Mio. Euro für eine solche Maßnahme aufwenden und dabei den Datenschutz nur unzureichend berücksichtigen!

Der Gesetzesentwurf des Bundesrates sieht vor, die Speicherung und Aufnahme der Daten lediglich im Sinne des § 8 Bundesdatenschutzgesetz zu gewährleisten. Die maßgebliche Vorschrift für Anforderungen an die technischen und organisatorischen Maßnahmen werden durch § 9 Bundesdatenschutzgesetz sichergestellt. Diese Schutzmaßnahmen greift der Gesetzesentwurf nicht auf. Die Speicherung und Aufnahme der Daten wäre demnach lückenhaft. Hinzukommt, dass der Gesetzesentwurf sich bei der Erhebung und Verwendung der Daten nicht auf das notwendige Maß beschränkt. Diese einschränkende Regelung fehlt vollkommen. Der Datenschutz wird somit nicht vollumfänglich gewährleistet.

Ein weiterer Aspekt betrifft den Übermittlungs- und Überführungsvorgang. Wie kann sichergestellt werden, dass die Daten auch übertragen werden, wenn die Technik versagt?

Der Gesetzesentwurf sieht neben den elektronischen Regelungen keine Ausnahmen vor. Meine Damen und Herren, auch im Zeitalter der scheinbar perfekten Technik sollten wir immer auch noch eine andere Art der Datenübertragung sicherstellen. Wir müssen dafür sorgen, dass Informationen auch mit anderen Mitteln von A nach B gelangen können.

Wo kann ich während der Überführung in das neue Register in den nächsten drei Jahren Auskunft verlangen?

Der Gesetzesentwurf enthält Regelungen zur Überführung der Altakten. Allerdings ist nicht geregelt, wann die Überführung beendet sein soll. Der Gesetzestext bietet keine hinreichende Gewähr dafür, dass es zu einem Nebeneinander zwischen altem und neuem System kommt. Wir regen an, dass eine Fristenregelung zur Überführung der Altdaten eingeführt wird. Dies kann erheblichen Verzögerungen vorbeugen.

Um ein sinnvolles Testamentsregister zu schaffen, sollte klar geregelt werden, wann die Registerbehörde Mitteilungen zu machen hat. Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass die Registerbehörde im Todesfalle eine Mitteilung an das Nachlassgericht zu tätigt. Meine Damen und Herren, diese Regelung ist nicht praktikabel, da das Gericht in der Regel erst tätig wird, wenn ein Erbscheinverfahren eingeleitet wird. Dann ist eine Auskunftserteilung von Amts wegen möglich. Eine vorherige Zusendung würde ohne Bearbeitung bei Gericht liegen und keinem Verfahren zugeordnet werden können. Diese Vorschrift würde somit nur unnötigen Arbeitsaufwand verursachen.

Ich möchte gerne noch einen anderen wichtigen Aspekt ansprechen: Das Auskunftsrecht der Erblasser. Für das Register ist lediglich vorgesehen, dass Gerichten und Notaren auf Ersuchen Auskunft aus dem Register erteilt wird. Das genügt unserer Ansicht nach nicht. Den Erblassern sollte ein eigenes Auskunftsrecht zustehen. Schließlich werden dort ihre Testamente registriert.

Als letzten Punkt komme ich auf die Kosten zu sprechen. In der Begründung führt der Bundesrat aus, dass das Vorhaben Kosten in Höhe von 12,6 Millionen Euro verursachen wird. Die Kosten des laufenden Registerbetriebs werden mit jährlich 2,8 Millionen Euro veranschlagt. Durch die Registergebühr in Höhe von 15 Euro sollen diese Kosten bezahlt werden können. Konkretere Angaben über die Einkommensseite werden nicht gemacht. Bei Vorhaben von solchem Ausmaß ist aber eine genaue Kalkulation von Nöten.

Abschließend ist zu sagen, dass der Ansatz des Bundesrates zu begrüßen ist. Jedoch ist das Vorhaben insgesamt nicht ausreichend durchdacht. Insbesondere das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung wird nicht ausreichend abgesichert. Der Datenschutz ist lückenhaft. Meine Fraktion lehnt diesen Antrag deshalb ab.

29.09.2010 Neue Privilegien für den Fiskus durch die Hintertür

Zum Vorhaben der Bundesregierung, neue Privilegien für den Fiskus in die Insolvenzordnung einzufügen, erklären Christine Scheel, Mittelstandbeauftragte, und Ingrid Hönlinger, Sprecherin für Demokratiepolitik:

Die drei neuen Privilegien zugunsten des Fiskus werden mögliche Betriebsfortführungen im Rahmen von Insolvenzplanverfahren konterkarieren. Bereits insolventen Unternehmen wird zusätzlich Liquidität entzogen, die sie im Rahmen von Insolvenzplanverfahren dringend benötigen würden. Damit wird das zentrale Ziel des Gesetzentwurfs der Bundesjustizministerin, nämlich das Insolvenzplanverfahren zu stärken, untergraben.

Mit den von der Bundesregierung geplanten Maßnahmen zur Bevorzugung des Fiskus gegenüber anderen Gläubigern sollen nach Einschätzung der Bundesregierung 390 Millionen Euro Mehreinnahmen im Jahr reingeholt werden.

Dabei ist allen klar: Mehr gelungene Betriebssanierungen bringen mehr Steuereinnahmen und Einnahmen für die Sozialversicherungen. Wer den Einstieg in Insolvenzplanverfahren wegen kurzsichtiger Interessen des Fiskus verhindert, zerschlägt mehr Unternehmen als notwendig. Gleichzeitig werden die Forderungen anderer Gläubiger gefährdet, die dann ihrerseits Liquiditätsschwierigkeiten bekommen können. Die rein fiskalisch angelegte Rechnung des Bundesfinanzministers ist abzulehnen, da sie nicht nachhaltig angelegt ist.

