ARCHIV | Meine Reden im Bundestag

27.06.2013 | Rede am 27. Juni 2013 zu "Genossenschaften"

Frau/Herr Präsident/in, liebe Kolleginnen und Kollegen,

„Genossenschaften erinnern die internationale Gemeinschaft daran, dass es möglich ist, Wirtschaftlichkeit und soziale Verantwortung zu vereinen“, sagte der Generalsekretär der Vereinten Nationen Ban Ki-moon zum Jahr der Genossenschaften 2012.

Meine Damen und Herren, die Kombination aus wirtschaftlichen und sozialen Elementen ist es, die die Rechtsform der Genossenschaft so einzigartig macht. Genossenschaften sind dazu da, ihre Mitglieder zu fördern. Es geht hier nicht um reine Kapitalansammlung. Genossenschaften sind mit dem Prinzip „jedes Mitglied – eine Stimme“ eine demokratische Rechtsform wie keine andere. Die verschwindend geringe Insolvenzquote von unter einem Prozent belegt außerdem, dass diese demokratische Form der Unternehmensführung der Wirtschaftlichkeit der Genossenschaften keinen Abbruch tut.

Verglichen mit anderen Gesellschaftsformen ist die Genossenschaft trotzdem eher das „Stiefkind“ der Rechtsformen. Seit der letzten Genossenschaftsreform sind die Gründungszahlen zwar gestiegen, aber selbst der Höchststand von 370 Neugründungen in 2011 ist immer noch eine niedrige Zahl, verglichen mit hunderttausenden Neugründungen anderer Gesellschaftsformen.

Das stellt uns vor die Fragen:

Wie können wir Genossenschaften besser fördern?

Und, wie können wir Menschen dazu ermutigen, diese Rechtsform zu wählen?

Unsere Vorstellungen, wie das Genossenschaftsrecht besser und weniger bürokratisch ausgestaltet werden kann, haben wir Grünen in unserem Antrag zur Stärkung der Genossenschaften formuliert. Unsere Kernpunkte sind Bürokratieabbau und rechtliche Erleichterungen. Gerade für Kleinstgenossenschaften, wie zum Beispiel einen kleinen Dorfladen, den die Dorfbewohner als Genossenschaft führen, sehen wir hierfür einen großen Bedarf.

Was meinen wir Grünen damit konkret?

Als Kleinstbetriebe gelten im Gesellschaftrecht Unternehmen mit nicht mehr als 350.000 Euro Bilanzsumme und 700.000 Euro Umsatzerlösen. Für diese Unternehmen sind Entlastungen hinsichtlich der Rechnungslegung im Gesetz vorgesehen. Dies gilt dank der Micro-Richtlinie sogar EU-weit. Wir sollten es den kleinen Genossenschaften nicht schwerer machen als anderen kleinen Gesellschaften. Wir sollten sie an diesen Erleichterungen teilhaben lassen.

Dazu gehört auch die Erleichterung der Pflichtprüfung. Die Pflichtprüfung dient der Feststellung der wirtschaftlichen Verhältnisse einer Genossenschaft. Sie erfolgt  bei kleinen Genossenschaften bisher zwingend alle zwei Jahre und wird vom Genossenschaftsverband durchgeführt. Bei kleinsten Genossenschaften ist das finanzielle Verlustrisiko gering. Kleinstgenossenschaften sollte es selbst überlassen sein, ob sie die sogenannte Pflichtprüfung durchführen wollen oder nicht.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist für uns Grüne die Förderung der Existenzgründung.

Gründerprogramme haben die selbstständige unternehmerische Tätigkeit im Blick. Genossenschaften aber sind anders strukturiert. Sie sind beispielsweise nicht auf einzelne Personen begrenzt, sondern sind für weitere Mitglieder  zugänglich. Daher erfüllen sie die Kriterien der Förderprogramme nicht. Folge ist, dass Genossenschaftsgründer in der Regel keine Gründungsförderung erhalten.

Wir müssen deshalb die Fördermaßnahmen umstrukturieren, um sie so auch Genossenschaften zugänglich zu machen. Vor allem sollte eine Förderung die Kosten der Gründungsprüfung der Genossenschaft abfangen können, insbesondere wenn die Genossenschaft soziale oder ökologische Zwecke verfolgt. Ambitionierte Menschen, die sich zusammenfinden, um unternehmerisch, gestaltend und zum Wohl der Gemeinschaft  aktiv zu werden, verdienen mehr Unterstützung als ihnen bisher zuteil wird. Ein Ausweichen auf die Rechtsform des Vereins, wie es derzeit teilweise geschieht, kann nicht die Lösung sein.

Außerdem sollten wir prüfen, wie eine Förderung aussehen könnte, wenn Mitarbeiter eines Krisenbetriebs sich bereit erklären, diesen als Genossenschaft fortzuführen und ihn so aus der Insolvenz retten. Hier sind über das Genossenschaftsgesetz hinaus auch Reformen in anderen Gesetzen, wie zum Beispiel der Insolvenzordnung, denkbar.

Unsere erste Bundestagsdebatte zu Genossenschaften fand vor Weihnachten, also vor einem halben Jahr, statt. In dieser Debatte haben die Koalitionsfraktionen angekündigt, einen Gesetzentwurf zum Thema Genossenschaften vorzulegen. Aus dem Bundesjustizministerium folgte dann tatsächlich im März ein Referentenentwurf.

Diesen Vorschlag finden wir Grünen nicht überzeugend, denn er hätte zur Folge, dass die Kleinstgenossenschaften faktisch nicht mehr richtig im genossenschaftlichen System eingebunden. Das wäre ein Schritt in die falsche Richtung.

Der Referentenentwurf aus dem Justizministerium zeigt aber, dass seit der Einbringung unseres Antrags in den Bundestag zumindest Bewegung in die Sache gekommen ist.

Das war’s dann aber schon. Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie haben vor Weihnachten behauptet, dass wir gemeinsam intensiv über Genossenschaften diskutieren, sobald ein Vorschlag aus dem Ministerium vorliegt. Aber die vollmundig angekündigten „konstruktiven Beratungen“ sind ausgeblieben.

Entweder haben Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition kein ernsthaftes Interesse daran, Erleichterungen für Genossenschaften zu schaffen. Oder Sie waren wieder einmal nicht in der Lage, sich in dieser Legislaturperiode auf Neuregelungen zu einigen.

Mit dieser Sitzungswoche endet die Legislaturperiode. Wir hätten im Bereich des Genossenschaftsrechts gemeinsam einige Verbesserungen erreichen können. Es ist schade um die verpasste Gelegenheit.

Wir Grünen werden die Reform des Genossenschaftsrechts mit einer neuen Regierung in der nächsten Legislaturperiode wieder aufgreifen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

14.06.2013 | Rede am 14. Juni 2013 zu "Bundesabstimmungsgesetz"

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Gestern hatte ich in einem Parlamentsseminar Besuch von einer Schulklasse aus Hessen. Mit 32 Schülerinnen und Schülern im Alter von circa 16 Jahren habe ich über das Thema Demokratie und Bürgerbeteiligung diskutiert. Die Schülerinnen und Schüler kamen direkt zur Sache und fragten: Ist die Bevölkerung eigentlich gut genug informiert, um über eine politische Sachfrage abzustimmen? Und die Schüler fragten auch: Besteht nicht die Gefahr, dass Bürgerbeteiligung populistisch ausgenutzt wird? – Ich war sehr positiv überrascht, wie nachdenklich, wie reflektiert und wie reif diese Jugendlichen aufgetreten sind.

(Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU): Reifer als die SPD!)

Was können wir daraus lernen? Demokratie, meine Damen und Herren und auch Herr Sensburg, ist nicht nur eine Angelegenheit dieses Hohen Hauses. Demokratie ist die Angelegenheit eines jeden einzelnen Bürgers. Wenn wir die Bürgerinnen und Bürger informieren und beteiligen und wenn die Bürger sich interessieren, dann ist mehr Demokratie möglich. Demokratie lebt von Beteiligung. Ich bin überzeugt davon: Wenn viele mitdenken, dann ist das Ergebnis auch meistens besser.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Konfuzius hat diese Gedanken vor mehr als 2 500 Jahren folgendermaßen zusammengefasst: Erkläre mir, und ich werde vergessen. Zeige mir, und ich werde mich erinnern. Beteilige mich, und ich werde verstehen.

(Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU): Das war der erste chinesische Demokrat! Seitdem gab es keine mehr!)

Was hindert uns eigentlich daran, unsere Demokratie zu einer echten Beteiligungsdemokratie weiterzuentwickeln?

(Stefan Müller (Erlangen) (CDU/CSU): Haben die chinesischen Kaiser das auch beherzigt?)

Die Einführung direktdemokratischer Elemente auf Bundesebene ist seit Jahrzehnten eine der zentralen demokratiepolitischen Forderungen der grünen Bundestagsfraktion. Seit 1990 haben wir zahlreiche Initiativen im Bundestag vorgelegt. Diese sehen vor, dass Gesetzesvorschläge in einem dreistufigen Verfahren ‑ Volksinitiative, Volksbegehren, Volksentscheid ‑ von den Bürgerinnen und Bürgern zur Abstimmung eingebracht und beschlossen werden können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir stellen fest: Der Ruf nach mehr Bürgerbeteiligung und Mitbestimmung ist in den vergangenen Jahrzehnten lauter geworden, die Menschen in unserem Land ‑ aber auch anderswo ‑ sind informiert, bringen sich mit ihrem Wissen ein und gestalten zunehmend aktiv die Gesellschaft mit. Internet, Digitalisierung und Social Media beschleunigen diesen Prozess und ermöglichen eine rasant zunehmende und weitreichende Transparenz. Sie ermöglichen auch mehr Kommunikation und Mitentscheidung durch informierte Bürgerinnen und Bürger.

Wenn Bürger ihre Anliegen umsetzen wollen, geht das manchmal blitzschnell: Schauen wir in die Türkei, schauen wir hier auf die Blockupy-Bewegung, oder schauen wir, wie schnell sich Bürger zusammenfinden, um ihre Dämme in Sachsen-Anhalt und anderswo zu erhöhen, wenn ihre Häuser und Dörfer bedroht sind.

Bürgerbeteiligung und Volksabstimmungen sind ein Gewinn für die Demokratie. Sie sind Bestandteil einer modernen Demokratie.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Thomas Oppermann (SPD))

Wir müssen deshalb in diesem Hohen Haus endlich die gesetzlichen Grundlagen dafür schaffen, dass die Bürgerinnen und Bürger auch wirklich mitgestalten und mitbestimmen können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Thomas Oppermann (SPD))

Direkte Demokratie kann die repräsentative Demokratie sinnvoll ergänzen. Direktdemokratische Abstimmungen müssen auch die Rechte des Parlaments nicht mindern. Nach unserem grünen Beteiligungsmodell kann der Bundestag während des Verfahrens alternative Regelungen verabschieden oder zur Abstimmung stellen. Dem Parlament bleibt es auch unbenommen, ein durch Volksentscheid beschlossenes Gesetz wieder zu ändern oder aufzuheben.

Wir wollen, dass die Bürgerinnen und Bürger grundsätzlich über alle politischen Sachfragen abstimmen können. Das schließt auch finanzwirksame Volksinitiativen ein. Ausgenommen sind das Haushaltsgesetz und Abgabengesetze im Sinne der Finanzverfassungsartikel, also Steuern, Zölle und Finanzmonopole. Ihre Änderung soll nach unserer Überzeugung dem Parlament vorbehalten bleiben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Die Demokratie in Deutschland und Europa voranzubringen und direktdemokratische Entscheidungen zu ermöglichen, ist seit jeher Ziel grüner Politik. Natürlich fordern wir auch hier den Schutz der Menschenrechte und Minderheiten. Das Volksbegehren zum Minarettverbot in der Schweiz hat uns gezeigt, dass direkte Demokratie auch für menschenverachtende Hetze, für Diskriminierung und für den Abbau von politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rechten einzelner Bevölkerungsgruppen benutzt werden kann.

Wir Grünen wollen vermeiden, dass Volksinitiativen dazu missbraucht werden, Stimmung gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen zu machen und menschenfeindliche Ressentiments zu schüren. Wir wollen keine Hetzkampagnen gegen Homosexuelle, Obdachlose, Ausländerinnen und Ausländer oder gegen Menschen unterschiedlicher religiöser Überzeugungen, auch nicht im Gewand der Volksinitiative.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)

Deutschland ist Teil der Europäischen Union und unterliegt deshalb besonderen politischen und rechtlichen Verpflichtungen. Die Stellung Deutschlands als verlässlicher Partner im Rahmen europäischer Verhandlungsprozesse ist ein hohes Gut, das wir Grünen schützen wollen. Deshalb wollen wir auch verhindern, dass direkte Demokratie für nationalistische und europafeindliche Interessen instrumentalisiert wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir setzen uns auch für eine weitere Demokratisierung der Entscheidungsprozesse in der EU ein. Es geht uns darum, den Bürgerinnen und Bürgern der EU stärkere Mitsprache- und Mitentscheidungsmöglichkeiten bei der grundsätzlichen Ausrichtung der Europäischen Union zu geben. Mit der Europäischen Bürgerinitiative steht den Unionsbürgerinnen und -bürgern seit dem 1. April 2012 erstmals ein direktdemokratisches Instrument zur Verfügung.

Ich möchte hier noch einmal festhalten: Auf Bundesebene haben wir in Deutschland noch keine einzige Möglichkeit zur Durchführung direkter Demokratie. Wir sind also auf europäischer Ebene weiter als auf Bundesebene. Schon allein das sollte für uns Anlass sein, endlich direkte Demokratie auf nationaler Ebene zu ermöglichen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wenn wir mit direkter Demokratie über europäische Angelegenheiten entscheiden, müssen wir den rechtlichen Rahmen so setzen, dass eine europäische Angelegenheit auch europäisch entschieden wird. Auf Deutschland beschränkte Volksinitiativen zu Gründungsverträgen der Europäischen Union oder gegen den Beitritt eines neuen Mitgliedstaates sollen aus unserer Sicht unzulässig sein. Damit wollen wir nationale Blockaden wichtiger Reformen verhindern. Stattdessen streben wir europäische Referenden an, bei denen alle EU-Bürger nach europäischem Recht über wesentliche Änderungen der EU-Gründungsverträge abstimmen können.

Wir Grüne haben ein schlüssiges Demokratiekonzept. Wir sind die Partei, die den Willen der Bürgerinnen und Bürger ernst nimmt. Wir wollen mehr Demokratie in Deutschland und in Europa, und wir wollen die Bürgerinnen und Bürger stärker einbeziehen. Wir sprechen nicht nur wohlfeile Worte. Wir wissen, wie innerparteiliche Demokratie funktioniert. Wir handeln. Wir Grünen bieten glaubwürdig eine Politik der gesellschaftlichen Demokratie an.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Petra Pau (DIE LINKE))

14.06.2013 | Rede am 14. Juni 2013 zur Verbraucherrechtelinie

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Heute debattieren wir über zwei Themen, die viele Menschen betreffen: das Verbraucherschutzrecht und das Mietrecht. Das Verbraucherschutzrecht haben wir hier im Bundestag im Jahr 2002 umfassend reformiert. Heute entwickeln wir die Verbraucherrechte weiter. Es geht konkret um das Widerrufsrecht für Haustürverträge und Fernabsatzverträge. Fernabsatzgeschäfte werden zum Beispiel per Telefon oder im Internet getätigt.

Bei genauer Betrachtung stellen wir fest, dass diese Bundesregierung leider nur das umsetzt, was Brüssel zwingend vorschreibt. Sie hat offensichtlich nicht den Mut und auch nicht den Willen, die vorhandenen Spielräume zu nutzen, die die Richtlinie für einen umfassenden Verbraucherschutz eröffnet hat.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Karin Binder (DIE LINKE))

Es fehlt noch an mehr. Die EU-Richtlinie fordert für Verstöße gegen Verbraucherschutzvorschriften Sanktionen, die wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sind.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Das ist die demokratiepolitische Sprecherin!)

Hier hat der Gesetzentwurf der Bundesregierung gar nichts zu bieten. Da muss nachgebessert werden. Die besten Verbraucherschutzrechte bringen nichts, wenn Verstöße folgenlos bleiben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Das Widerrufsrecht kann aber ohnehin nur ein Baustein im Gefüge der Verbraucherschutzrechte sein. Viel bedeutender sind für die Verbraucherinnen und Verbraucher weitere Rechte, wie zum Beispiel ihre Gewährleistungsrechte.

Werfen wir einmal einen Blick auf die alltägliche Praxis: Ein Verbraucher kauft eine Kaffeemaschine. Für dieses Produkt hat er zwei Jahre lang Gewährleistungsrechte. Tritt nun innerhalb dieser zwei Jahre ein Mangel an der Kaffeemaschine auf, kann der Verbraucher von seinem Verkäufer die Reparatur oder den Austausch des mangelhaften Produkts verlangen. Das Problem an der Sache ist: Die sogenannte Beweislastumkehr zugunsten des Verbrauchers gilt nur sechs Monate lang. Während dieser Zeit muss der Verkäufer beweisen, dass er dem Verbraucher eine mangelfreie Kaffeemaschine geliefert hat. Nach Ablauf der sechs Monate muss hingegen der Verbraucher beweisen, dass die Kaffeemaschine schon kaputt war, als er sie erworben hat. Wie soll der Verbraucher das beweisen? Das ist den meisten Verbrauchern in der Praxis nicht möglich.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Fragen Sie doch mal Frau Enkelmann, was sie meint!)

Damit laufen die Gewährleistungsrechte innerhalb der letzten anderthalb Jahre faktisch ins Leere. Wir müssen sicherstellen, dass Verbraucher ihre volle Gewährleistungsfrist ausschöpfen können, indem wir die Beweislastumkehr zugunsten des Verbrauchers auf zwei Jahre verlängern. Verbraucherschutz darf nicht eine leere Vokabel sein; Verbraucherschutz, meine Damen und Herren, muss den Alltagstest bestehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Nun hat die SPD einen Änderungsantrag zum  Mietrecht eingebracht, zu Recht,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

denn die Mieten schnellen überall in die Höhe. Bezahlbarer Wohnraum wird in Ballungsgebieten immer knapper. Mietpreissteigerungen von über 7 Prozent wurden 2011 in Großstädten wie Berlin und Hamburg verzeichnet; in der Studentenstadt Greifswald waren es sogar mehr als 10 Prozent.

Die Mietpreissteigerungen treffen vor allem einkommensschwache Haushalte. Familien müssen 30 oder 40 Prozent ‑ manchmal sogar mehr ‑ ihres Einkommens für die Miete ausgeben. Das dürfen wir nicht länger hinnehmen. Hier müssen wir endlich gesetzlich eingreifen, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Wir Grünen fordern seit drei Jahren, dass Mietobergrenzen bei der Wiedervermietung von Wohnungen in Gebieten mit Wohnraummangel eingeführt werden. Eine solche Mietpreisbremse für Regionen, in denen die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum nicht mehr gewährleistet ist, müssen wir jetzt endlich beschließen. Wohnen darf nicht zum Luxusgut werden; Wohnen ist ein Grundbedürfnis.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Eine bezahlbare Wohnung schafft Sicherheit und Stabilität für Mieter und für ihre Familien.

Wir werden deshalb dem SPD-Änderungsantrag zustimmen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

13.06.2013 | Rede am 13. Juni 2013 zu "Whistleblower-Schutzgesetz"

Frau/Herr Präsident/in, liebe Kolleginnen und Kollegen,

in der vergangenen Woche ging eine Aufschrei durch die weltweite Öffentlickeit. Eine interne „Informationsquelle“ hatte die Datensammelwut des Geheimdienstes der Vereinigten Staaten von Amerika ans Licht gebracht.

„In einer besseren Welt … würde ihm ein Orden für Unterstützung der Demokratie verliehen“ schrieb die „Zeit“ in ihrer Ausgabe vom vergangenen Freitag über den zu diesem Zeitpunkt noch unbekannten Hinweisgeber im US-Datenskandal.

Wenige Tage später suchte der bis dahin anonyme Hinweisgeber, Edward Snowden, gezielt den Weg an die Öffentlichkeit. Er stellte seine Motive für die Aufdeckung des Spionageprogramms dar. Und er schilderte seine Befürchtungen, seine Arbeitsstelle und seine bisherigen Lebensumstände zu verlieren.

Von der in der „Zeit“ geschilderten besseren Welt werden wir vorerst noch träumen müssen. Aber, meine Damen und Herren, ich möchte doch an dieser Stelle festhalten: Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber sind engagierte und mutige Menschen. Sie sind ein essentieller Bestandteil unserer Demokratie. Sie verdienen den Respekt und die Anerkennung unserer Gesellschaft. Whistleblower sind keine „Verräter“. Im Gegenteil, diese Menschen zeigen Mut und Zivilcourage. Regelmäßig befinden sie sich in einem schweren Gewissenskonflikt. Sie nehmen eigene Nachteile in Kauf, weil sie Verantwortung für die Gemeinschaft übernehmen.

Gleichzeitig fühlen diese Menschen sich von der Politik im Stich gelassen. Noch immer sind Schutzvorschriften für Whistleblower gesetzlich nicht ausreichend verankert. Der Schutz, den die  Rechtsprechung bietet, ist Einzelfall bezogen und zu vage. Auch betriebs- oder behördeninterne Hinweisgebersysteme können eine weitergehende gesetzliche Verankerung des Whistleblower-Schutzes nur ergänzen, nicht ersetzen.

Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, seit langem fordern wir Grünen, genauso wie die anderen Oppositionsfraktionen, dass Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber besser geschützt werden. Das Bedürfnis hierfür ist da, auch bei uns in Deutschland. Denken Sie nur an den Gammelfleischskandal oder an die Missstände im Pflegebereich, die die Pflegekraft Brigitte Heinisch aufgedeckt hat.

Die Zeit ist also reif, meinen Damen und Herren, endlich auch in Deutschland für einen besseren Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern zu sorgen.

Heute beraten wir in abschließender Lesung den Gesetzentwurf meiner Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Mit diesem Gesetz wollen wir Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Bundes- und Landesbeamtinnen und -beamte sowie Auszubildende, die Missstände thematisieren, besser vor nachteiligen Konsequenzen schützen. Wir schlagen eine ausdifferenzierte Lösung vor, die die Interessen der Arbeitgeber, der Arbeitnehmer und der Öffentlichkeit auswogen berücksichtigt und ausgleicht.

Das Kernstück des Gesetzentwurfs ist ein „Anzeigerecht“. Ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin kann sich grundsätzlich zunächst an den Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin oder eine zur innerbetrieblichen Klärung zuständige Stelle wenden, wenn er oder sie konkrete Anhaltspunkte dafür hat, dass im Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit rechtliche Pflichten verletzt werden. Eine solche interne Stelle kann zum Beispiel der Betriebsrat oder der Personalrat sein.

Wenn der Missstand daraufhin nicht beseitigt wird, können Hinweisgeber sich an eine außerbetriebliche Stelle richten. Das kann zum Beispiel eine Strafverfolgungsbehörde sein. Hinweisgeber können auch direkt mit einer solchen außerbetrieblichen Stelle Kontakt aufnehmen, wenn es ihnen nicht zumutbar ist, sich zuerst intern zu beschweren. Dies ist bei Straftaten der Falls oder wenn eine gegenwärtige Gefahr für wichtige Individualrechtsgüter, wie Leben oder Gesundheit, aber auch für die Stabilität des Finanzsystems oder die Umwelt, besteht.

In ganz extremen Fällen können Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber ihre Informationen auch direkt an die Öffentlichkeit geben. Dies ist unter noch engeren Voraussetzungen möglich: Das öffentliche Interesse am Bekanntwerden der Information muss das betriebliche Interesse an deren Geheimhaltung erheblich überwiegen.

Meine Damen und Herren, mit diesem Kaskadensystem legen wir eine praktikable Lösung für den gesetzlichen Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern vor. Damit fördern wir Zivilcourage. Und wir stärken das Vertrauen von Menschen mit Verantwortungsbewusstsein in den Rechtsstaat.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

13.06.2013 | Rede am 13. Juni 2013 zu "Stärkung der Funktionen der Betreuungsbehörde"

Sehr geehrte Frau/Herr Präsident/in, liebe Kolleginnen und Kollegen,

immer mehr Menschen sind in Deutschland auf Betreuung oder Assistenz angewiesen. In den letzten zehn Jahren haben wir einen kontinuierlichen Anstieg von Betreuungsverfahren erlebt. Im Jahr 2011 benötigten 1.319.361 Menschen eine rechtliche Betreuung. Und die Tendenz ist steigend.

Ursache für diese hohe Anzahl an Betreuungen sind demographische und gesellschaftliche Entwicklungen. Wir leben, das ist uns allen hier im Saal bewusst, in einer Gesellschaft, die immer älter wird und in der der familiäre Zusammenhalt sich immer mehr lockert.

Gleichzeitig ist uns allen wichtig, dass Menschen, solange sie hierzu in der Lage sind, ihre Entscheidungen selbstbestimmt treffen können. Deutschland hat sich auch in der UN-Behindertenrechtskonvention dazu verpflichtet, das Selbstbestimmungsrecht von Menschen mit Behinderung entscheidend zu stärken.

Unser Betreuungsrecht wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Wir müssen es deshalb umfassend reformieren, meine Damen und Herren.

Heute debattieren wir über den entsprechenden Gesetzesvorschlag der Bundesregierung.

Dass diese Bundesregierung nun überhaupt noch einen Reformvorschlag in den Bundestag eingebracht hat, freut uns. Die geplanten Maßnahmen zur Stärkung der Betreuungsbehörden bewerten wir positiv. Sie können dazu beitragen, Betreuungen zu vermeiden.

Auch die Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen und der Fraktion die Linke unterstützen wir. Es ist positiv, dass die Betreuungsbehörden den Betroffenen andere Hilfen „vermitteln“ und nicht nur „auf eine Vermittlung hinwirken“ sollen. Auch befürworten wir, dass bei der Erweiterung und der Verlängerung einer Betreuung die Anhörung der Betroffenen und der Betreuungsbehörde verpflichtend sein soll. Diese Maßnahmen können das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen stärken und im Ergebnis zur Vermeidung von Betreuungen beitragen.

Allerdings kann und wird das Gesetz nur Wirkung zeigen, wenn in den Betreuungsbehörden ausreichend personelle Kapazitäten und finanzielle Mittel für die Erfüllung der neuen Aufgaben vorhanden sind. Anders als dies im Gesetzentwurf zu lesen ist, sehen wir hier eine große finanzielle Mehrbelastung auf die Länder zukommen. Das haben uns auch die Sachverständigen in der Anhörung bestätigt. Nicht alle Länder werden diese Anstrengungen schultern können. Die Gesetzesänderung wird also vielerorts nur „heiße Luft“ bleiben. Die betroffenen Menschen werden davon nur in wenigen Fällen profitieren.

Insgesamt ist der Gesetzentwurf der Regierungskoalition also „nicht der große Wurf“. Das wurde schon in der Sachverständigenanhörung deutlich und das müssen wir auch hier noch einmal ganz klar feststellen.

Die vorgesehenen Änderungen können nur ein erster Schritt sein. Anstatt einige verfahrensrechtliche Regelungen für Betreuungsbehörden  vorzunehmen, wäre eine umfassende Reform des Betreuungsrechts  angezeigt gewesen. Wir Grünen haben in unserem Entschließungsantrag zu unserer Großen Anfrage die Eckpunkte einer solchen personenzentrierten und ganzheitlichen Reform des Betreuungsrechts bereits aufgezeigt.

Hierzu will ich Ihnen nur einige grundlegende Gedanken nennen:

Wenn wir darüber sprechen, ob eine Betreuung erforderlich ist oder nicht, geht es nicht nur darum, Betreuung zu vermeiden. Es geht auch darum, Selbstbestimmung zu ermöglichen. Die UN-Behindertenkonvention setzt hier zu Recht auf ein System der „unterstützten Entscheidungsfindung“. Der Staat muss also gewährleisten, dass Menschen mit eingeschränkter Entscheidungskompetenz die notwendige Unterstützung und Hilfe erhalten, um selbst handeln und entscheiden zu können.

Dies verlangt Betreuerinnen und Betreuern mitunter schwierige Abwägungsvorgänge ab. Häufig können diese Entscheidungen nicht ohne weiteres von Ehrenamtlichen getroffen werden.

Wir Grünen setzen uns daher im Interesse aller, also sowohl der Betreuten als auch der Betreuerinnen und Betreuer, für eine Festschreibung von Eignungskriterien für berufliche Betreuung ein.

Eine stärkere Professionalisierung und Spezialisierung von rechtlichen Betreuerinnen und Betreuern sollte sich konsequenterweise auch in einem neuen Vergütungsbemessungssystem widerspiegeln. Dieses wiederum sollte sich auch an der Schwierigkeit des jeweiligen Falls bemessen.

Ein System der unterstützten Entscheidungsfindung einhergehend mit der Festschreibung von gesetzlichen Eignungskriterien und einer Änderung des Vergütungsbemessungssystems wird entscheidend zur Qualitätssicherung von Betreuung  und zur Vermeidung von Betreuung beitragen. Davon sind wir Grünen überzeugt.

Meine Damen und Herren, von einer Verwirklichung dieser Gedanken  sind wir noch weit entfernt. Hier besteht erheblicher Nachbesserungsbedarf. Wir Grünen werden uns weiterhin für eine personenzentrierte und ganzheitliche Reform des Betreuungsrechts einsetzen. Das Betreuungsrecht benötigt endlich eine umfassende Modernisierung.

Dem Gesetzentwurf der Regierungskoalition können wir nicht zustimmen. Er ist inhaltlich nicht ausreichend. Wir werden uns bei der Abstimmung enthalten.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

13.06.2013 | Rede am 13. Juni 2013 zu "elektronischer Rechtsverkehr"

Frau/Herr Präsident/in, liebe Kolleginnen und Kollegen,

vor knapp 13 Jahren hat die rot-grüne Bundesregierung den ersten allgemeinen Rechtsrahmen für den Einsatz elektronischer Verfahren in der Justiz erstellt. Heute debattieren wir hier im Bundestag über die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs in der Justiz. Hierzu hat die schwarz-gelbe Bundesregierung ihren Gesetzentwurf vorgelegt. Dieser Vorschlag, meine Damen und Herren, ist noch verbesserungswürdig.

Warum?

Meine Fraktion und ich sehen deutliche Defizite in den Bereichen Barrierefreiheit und Datensicherheit. Hier gibt es noch erhebliches Verbesserungspotential.

Zur Barrierefreiheit:

Deutschland hat Anfang 2009 die UN-Behindertenrechtskonvention ratifiziert. Damit haben wir uns verpflichtet, alle geeigneten gesetzgeberischen Maßnahmen zu ergreifen, um Menschen mit Behinderung einen gleichberechtigen Zugang zur Justiz zu ermöglichen, außerdem eine selbstbestimmte Teilhabe an allen modernen Informations- und Kommunikationstechnologien, die elektronisch bereit gestellt werden oder zur Nutzung offen stehen. Auch wollen wir  vorhandene Zugangshindernisse und -barrieren beseitigen.

Der Änderungsantrag der Regierungskoalition geht jetzt auf wesentliche Bedenken von Blinden- und Sehbehindertenverbänden ein. Dafür haben auch wir Grünen uns im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens eingesetzt. Diese Weiterentwicklung begrüße ich, auch im Namen meiner Fraktion, ausdrücklich.

Allerdings enthält der Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen nach wie vor keine Regelung zur Barrierefreiheit bei Internetauftritten und -angeboten der Bundesjustiz. Auch sollten wir den Grundsatz der  Barrierefreiheit  verfahrensübergreifend in einem „Guss“ und umfassend zentral in § 191a ZPO regeln. Hier sind sowohl der Vorschlag der Bundesregierung als auch der Vorschlag der Regierungskoalition  unzureichend.

Eine positive Wendung nehmen wir Grünen allerdings bei der Frage des Empfangsbekenntnisses wahr.