24.09.2010 Gleicher Zugang zum Recht

Zum Abschluss des Deutschen Juristentages erklärt die Ludwigsburger Bundestagsabgeordnete, Sprecherin für Demokratiepolitik und Obfrau im Rechtsausschuss von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ingrid Hönlinger:

Der Deutsche Juristentag ist seinem Anspruch, aktuelle Rechtsthemen zu diskutieren auch bei seinem 150-jährigen Jubiläum gerecht geworden.

Ein zentrales Thema bleibt die Frage: Wie ermöglichen wir für die Bürgerinnen und Bürger den gleichen Zugang zum Recht?

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Bundesrepublik in 54 Fällen wegen überlanger Verfahren gerügt. Das sind Einzelfälle. Dennoch gibt es bei uns im Lande zu viele Gerichtsverfahren, die zu lange dauern. Um das zu ändern, brauchen wir strukturelle Verbesserungen in den Verfahren. Die Länder müssen sich die Frage nach der Personalausstattung stellen lassen. Und wir brauchen ein effektives Verfahren gegen inakzeptable Verzögerungen. Eine Untätigkeitsbeschwerde bei der nächst höhen Instanz könnte hier Abhilfe schaffen.

Ein weiteres wichtiges Thema ist die Mediation. Mediation heißt: Vermittlung durch einen allparteilichen Dritten, der versucht, in einem gesteuerten Mediationsprozess win-win-Lösungen für alle Beteiligten zu erzielen. Zur Mediation hat die EU eine Richtlinie beschlossen, die wir im Bundestag bis Mai 2011 in nationales Recht umsetzen müssen. Dazu hat die Bundesregierung einen Entwurf vorgelegt, der einige positive Ansätze enthält. Hier müssen aber noch wichtige Ergänzungen vorgenommen werden: Die Aus- und Fortbildung der Mediatoren ist ein zentraler Baustein für qualitätvolle Mediation. Sie erfordert einen möglichst hohen Standard, der fortlaufend gesichert werden muss. Eine Mediationskostenhilfe in Anlehnung an die Prozesskostenhilfe kann zur Gleichwertigkeit der Konfliktlösungswege beitragen. Sie bewirkt auch, dass einkommensschwache Schichten Zugang zu diesem Verfahren erhalten können. Dieser finanzielle Einsatz würde sich in kürzester Zeit rechnen durch eine spürbare Entlastung der Gerichte.

Ein aktueller Gesetzentwurf des Bundesrates zum Beratungshilfegesetz will die Beratungshilfe finanziell einschränken. Und das, obwohl nach einem aktuellen Bericht des Bundesamtes für Justiz von Juli 2010 die Ausgaben für Beratungshilfe bundesweit zum zweiten Mal hintereinander sanken; insgesamt um 2,7 Mio. Euro. Auch zur Einschränkung der Prozesskostenhilfe werden Überlegungen angestellt. Einer Kürzung in diesem Bereich werden wir Grüne nicht zustimmen. Wer in der Praxis mit Prozesskosten- und Beratungshilfe arbeitet, weiß, dass die Gerichte diese Gelder nicht leichtfertig bewilligen. Sie kontrollieren intensiv, an wen und wofür die Hilfen vergeben werden.

Wir dürfen in Deutschland keine „Zwei-Klassen-Justiz'“ schaffen – Rechtsdurchsetzung für Menschen, die es sich finanziell leisten können und erschwerte Rechtsdurchsetzung für Menschen, die es sich finanziell nicht so leicht leisten können. Gleicher Zugang zum Recht bedeutet, dass alle Menschen Zugang zu rechtlicher Beratung haben, unabhängig von ihrem Einkommen.

24.09.2010 Ingrid Hönlinger beim grünen Empfang zum Juristentag

Das Interesse war groß. Etwa 200 Gäste begrüßte die Bundestagsfraktion bei ihrem schon zur Tradition gewordenen Empfang anlässlich des Deutschen Juristentages (DJT). Hochrangige Vertreterinnen und Vertreter aus der Justiz, der Anwaltschaft, dem Bundesjustizministerium und der Wissenschaft sowie zahlreiche weitere Teilnehmende des DJT fanden sich am 23. September 2010 im Mendelssohn-Haus nahe des Gendarmenmarktes in Berlin ein. Auch der Vorsitzende der Justizministerkonferenz, der grüne Justizsenator Till Steffen aus Hamburg, war zugegen.

Ingrid Hönlinger, grüne Obfrau im Rechtsausschuss, betonte den grünen Einsatz für den Zugang zum Recht. Als Beispiel nannte sie einen Rechtsbehelf gegen überlange Gerichtsverfahren. Sie wies auf die Mediation als wirkungsvolle Methode der Konfliktlösung hin. Dabei forderte sie eine Mediationskostenhilfe und weitere Verbesserungen bei der Umsetzung der Mediationsrichtlinie der EU in deutsches Recht. Sie äußerte Kritik an Bestrebungen, die Beratungshilfe einzuschränken. „Nach unserer festen Überzeugung dürfen wir in Deutschland keine Zwei-Klassen-Justiz schaffen.“

Weitere Informationen und Bilder gibt es hier.

16.09.2010 Rede von Ingrid Hönlinger zum Einzelplan Justiz des Haushalts

Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin! Ein zentrales Anliegen unserer Diskussionen im Rechtsausschuss und im Plenum ist die Frage: Wie ermöglichen wir den Bür­gerinnen und Bürgern den gleichen Zugang zum Recht? Hierzu möchte ich auf fünf zentrale Punkte eingehen.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Bundesrepublik in 54 Fällen wegen überlanger Ver­fahren gerügt. Sicher sind das Einzelfälle. Dennoch gibt es bei uns im Lande zu viele Gerichtsverfahren, die zu lange dauern.

Bürgerinnen und Bürger haben nur dann Vertrauen in die Gerichtsbarkeit, wenn sie innerhalb absehbarer Zeit auch ein gut begründetes Urteil erhalten. Um dies zu ge­währleisten, brauchen wir strukturelle Verbesserungen in den Verfahren, die Länder müssen sich die Frage nach der Personalausstattung stellen lassen, und wir brauchen ein effektives Verfahren. Da reicht uns der Entwurf, der vorgelegt wurde, nicht aus. Eine Untätigkeitsbeschwerde könnte hier zusätzlich Abhilfe schaffen.