Wenn Schriftstücke in Rechtsanwaltskanzleien eingehen, bestätigen diese bisher den Erhalt des Dokuments mit ihrer Unterschrift unter das Empfangsbekenntnis. Dieses schicken sie anschließend an den Absender, also beispielsweise an das Gericht, zurück.

Im Regierungsentwurf war die Einführung einer automatischen Eingangsbestätigung vorgesehen. Dies hätte zu einem erheblichen Paradigmenwechsel geführt. Anwalt und Anwältin hätten so keine eigene Kontrolle über die Bestätigung des Erhalts von Dokumenten gehabt.

An diesem Punkt hat die Koalition die geäußerte Kritik ernstgenommen. Nunmehr soll die Zustellung durch ein elektronisches Empfangsbekenntnis nachgewiesen werden. Dieses wird jetzt persönlich von der Anwältin oder dem Anwalt erstellt. Das entspricht der aktuellen Rechtslage. Das unterstützen wir Grünen ausdrücklich.

Wir betonen aber auch in der heutigen Debatte noch einmal die datenschutzrechtlichen Unsicherheiten, die bei Nutzung der DE-Mail bestehen. Hier gibt es keine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung und alle DE-Mails müssen zum Zwecke des Virenchecks geöffnet werden. Außerdem, und das möchte ich besonders hervorheben, bleibt ein besonderes Risiko: Es gibt insgesamt nur eine ganz kleine Anzahl von  De-Mail-Servern. Gelingt es einem Hacker, einen solchen Server zu öffnen, erhält er auf einen Schlag Unmengen von hochsensiblen Daten aus Gerichtsverfahren. Das können Scheidungsverfahren sein oder sonstige höchstpersönliche Angelegenheiten sein.

Einen solchen unsicheren Übermittlungsweg können wir Grünen, auch und gerade im Gerichtsbereich, nicht unterstützen, meine Damen und Herren. Für uns ist Datenschutz ein zentrales Anliegen. Nur mit einem hohen Datenschutzstandard können wir Vertraulichkeit und Privatsphäre in der Justiz sicherstellen.

Das aber leistet der Gesetzentwurf der schwarz-gelben Bundesregierung  nicht. Auch wenn er viele positive Ansätze enthält, können wir ihm aus den genannten Gründen nicht zustimmen. Wir werden uns bei der Abstimmung enthalten.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

13.06.2013 | Rede am 13. Juni 2013 zu "Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung"

Sehr geehrte Frau/Herr Präsident/in, liebe Kolleginnen und Kollegen,

immer mehr Menschen sind in Deutschland auf Betreuung oder Assistenz angewiesen. In den letzten zehn Jahren haben wir einen kontinuierlichen Anstieg von Betreuungsverfahren erlebt. Im Jahr 2011 benötigten 1.319.361 Menschen eine rechtliche Betreuung. Und die Tendenz ist steigend.

Ursache für diese hohe Anzahl an Betreuungen sind demographische und gesellschaftliche Entwicklungen. Wir leben, das ist uns allen hier im Saal bewusst, in einer Gesellschaft, die immer älter wird und in der der familiäre Zusammenhalt sich immer mehr lockert.

Gleichzeitig ist uns allen wichtig, dass Menschen, solange sie hierzu in der Lage sind, ihre Entscheidungen selbstbestimmt treffen können. Deutschland hat sich auch in der UN-Behindertenrechtskonvention dazu verpflichtet, das Selbstbestimmungsrecht von Menschen mit Behinderung entscheidend zu stärken.

Unser Betreuungsrecht wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Wir müssen es deshalb umfassend reformieren, meine Damen und Herren.

Heute debattieren wir über den entsprechenden Gesetzesvorschlag der Bundesregierung.

Dass diese Bundesregierung nun überhaupt noch einen Reformvorschlag in den Bundestag eingebracht hat, freut uns. Die geplanten Maßnahmen zur Stärkung der Betreuungsbehörden bewerten wir positiv. Sie können dazu beitragen, Betreuungen zu vermeiden.

Auch die Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen und der Fraktion die Linke unterstützen wir. Es ist positiv, dass die Betreuungsbehörden den Betroffenen andere Hilfen „vermitteln“ und nicht nur „auf eine Vermittlung hinwirken“ sollen. Auch befürworten wir, dass bei der Erweiterung und der Verlängerung einer Betreuung die Anhörung der Betroffenen und der Betreuungsbehörde verpflichtend sein soll. Diese Maßnahmen können das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen stärken und im Ergebnis zur Vermeidung von Betreuungen beitragen.

Allerdings kann und wird das Gesetz nur Wirkung zeigen, wenn in den Betreuungsbehörden ausreichend personelle Kapazitäten und finanzielle Mittel für die Erfüllung der neuen Aufgaben vorhanden sind. Anders als dies im Gesetzentwurf zu lesen ist, sehen wir hier eine große finanzielle Mehrbelastung auf die Länder zukommen. Das haben uns auch die Sachverständigen in der Anhörung bestätigt. Nicht alle Länder werden diese Anstrengungen schultern können. Die Gesetzesänderung wird also vielerorts nur „heiße Luft“ bleiben. Die betroffenen Menschen werden davon nur in wenigen Fällen profitieren.

Insgesamt ist der Gesetzentwurf der Regierungskoalition also „nicht der große Wurf“. Das wurde schon in der Sachverständigenanhörung deutlich und das müssen wir auch hier noch einmal ganz klar feststellen.

Die vorgesehenen Änderungen können nur ein erster Schritt sein. Anstatt einige verfahrensrechtliche Regelungen für Betreuungsbehörden  vorzunehmen, wäre eine umfassende Reform des Betreuungsrechts  angezeigt gewesen. Wir Grünen haben in unserem Entschließungsantrag zu unserer Großen Anfrage die Eckpunkte einer solchen personenzentrierten und ganzheitlichen Reform des Betreuungsrechts bereits aufgezeigt.

Hierzu will ich Ihnen nur einige grundlegende Gedanken nennen:

Wenn wir darüber sprechen, ob eine Betreuung erforderlich ist oder nicht, geht es nicht nur darum, Betreuung zu vermeiden. Es geht auch darum, Selbstbestimmung zu ermöglichen. Die UN-Behindertenkonvention setzt hier zu Recht auf ein System der „unterstützten Entscheidungsfindung“. Der Staat muss also gewährleisten, dass Menschen mit eingeschränkter Entscheidungskompetenz die notwendige Unterstützung und Hilfe erhalten, um selbst handeln und entscheiden zu können.

Dies verlangt Betreuerinnen und Betreuern mitunter schwierige Abwägungsvorgänge ab. Häufig können diese Entscheidungen nicht ohne weiteres von Ehrenamtlichen getroffen werden.

Wir Grünen setzen uns daher im Interesse aller, also sowohl der Betreuten als auch der Betreuerinnen und Betreuer, für eine Festschreibung von Eignungskriterien für berufliche Betreuung ein.

Eine stärkere Professionalisierung und Spezialisierung von rechtlichen Betreuerinnen und Betreuern sollte sich konsequenterweise auch in einem neuen Vergütungsbemessungssystem widerspiegeln. Dieses wiederum sollte sich auch an der Schwierigkeit des jeweiligen Falls bemessen.

Ein System der unterstützten Entscheidungsfindung einhergehend mit der Festschreibung von gesetzlichen Eignungskriterien und einer Änderung des Vergütungsbemessungssystems wird entscheidend zur Qualitätssicherung von Betreuung  und zur Vermeidung von Betreuung beitragen. Davon sind wir Grünen überzeugt.

Meine Damen und Herren, von einer Verwirklichung dieser Gedanken  sind wir noch weit entfernt. Hier besteht erheblicher Nachbesserungsbedarf. Wir Grünen werden uns weiterhin für eine personenzentrierte und ganzheitliche Reform des Betreuungsrechts einsetzen. Das Betreuungsrecht benötigt endlich eine umfassende Modernisierung.

Dem Gesetzentwurf der Regierungskoalition können wir nicht zustimmen. Er ist inhaltlich nicht ausreichend. Wir werden uns bei der Abstimmung enthalten.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

07.06.2013 | Rede am 07. Juni 2013 zur Forderung der Grünen auf Absenkung des aktiven Wahlrechts auf 16 Jahre

Frau/Herr Präsident/in, l

iebe Kolleginnen und Kollegen,

„Die Welt vergöttert die Jugend, aber regieren lässt sie sich von den Alten“.

Das ist ein sehr zutreffender Satz des französischen Schriftstellers Henri de Montherlant. Dieser Satz ist heute so wahr wie damals.

Meine Fraktion und ich wollen diese Situation ändern. Wir wollen Jugendlichen mit 16 und 17 Jahren die aktive Teilnahme an den Wahlen zum Deutschen Bundestag und zum Europäischen Parlament ermöglichen. Sie sollen über die Zusammensetzung der Parlamente mitentscheiden können.

Die schwarz-gelbe Bundesregierung will den jungen Leuten dieses Recht nicht zubilligen. Sie ignoriert seit Jahren 16- und 17-Jährige konsequent als potentielle Wählerinnen und Wähler.

Dabei verfügt eine stetig wachsende Zahl von Jugendlichen über die notwendige Einsichtsfähigkeit und das Verantwortungsbewusstsein, um eine Wahlentscheidung treffen zu können. Sie machen heute mit 17 Jahren ihr Abitur und fangen an zu studieren. Oder sie starten nach der zehnten Klasse ins Berufsleben und zahlen Steuern.

Warum sollten wir ihnen dann nicht auch das aktive Wahlrecht zubilligen?

Damit erreichen wir mehr Generationengerechtigkeit.

Junge Leute  können doch am besten selbst beurteilen, welche Partei dazu in der Lage ist, eine gesunde Umwelt für sie zu gewährleisten oder die Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen. Wenn wir Jugendliche an den Wahlen beteiligen, ermöglichen wir ihnen, ihre Ansprüche und Anliegen besser zu vertreten.

Und junge Menschen wollen mehr Entwicklung, mehr Zukunft, mehr Gerechtigkeit. Sie wollen Teilhabe und Mitreden können, sie wollen also letztlich mehr Demokratie. Daran sollten wir sie nicht hindern, meine Damen und Herren.

Viele Bundesländer machen uns schon vor, wie es richtig geht. In meinem Heimat-Bundesland Baden-Württemberg hat die grün-rote Regierungsmehrheit beschlossen, dass 16- und 17-Jährige bei den Kommunalwahlen im nächsten Jahr mit wählen dürfen.

Und Baden-Württemberg ist nicht das erste Bundesland, das das Mindestalter für Kommunalwahlen gesenkt hat. In Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und in Schleswig-Holstein können Jugendliche ab 16 Jahren an den Kommunalwahlen teilnehmen.

Und Bremen, Brandenburg und Hamburg gehen noch weiter. Dort  können 16-Jährige auch schon bei den Landtagswahlen wählen.

Vorreiter in Sachen aktives Wahlrecht aber ist Österreich. Dort nehmen  seit 2007 Jugendliche ab 16 Jahren an allen Wahlen teil.

Und die Wahlstatistik zeigt, dass 16- und 17-Jährige sehr rational mit ihrer Stimmvergabe umgehen. Extremistische Ideen fanden bei den Jugendlichen keinen Widerhall.

Warum also sollten wir diesen Schritt nicht endlich auch in Deutschland wagen, meine Damen und Herren?

In Deutschland, haben wir das Wahlalter schon einmal abgesenkt. Das war 1970. Bis dahin durfte nur wählen, wer das 21. Lebensjahr vollendet hatte.

Können Sie sich heute vorstellen, dass 18-Jährige nicht wählen dürfen?  Wohl kaum! Es ist doch nur sachgerecht und konsequent, wenn wir diesen Weg weiter beschreiten.

Meine Damen und Herren, die Schwarz-Gelbe Bundesregierung ist in vielem gescheitert, unter anderem auch darin, erfolgreich Maßnahmen für eine generationengerechtere Politik zu ergreifen.

Schwarz-Gelb steht für eine Politik der Ausgrenzung – nicht nur der Ausgrenzung von jungen Menschen. Auch der Ausgrenzung von Migrantinnen und Migranten, von Frauen aus Führungspositionen, von Homosexuellen und von vielen anderen mehr.

Wir brauchen einen neuen Aufbruch, ganz besonders auch in der Jugendpolitik. Wir brauchen eine Politik, die den Jugendlichen eine stärkere Stimme bei politischen Entscheidungen gibt.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

16.05.2013 | Rede am 16. Mai 2013 zu "Restschuldbefreiungsverfahren"

TOP 17 Restschuldbefreiungsverfahren – Ingrid Hönlinger MdB

Frau Präsidentin/Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,

das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte war von der schwarz-gelben Bundesregierung als großer Wurf geplant. Im Ergebnis ist nun ein Gesetz herausgekommen, das wenig verändern wird. Es verfehlt sein Ziel, Unternehmensgründern oder anderen verschuldeten Personen zügig einen finanziellen Neustart und eine zweite Chance zu eröffnen, völlig.

Die langen Ausführungen im Gesetzentwurf lesen sich wie eine Ironie:

Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, führen eingehend aus, warum eine sechsjährige Wohlverhaltensphase in der Verbraucherinsolvenz, wie sie derzeitig Rechtslage ist, zu lang ist. Hier stimmen wir Grünen Ihnen voll und ganz zu.

Sie schlagen nun eine Verkürzung der Wohlverhaltensphase um ein Jahr, also auf fünf Jahre, vor, wenn die Schuldnerin oder der Schuldner die Verfahrenskosten begleicht.

Ursprünglich hatten Sie eine weitere Verkürzung auf drei Jahre vorgesehen, wenn die Schuldnerin oder der Schuldner eine Mindestbefriedigungsquote von 25 Prozent erfüllt hat.

Beide Regelungen haben nicht nur wir Grünen in der Vergangenheit klar kritisiert. Auch in der Anhörung haben viele der Expertinnen und Experten deutlich zum Ausdruck gebracht, dass in der Praxis nur sehr wenige Schuldnerinnen und Schuldner von den Neuregelungen profitieren würden. Die überwiegende Zahl der Verbraucherschuldnerinnen und Verbraucherschuldner wird aufgrund ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht in der Lage sein, überhaupt eine Befriedigungsquote aus eigenem Einkommen und Vermögen zu tragen.

Aber es kommt noch schlimmer. In Ihrem Änderungsantrag wollen sie nun die Befriedigungsquote sogar auf 35 Prozent erhöhen. Und dies, obwohl Sie in Ihrer Begründung selbst schreiben, dass die Quote nicht zu hoch sein darf, um Leistungsanreize zu setzen.

Ein Anreizsystem halten auch wir Grünen nicht grundsätzlich für falsch. Bei der Begleichung der Verfahrenskosten zum Beispiel sind wir weniger kritisch. Aber mit Ihrer Mindestbefriedigungsquote von 35 Prozent kommen Sie einseitig den Interessen der Kreditwirtschaft nach – und dies auf dem Rücken der Verbraucherschuldnerinnen und Verbraucherschuldner.

Weitaus sinnvoller wäre es gewesen, für alle Schuldnerinnen und Schuldner gleichermaßen eine Verfahrensverkürzung auf drei Jahre einzuführen. Das wäre eine echte zweite Chance, eine Möglichkeit zum Neuanfang. Genau dies fordern wir Grünen in unserem Änderungsantrag.

Viele Menschen haben große Erwartungen in dieses Gesetz gesetzt. Das zeigen uns die vielen Zuschriften von Privatpersonen. Von einem gerechten Interessenausgleich zwischen Gläubigerinnen und Gläubigern einerseits und Schuldnerinnen und Schuldnern andererseits kann aber bei Ihrem Gesetz keine Rede mehr sein. Mit Ihrem Gesetzentwurf, meine Damen und Herren, wird nur ein ganz geringer Teil aller Schuldnerinnen und Schuldner in den Genuss einer vorzeitigen Restschuldbefreiung kommen. Hier kann ich nur sagen: Ziel deutlich verfehlt.