Insgesamt 18 Jahre dauerte ein Rechtsstreit um eine Hinterbliebenenrente. Das ist eine unzumutbare Heraus­forderung für den Rechtsuchenden, aber auch für An­wälte und Gerichte. Ein solcher Fall darf sich nicht wie­derholen. Dafür müssen wir hier sorgen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Eine weitere Ohrfeige aus Straßburg hat diese Bun­desregierung beim Thema Sorgerecht erhalten; das wurde schon gesagt.

(Florian Toncar [FDP]: Uralt! – Christian Ahrendt [FDP]: Uralt!)

Es wurde festgestellt, dass nichteheliche Väter durch das Sorgerecht, wie es jetzt geregelt ist, diskriminiert wer­den. Wir alle kennen aber Paare, bei denen sich sowohl die Mutter als auch der Vater bestens um die Kinder kümmern. Wir meinen: Bei einer Neuregelung des Sor­gerechts muss das Kindeswohl im Vordergrund stehen, und wir müssen die Rechte und Pflichten für verheiratete und nicht verheiratete Väter möglichst weitgehend an­gleichen. Bis heute hat es die Regierung leider nicht ge­schafft, eine brauchbare Vorlage zu liefern. Wir Grünen werden uns jedenfalls energisch für eine Neuregelung des Sorgerechts einsetzen – im Sinne eines Antragsver­fahrens.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Stichwort Mediation ist bisher noch nicht gefal­len. Wir müssen die EU-Richtlinie zur Mediation hier im Bundestag bis Mai 2011 umsetzen. Auch hierfür liegt ein Entwurf vor, der einige positive Aspekte enthält. Es feh­len aber einige wichtige Punkte:

Zum Beispiel ist die Aus- und Fortbildung ein wichti­ger Bestandteil der Qualitätssicherung der Mediation, und die Aus- und Fortbildung muss fortlaufend gesichert werden.

Das Gleiche gilt für die Antwort auf die Frage, wie wir einkommensschwachen Schichten den Zugang zur Mediation gewähren. Wir meinen, dafür brauchen wir ein Mediationskostenhilfeverfahren in Anlehnung an die Prozesskostenhilfe. Wir reden jetzt gerade über den Haushalt. Natürlich kostet so etwas Geld, aber aufgrund der spürbaren Entlastung der Gerichte können wir auch wieder Geld einsparen. Unsere Nachbarländer haben es uns schon vorgemacht. In den Niederlanden, in Frank­reich und in Norwegen gibt es eine Mediationskosten­hilfe.

Die Mediation ist ein demokratisches Verfahren, durch das die Selbstbestimmung und auch die Mitwir­kung gestärkt werden. Ich meine, es lohnt sich, auf die­sem Weg weiterzugehen, und wir Grünen werden uns dafür nachhaltig einsetzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zugang zum Recht bedeutet auch, dass alle Menschen Zugang zum Recht erhalten, unabhängig von der Größe ihres Geldbeutels. Es liegt jetzt ein Gesetzentwurf des Bundesrates zur Beratungshilfe vor. Die Beratungshilfe soll eingeschränkt werden, obwohl die Kosten für die Beratungshilfe in den letzten Jahren zweimal hinter­einander gesunken sind. Das haben wir aus einem ak­tuellen Bericht aus dem Bundesamt für Justiz erfahren. Die Kosten sind um insgesamt 2,7 Millionen Euro ge­sunken. Dennoch soll die Beratungshilfe weiter einge­schränkt werden.

Frau Ministerin, Sie haben sich zu dem Bundesrats­entwurf kritisch geäußert. Ich kann Sie darin nur bestär­ken und hoffe, dass Sie diese kritische Einschätzung weiterhin aufrechterhalten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zum Insolvenzrecht. Mit drei Änderungen im Haus­haltsbegleitgesetz wollen Sie den Fiskus gegenüber an­deren Gläubigern besserstellen. Das soll dem Fiskus jährlich 390 Millionen Euro einbringen. Meine Damen und Herren von der Regierungsbank, damit zeigen Sie leider zum wiederholten Male, dass Ihnen kurzfristige Gewinne wichtiger als langfristige wirtschaftspolitische Konzeptionen sind. Sie wollen kurzfristig staatliche Ein­nahmen erzielen, vergessen aber völlig, dass Sie damit langfristig einen wirtschaftlichen Schaden anrichten, der um ein Vielfaches größer sein wird. Ihre Pläne führen zu einem Liquiditätsabfluss bei den Unternehmen. Dadurch wird eine Sanierung der betroffenen Unternehmen im­mer schwieriger, und es besteht die Gefahr, dass Sie die Betriebe und damit auch die Gläubiger direkt von der In­solvenz in den Ruin treiben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir Grünen wollen Betriebe retten, damit diese Be­triebe auch morgen wieder Beschäftigung schaffen und Steuern zahlen können. Das ist für uns die Konzeption der Zukunft. Aus diesem Grund können wir uns dieser Strohfeuerfinanzpolitik nicht anschließen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Da muss sie selber la­chen!)

Hier gibt es die Rede von Ingrid Hönlinger zum Anschauen.

13.09.2010 Regenbogen-Familien-Fest mit Ingrid Hönlinger

Fast 200 Gäste, darunter rund 50 Kinder, kamen am 12. September 2010 auf Einladung der grünen Bundestagsfraktion zum „Regenbogen-Familien-Fest“. Bei schönem Wetter und in sehr familiärer Atmosphäre wurde diskutiert, gespielt und gegrillt.

Fraktionsvorsitzende Renate Künast – begleitet von den fröhlichen Stimmen unserer jüngsten Gäste – erinnerte an die historische Entwicklung des Familienbegriffes auch bei den Grünen: Familie ist, wo Menschen Verantwortung füreinander übernehmen. Auch Regenbogenfamilien gehörten in die Mitte der Gesellschaft. Das sei allerdings bei vielen Konservativen noch nicht angekommen.