Erfreulicherweise nehmen Sie aber, das will ich positiv hervorheben, mit Ihrem Änderungsantrag die vorgesehene Abschaffung des Schuldenbereinigungsplanverfahrens zurück. Wenigstens in diesem Punkt haben Sie sich die Expertisen der Sachverständigen zu Herzen genommen. Doch von Ihren ursprünglichen Plänen, den äußerst erfolgreichen außergerichtlichen Einigungsversuch umfassend zu stärken, ist leider nicht viel übrig geblieben. Vorschläge hierzu hätte es genug gegeben.

Ein weiteres Problem haben Sie noch mit Ihrem Gesetzentwurf abgemildert: Sie begründen Kündigungsschutz für Schuldnerinnen und Schuldner, die eine Wohnung von Wohnungsbaugenossenschaften gemietet haben und mit einer bestimmten Anzahl von Genossenschaftsanteilen an der Genossenschaft beteiligt sind. Damit erhalten Mitglieder einer Wohnungsgenossenschaft, die in finanzielle Not geraten sind, wenigstens die Sicherheit, in der Insolvenz ihre Wohnung behalten zu können. Hier wird endlich eine Lücke geschlossen. Das befürworten wir sehr. Hierfür haben auch wir Grünen uns in der Vergangenheit stark gemacht. Wie der Bundesrat auch, hätten wir uns allerdings ein höheres Schutzniveau gewünscht.

Meine Damen und Herren, insgesamt ist dieses Gesetzeswerk enttäuschend für die vielen Verbraucherschuldnerinnen und Verbraucherschuldner, die lange darauf gewartet haben. Hier haben Sie nachvollziehbare Hoffnungen einseitig enttäuscht. Wir Grünen können Ihrem Gesetz in dieser Form nicht zustimmen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

16.05.2013 | Rede am 16. Mai 2013 zu "Prozesskostenhilfe und Kostenrechtsmodernisierung"

Frau/Herr Präsident/in, liebe Kolleginnen und Kollegen,

in der Sachverständigenanhörung zum Kostenrecht, über das wir heute debattieren, hat Dr. Matthias Kilian folgendes festgestellt:

„Die durchschnittlichen Aufwendungen der europäischen Staaten für die Justiz machen nach Erhebungen des Europarats 1,9% des Staatshaushalts aus (Wert aus 2010). Die Aufwendungen des deutschen Fiskus für die deutsche Justiz liegen 16% unter diesem Mittelwert und betragen 1,6%. Im Ranking der 39 untersuchten europäischen Staaten ist der prozentuale Anteil der Kosten für das gesamte Justizsystem nur in 13 Staaten niedriger, aber in 25 Staaten höher als in Deutschland.“

Zwei große Themenblöcke beschäftigen uns heute: Es geht um die Neuregelung von Gerichts-, Anwalts- und Notarsgebühren und um die Neuregelung von finanziellen staatlichen Leistungen im Justizbereich, die Prozesskosten- und Beratungshilfe.

Ich möchte zunächst auf das Kostenrechtsmodernisierungsgesetz eingehen. Dieses Gesetz verbessert die Kostendeckung in der Justiz, indem es Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren erhöht. Natürlich verteuert diese Neuregelung Gerichtsverfahren. Sie ermöglicht aber den Bundesländern den finanziellen Spielraum, den sie benötigen, um den hohen Justizstandard, den wir in Deutschland haben, aufrecht zu erhalten. Meine Damen und Herren, diesen Gesetzentwurf halte ich deshalb für einen gelungenen Kompromiss zwischen Bund und Ländern.

Gleichzeitig passt das Gesetz die Vergütungen der Rechtsanwälte, Notare, Sachverständigen, Dolmetscher und Übersetzer an die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung an. Und dafür war es an der Zeit, meine Damen und Herren.

Wenn sich die wirtschaftliche Lage im Land ändert, ist es notwendig, dass wir die Gesetze der wirtschaftlichen Realität anpassen. Insbesondere freue ich mich, dass es im Rahmen der Verhandlungen über den Gesetzentwurf noch zu entscheidenden Verbesserungen am Gesetz gekommen ist, zum Beispiel für die Übersetzerinnen und Übersetzer. Hier haben Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, zu Recht die Intention des Änderungsantrags von Bündnis 90/Die Grünen aufgenommen.

Nicht aufgegriffen haben Sie allerdings unsere Forderung nach einer Angleichung der Anwaltsgebühren in Asylverfahren an die Gebühren in ausländerrechtlichen Verfahren. Das ist schade, aber Sie haben jetzt noch die Chance, dies nachzuholen, indem Sie unserem Änderungsantrag zustimmen. Und das wäre auch sachgerecht. Sowohl im Ausländer- als auch im Asylrecht geht es um Aufenthaltsrechte in Deutschland. Es gibt keinen sachgerechten Grund dafür, Anwälte in Asylverfahren geringer zu vergüten als in Verfahren nach dem Aufenthaltsgesetz. Hier müssen wir Gleichheit und eine faire und rechtssystematisch sinnvolle Anpassung herstellen.

 Jetzt komme ich zu den weiteren Änderungen im Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferecht.

 Ich fange mit der guten Nachricht an: Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Regierungskoalition, haben sich zu enormen Verbesserungen an dem Gesetzentwurf der Bundesregierung durchgerungen. Diese Verbesserungen bestehen größtenteils daraus, dass Sie die Hälfte der vorgesehenen Änderungen ersatzlos aus dem Gesetzentwurf streichen. Die drastischsten Einschränkungen in der Prozesskosten- und Beratungshilfe, die die Bundesregierung, aber auch der Bundesrat geplant hatten, entfallen auf diese Weise. Die Einkommensfreibeträge werden nicht gesenkt. Prozesskostenhilfe wird nicht teurer. Wer Beratungshilfe benötigt, kann direkt einen Anwalt kontaktieren und muss nicht erst beim Gericht einen Antrag auf Beratungshilfe stellen.

Dies sind nicht nur gute Nachrichten für diejenigen Bürgerinnen und Bürger, die auf Prozesskostenhilfe angewiesen sind, sondern auch für alle, die sich für den Erhalt des sozialen Rechtsstaats einsetzen. In einem Rechtsstaat regiert nicht Geld die Welt. Der Rechtsstaat ist für alle da, unabhängig von ihrem Einkommen oder Vermögen.

Auf die gute Nachricht folgt nun leider die schlechte Nachricht: Vom ursprünglichen Gesetzentwurf ist zwar nicht viel übrig geblieben, aber einige Verschärfungen will diese Regierung dennoch einführen.

 Das lehnen wir Grünen aus folgenden Gründen ab:

 Erstens: Jemand der Prozesskostenhilfe empfängt, muss diese grundsätzlich – gegebenenfalls in Raten – zurückzahlen. Das ist selbstverständlich auch in Ordnung. Die Ratenzahlung beginnt bisher allerdings ab einem verfügbaren Einkommen in Höhe von 15 Euro. Diese Schwelle von 15 Euro soll nun auf 10 Euro abgesenkt werden.

Der Aufwand des Gerichts, eine solche  Summe einzutreiben, steht in keinem Verhältnis zu den geringen Mehreinnahmen der Landeskassen. Hier ist der Kosten-Nutzen-Effekt nicht gewahrt. Auch greifen Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, zu tief in die sozialen Teilhabemöglichkeiten vieler Menschen ein, wenn Sie die Schwelle der ratenfreien Prozesskostenhilfe um ein Drittel senken.

 Zweitens: Das Gericht soll eine einmal bewilligte Prozesskostenhilfe für einen Beweisantritt wieder entziehen können, wenn der Beweis keine genügende Aussicht auf Erfolg bietet. Dies bedeutet einen Verstoß gegen das zivilprozessrechtliche Verbot der vorweggenommenen Beweiswürdigung.

 Drittens: Das Gericht soll die Prozesskostenhilfe schon dann vollständig entziehen, wenn der Empfänger Änderungen seiner Adresse oder seines Einkommens aus grober Nachlässigkeit nicht richtig oder nicht unverzüglich dem Gericht mitteilt.

Bisher kann das Gericht derartige Entscheidungen treffen.

Dieser Unterschied zwischen „soll“ und „kann“ wirkt auf den ersten Blick klein, ist aber in der Praxis groß. Er wird dazu führen, dass das Gericht zukünftig die spezifische Situation des Prozesskostenhilfeempfängers weniger berücksichtigen wird als das bisher der Fall ist.

Meine Damen und Herren, Deutschland gibt im internationalen Vergleich sehr wenig Geld für die Justiz im allgemeinen und die Prozesskostenhilfe im besonderen aus. Wenn wir wollen, dass unser Rechtssystem weiterhin auch international als vorbildlich betrachtet wird, dürfen wir die Prozesskosten- und Beratungshilfe nicht weiter einschränken. Wir müssen den Zugang zum Recht für alle erhalten, unabhängig von ihrer finanziellen Situation. Das ist gelebter Sozialstaat in der Justiz.

 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

25.04.2013 | Rede am 25. April 2013 zu "Rechte des leiblichen Vaters"

Frau/Herr Präsident/in, liebe Kolleginnen und Kollegen,

in dieser Legislaturperiode hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg in mehreren Entscheidungen festgestellt, dass das deutsche Familienrecht nicht der Europäischen Menschenrechtskonvention entspricht. Auch heute debattieren wir wieder über einen Gesetzentwurf, der die Rechtsprechung des Gerichtshofs umsetzt. Das ist eine gesellschaftlich notwendige Fortentwicklung unseres Familienrechts.

Wir alle wissen: Es gibt Familienkonstellationen, in denen der leibliche Vater eines Kindes nicht identisch ist mit dessen rechtlichem Vater.

Die bisherige deutsche Rechtslage sieht vor, dass der leibliche Vater, der keine enge Bezugsperson für sein Kind ist, kategorisch und ohne Prüfung des Kindeswohls vom Umgang mit seinem Kind ausgeschlossen ist. Dies gilt auch dann, wenn ihm der Umstand, dass er bisher keine Beziehung zu seinem Kind aufbauen konnte, nicht zuzurechnen war. Beispielhaft sind die Fälle, in denen die soziale Familie, in der das Kind lebt, jeglichen Kontakt zwischen leiblichem Vater und Kind blockiert. Dieser Vater ist machtlos und rechtlos.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat entschieden:

Das deutsche Recht muss eine Regelung finden, die leiblichen Vätern ermöglicht, eine Beziehung zu ihren Kindern aufzubauen. Voraussetzung ist, dass es dem Kindeswohl entspricht.

Der Gesetzentwurf, über den wir heute debattieren, setzt diese Rechtsprechung um:

Wenn es dem Kindeswohl dient, steht dem Vater zukünftig ein Umgangsrecht zu. Wenn es dem Kindeswohl nicht widerspricht, hat er ein Recht auf Auskunft über die persönlichen Verhältnisse seines Kindes. Der leibliche Vater hat jetzt die Möglichkeit, Informationen über sein Kind zu erhalten und eine Beziehung zu seinem Kind herzustellen. Sachgerecht ist aus unserer Sicht auch, dass der Gesetzentwurf eine abgestufte Kindeswohlprüfung vorsieht, orientiert an der Frage, ob der Vater  Auskunfts- oder Umgangsrechte geltend macht. Und auch für das Kind ist es wichtig, dass klar geregelte Kontaktmöglichkeiten für den Vater bestehen. Ermöglicht dies doch dem Kind, Informationen über seine Herkunft, seine familiären Wurzeln, zu erhalten und im besten Fall eine Beziehung zu seinem leiblichen Vater aufbauen zu können. Und auch das Interesse der sozialen Familie, Störungen des Kindesinteresses durch Außenstehende zu vermeiden, wird berücksichtigt.

 

Wir Grünen begrüßen, dass wir heute fraktionsübergreifend das Familienrecht weiter modernisieren. Wir werden dem Gesetzentwurf zustimmen.

Allerdings hätten wir uns noch mehr Modernisierung gewünscht. Der Gesetzentwurf aus der Regierungskoalition regelt die Fälle, die der konkreten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zugrunde lagen: Dies waren typische „Seitensprung-Fälle“. Die Regelung, über die wir heute debattieren hilft Vätern weiter, die der Mutter ihres Kindes „beigewohnt“ haben.

Vor kurzem hat das „Samenspende-Urteil“ des Oberlandesgerichts Hamm für Aufsehen gesorgt. Das Gericht hat festgestellt, dass ein Kind, das mit Hilfe einer Samenspende gezeugt worden ist, das Recht hat, vom behandelnden Arzt Auskunft über die Identität des Samenspenders zu verlangen. Dieses Urteil ist mittlerweile rechtskräftig. Nun sind wir als Gesetzgeber aufgefordert, Konsequenzen daraus zu ziehen. Dazu gehört die Klärung der Rechtsstellung des Samenspenders. Er ist es, der in diesem Fall der leibliche Vater ist. Leider blendet der heute beratene Gesetzentwurf den Komplex „Samenspende“ komplett aus. Ebenso ist die Situation des weiblichen homosexuellen Paares, dessen Kind naturgemäß auch einen männlichen leiblichen Elternteil hat, weiter ungeklärt.

Alle diese Fälle haben eines gemeinsam: Sie zeigen, dass Kinder mehr als nur zwei Elternteile haben können. In allen diesen Fällen, seien es Patchworkfamilien mit verschieden geschlechtlichen Eltern oder Regenbogenfamilien, brauchen wir klare Regeln, die die Rechte und Pflichten aller Elternteile normieren.

Wir Grünen hätten uns gewünscht, dass Sie, meine Damen und Herren von der Regierungsbank die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zum Anlass nehmen, das Familienrecht insgesamt zu novellieren und konsequent weiterzudenken. Einen wichtigen Ansatz hierfür haben Sie schon in Ihren Gesetzentwurf aufgenommen. Sie ermöglichen erstmals, dass zusätzlich zum rechtlichen Vater ein zweiter Vater gerichtlich festgestellt wird. Dieser zweite Vater ist der leibliche Vater. Ihr Gesetzentwurf erkennt also an, dass Mehrelternkonstellationen nicht nur im sozialen, sondern auch im rechtlichen Sinne möglich sind.

Das ist ein Paradigmenwechsel, der bedeutend ist. Er ist aber auch dringend notwendig. Es wird höchste Zeit, meine Damen und Herren, dass wir hier im Parlament das Verhältnis von genetischer, sozialer und rechtlicher Elternschaft grundlegend neu klären. Denn alle Kinder haben die gleichen Rechte, unabhängig davon, in welcher Familienkonstellation sie aufwachsen und welchen Lebensentwurf ihre Eltern gewählt haben.

Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass weitere Bewegung in das überkommene Familienrecht kommt. Nach der Reform des Sorgerechts für nicht miteinander verheiratete Paare und der Stärkung der Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters ist es nun Zeit für eine umfassende Modernisierung des Familienrechts. Wir Grünen werden uns weiterhin dafür einsetzen, das Familienrecht konsequent weiter zu entwickeln und an die gesellschaftlichen Realitäten anzupassen. In der nächsten Legislaturperiode werden neue politische Mehrheiten uns das erleichtern.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

19.04.2013 | Rede am 19. April 2013 zu "Wirtschaftskriminalität"

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Vor wenigen Jahren hat der Korruptionsskandal bei Siemens das Unternehmen nachhaltig erschüttert. Andere Unternehmen, die in diesem Zusammenhang genannt werden, sind: MAN, Ferrostahl, Daimler, Infineon, EADS, Thyssen-Krupp und Rheinmetall. Das beschreibt die FAZ unter dem prägnanten Titel „Bestechende Großunternehmen“.

Korruption ist fast immer ein Element von Wirtschaftskriminalität. Korruption begünstigt sie. Korruption kostet dem deutschen Staat und dem deutschen Steuerzahler Geld, sehr viel Geld. Wissenschaftliche Schätzungen gehen von einem Schaden von 250 Milliarden Euro jährlich aus. Noch viel schlimmer ist, dass Korruption das Vertrauen der Bevölkerung in Wirtschaft und Staat infrage stellt. Das zeigt: Hier besteht großer Handlungsbedarf. Wirtschaftskriminalität ist kein Kavaliersdelikt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte Ihnen heute drei Punkte nennen, die aus meiner Sicht zentral sind. Immer wieder gibt es einzelne Menschen, mutige Insider, die ihr Wissen nach außen tragen und Korruptionsskandale aufdecken. Diese Menschen müssen wir ermutigen, rechtswidriges Handeln anzuzeigen. Wir brauchen ein gesellschaftliches Klima, das es diesen Mitarbeitern ermöglicht, Fehler offen anzusprechen. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass sie nicht den Makel des Verpfeifens oder des Petzens tragen. Diese Menschen verdienen den Respekt unseres Staates und der Gesellschaft.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Raju Sharma (DIE LINKE))

Wir müssen eine sichere rechtliche Grundlage für den Schutz von Whistleblowern schaffen. Wir müssen sie vor Mobbing und Kündigung schützen. Das zeigt das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Fall von Brigitte Heinisch sehr deutlich. Wir Grüne haben in dieser Wahlperiode ebenso wie die beiden anderen Oppositionsfraktionen Initiativen zum Schutz von Whistleblowern in den Bundestag eingebracht. Nun stehen wir am Ende dieser Legislaturperiode, und diese Bundesregierung bleibt weiter untätig.

Die Bundesregierung hält sich auch nicht an ihre eigenen politischen Zusagen. Bereits im Herbst 2010 haben Sie, meine Damen und Herren von der Regierungsbank, in dem Antikorruptions-Aktionsplan der G-20-Staaten vollmundig erklärt, Sie würden bis Ende 2012 Regeln zum Whistleblower-Schutz erlassen und umsetzen. Was haben Sie bisher getan? ‑ Nichts. Damit werden Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, unglaubwürdig – national und auch international gegenüber unseren Partnerländern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir können noch ein weiteres Instrument schaffen, um Wirtschaftskriminalität effektiv zu bekämpfen. Lassen Sie uns endlich über die Einführung eines bundesweiten Korruptionsregisters nachdenken. Hintergrund ist folgender: Länder und Gemeinden vergeben jährlich Aufträge im Wert von mehreren Hundert Milliarden Euro an private Unternehmen. Sie müssen auf ein bundesweites Register zugreifen können, um festzustellen, ob ein Unternehmen, das sich um einen Auftrag bewirbt, bereits in Korruptionsfälle verwickelt war oder nicht. Die Bundesländer haben damit auf Landesebene gute Erfahrungen gemacht. Diese Korruptionsregister schaden auch nicht den Unternehmen. Ganz im Gegenteil! Sie helfen den Unternehmen, weil sie nämlich die integeren Unternehmen vor den schwarzen Schafen schützen, und sie ermöglichen fairen Wettbewerb. Mit Korruptionsregistern tragen wir dazu bei, dass die ehrlichen Unternehmen einen Vorteil haben und bei einer öffentlichen Auftragsvergabe nicht die Verlierer sind. Es wird höchste Zeit, dass wir hier im Bund endlich einheitliche Regeln treffen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt noch ein drittes Thema, auf das ich zum Schluss eingehen möchte ‑ Kollege Sharma hat es bereits genannt ‑, nämlich das Thema „UN-Konvention gegen Korruption“. Es gibt auf dieser Welt 165 Staaten, die diese Konvention unterzeichnet und ratifiziert haben. Sogar Myanmar und Swasiland gehören zu diesen 165 Staaten.

(Zuruf von der FDP: Liegen ganz hinten im Korruptionsindex!)

Führende Vertreter aus der Wirtschaft, liebe FDP, fordern die Bundesregierung auf, endlich zu handeln, weil hier die Glaubwürdigkeit Deutschlands international auf dem Spiel steht. Die Bundesregierung ist dafür verantwortlich, dass wir weiter auf einer Stufe stehen mit Ländern wie dem Sudan, Somalia, Tschad, Syrien oder Nordkorea.

(Jörg van Essen (FDP): Sie haben Japan vergessen!)

Sie reklamieren nach außen Wirtschaftskompetenz für sich, Kolleginnen und Kollegen von der schwarz-gelben Koalition; doch bei der Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität gibt es bei Ihnen noch erhebliche Defizite.

Wir Grünen haben hier die besseren Konzepte: Wir fordern den Schutz von Whistleblowern, wir fordern die Einführung eines bundesweiten Korruptionsregisters, und wir fordern eine Ausweitung der strafrechtlichen Regelung für den Tatbestand der Abgeordnetenbestechung,

(Jörg van Essen (FDP): Ihr Gesetzentwurf ist doch krachend durchgefallen!)

damit wir die UN-Konvention gegen Korruption endlich ratifizieren können. Erst eine rot-grüne Koalition wird die Kraft haben, sich eindeutig gegen Korruption zu positionieren.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

18.04.2013 | Rede am 18. April 2013 zu "Aufgabenübertragung auf Notare"

Frau/Herr Präsident/in,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

heute haben wir hier im Bundestag wieder einmal ein Thema auf der Tagesordnung, mit dem die Koalition ihre Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag durchbricht. Ich zitiere aus dem Koalitionsvertrag:  „Als Beitrag zur Effizienzsteigerung und Entlastung der Justiz werden wir eine Übertragung der Aufgaben der Nachlassgerichte erster Instanz auf die Notare durch die Länder ermöglichen.“

Die Koalition scheint im Verlaufe des Verfahrens eingesehen zu haben, dass dies keine gute Idee war und der Justiz mehr schaden als nützen würde. So ist ein Riesen-Projekt ist auf ein Zwergen-Projekt zusammengeschrumpft. Und das ist gut so, meine Damen und Herren.

Wir Grünen begrüßen, dass die Koalition die Vorschläge des Bundrates mit ihrem Änderungsantrag eingeschränkt hat. Dennoch können wir auch diese Version der Aufgabenübertragung auf Notare nicht unterstützen.

Vor fast einem Jahr haben wir hier im Bundestag die Gesetzentwürfe des Bundesrates zur Übertragung von Aufgaben im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf Notare zum ersten Mal debattiert.

Es geht bei den Vorschlägen des Bundesrats um weit reichende Änderungen, die sogar eine Grundgesetzänderung erfordert hätten. Der Bundesrat wollte sämtliche Nachlasssachen, die sich in der ersten  Instanz befinden, auf Notare übertragen. Das heißt: Für alle rechtlichen Probleme im Zusammenhang mit Testament, Vermächtnis oder Erbe sollten nur noch Notare zuständig sein, nicht mehr die Gerichte.

Notarinnen und Notare erfüllen bereits jetzt einzelne öffentliche Aufgaben und sind eine unverzichtbare Unterstützung für die Justiz. Justiz ist aber eine hoheitliche Aufgabe. Im Grundgesetz ist der sogenannte „Funktionsvorbehalt“ statuiert: Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist in der Regel nur Angehörigen des öffentlichen Dienstes, also Beamten, erlaubt. Hier sollten wir nicht weiter eingreifen. Je mehr hoheitliche Aufgaben wir auf die privat tätige Notarschaft übertragen, desto mehr befeuern wir Bestrebungen, Justiz immer weiter zu privatisieren. Justiz aber ist Staatsaufgabe, meine Damen und Herren.

Im Laufe des Verfahrens im Bundestag haben wir stichhaltige Argumente gegen eine Übertragung aller Nachlasssachen auf Notare diskutiert. Diese haben glücklicherweise auch bei der Regierungskoalition Gehör gefunden. Wir haben heute umfangreiche Änderungsanträge zum Gesetzentwurf auf dem Tisch.

Aber was will die Koalition mit ihren Änderungsvorschlägen erreichen? Einige wenige Aufgaben sollen nun auf Notarinnen und Notare übertragen werden. Es handelt sich zum Beispiel um die Erstellung von notariellen Vollmachtsbescheinigungen als Eintragungsgrundlage im Grundbuch oder die Entscheidung über die Erteilung weiterer vollstreckbarer Ausfertigungen notarieller Urkunden. In Kurzform: Es werden große Worte geschwungen. Diese sind aber weder von besonderer praktischer Relevanz noch bringen sie Einsparungen für die Justiz. Bezüglich der Erteilung von Abdrucken aus dem Grundbuch hat die Bundesregierung sogar selbst noch in ihrer Stellungnahme zum Gesetzentwurf des Bundesrates angeführt, dass sie kein Erfordernis sieht, diese Aufgabe auf die Notare zu übertragen. Dieses Gesetz, über das wir heute abstimmen, meine Damen und Herren, bietet keinerlei Mehrwert – weder für die Bürgerinnen und Bürger noch für die Justiz.

Ein richtiges Problem sehen wir Grüne aber vor allem in der Neuregelung, dass von nun an ausschließlich die Notarinnen und Notare für die Aufnahme von Erbscheinsanträgen zuständig sein sollen. Bisher kann ein Erbe oder eine Erbin den Erbschein entweder beim Nachlassgericht oder beim Notar beantragen. An den Notar wenden sich zur Zeit aber nur etwa 10 bis 20 Prozent der Bürgerinnen und Bürger. Wer sich an das Nachlassgericht wendet, hat den Vorteil, dass er oder sie keine Mehrwertsteuer zahlen muss. Der Antrag ist also um 19 Prozent günstiger als beim Notar. Außerdem kann das Verfahren beim Amtsgericht deutlich schneller sein: Ich muss beim Nachlassgericht keinen Termin vereinbaren wie beim Notariat und ich muss keine Postübermittlung abwarten.

Die Bundesregierung erklärt, der Vorteil dieser Regelung für die Justiz bestehe darin, dass die Nachlassgerichte von der Aufgabe der zur Verfügungstellung von Formblättern entlastet werden. Ich überlasse es Ihnen, die Überzeugungskraft dieses Argumentes zu beurteilen.

Darüber hinaus ist die Neuregelung als Länderöffnungsklausel formuliert. Das heißt: Jedes einzelne Bundesland kann selbst darüber entscheiden, ob die Notare allein für die Aufnahme von Erbscheinsanträgen zuständig sein sollen oder ob es bei der gegenwärtigen Rechtslage bleiben will. Das sorgt für Rechtszersplitterung und unter Umständen für Verwirrungen bei Erbinnen und Erben. Das macht folgendes Beispiel deutlich: Ich wohne in Berlin. Mein Onkel in Brandenburg stirbt. Hat das Land Berlin von der Öffnungsklausel keinen Gebrauch gemacht, könnte ich mich in Berlin weiterhin an das Nachlassgericht wenden, um meinen Erbschein zu beantragen. Da mein Onkel aber in Brandenburg seinen letzten Wohnsitz hatte, muss ich jetzt wissen, ob auch Brandenburg keinen Gebrauch von der Öffnungsklausel gemacht hat oder ob ich dort jetzt vielleicht ausschließlich notariell beurkundete Erbscheinsanträge einreichen kann.

Das meine Damen und Herren, ist eine Verkomplizierung des Rechtssystems. Bürgerfreundliche Rechtspolitik, so wie wir Grünen sie verstehen, sieht anders aus. Sie erschwert nicht den Bürgerinnen und Bürgern den Zugang zum Recht, sondern erleichtert ihn.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

14.03.2013 | Rede am 14. März 2013 zu "Elektronischer Rechtsverkehr"

Frau Präsidentin/Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Das Internet und die zunehmende Digitalisierung verändern nicht nur das Leben von Menschen und deren Verhältnis zur Gesellschaft. Sie verändern auch die Rolle und Funktionsweise des Staates. Meine Fraktion und ich begreifen diese Entwicklung als Chance für unsere Demokratie, als Chance für mehr Legitimation bei staatlichem Handeln, als Chance für mehr Partizipation.

Heute befassen wir uns mit der Nutzung elektronischer Technologien im Bereich der Justiz. Der erste allgemeine Rechtsrahmen für den Einsatz elektronischer Verfahren in der Justiz wurde vor knapp 13 Jahren gelegt. Unter der damals rot-grünen Bundesregierung hat der Bundestag 2001 beschlossen auf der Posteingangs und der -ausgangsseite der Justiz den Einsatz elektronischer Verfahren zu ermöglichen. Ebenfalls unter der rot-grünen Bundesregierung folgte eine weitere Öffnung der Justiz mit dem 2005 beschlossenen Gesetz über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz.

Nun beraten wir über zwei Gesetzentwürfe zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs in der Justiz bzw. mit den Gerichten. Klar ist: Es besteht Handlungsbedarf. Die Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs im Bereich der Justiz muss weiter gefördert werden. Hier gibt es noch erhebliches Verbesserungspotential.

Beide Gesetzentwürfe, so sehr sie in ihrem Ziel zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs zu begrüßen sind, werfen aber auch Fragen auf. Diese Fragen betreffen die Teilhabe von Menschen mit Behinderung, das Zivilprozessrecht und den Datenschutz. Sie müssen im weiteren parlamentarischen Verfahren geklärt werden:   

Deutschland hat am 24. Februar 2009 die UN-Behindertenrechtskonvention ratifiziert und sich damit zugleich verpflichtet, gemäß Art. 4, 9 und 13 der Konvention alle geeigneten gesetzgeberischen Maßnahmen zu ergreifen, um Menschen mit Behinderung einen gleichberechtigen Zugang zur Justiz und eine selbstbestimmte Teilhabe an allen modernen Informations- und Kommunikationstechnologien, die elektronisch bereit gestellt werden oder zur Nutzung offen stehen, zu ermöglichen. Ausserdem sollen vorhandene Zugangshindernisse und -barrieren beseitigt werden. Die im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehenen Änderung für mehr Barrierefreiheit sind ein Schritt in die richtige Richtung. Exemplarisch zu nennen ist die Regelung zu § 31 a Abs. 1 Satz 2 BRAO, wonach das besondere elektronische Anwaltspostfach barrierefrei ausgestaltet sein soll. Gleichwohl genügen die Änderung nicht den Anforderungen der UN-Behindertenrechtskonvention. Nicht geregelt wird, dass auch das elektronische Postfach und die elektronische Poststelle des Gerichts nach § 130 a Abs. 4 Nr. 2 ZPO barrierefrei ausgestaltet werden muss, um den barrierefreien Übermittlungsweg zu gewährleisten.

Beide Gesetzentwürfe zielen darauf ab, durch den Einsatz elektronischer Zustellungsmöglichkeiten die zivilrechtliche Gerichtspraxis zu vereinfachen. Dieses ist grundsätzlich zu begrüßen. Jedoch ist dabei stets das Interesse aller am Prozess Beteiligten schonend zu berücksichtigen. Die Änderung des § 174 Abs. 4 ZPO führt zu einem erheblichen Paradigmenwechsel. Das Empfangsbekenntnis muss nun nicht mehr persönlich zurückgesandt, sondern soll durch eine automatisch generierte Eingangsbestätigung ersetzt werden. Dabei soll die Zustellung nach drei Werktagen ab Eingang der Schriftstücke im elektronischen Postfach der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte als bewirkt gelten, es sei denn, eine frühere Zustellung wird durch ein Empfangsbekenntnis nachgewiesen. Der Wertung der aktuellen Rechtslage würde es eher entsprechen, wenn zugleich mit dem zuzustellenden Dokument ein Empfangsbekenntnis im XJustiz-Standard zugestellt wird, welches nach Kenntnisnahme des Dokuments an das elektronische Gerichtspostfach zurückgesendet wird. Vor diesem Hintergrund sehen wir Grünen an dieser Stelle noch Klärungsbedarf.

Die zunehmende Digitalisierung führt auch zu einem Bedeutungszuwachs für den Datenschutz im Zivil- und Strafprozess. Im Bereich der Justiz ist die Kommunikation besonders vertraulich zu behandeln und entsprechend zu sichern. Eine Abkehr vom Standard der qualifizierten elektronischen Signatur, wie es der Regierungsentwurf zu   § 130 a Abs. 3 ZPO vorsieht, halten wir vor diesem Hintergrund für problematisch. Die Übermittlung im Wege einer DE-Mail bietet grundsätzlich eine Leitungsverschlüsselung, jedoch keine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Somit ist dieser im Regierungsentwurf in § 130 a Abs. 4 Nr. 1 ZPO als „sichere Übermittlungsweg“ markierte DE-Mail keineswegs so sicher, wie eine qualifizierte elektronische Signatur. An der weiteren Gesetzesberatung werden wir Grünen uns konstruktiv beteiligen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

14.03.2013 | Rede am 14. März 2013 zu "Recht von Opfern sexuellen Missbrauchs"

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir sprechen heute über ein Thema, das eine juristische Seite hat. Es hat aber auch eine zutiefst menschliche, tragische Seite, und das Thema hat in seinen langfristigen Auswirkungen eine nicht absehbare Wirkung.