Während die meisten kleinen Gäste nach der Begrüßungsrunde eifrig an einem Kinderprogramm teilnahmen, ging die Diskussion im Saal weiter. Zwei Regenbogenfamilien berichteten unter Moderation von Ingrid Hönlinger, Sprecherin für Demokratiepolitik, aus ihrem Alltag. Marcel und Rainer haben insgesamt drei Kinder in Pflege genommen – die älteste Tochter ist nun 16 Jahre alt. Neben den Freuden der Elternschaft berichteten die beiden Väter aber auch von Schwierigkeiten vor allem mit den Jugendämtern. Durch die häufigen Umzüge der leiblichen Mütter der Kinder hätten sie es häufig mit wechselnden Ansprechpartnern überall in der Republik zu tun – und nicht alle hätten die nötige Kompetenz, um mit der besonderen Situation einer Regenbogenfamilie umzugehen.

Weitere Informationen und Fotos gibt es hier.

03.09.2010 Verfahrensdauer: Justizministerin muss wirksamer handeln

Anlässlich des Urteils des EGMR zu überlangen Gerichtsverfahren in Deutschland erklärt die Ludwigsburger Bundestagsabgeordnete Ingrid Hönlinger, Sprecherin für Demokratiepolitik von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Mitglied im Rechtsausschuss:

Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger lässt sich erneut von Straßburg treiben. Zum wiederholten Mal ist Deutschland wegen zu langer Verfahrensdauern vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gerügt worden. Jetzt muss Deutschland unverzüglich, spätestens innerhalb eines Jahres, einen Rechtsbehelf gegen überlange Gerichtsverfahren einführen. Straßburgs Geduld ist am Ende. Unsere auch.

Nach dem Zögern und der dann verfehlten Lösung bei der Neuordnung der Sicherungsverwahrung droht nun die Wiederholung nach dem gleichen Muster.

Zwar hat die Ministerin zur Verfahrensdauer mittlerweile endlich einen Gesetzentwurf vorgelegt. Doch der ist nach Widerständen aus der Justiz weichgespült. Was nutzt eine Entschädigung, wenn das Verfahren nicht aktiv beschleunigt werden kann? Wir brauchen einen echten Rechtsbehelf, der auch präventive Wirkung hat. Das hat Straßburg schon im Januar 2009 bevorzugt.

Im europäischen Vergleich steht Deutschland mit der Dauer seiner Gerichtsverfahren nicht schlecht da. Aber den Einzelnen, die doch von unzumutbaren Verzögerungen betroffen sind, hilft das nicht. Im Rechtsstaat muss der Rechtsschutz effektiv sein. Und das heißt auch: zügig.
Das müssen Bürgerinnen und Bürger einfordern können.

Aber wir sagen auch: Trotz aller Sparzwänge sind die Bundesländer in der Verantwortung für eine angemessene personelle und sachliche Ausstattung der Gerichte, damit sie ihre Aufgaben erfüllen können.

26.08.2010 Vormundschaftsrecht: Kinderrechte schützen

Zum Kabinettsbeschluss für ein Gesetz zur Änderung des Vormundschafts- und Betreuungsrechts erklärt Ingrid Hönlinger, Sprecherin für Demokratiepolitik:

Der beschlossene Gesetzentwurf stellt einen ersten Schritt dar, um Defiziten im Vormundschafts- und Betreuungsrecht entgegenzuwirken und den Schutz des Kindes weiter auszubauen.

Nach bedrückenden Vorkommnissen in der Vergangenheit war es dringend notwendig die Situation von Kindern unter Vormundschaft zu verbessern. Das Kindeswohl muss im Gesetzgebungsverfahren im Mittelpunkt stehen.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung enthält jedoch noch erhebliche Schwachstellen, die korrigiert werden müssen. Im Entwurf finden sich zu viele formalistische Fixierungen, die dem Vormund die Möglichkeit nehmen, flexibel auf die Bedürfnisse der verschiedenen Mündel zu reagieren. Ein regelmäßiger monatlicher Besuch ist sicherlich richtig, gleichzeitig sollte jedoch die Möglichkeit erhalten bleiben, bedarfsorientiert die Besuche zu gestalten. Auch ist die Obergrenze von 50 Mündeln sehr hoch gegriffen. Es stellt sich die Frage, ob ein Vormund hierbei eine echte und intensive Betreuung gewährleisten kann.

Die finanziellen Folgen des Gesetzentwurfes sind nicht konsequent zu Ende gedacht. Die Kommunen sind schon durch andere Pflichtaufgaben am Rande ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit und finanziell nicht in der Lage die Kosten dieser neuen Maßnahme alleine zu tragen. Es besteht die Gefahr, dass Gelder aus anderen wichtigen Bereichen der Jugendhilfe abgezogen werden.

17.08.2010 Europäische Richtlinien zur Gleichbehandlung umsetzen

Anlässlich des vierten Jahrestages seit Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) am 18.08.2006 erklärt die Ludwigsburger Bundestagsabgeordnete und Sprecherin für Demokratiepolitik Ingrid Hönlinger:

Auch vier Jahre nach Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes bestehen noch erhebliche Defizite in der Umsetzung der europäischen Richtlinien. Gleichbehandlung ist und bleibt ein unerledigtes Thema.

Im Arbeitsrecht ist bislang der Bereich Kündigungen europarechtswidrig im AGG ausgenommen. Der Schutz vor diskriminierenden Kündigungen muss jedoch generell gewährleistet werden. Zudem muss der Diskriminierungsschutz für Menschen mit Behinderungen verbessert werden. Beseitigt werden muss auch die Benachteiligung gleichgeschlechtlicher Paare im Beamtenrecht bei Beihilfe, Familienzuschlag und Hinterbliebenenpensionen.

Darüber hinaus ist vor allem auch die Aufklärung über Diskriminierung von zentraler Bedeutung, denn viele Menschen kennen das AGG und ihr Recht auf Diskriminierungsschutz bisher nicht. Hier muss weiterhin Informationsarbeit geleistet werden.