Wir alle sind betroffen von dem, was Tausenden von Kindern und Jugendlichen angetan worden ist, was sie ertragen und erleiden mussten, nicht für einen Tag oder eine Woche, nein, oftmals über viele Monate und Jahre hinweg. Mein Mitgefühl gilt diesen Menschen, die für die psychische und physische Verarbeitung des erlittenen Missbrauchs oft ein Leben lang brauchen. Vor diesem Hintergrund steht meine heutige Rede.

Die Grundfrage lautet: Wie können wir Recht und Gerechtigkeit möglichst nah zusammenbringen?

Wir Grünen begrüßen es, dass die Bundesregierung und die Regierungskoalition nun endlich Regelungen zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs voranbringen. Fast zwei Jahre lang mussten die Opfer und auch wir darauf warten. Das ist eine zu lange Zeit, wenn man bedenkt, dass an jedem Tag bis zum Inkrafttreten des Gesetzes Ansprüche der Opfer verjähren können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Immerhin haben Sie von der Koalition sich während dieser Zeit in einem Punkt zu einer wesentlichen Verbesserung durchgerungen, die auch im Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen enthalten ist. Die Verbesserung besagt, dass die Verjährung für die zivilrechtlichen Ansprüche der Opfer nicht schon direkt nach der Tat beginnen soll, unabhängig davon, ob das Opfer zu diesem Zeitpunkt noch ein Kind oder schon ein Erwachsener ist, sondern die Verjährung soll erst im Erwachsenenalter des Opfers beginnen, und auch der strafrechtliche Verjährungsbeginn soll hinausgeschoben werden. Die Frage bleibt aber: Wann soll die Verjährung tatsächlich beginnen?

Wir alle wissen, dass selbst junge Erwachsene häufig emotional noch nicht in der Lage sind, ihre Ansprüche wegen solcher Taten geltend zu machen. Wir Grünen schlagen deshalb in unserem Gesetzentwurf vor, dass die Verjährungsfrist im Zivil- und im Strafrecht erst mit der Vollendung des 25. Lebensjahres des Opfers beginnen soll. Zusätzlich wollen wir die zivilrechtliche Verjährungsfrist bei sexuellem Missbrauch auf 30 Jahre verlängern. Das trägt den Erkenntnissen aus den Missbrauchsfällen besser Rechnung als der Verjährungsbeginn mit der Vollendung des 21. Lebensjahres des Opfers, wie es im Gesetzentwurf der Regierungskoalition vorgesehen ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ihr Gesetzentwurf enthält aber auch Vorschläge, die massiv in die Prinzipien des Rechtsstaats eingreifen, ohne die Opfer in ihren Rechten tatsächlich zu stärken. Es hilft keinem Betroffenen, wenn dem Strafverfahren gegen den Täter mit juristischen Spitzfindigkeiten der Makel des unfairen Verfahrens angehängt wird.

Nennen will ich die Fälle, in denen einem mutmaßlichen Straftäter wegen der Schwere seiner Tat zwingend ein Anwalt beigeordnet werden muss. Wird eine richterliche Zeugenvernehmung durchgeführt, bei der der Beschuldigte oder sein Anwalt nicht anwesend waren, können sie sich in diese Vernehmung nicht mit Fragen einbringen. Wiederholt das Gericht die Zeugenvernehmung in der Hauptverhandlung nicht, sondern spielt sie nur per Video vor, kann der Angeklagte seine Verteidigungsrechte nicht ausreichend wahrnehmen. Hier besteht aus unserer Sicht Nachbesserungsbedarf.

Uns Grünen ist aber auch klar, dass die Menschen, die von sexuellem Missbrauch betroffen sind, jetzt die rechtliche Möglichkeit brauchen, die Verjährung ihrer Ansprüche zu vermeiden und die Täter zur Verantwortung zu ziehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssen jetzt ein klares Signal dafür setzen, dass sexueller Missbrauch kein Kavaliersdelikt ist, sondern ein Angriff auf die Würde und persönliche Integrität der davon Betroffenen. Aus Sicht der Betroffenen ist jetzt Rechtssicherheit geboten.

Der Gesetzesvorlage können wir Grünen aus rechtlichen Gründen nicht zustimmen. Wir werden uns bei der Abstimmung enthalten.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

14.03.2013 | Rede am 14. März 2013 zu "Kronzeugenregelung"

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Es kommt selten vor, dass die Bundesrechtsanwaltskammer, der Deutsche Anwaltverein, die Strafverteidigervereinigungen und der Deutsche Richterbund einer Meinung sind. 2009, bei der Einführung der Kronzeugenregelung in ihrer weiten Fassung, waren sie es.

Die Kronzeugenregelung beinhaltet – das wissen wir alle hier – Straferleichterungen für Straftäter. Richter dürfen die Strafe des selbst straffälligen Kronzeugen mildern oder ganz von der Strafe absehen, wenn dieser zur Aufklärung oder Verhinderung von schweren Straftaten beiträgt.

Die Rechtspraxis hat im Jahr 2009 geschlossen gesagt: Die Kronzeugenregelung ist ein Bruch in unserem Rechtsstaatsystem, und wir brauchen sie nicht. – Auch wir Grünen waren und sind dieser Rechtsauffassung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Heute begrüßen Anwaltskammer und Verbände die von der Bundesregierung vorgeschlagene Minikorrektur der Kronzeugenregelung. Auch wir Grünen sagen: Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings sagen wir auch: Es ist nur ein Schritt ‑ ein Schritt, der von einem Quantensprung weit entfernt ist.

Eingeführt werden soll das Konnexitätsprinzip. Zukünftig soll ein Kronzeuge nur noch dann eine Straferleichterung erhalten können, wenn zwischen seiner eigenen Straftat und der Tat, zu der er Aufklärungs- oder Präventionshilfe leistet, ein sachlich-inhaltlicher Zusammenhang besteht.

Möglicherweise wird die Zahl der Falschbelastungen Dritter ein wenig zurückgehen. Ausgeschlossen werden Denunziationen zum eigenen Vorteil im Strafverfahren jedoch nicht. Nach wie vor wird im Rahmen der Kronzeugenregelung das Motto gelten: Mehr ist mehr. Je mehr Anschuldigungen der Kronzeuge gegenüber anderen Personen macht, umso mehr Strafrabatt erhält er.

Dem steht kein ausreichender Nutzen gegenüber. Im Verfahren gegen die Person, die der Kronzeuge angeschuldigt hat, sind die Aussagen als Beweismittel wegen mangelnder Belastbarkeit häufig problematisch. Zu diesem Zeitpunkt haben sie aber ihren Zweck, nämlich Strafmilderung für den Kronzeugen zu erreichen, bereits meistens erfüllt. Der vermeintliche Kronzeuge läuft wenig Gefahr, wegen falscher Verdächtigung verurteilt zu werden.

Wenn überhaupt die Wahrheit ans Licht kommt, so wird doch häufig der Nachweis scheitern, dass der Kronzeuge seine Aussage wider besseres Wissen gemacht hat. Darauf wird der Kronzeuge setzen, zumal die Versuchung, mit der der Staat lockt, nämlich Strafmilderung oder Absehen von Strafe, groß ist.

Die Kronzeugenregelung verstößt darüber hinaus gegen zentrale Prinzipien unseres Rechtstaats. Zu nennen sind das Legalitätsprinzip, das Gleichheitsgebot sowie das Prinzip des schuldangemessenen Strafens. Polizei oder Staatsanwaltschaft, manchmal sogar Verfassungsschutzbehörden suchen Aufklärungserfolge, die leider nicht immer nur tatsächlicher, sondern häufig auch nur vermeintlicher Art sind. Dabei machen sie Straftätern die Zusage, sie vor einer schuldangemessenen Strafe zu schützen. Dem Gericht wird zugemutet, als Notar solche Geschäfte zu beglaubigen und auf eine Überprüfung der Wahrhaftigkeit der Kronzeugenaussage ganz oder zum Teil zu verzichten, weil die Einigung zwischen Straftäter und Staatsanwaltschaft bereits vor der Hauptverhandlung unter Dach und Fach gebracht werden muss.

Ich wiederhole, was wir Grünen 2009 bei der Einführung der Kronzeugenregelung gesagt haben: Es gibt keinen Bedarf für eine solche Regelung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Den Problemen, die es bei der Prävention zum Schutz der Bevölkerung, bei der Aufklärung von Straftaten sowie bei einer effektiven und schnellen Bearbeitung angeklagter Straftaten gibt, müssen die Länder mit einer ausreichenden Personal- und Sachausstattung der Ermittlungsbehörden begegnen. Die Flucht in die Kronzeugenregelung ist keine Lösung. Die wenigen tatsächlich durch Kronzeugen erzielten Aufklärungserfolge rechtfertigen nicht den hohen Verlust an Legitimität, die ein rechtsstaatliches Strafverfahren aber zwingend braucht.

So bleibt der Gesetzentwurf der Bundesregierung ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Er verpasst aber die Chance einer konsequenten und mutigen Korrektur dieses Fremdkörpers im Strafrecht. Wir Grünen werden uns deshalb bei der Abstimmung enthalten.

(Ansgar Heveling (CDU/CSU): Das ist aber kraftvoll!)

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

28.02.2013 | Rede am 28. Februar 2013 zu "Verbraucherschutz im Beurkundungsverfahren"

Frau/Herr Präsident/in,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

zwei neue Begriffe haben vor nicht allzu langer Zeit Eingang in unsere Sprache gefunden: die „Schrottimmobilie“ und der „Mitternachtsnotar“.

Spätestens als 2011 die wahrscheinlich kürzeste Amtszeit eines Senators endete – die zwölftägige Amtszeit des Berliner CDU-Senators für Justiz und Verbraucherschutz – ist das Problem, das sich hinter diesen Begriffen verbirgt, deutschlandweit bekannt: Verkäufe minderwertiger Immobilien werden kurzfristig beurkundet, ohne dass die Verbraucherin oder der Verbraucher genügend Zeit hatte, die Immobilie oder den Vertrag zu überprüfen. Die Beurkundung erfolgt häufig zu ungewöhnlichen Geschäftszeiten. Der Verkehrswert der Schrottimmobilie ist erheblich geringer als der vom Käufer zur Finanzierung der Immobilie aufgenommene Kredit. Das Resultat: Anstelle einer Geldanlage hat die Verbraucherin oder der Verbraucher ein lebenslanges Verschuldungsproblem.

Ich spreche hier nicht von Einzelfällen. Seit den neunziger Jahren wurden Verbraucherinnen und Verbrauchern systematisch Schrottimmobilen als Vermögensanlage oder Altersvorsorge verkauft. In Deutschland wurden Hunderttausende Opfer dieser „Erwerbsmodelle“. Es besteht offensichtlich eine Lücke im Verbraucherschutz. Der Gesetzentwurf des Bundesrates zur Stärkung des Verbraucherschutzes im notariellen Beurkundungsverfahren, über den wir heute debattieren, ist daher ein begrüßenswerter Schritt hin zu mehr Rechtssicherheit.

Verträge über den Kauf von Immobilen müssen notariell beurkundet werden. Dieser Formzwang verfolgt den Zweck, die Vertragspartner vor übereilten, folgenreichen Verpflichtungen zu schützen sowie eine sachgemäße Beratung zu gewährleisten. Die vom Bundesrat vorgeschlagene Vorschrift konkretisiert diesen Schutzzweck der notariellen Beurkundung: Der Notar soll dem Verbraucher den Vertragstext über den Immobilienkauf im Regelfall zwei Wochen vor der Beurkundung zur Verfügung stellen. Die Verbraucherinnen und Verbraucher bekommen so ausreichend Zeit, sich mit dem Kauf der Immobile auseinanderzusetzen. Wird die „Bedenkfrist“ von zwei Wochen unterschritten, muss der Notar in der Vertragsniederschrift die Gründe für die Unterschreitung angeben.

Die Notarin oder der Notar ist als neutraler Funktionsträger weder verpflichtet noch berechtigt, die wirtschaftlichen Grundlagen des Immobilienkaufs aufzuklären. Ihr oder ihm kommt vielmehr die Aufgabe zu, die Einhaltung der rechtlichen Vorschriften zu wahren und Rechtsbelehrung zu leisten. Es ist richtig, die Notarinnen und Notare in den Verbraucherschutz mit einzubeziehen. Es geht nicht darum, die Grenzen der notariellen Tätigkeit zu erweitern. Es geht darum, Verbraucherinnen und Verbraucher vor „schwarzen Schafen“ zu schützen. Betrügerisches Verhalten Einzelner soll verhindert und angemessen berufsrechtlich sanktioniert werden, bevor strafrechtliche Tatbestände einschlägig sind.

Ein weiteres Problem, das den systematischen Vertrieb von Schrottimmobilen erleichtert, wird durch die Neuregelung aber leider nicht gelöst: die Möglichkeit der getrennten Beurkundung von Vertragsangebot und Vertragsannahme. Zum Abschluss eines Kaufvertrages bedarf es immer eines Angebots und einer Annahme. Es ist zivilrechtlich zulässig, wenn ein Notar zunächst das Angebot und mit zeitlichem Abstand die Annahme beurkundet. Das kann den Vertragsschluss vereinfachen, da die Vertragsparteien nicht zur gleichen Zeit vor dem Notar erscheinen müssen. Aber die getrennte Beurkundung von Angebot und Annahme durch unterschiedliche Notare birgt Gefahren für die Beteiligten. Der Notar, der die Annahme beurkundet, muss nur über die rechtliche Bedeutung der Annahme belehren, nicht aber über das Angebot. Im Zweifelsfall kann der die Annahme beurkundende Notar die rechtliche Betreuungstätigkeit gar nicht ausüben, da er die dem Angebot zugrunde liegenden Tatsachen nicht kennt. Besondere berufsrechtliche Verfahrenspflichten, die dem Problem entgegen wirken sollen, bestehen zwar bereits. Im Zusammenhang mit der vom Bundesrat vorgeschlagenen Stärkung des Verbraucherschutzes im notariellen Beurkundungsverfahren sollte jedoch überprüft werden, ob die Schutzfunktion der Belehrung durch berufsrechtliche Richtlinien ausreichend gewahrt ist.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

31.01.2013 | Rede am 31. Januar 2013 zu "Rechte des leiblichen Vaters"

Frau/Herr Präsident/in, liebe Kolleginnen und Kollegen,

noch immer ist das deutsche Familienrecht auf das traditionelle klassisch-konservative Familienbild ausgerichtet. Aber nach und nach, angestoßen auch durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg, setzt sich, auch bei der Regierung, die Erkenntnis durch, dass es nicht nur ein einziges Familienbild gibt.

Ausgangspunkt unserer heutigen Debatte sind zwei Entscheidungen des

Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus den Jahren 2010 und 2011. Konkret geht es um Väter, die ihr Kind zwar gezeugt haben, aber nicht über die rechtliche Vaterstellung verfügen. Grund hierfür kann sein, dass die Vaterschaft des biologischen Vaters rechtlich nicht festgestellt ist. Grund hierfür kann auch sein, dass das Kind in eine Ehe hineingeboren wurde, in der die Mutter des Kindes mit einem anderen Mann lebt und dieser rechtlich als Vater des Kindes gilt.

Nach jetzigem deutschen Recht ist der biologische Vater, der keine enge Bezugsperson seines Kindes ist, kategorisch und ohne Prüfung des Kindeswohls vom Umgang mit seinem Kind ausgeschlossen. Das gilt auch dann, wenn ihm der Umstand, dass eine sozial-familiäre Beziehung zwischen Vater und Kind bisher nicht aufgebaut wurde, nicht zuzurechnen ist.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat festgestellt, dass die Bundesrepublik mit dieser Gesetzeslage gegen Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention verstößt. In seinen Entscheidungen hat der Gerichtshof einerseits die Rechte des biologischen Vaters gestärkt, andererseits aber auch festgestellt, dass die  sozial-familiären Beziehungen, in denen das Kind lebt,  schützenswert sein können. Es müsse immer genau geprüft werden, in welchem Verhältnis das Auskunfts- und Umgangsrecht des Vaters und das Wohl seines Kindes zueinander stehen.

Meine Damen und Herren, mit seiner Rechtsprechung hat uns der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine nicht ganz einfache Aufgabe aufgetragen: Das deutsche Recht muss gewährleisten, dass leibliche Väter, die nicht gleichzeitig auch rechtliche Väter sind, eine Beziehung zu ihren Kindern aufbauen können. Dennoch soll dabei kein Automatismus etabliert werden, sondern die Betrachtung des Einzelfalls im Vordergrund stehen.

Der Gesetzentwurf, über den wir heute debattieren, will die Rechtsstellung des biologischen Vaters stärken. Dem Vater werden unter bestimmten Umständen ein Umgangsrecht und ein Auskunftsrecht über die persönlichen Verhältnisse seines Kindes eingeräumt. Zusätzlich wird für diese Fälle ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren eröffnet.

Damit ist die Bundesregierung auf dem richtigen Weg. Unter Berücksichtigung des Kindeswohles muss das deutsche Recht gewährleisten, dass auch außenstehende biologische Väter eine Beziehung zu ihren Kindern aufbauen können. Im Vordergrund muss in allen Fällen das Kindeswohl stehen.

Ob und inwiefern die Regelungen des Gesetzentwurfs angemessen sind, werden wir im weiteren Gesetzgebungsverfahren, an dem wir uns konstruktiv beteiligen werden, zu beurteilen haben.

Nach derzeitigem Stand stellen sich noch viele Fragen zu den Einzelheiten. Die unbestimmten Formulierungen im Gesetzesentwurf sollen zwar der Berücksichtigung des Einzelfalles dienen; sie können aber auch zu Rechtsunsicherheit führen. Auch bin ich mir nicht sicher, ob die Neuregelungen sich in das Gesamtgefüge der familienrechtlichen Regelungen einfügen, ohne neue Widersprüche aufzuwerfen.

Meine Damen und Herren, unabhängig von der konkreten Ausgestaltung freuen wir Grünen uns aber noch aus einem anderen Grund auf die Diskussion über den Gesetzentwurf:

Die Formen familiären Zusammenlebens haben sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Mehrelternkonstellationen gibt es nicht nur in den Fällen, in denen es einen biologischen und einen rechtlichen Vater gibt. In einer kontinuierlich wachsenden Anzahl von Familien wachsen Kinder mit mehreren Eltern auf. In Patchwork- oder Regenbogenfamilien mit biologischen und sozialen Elternteilen haben Kinder regelmäßig mehr als zwei Elternteile. Einen ausreichenden  rechtlichen Rahmen gibt es für diese Familienbeziehungen bisher nicht. Dies stellt viele Familien vor ganz praktische Probleme.

Heute haben wir hier im Bundestag die Reform des Sorgerechts für nicht miteinander verheiratete Eltern beschlossen. Väter, die nicht mit der Mutter ihres Kindes verheiratet sind, können jetzt niedrigschwellig einen Antrag auf Mitübertragung der elterlichen Sorge stellen. Das ist eine Reform, die längst überfällig war.

Mit dem Gesetz zur Stärkung der Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen

Vaters machen wir den nächsten Schritt hin zu einem moderneren Familienrecht. Damit passen wir das Recht ein kleines Stück mehr an die gesellschaftlichen Realitäten an. Weitere Schritte müssen folgen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

31.01.2013 | Rede am 31. Januar 2013 zu "Kostenrechtsmodernisierungsgesetz"

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

In diesem Hohen Hause besteht mit Sicherheit großer Konsens darüber, dass der Zugang zum Recht zur demokratischen Grundversorgung jeder Bürgerin und jedes Bürgers gehört. Um den Zugang zum Recht zu gewährleisten, muss es eine funktionsfähige Justiz geben. Diese bereitzustellen, und zwar für alle Mitbürgerinnen und Mitbürgern, das ist Aufgabe des Staates.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir debattieren heute über sechs Gesetzentwürfe, bei denen es, kurz gesagt, um Kosten und um Finanzierung geht. Ihre Umsetzung soll dazu führen, dass die Länder aufgrund der Neugestaltung der Gerichtskosten 177 Millionen Euro und aufgrund der Erhöhung der Gerichtsvollziehergebühren weitere 53 Millionen Euro Mehreinnahmen erzielen. Diese Erhöhungen orientieren sich an der Steigerung der allgemeinen Lebenshaltungskosten. Das ist vernünftig. Deshalb kann ich hier mit meiner Fraktion gern zustimmen.

(Beifall des Abg. Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Nun kommt aus dem Bundesrat zusätzlich der Vorschlag, dass eine neue Gebühr für Gerichtsvollzieher eingeführt wird, eine sogenannte Erfolgsgebühr. Meine Damen und Herren, Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher führen die staatliche Aufgabe der Zwangsvollstreckung aus. Sie dürfen Wohnungen betreten und unter Umständen sogar körperliche Gewalt anwenden. Zu dieser hoheitlichen Aufgabe passen Erfolgsgebühren nicht. Sie könnten den Eindruck vermitteln, dass die Gerichtsvollziehergebühren im Vordergrund stehen und nicht die Durchsetzung einer gerichtlich festgestellten Forderung. Mit diesem Vorschlag können wir Grüne uns deshalb nicht einverstanden erklären.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit einem weiteren Gesetz, über das wir heute auch debattieren, sollen die Gebühren der Rechtsanwältinnen und -anwälte, der Notare und Notarinnen sowie die Honorare der Sachverständigen und der Dolmetscher und Übersetzerinnen an die wirtschaftliche Entwicklung angepasst werden. Die Notargebühren wurden im Jahr 1986 zuletzt erhöht. Die Anwaltsgebühren wurden zuletzt im Jahr 2004 verändert. Es ist deshalb angemessen, auch diese Gebühren neu zu regeln.

Einige Berufsgruppen werden aber in Ihrem Gesetz nicht ausreichend berücksichtigt. Die Vergütung der Übersetzerinnen und der Sachverständigen sollte noch einmal überdacht werden. Auch sollten die Gebührenstreitwerte im Asylverfahren den Werten im Ausländerrecht angepasst werden. Bei beiden Verfahrensarten ist der Arbeitsaufwand der gleiche. Es geht um den Aufenthalt von Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit in Deutschland und damit um schwierige menschliche Schicksale. Es gibt keinen sachlichen oder juristischen Grund, hier mit zweierlei Maß zu messen, meine Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Jetzt komme ich zu den Gesetzentwürfen, die die Änderungen im Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferecht betreffen. Frau Kollegin Voßhoff, das ist bestimmt auch interessant für Ihre Fraktion. Denn eines ist klar: Ein Gerichtsverfahren kostet Geld. Wer sich einen Anwalt oder ein Gerichtsverfahren finanziell nicht leisten kann, muss staatliche Hilfe in Anspruch nehmen können. Wir gewährleisten das mit der Beratungshilfe und mit der Prozesskostenhilfe. Doch während die Lebenshaltungskosten im Bundesgebiet steigen, wollen die Bundesregierung und der Bundesrat die Prozesskostenhilfe und die Beratungshilfe einschränken. Durch Ihre Vorschläge, meine Damen und Herren, wird der Zugang zum Recht erheblich erschwert.

Ich nenne Ihnen hierfür drei ganz einfache, aber zentrale Gründe.

Erstens. Rechtsuchende, deren Einkommen über den Sozialleistungen liegt, sollen mehr Geld für rechtlichen Beistand bezahlen. Wen trifft diese Neuregelung? ‑ Sie betrifft vor allem alleinerziehende Frauen, prekär Beschäftigte oder Erwerbslose. Das thematisieren die Gewerkschaft Verdi und eine Petition an den Bundestag zu Recht. Wer wenig Einkommen hat, wird sich dann dreimal überlegen, ob er oder sie unter diesen Bedingungen einen Prozess riskiert. Das, meine Damen und Herren, schreckt Rechtsuchende davon ab, ihr Recht in Anspruch zu nehmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Zweitens. Das Gericht soll eine einmal bewilligte Prozesskostenhilfe aufheben können, soweit ein Antrag auf Beweiserhebung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Das verstößt gegen den Grundsatz der nicht vorwegzunehmenden Beweiswürdigung im Zivilprozess. Genau das ist nicht vorgesehen im Zivilprozess. Auch dieser Vorschlag von Ihnen verschlechtert die Prozesschancen der finanziell schlechtergestellten Partei.

Drittens. Prozesskostenhilfe wird vor allem in den Bereichen Familienrecht, Arbeitsrecht und Sozialrecht beantragt. Hier geht es um Unterhalt, die Arbeitsstelle oder Sozialleistungen. Gerade für Menschen mit geringem Einkommen ist es wichtig, sich auch in diesen elementaren Bereichen verteidigen zu können. Die geplante Einschränkung der Prozesskostenhilfe verschiebt aber die Chancen der Rechtsverfolgung zugunsten des finanziell Bessergestellten.

Mit diesem Gesetzesvorhaben erschweren Sie, meine Damen und Herren von Bundesregierung und von Bundesrat, finanziell schwächeren Bürgerinnen und Bürgern das Recht auf rechtliche Vertretung. Wir Grünen lehnen das ab. Mit uns Grünen gibt es nur eine Rechts- und Justizpolitik mit sozialem Augenmaß.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jens Petermann (DIE LINKE): Da sind wir uns einig, Frau Kollegin!)

Um die Justizhaushalte wirklich zu entlasten, ist es sinnvoller, die außergerichtliche Streitbeilegung zu stärken. Mit den Stimmen aller Fraktionen hier im Bundestag haben wir in dieser Legislaturperiode das Mediationsgesetz verabschiedet. Darin haben wir vorgesehen, dass Bund und Länder erforschen können, wie die Länder mit Mediation die Gerichte auch finanziell entlasten können. Deshalb sollten sich möglichst schnell möglichst viele Bundesländer an den Forschungsvorhaben beteiligen. Das wäre wirklich innovativ.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Rechte, meine Damen und Herren, sind nur dann wirkungsvoll, wenn die Bürgerinnen und Bürger sie auch durchsetzen können. Dazu brauchen sie im Einzelfall anwaltliche oder gerichtliche Hilfe. Mit dem Gesetz zur Prozesskosten- und Beratungshilfe schaffen Sie eine Zweiklassenjustiz. Wir Grünen können das nicht akzeptieren. Nach unserer Überzeugung muss der Zugang zum Recht allen Menschen offenstehen, unabhängig von ihrem Einkommen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

31.01.2013 | Rede am 31. Januar 2013 zu "Erbrecht nichtehelicher und adoptierter Kinder"

Frau Präsidentin/ Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,

der Gesetzentwurf zum Schutz des Erbrechts und der Verfahrensbeteiligungsrechte nichtehelicher und einzeladoptierter Kinder im Nachlassverfahren, über den wir heute beraten, liest sich in Teilen wie ein Stück deutscher Geschichte.

Lange Zeit über wurden nichteheliche Kinder wie Kinder zweiter Klasse behandelt. Glücklicherweise sind nichteheliche Kinder, die nach dem 01.07.1949 geboren sind, seit 2011 den ehelichen Kindern auch im Erbrecht gleichgestellt.

Bis hierhin war es ein weiter Weg. Der Gesetzentwurf, den wir heute beraten, trägt nun dazu bei, dass nichteheliche und adoptierte Kinder, ihre Erbansprüche auch durchsetzen können.

Warum ist das notwendig?

Aufgrund einer Gesetzeslücke ist derzeit nicht sichergestellt, dass die Nachlassgerichte von den nichtehelichen Kindern eines Erblassers erfahren. Es droht die Ausstellung unrichtiger Erbscheine.

Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Eheliche Kinder werden in das Familienbuch ihrer verheirateten Eltern eingetragen. Für nichteheliche und auch adoptierte Kinder wurden bisher sogenannte „weiße Karteikarten“ erstellt. Im Falle des Todes einer Person, deren Erbe das nichteheliche oder adoptierte Kind war, wurden die „weißen Karteikarten“ an das zuständige Nachlassgericht weitergegeben. Grundlage war Verwaltungsvorschrift. Die ist im Jahr 2010 weggefallen. Seitdem fehlt es an einer Rechtsgrundlage dafür, dass das Geburtsstandesamt eines Kindes das Nachlassgericht automatisch über die Existenz eines nichtehelichen oder adoptierten Kindes unterrichtet.

Diese Lücke im Verfahren müssen wir schnellstmöglich schließen. Jeder Erbin und jedem Erben soll ihr beziehungsweise sein Erbrecht  gewährleistet werden.

Das Gesetz, über das wir heute debattieren, schlägt folgenden Weg vor:

2010 wurde die Einführung eines Zentralen Testamentsregisters bei der Bundesnotarkammer beschlossen. Die Bundesnotarkammer überführt nun Verwahrungsnachrichten aus den Standesämtern in das Zentrale Testamentsregister und erfasst sie elektronisch.

Dieser Überführungsprozess soll nun auch für die Überführung der Daten genutzt werden, die auf den sogenannten „weißen Karteikarten“ niedergelegt sind. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Daten von den „weißen Karteikarten“ aus den Standesämtern in das Zentrale Testamentsregister der Bundesnotarkammer überführt werden. Stirbt ein Elternteil eines dort registrierten Kindes soll die Registerbehörde dann das zuständige Nachlassgericht benachrichtigen.

Dieses vom Bundesrat vorgeschlagene Verfahren halten auch wir Grünen für geboten und angemessen. Mit den Änderungen, die im Änderungsantrag der Koalition vorgesehen sind, wird der Ansatz des Bundesrates konsequent weiterentwickelt: Durch einen Verweis auf die Testamentsregister-Verordnung wird bestimmt, welche Daten zu überführen sind und der untechnische Begriff der „weißen Karteikarten“ vermieden. Außerdem wird klargestellt, dass die Übergabe der Daten grundsätzlich in landeseigener Verwaltung zu erfolgen hat. Die Bundesnotarkammer kann aber von den Ländern und auf deren Kosten im Wege der Organleihe mit dieser Aufgabe betraut werden.

Meine Damen und Herren, wir dürfen hier nicht noch mehr Zeit verstreichen lassen. Schon seit 2010 kann es vorkommen, dass Kinder eines Erblassers unberücksichtigt bleiben. Nicht in allen Fällen haben Kinder Kontakt zum Erblasser und melden sich dann im Falle dessen Todes beim zuständigen Nachlassgericht. Die genauen Abläufe zwischen Standesamt und Nachlassgericht und die Verfahrensänderungen sind in der Bevölkerung so gut wie unbekannt. Dennoch verlassen sich alle Kinder, Väter und Mütter darauf, dass im Erbfall die Behörden untereinander vernetzt sind und die relevanten Informationen an das Nachlassgericht weitergeben. Dies gilt für alle Familien, unabhängig davon, ob die Erben ehelich oder nichtehelich geboren oder adoptiert sind.

Die im Gesetzentwurf und im Änderungsantrag vorgeschlagene Lösung halten wir Grünen für sinnvoll. Wir werden dem Gesetzentwurf zustimmen.

 

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

31.01.2013 | Rede am 31. Januar 2013 zu "Änderung versicherungsrechtlicher Vorschriften"

Frau/Herr Präsident/in, liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir debattieren heute über einen ganzen Strauß von neuen Vorschriften im Bereich des Versicherungsrechts. Diese Neuregelungen sollen den  Versicherten mehr Rechte verleihen. Das begrüßen wir Grünen.

Wenn eine Kfz-Haftpflichtversicherung sich in der Insolvenz befindet, sollen Versicherungsnehmerinnen und Versicherungsnehmer besser vor existenzbedrohenden Schadensersatzansprüchen nach einem Unfall geschützt werden. Krankenversicherte sollen selbst – und nicht nur über den Rechtsanwalt oder die Ärztin – bei ihrer privaten Krankenkasse Einsicht in Gutachten oder Stellungnahmen nehmen können, wenn die Notwendigkeit einer Heilbehandlung geprüft wird. Zusätzlich haben privat Versicherte mehr Zeit ihre Krankenversicherung  zu kündigen, wenn die Beiträge erhöht werden.