04.08.2010 Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Lateinamerika stärken

Zur Verabschiedung des neuen Lateinamerikakonzeptes durch das Bundeskabinett erklärt Ingrid Hönlinger, Sprecherin für Demokratiepolitik und Vorsitzende der deutsch-südamerikanischen Parlamentariergruppe:

Ich begrüße, dass das Bundeskabinett nach 15 Jahren ein neues Lateinamerika-Konzept vorlegt, um die Beziehungen zu dieser wichtigen Region auf eine neue Grundlage zu stellen.

Lateinamerika ist ein wichtiger Partner für Deutschland. Es hat eine vielfältige Kultur, lebendige Traditionen und eine bewegende Geschichte, die ihre Wurzeln auch in Deutschland hat. Deutschland und Lateinamerika teilen gemeinsame Werte. Das ist mit ein Grund für die vielfältigen Kontakte zwischen Lateinamerika und Deutschland. Viele lateinamerikanische Länder gewinnen ständig an wirtschaftlichem und politischem Gewicht und sind für Deutschland sowohl Produktionsstandorte als auch wichtige Absatzmärkte. Besonders erfreulich ist das starke Interesse Lateinamerikas am Einsatz erneuerbarer Energien. Auch der rege Kulturaustausch ist eine Bereicherung für beide Seiten – Deutschland und Lateinamerika.

Gleichzeitig steht Lateinamerika vor zahlreichen Herausforderungen. Themen wie Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit bleiben aktuell. Hier muss Deutschland sich weiter engagieren und im Dialog auf Augenhöhe mit den Partnerländern dazu beitragen, die Situation vor Ort weiterhin zu verbessern.

03.08.2010 Sorgerecht: Gerechtigkeitslücke schließen

Anlässlich des heutigen Urteils des Bundesverfassungsgerichts, das das Sorgerecht unverheirateter Väter stärkt, erklären Katja Dörner, Sprecherin für Kinder- und Familienpolitik, und Ingrid Hönlinger, Sprecherin für Demokratiepolitik:

„Der heutige Beschluss ist ein wichtiges Signal, weil er die Belange der Kinder und ihr Recht auf beide Eltern in den Mittelpunkt stellt. Das Bundesverfassungsgericht bestätigt das Urteil des europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom Dezember letzten Jahres.

Der Vater eines nichtehelichen Kindes darf nicht mehr von der elterlichen Sorge ausgeschlossen bleiben, nur weil die Mutter die Zustimmung verweigert. Wir fordern die Bundesregierung auf, jetzt umgehend einen Gesetzentwurf zur Reform des Sorgerechts vorzulegen. Nur so kann die derzeitige Gerechtigkeitslücke für unverheiratete Väter endlich geschlossen werden; das Veto-Recht der Mutter ist nicht länger haltbar.

Das gemeinsame Sorgerecht sollte selbstverständlich sein, wenn dies dem Kindeswohl entspricht. Es gibt keinen Grund, verheiratete und unverheiratete Väter beim Sorgerecht grundsätzlich unterschiedlich zu behandeln. Das Kindeswohl muss für alle kommenden Regelungen im Vordergrund stehen.“

09.07.2010 Bundestagsrede zum Vormundschaftsrecht

Rede von Ingrid Hönlinger zum Vormundschaftsrecht

Sehr geehrte Frau/Herr Präsident/in,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir befassen uns heute mit dem Antrag der SPD zu Änderungen im Vormundschaftsrecht. Die SPD bezieht sich zum einen auf den Referentenentwurf der Bundesregierung, den sie ergänzt haben möchte. Zum anderen fordert sie, dass weiterführende Regelungen in die angekündigte Gesamtreform des Vormundschaftsrechts, die von der Bundesregierung angekündigt ist, aufgenommen werden.

Den Anstoß für dieses Thema hat der traurige Fall des Kindes Kevin aus Bremen gegeben, das im Jahr 2006 zu Tode gekommen ist. Der Amtsvormund, der für Kevin zuständig war, hatte zu diesem Zeitpunkt 200 Mündel in seiner Betreuung. Aufgrund der großen Arbeitsbelastung hatte er keinen persönlichen Kontakt zu Kevin. Deshalb hatte er keine eigene Kenntnis von den katastrophalen Verhältnissen, in denen sein Mündel lebte.

Wie können wir den Schutz von Mündeln realistisch verbessern und die Qualität der Vormundschaft sichern?
Das sind die Kernfragen bei der Reform des Vormundschaftsrechts.

Ein Aspekt ist hierbei sicherlich, dass die Entwicklung und das Wohl des Mündels in den Vordergrund der Amtsführung des Vormunds gerückt werden. Nur das Kindeswohl kann den Maßstab für das Handeln des Vormunds darstellen. Das ist der Kristallisationspunkt, meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen.

Das beste Bild vom Wohlergehen seines Mündels kann sich der Vormund machen, wenn er kontinuierlich den persönlichen Kontakt zum Mündel hält. Dazu gehört auch, dass der Vormund sein Mündel bei der Entscheidung über Angelegenheiten, die sie oder ihn betreffen, einbezieht, gemäß dem jeweiligen persönlichen Entwicklungsstand.

Die SPD schlägt in ihrem Antrag darüber hinaus vor, den Kontakt des Vormunds zu seinem Mündel nicht auf die „übliche Umgebung des Mündels“ zu beschränken, wie dies im Referentenentwurf vorgesehen ist. Das ist richtig, denn das ermöglicht dem Mündel, mit dem Vormund offen über Probleme zu sprechen, die gerade in seinem üblichen Umfeld, seinem Zuhause, ihren Ursprung haben.

Einen weiteren Punkt müssen wir diskutieren:

Zur Obergrenze der Anzahl von Vormundschaften pro Amtsvormund sieht der Referentenentwurf der Bundesregierung vor, dass diese auf 50 Vormundschaften pro Mitarbeiterin oder Mitarbeiter beschränkt werden soll. Das geschieht in Form einer „Sollvorschrift“. Demgegenüber fordert die SPD, dass die Obergrenze für alle Formen der Vormundschaft auf 40 Vormundschaften pro Mitarbeiterin oder Mitarbeiter festgelegt werden muss, sie fordert also eine „Mussvorschrift“.

Das ist eine schöne Perspektive, allerdings stellen sich Fragen.

Die erste Frage ist: Wie finanzieren die Kommunen, die bereits unter erheblichem finanziellem Druck stehen, diese Aufstockung ihres Personalbestands?

Auch muss geklärt werden, wie die Jugendämter ausreichend qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Kürze der Zeit finden sollen. Klar ist, dass möglichst bald mit der Schulung und Qualifizierung potentieller neuer Vormünder begonnen werden muss, aber das geht nicht sofort. Und auch hier muss geklärt werden, wie die Kommunen die zusätzlichen Kosten stemmen können.

Eine genaue Kalkulation ist hier von Nöten. Zu denken wäre auch an die Einführung von Übergangsvorschriften.

Im Gesamten sind die Forderungen der SPD zu begrüßen. Sie haben immer das Wohl des Mündels und die Qualitätssicherung der Vormundschaft im Blick. Der persönliche Kontakt zwischen Vormund und Mündel, die Gewährleistung von qualifizierter Vormundschaft und die Kontrolle durch die Gerichte sind von elementarer Bedeutung für ein gutes Vormundschaftsrecht. Diese Aspekte hat die SPD in ihrem Antrag berücksichtigt. Sie muss allerdings hinsichtlich der konkreten Umsetzung noch klarer werden.

18.05.2010 Fachgespräch zum Thema Mietrecht

Am 17. Mai hat Ingrid Hönlinger ein Panel bei dem Fachgespräch „Energetische Gebäudesanierung – verantwortungsvolles Wohnen ermöglichen“ der Grünen Bundestagsfraktion moderiert. Frau Dr. Mira Meyer (Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht) hat das Fachgespräch mit einem kurzen Überblick über die rechtliche Situation bei energetischer Sanierung eröffnet. In der zweiten Diskussionsrunde haben Daniele Wagner (Sprecherin für Wohnungspolitik) und Roland Alles (IWU Darmstadt) den ökologischen Mietspiegel erläutert. Wir werden die Ergebnisse des Fachgesprächs in unsere weitere Arbeit für ein sozial gerechtes und klimafreundliches Wohnen einfließen lassen.

08.04.2010 Grüne fordern Rechtsschutz für alle

Zum Referentenentwurf für eine Entschädigungsregelung bei unangemessen langen Gerichtsverfahren erklärt Ingrid Hönlinger, Sprecherin für Demokratiepolitik:

Der heute bekannt gewordene Gesetzentwurf stellt einen ersten Schritt dar, um Lücken im Rechtsschutz zu schließen und dem Anspruch auf gerichtlichen Rechtsschutz mehr Wirkung zu verschaffen. Damit folgt Deutschland endlich vielen anderen europäischen Ländern und erfüllt die Anforderungen der Europäischen Menschenrechtskonvention an Rechtsschutz für überlange Verfahren.

Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger erhofft sich von der Neuregelung positive Effekte für die Justiz. Bei der Hoffnung allein darf es aber nicht bleiben. Vielmehr muss die Ministerin nun bei ihren Landeskollegen auch aktiv darauf hinwirken, die Justiz mit genügend Mitteln und Personal auszustatten, um diesen Anspruch verwirklichen zu können.

Der Zugang zum Recht muss allen Bürgerinnen und Bürgern gleichermaßen offen stehen, unabhängig von der individuellen Einkommenssituation. Sparvorhaben der Länder, die den Zugang zum Recht erschweren, lehnen wir daher ab. Dazu gehören insbesondere die vom Bundesrat beabsichtigten Einschränkungen bei der Beratungshilfe und der Prozesskostenhilfe.

Wir sprechen uns auch entschieden gegen die Teilprivatisierung von justiziellen Aufgaben aus, wie das manche Bundesländer im Bereich Nachlasssachen oder bei den Gerichtsvollziehern umsetzen wollen.

22.03.2010 Fachgespräch zu Bagatellkündigungen

Fachgespräch Bagatellkündigungen

 Am 22.03.2010 hat Ingrid Hönlinger zusammen mit Beate Müller-Gemmeke und Jerzy Montag das interne Fachgespräch „Maultaschen, Frikadellen und Pfandbons – ein Grund zur Kündigung?“ durchgeführt. Mit den Rechtsanwälten Dr. Jobst-Hubertus Bauer (Gleiss Lutz) und Dr. Axel Görg (Kanzlei Betz – Dombek – Rakete) und Martina Perreng vom DGB wurde darüber diskutiert, ob außerordentliche fristlose Kündigungen, die in der Öffentlichkeit große Empörung ausgelöst haben, eine angemessene Reaktion auf geringwertige Vermögensdelikte darstellen. Die Grünen werden nun einen Antrag einbringen, der vorsieht, dass vor einer sogenannten Bagatellkündigung grundsätzlich mindestens einmal eine Abmahnung erfolgen soll.

05.03.2010 Länder wollen Aufgaben der Justiz privatisieren

Zum heutigen Beschluss des Bundesrates, hoheitliche Aufgaben von Nachlassgerichten auf Notare zu übertragen und somit zu privatisieren, erklärt Ingrid Hönlinger, Sprecherin für Demokratiepolitik:

Mit dieser Maßnahme wollen die Länder angeblich Kosten einsparen und die Justiz entlasten. Allerdings haben die Länder in diesem Bereich bisher Einkünfte erzielt, die über den Personalkosten liegen. Sie verzichten durch den Beschluss auf eine Einnahmequelle und sorgen dafür, dass Gewinne privatisiert werden. Da beim Notar zusätzlich noch Mehrwertsteuer anfällt, wird für die Bürgerinnen und Bürger zum Beispiel ein Erbschein um 19 Prozent teurer.

Auch die örtliche Zuständigkeit der Notariate ist nicht zufriedenstellend gelöst. Wenn es etwa in einem Erbfall vier Beteiligte gibt, die alle zu unterschiedlichen Notaren gehen, wird das Verfahren unnötig aufgesplittert und erschwert. Für die Bürgerinnen und Bürger wird undurchsichtiger, welches Notariat zuständig ist. Ein weiterer Nachteil des Gesetzentwurfes liegt in der Gefahr von Rechtszersplitterung, wenn das Gesetz nicht von allen Ländern einheitlich umgesetzt wird. Wegen dieser Vorbehalte ist das Gesetz vom Bundestag in der letzten Legislaturperiode nicht verabschiedet worden. Auch jetzt sollte besser darauf verzichtet werden.

12.02.2010 Zwangsvollstreckung wird teurer

Zum heutigen Beschluss des Bundesrates zur Privatisierung des Gerichtsvollzieherwesens erklärt Ingrid Hönlinger, Sprecherin für Demokratiepolitik:

Dieser Gesetzentwurf aus dem baden-württembergischen Justizministerium ist sozial nicht ausgewogen und schadet dem Mittelstand.

Gerichtsvollzieher sollen nach den Vorstellungen der Bundesländer künftig als beliehene Unternehmer Vollstreckungshandlungen auf eigene Rechnung vornehmen. Ihre Gebühren sollen durchschnittlich auf mehr als das Dreifache angehoben werden und von ihren Leistungen abhängen. Tatsächlich gibt es kaum Grenzen nach oben: Für die Räumung einer Wohnung zum Beispiel sollen nun 828,24 Euro anstatt 120 Euro anfallen – das ist fast das Siebenfache. Die Gebührenerhöhung geht zu Lasten der oft ohnehin wirtschaftlich schwachen Schuldner. Ist bei ihnen nichts zu holen, bleiben die Gläubiger auf den Kosten sitzen. Das hohe Kostenrisiko wird vor allem kleinere Unternehmen abschrecken, ihre Forderungen beizutreiben. Denn wenn die Zwangsvollstreckung erfolglos bleibt, tragen die Gläubiger die Vollstreckungskosten selbst. Negative Auswirkungen auf die Zahlungsmoral und die Liquidität von Unternehmen sind zu befürchten.

Hinzu kommt: Gerichtsvollzieher dürfen zur Vollstreckung unmittelbaren Zwang ausüben, das heißt Wohnungen durchsuchen und räumen, körperliche Gewalt anwenden und in bestimmten Fällen sogar einen Schuldner verhaften. Das sind besonders schwere Eingriffe in die Grundrechte von Bürgerinnen und Bürgern. Wir dürfen nicht zulassen, dass leistungsabhängig vergütete Unternehmer miteinander um die möglichst erfolgreiche Vollziehung wetteifern und dabei gravierend in Grundrechte eingreifen können.

Die Vorschläge lassen umso mehr aufmerken, als auch Schwarz-Gelb nach dem Koalitionsvertrag das Gerichtsvollzieherwesen auf beliehene Unternehmer übertragen will. Wir fordern die Koalition auf, ihre Pläne aufzugeben und den Gesetzentwurf abzulehnen.

19.01.2010 Bundestagsrede zum Einzelplan Justiz

Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.“ Dieses Bild von Hermann Hesse wollte die schwarz-gelbe Koalition gleich nach der Wahl für ihre Regierungsführung vermitteln. Wir erinnern uns: Die Versprechen des Traumpaares Merkel/Westerwelle hörten sich wie himmlisches Glockengeläut an. Doch was ist daraus geworden? Wir wurden Zeugen, wie es bei Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU/CSU und FDP, schon quasi in der Hochzeitsnacht zum großen Krach kam. Trotz Ihrer Dauerstreitigkeiten haben Sie ein Erstgeborenes zustande gebracht. Sie gaben ihm einen äußerst attraktiven Namen. Sie nannten es „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“. Leider müssen wir bei näherer Betrachtung feststellen: Dieses Erstgeborene ist genauso wie Ihr Ehevertrag, also Ihr Koalitionsvertrag, ein Pflegefall.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Kinderdiskriminierung! Pfui!)

Sie müssen ständig nachpäppeln, nachfüttern und trockenlegen.

(Gisela Piltz [FDP]: Darum kümmern Sie sich gerade!)

– Ja, das mache ich.

In meiner Rede zum Haushalt und zur Rechtspolitik will ich drei zentrale Punkte hervorheben. Erstens. Die FDP hat in ihrem Wahlprogramm zum Thema Rechtspolitik formuliert:

Wir brauchen eine Neuausrichtung der Rechtspolitik … Von der Rechtspolitik müssen entscheidende Impulse ausgehen für eine moderne und aufgeklärte Bürgergesellschaft.

Wie sieht nun in dieser Koalition eine moderne Bürgergesellschaft aus. Sie haben beschlossen: Sie wollen die Höchststrafe für junge Menschen, die einen Mord begangenen haben, von 10 auf 15 Jahre erhöhen. Das soll nicht nur für Heranwachsende gelten, sondern auch für Jugendliche, für die 15 Jahre eine unermesslich lange Lebenszeit sind.

(Gisela Piltz [FDP]: Das steht doch gar nicht drin!)

– Doch, im Koalitionsvertrag. – Das planen Sie, obwohl die abschreckende Wirkung einer solchen Maßnahme bisher nicht belegt ist.

(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr liberal!)

Da betreiben Sie reine Symbolpolitik.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Sie wollen einen Warnschussarrest für jugendliche Straftäter einführen. Wir alle kennen die hohe Rückfallquote bei stationären Maßnahmen. Besteht nicht die Gefahr, dass Jugendliche im Arrest nicht einen Warnschuss erhalten, sondern sich als Straftäter professionalisieren? Sie wollen zudem – das hat auch die Ministerin betont – die Sicherungsverwahrung reformieren. Wir befürchten, dass es nicht zu Reformen, sondern zu einem Ausbau kommt, und das trotz aller verfassungsrechtlicher Bedenken. Frau Ministerin, das alles sind Schritte rückwärts, hin zu alten autoritären Rechtsformen. Dafür bekommen Sie unsere Unterstützung nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Wir brauchen eine zukunftsorientierte Rechtsauffassung, die mehr Begleitung und Beratung vor allem für jugendliche Straftäter sowie mehr integrative Maßnahmen beinhaltet. Wir brauchen mehr Zivilcourage und Vorbildprojekte. Damit können wir die gesellschaftlichen Selbstregulierungsprozesse fördern. Wir brauchen zudem mehr alternative Konfliktlösungsverfahren. Dazu gehören Schlichtung und Mediation. Wir brauchen weniger Repression und mehr Prävention.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Zweitens. Wie sieht die zugesagte Wende bei den Bürgerrechten aus? Sie blasen den Großen Lauschangriff nicht ab. Sie behalten die Vorratsdatenspeicherung bei. Natürlich müssen wir die innere und äußere Sicherheit sehr ernst nehmen. Aber Angst ist diesbezüglich ein schlechter Ratgeber. Vielmehr brauchen wir gerade bei diesem Thema ein Höchstmaß an Augenmaß sowie eine sachliche und rationale Abwägung. Wir dürfen die Angst nicht die rationale Abwägung besiegen lassen. Für uns Grüne ist klar: Wir brauchen so viel Sicherheit wie nötig, aber auch so viel Freiheit wie möglich. Ohne Freiheit gibt es für uns keine Sicherheit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Zuruf von der CDU/CSU: Und ohne Sicherheit keine Freiheit!)

Drittens. Die Rechtspolitik steht in einem engen Verhältnis zum Rechtsempfinden der Bürgerinnen und Bürger. Da ist es gut, dass das Bundesministerium der Justiz – das wurde schon gesagt – finanziell sehr gut dasteht; 83 Prozent der Ausgaben werden durch eigene Einnahmen gedeckt. Wie aber sieht es in dieser Koalition bei dem Rechtsverständnis im Hinblick auf die soziale Ausgewogenheit aus? Als Beispiel nenne ich das Mietrecht, das von Kollegin Lambrecht ebenfalls schon angesprochen wurde. Unser jetziges Mietrecht stellt einen Ausgleich zwischen zwei ungleichen Partnern her. Jetzt will die schwarz-gelbe Koalition die Rechte der Vermieter zulasten der Mieter stärken. Die Kündigungsfristen sollen gleichgesetzt werden, Sanierungen sollen nicht mehr zur Mietminderung berechtigen, und mietrechtliche Ansprüche sollen leichter vollstreckt werden können. Das heißt im Klartext: Sie machen die Starken stärker und schwächen die Schwachen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Ein weiteres Beispiel ist die Beratungs- und Prozesskostenhilfe. Sie wollen der „missbräuchlichen Inanspruchnahme“ von staatlichen Leistungen entgegenwirken. Dabei dürfte doch allen klar sein, dass die hohe Zahl der Prozesskostenhilfezahlungen auch durch die Flut von Hartz-IV-Klagen, die wir alle wahrnehmen, bedingt ist. Es ist aber nicht der richtige Weg, an der Prozesskostenhilfe herumzudoktern. Vielmehr muss das Sozialgesetzbuch II dringend reformiert werden. Damit bekommen wir die Probleme viel besser in den Griff. Für uns Grüne sind Prozesskosten- und Beratungshilfe ein wichtiger Zugang zur Justiz. Die Justiz muss allen Bürgerinnen und Bürgern offenstehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Ein weiteres Beispiel ist die Anwaltsvergütung im Ausländer- und Asylrecht sowie im Sozialrecht. Die Gegenstandswerte bzw. die Rahmengebühren sind so niedrig, dass nur noch Idealisten in diesen Bereichen arbeiten. Zum Beispiel liegt der Gegenstandswert für Diplomprüfungen an der Hochschule bei 15 000 Euro, für Waffenscheine bei 7 500 Euro, für Asylverfahren, bei denen es um Leben, Freiheit und körperliche Unversehrtheit geht, aber lediglich bei 3 000 Euro. Da sind die Prioritäten falsch gesetzt, und wir müssen dringend nachbessern, um auch den Schwächeren einen ordentlichen Zugang zum Recht zu gewährleisten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Ich komme zum Schluss. In Ihrem Koalitionsvertrag haben CDU/CSU und FDP schriftlich erklärt:

Wir fördern den Dienst am Anderen und fordern Solidarität für eine menschliche Gesellschaft.

Bei Lichte betrachtet stellen wir fest: Ihren schönen Worten folgen entgegengesetzte Taten. Sie fördern mit Ihrer Politik den Egoismus einzelner gesellschaftlicher Gruppen und erschweren den Dienst am anderen. Im Kern führt Ihre Politik zu einer weiteren Vertiefung der Spaltung der Gesellschaft. Außerdem vergrößern Sie mit Ihrer Rechtspolitik die Kluft zwischen Arm und Reich in dieser Gesellschaft. Aber das Gute daran ist: Noch keine Regierung wurde so schnell entzaubert wie Ihre. Die Bürgerinnen und Bürger haben längst erkannt, dass nicht nur Ihre Versprechungen in der Finanz-, Steuer- und Wirtschaftspolitik, sondern auch in der Rechtspolitik auf tönernen Füßen stehen. Bei Ihnen ist einfach nicht das drin, was draufsteht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich fasse zusammen: Bei Ihnen von der Regierungskoalition kann ich keinen Zauber und auch keinen Neuanfang wahrnehmen, weder beim Schutz der Bürgerrechte noch bei der sozialen Ausgewogenheit und erst recht nicht bei einer Justiz, die allen Bürgerinnen und Bürgern dient. Ihr schwarz-gelber Zauber hat keine 100 Tage gehalten. Es ist wichtig, dass in Zukunft auf der Regierungsbank andere Farbkombinationen zu finden sind.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Wir können nicht zaubern, aber arbeiten!)

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:

Frau Kollegin Hönlinger, auch für Sie war dies die erste Rede in diesem Haus. Auch Ihnen gelten mein Glückwunsch und meine besten Wünsche für Ihre weitere Arbeit.

(Beifall)

03.12.2009 Sorgerechtsregelung für Väter überfällig

Anlässlich des Urteils des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zum Sorgerecht erklärt Ingrid Hönlinger, Obfrau im Rechtsausschuss:

Die Richter in Straßburg haben eine Verletzung der Menschenrechtskonvention durch die deutsche Regelung für nichtverheiratete Väter festgestellt. Diese haben bisher ohne Einverständnis der Mutter kein Sorgerecht für ihre Kinder. Eine Reform ist hier längst überfällig.