Meine Damen und Herren, Versicherungen tragen dazu bei, finanzielle Lebensrisiken für den und die Einzelne abzusichern. Das ist eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe.

Besonders gut ist das Verhältnis zwischen Versicherung und Versicherten dann, wenn es ausgewogen ist. Deshalb ist es wichtig, dass beide Seiten starke Rechtspositionen haben und diese Rechte auch effektiv durchsetzen können.

Hier weist der Regierungsentwurf eine empfindliche Schwäche auf:

Die Bundesregierung will einen Auskunftsanspruch der privat Versicherten gegenüber ihren Krankenversicherungen einführen. Privat Versicherte sollen bei größeren Heilbehandlungen von ihrer Versicherung im Vorhinein Auskunft darüber verlangen dürfen, ob diese die Kosten der Behandlung übernimmt. In dringenden Fällen hat die Versicherung unverzüglich die Auskunft zu erteilen.

Die Regelung dieses Auskunftsanspruchs ist erforderlich, weil es immer wieder Fälle gibt, in denen Versicherungsnehmer so lange auf die Antwort ihrer Versicherung warten müssen, dass die Behandlung schon fast zu spät erfolgt. Im schlimmsten Fall tragen die Betroffenen dann irreparable Schäden davon.

Der Haken am neuen Auskunftsanspruch ist aber, dass der Gesetzentwurf der Regierung keine verbindliche Auskunft der Versicherung vorsieht. Das heißt: Der Versicherte bekommt eine Auskunft des Versicherungsunternehmens über die Kostenübernahme, kann sich aber nicht darauf verlassen, dass die Versicherung die Kosten anschließend tatsächlich übernimmt. – Und das ist nicht nur meine Einschätzung, meine Damen und Herren. Diese Interpretation teilt auch der Bundesrat.

Die Bundesregierung gibt zwar an, dass die Zusage der Versicherung verbindlich sei, wenn diese eine abschließende Bewertung anhand aller Unterlagen vorgenommen habe. Aber das schreibt sie nicht ins Gesetz.  Der Vorgängerentwurf, der Referentenentwurf, hatte die Verbindlichkeit noch ausdrücklich beinhaltet. Und auch in der Gesetzesbegründung steht nicht, dass eine Zusage verbindlich ist. Ich zitiere Seite 13 des Gesetzentwurfs: „Legt der Versicherungsnehmer Unterlagen vor, muss der Versicherer in seiner Antwort im Sinne einer gesteigerten Darlegungslast auf die Unterlagen eingehen; die Antwort erlangt einen höheren Grad an Verbindlichkeit.“

Da frage ich mich: Was ist ein höherer oder niedrigerer Grad an Verbindlichkeit?

Meine Damen und Herren Kollegen, hier gibt es nur ein „Entweder/Oder“: Entweder ist eine Auskunft verbindlich oder sie ist es nicht.

Und es kommt noch schlimmer: Bleibt der Gesetzestext so, wie er jetzt ist, wäre es letztendlich für den Versicherten besser, er erhielte gar keine Antwort von seiner Versicherung. In diesem Fall greift nämlich nach Ablauf der Frist zur Antwort die gesetzliche Vermutung ein. Das bedeutet, es wird vermutet, dass die beabsichtigte Heilbehandlung notwendig ist und damit die Krankenversicherung die Kosten übernehmen muss. Um diese Vermutung zu widerlegen, muss dann die Versicherung beweisen, dass die Behandlung nicht notwendig war.

Im Klartext heißt das: Der Versicherte, der von seiner Versicherung keine Auskunft erhalten hat, hat im Prozess eine stärkere Position als die  Versicherte, die eine unverbindliche Auskunft bekommen hat. Bei der unverbindlichen Auskunft trägt nämlich der Versicherte die Beweislast dafür, dass seine Versicherung zur Zahlung der Behandlungskosten verpflichtet ist.

Rechtsstreitigkeiten über die Verbindlichkeit einer Auskunft der Krankenversicherung sind damit vorprogrammiert. Das aber muss eine solide Rechtspolitik vermeiden. Ihr Anspruch muss sein, Rechtsstreitigkeiten vorzubeugen, nicht aber sie erst zu verursachen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

17.01.2013 | Rede am 17. Januar 2013 zu "Unabhängigkeit der Justiz"

Frau/Herr Präsident/in, liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Rechtsprechung ist als eine der drei Staatsgewalten im Grundgesetz fest verankert. Sie ist unabhängig. Das ist Kern der Rechtsstaatlichkeit.

Heute debattieren wir über Maßnahmen zur organisatorischen Stärkung dieser Unabhängigkeit. Die LINKE schlägt tiefgreifende Reformen der Justiz vor. Deren Basis ist eine Änderung der Verfassung. Einfachgesetzliche Regelungen sollen sich anschließen.

Verfassungsändernde Maßnahmen aber, meine Damen und Herren,  müssen wohl überlegt sein.

Über ein Mehr an Autonomie in der Justiz ist schon lange diskutiert worden. Die Debatte hat an Schubkraft gewonnen, als der Deutsche Richterbund ein Eckpunktepapier und einen Landesgesetzentwurf formulierte. Der frühere Grüne Justizsenator von Hamburg hat ein eigenes Modell für die Autonomie der Justiz entwickelt und ist dazu in einen Diskursprozess getreten. Die Neue Richtervereinigung hat Diskussionsentwürfe für die Bundesebene vorgeschlagen. Diese Vorschläge hat die LINKE ihren Gesetzentwürfen zugrunde gelegt.

Allerdings sind die Reformen, die die Linksfraktion vorschlägt, sehr weit reichend. Für solche Umstrukturierungen der Justiz bedarf es neben der Grundgesetzänderung vieler Änderungen einfachgesetzlicher Vorschriften. Dies betrifft sowohl die Bundes- als auch die Länderebene, denn Justiz ist vorwiegend Ländersache. Wollen wir einen neuen Aufbau der Justiz ermöglichen, so können wir dies sinnvoll nur in Zusammenarbeit mit den Ländern erreichen. Das muss umfassend aufbereitet und diskutiert werden.

Wir Grüne stehen Reformen der Justizstrukturen offen gegenüber. Auch die Länder mit Grüner Regierungsbeteiligung zeigen hier Offenheit. So haben in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz die Regierungskoalitionen vereinbart, die Unabhängigkeit der Justiz zu stärken. Die grün-rote Regierung in Baden-Württemberg hat bereits einen Gesetzentwurf erarbeitet, der bald weiter beraten wird und neben der Rechtsprechung auch die Staatsanwaltschaft als Teil der Justiz in den Blick nimmt.

Tatsächlich aber wäre es auch Sache des Bundesjustizministeriums gewesen, die Zeichen der Zeit zu erkennen. Es hätte diese Legislaturperiode nutzen können, um die Autonomie der Justiz thematisch anzupacken. Das ist leider nicht geschehen.

Nun zu den Gesetzentwürfen der Linken:

Das Richterbild, das unserem Grundgesetz zugrunde liegt, zeichnet sich dadurch aus, dass die Richterschaft gegenüber der Exekutive unabhängig und dem Gesetz verpflichtet ist. Zur Verwirklichung der  rechtsprechenden Gewalt ist ein hohes Maß – aber nicht unbedingt ein umfassendes Maß – an Selbstverwaltung notwendig. Verbesserungen der aktuellen Gesetzeslage sind hier sicher möglich. Wir Grünen unterstützen das Anliegen, der Richterschaft im Bund und allen Ländern ein entscheidendes Mitspracherecht bei der Richtereinstellung und Beförderung zuzusprechen. Gleichzeitig müssen wir aber auch die  Grenzen der Unabhängigkeit berücksichtigen. Die Richterschaft kann nicht völlig losgelöst von der Exekutive agieren, mit vollständiger finanzieller, personeller und organisatorischer Selbständigkeit.

Bei den Staatsanwaltschaften stellt sich die Frage, inwieweit diese überhaupt eine justizielle Selbstverwaltung ausüben sollten.

Hier spielen ganz andere verfassungsrechtliche Erwägungen eine Rolle.  Die Staatsanwaltschaften sind ein Organ der Rechtspflege, aber nicht der Rechtsprechung. Sie sind Teil der Exekutive. Nach Artikel 92 des Grundgesetzes ist die rechtsprechende Gewalt den Richtern anvertraut.

Die LINKE will daraus jetzt machen: „Die rechtsprechende Gewalt liegt in den Händen der Richter und Staatsanwälte“. Damit verkennt sie, dass die Tätigkeit von Staatsanwälten funktionell keine Rechtsprechung ist. Staatsanwälte entscheiden eben nicht verbindlich in einem geregelten Verfahren, was im konkreten Fall rechtens ist. Die Staatsanwaltschaft erfüllt einen anderen Zweck als die Rechtsprechung. Sie führt das Recht und damit exekutive Gewalt aus.

Die Richter brauchen Unabhängigkeit, weil sie Recht sprechen. Die Staatsanwaltschaften müssen in ihrer Tätigkeit unmittelbare demokratische Rückanbindung haben, bis hin zur politischen Verantwortung der jeweiligen Ministeriumsspitze für die generelle Organisation der Arbeit der Staatsanwaltschaft.

Das heißt nicht, dass wir Grünen die Staatsanwaltschaften von der Justizreform ausnehmen wollen. Insbesondere das einzelfallbezogene Weisungsrecht der Politik gegenüber der Staatsanwaltschaft sollte abgeschafft werden. Es darf nicht sein, dass aus politischen Gründen Ermittlungen gegen einzelne Personen blockiert oder forciert werden können. Das widerspricht der Gleichheit aller vor dem Gesetz.

Dagegen halten wir es für sinnvoll, ein allgemeines Weisungsrecht der Politik gegenüber der Staatsanwaltschaft zu erhalten. Das ist nötig, um Richtlinien für die Handhabung der Strafverfolgung jenseits von Einzelfällen aufzustellen. Das sichert die Einheitlichkeit des Vorgehens in gleichgelagerten Fällen und ist manchmal erforderlich, um Defizite zu beseitigen. Ich nenne nur als Beispiel den früheren Umgang mit Verfahrenseinstellungen bei Fällen häuslicher Gewalt, in denen allzu leicht ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung verneint wurde.

Meine Damen und Herren von der Linksfraktion, eine weitere Kritik kann ich Ihnen nicht ersparen: Bei den Kosten der Gesetzesumsetzung  machen Sie es sich zu leicht. Der Gesetzentwurf formuliert lapidar, dass bei den Ländern Kosten entstehen können, deren Höhe „nicht absehbar“ ist.

Natürlich hängen die Kosten von der konkreten Ausgestaltung im Einzelnen ab. Aber schaut man in die Vorlagen der Neuen Richtervereinigung hinein, wird erkennbar, dass die Reformvorschläge aufgrund der Änderung der Besoldungsstruktur der Richterschaft auf eine vermutlich ganz erhebliche Kostensteigerung hinauslaufen, zumindest während einer längeren Übergangszeit. In Zeiten knapper Kassen ist das aber nicht realistisch. Da gibt es – auch innerhalb der Justizpolitik – andere Prioritäten. Da müssen wir zum Beispiel  für ausreichend Personal in der Justiz und gegen eine Kürzung von Prozesskosten- und Beratungshilfe kämpfen.

Außerdem werden wir noch mit der gesamten Richterschaft zu diskutieren haben, ob die angestrebte Einheitlichkeit der Besoldung aller Richterinnen und Richter, unabhängig davon, welche Funktion sie ausüben, welche Qualifikation sie haben – und damit der Wegfall von Leistungsanreizen – wirklich in ihrem Sinne ist. Das würde ich bezweifeln. Zwar haben Sie nicht die altersdiskriminierende Besoldungsregelung aus dem Gesetzentwurf der NRV übernommen, aber die Ersetzung durch eine reine Dienstaltersregelung stellt keinen Anreiz dar, andere Funktionen anzustreben und sich dafür zu qualifizieren.

Wichtig ist mir bei der Justizreform noch ein weiterer Aspekt, der in der Diskussion bisher weder von den Richterverbänden noch von anderen Fraktionen aufgegriffen wurde: Das ist die Durchsetzung der Geschlechtergleichstellung in der Justiz.

Der Anteil der Frauen in der höheren Richterschaft ist gering, obwohl an den Amtsgerichten zu über 40 Prozent Richterinnen beschäftigt sind. Hier kann die Politik im Rahmen einer Umstrukturierung neue Bedingungen schaffen. Der Gesetzentwurf der Linken bleibt eine Antwort auf die Frage schuldig, wie der Gleichstellungsauftrag des Grundgesetzes in der Justiz umzusetzen wäre.

Wir sollten eine unabhängige und eine diskriminierungsfreie Justiz schaffen. Eine Justizreform muss gründlich beraten werden, vielleicht sogar vorbereitet durch eine Bund-Länder-Kommission, um zu bestmöglichen Ergebnissen zu kommen. Das wird uns in dieser Wahlperiode und mit dieser Regierung nicht mehr möglich sein. Aber wir nehmen die Diskussion als Leuchtturmprojekt mit in die nächste Legislaturperiode.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

17.01.2013 | Rede am 17. Januar 2013 zu "Betreuungsrechtliche Einwilligung in ärztliche Zwangsmaßnahmen"

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wenn ein Mitglied dieses Parlaments erkranken sollte, dann ist es doch selbstverständlich, dass dieses Mitglied frei darüber entscheidet, welche Medikamente es zu sich nimmt. Für uns alle hier im Saal ist dies genauso wie für die große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger Bestandteil unserer Grundrechte auf Selbstbestimmung und körperliche Unversehrtheit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt jedoch Menschen, die aufgrund einer psychischen Erkrankung oder einer geistigen oder seelischen Behinderung nicht in der Lage sind, über eine ärztliche Behandlung eigenverantwortlich zu entscheiden. Hier stellt sich die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine rechtliche Betreuerin oder ein rechtlicher Betreuer stellvertretend für sie in eine Behandlung einwilligen kann. Konkret geht es darum, ob ein rechtlicher Betreuer über die ärztliche Behandlung eines anderen Menschen, der sich in einer Einrichtung wie der Psychiatrie befindet, entscheiden kann.

Der Bundesgerichtshof hat im Juni 2012 zu Recht festgestellt, dass die ärztliche Zwangsbehandlung im Rahmen einer betreuungsrechtlichen Unterbringung nur unter engen Voraussetzungen möglich sein kann und dass die bestehenden Gesetze keine ausreichende Grundlage hierfür bieten. Im November 2012 hat uns die Bundesregierung hier im Parlament einen Regelungsvorschlag unterbreitet. Als Anhängsel eines anderes Gesetzentwurfes sollte das Betreuungsrecht ergänzt werden, also sang- und klanglos im Eilverfahren und ganz nebenbei.

Nun kann man der Regierung zugutehalten, dass sie möglichst rasch Rechtssicherheit für die Betroffenen, die Betreuerinnen und Betreuer und die Ärztinnen und Ärzte schaffen wollte. Aber mit einem solchen Schnellverfahren wären wir der schwierigen Situation von Menschen, die unter Betreuung stehen und in einer Einrichtung untergebracht sind, nicht gerecht geworden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ohne eine erste Lesung im Plenum, ohne die Einbeziehung von Sachverständigen oder Betroffenenverbänden und ohne Beteiligung des Gesundheitsausschusses können nicht alle Aspekte ausreichend abgewogen werden. Da fehlt es an Expertise und Transparenz. Ein Schnellverfahren ist unangemessen. Wir sind betreuten Menschen ein ordentliches parlamentarisches Verfahren schuldig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir Grünen haben, ebenso wie die beiden anderen Oppositionsfraktionen, von Anfang an dagegen protestiert. Ich begrüße es sehr, dass wir nun den Weg zu einem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren eingeschlagen haben.

Die Gutachten, die wir eingeholt haben, haben dazu geführt, dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung in wesentlichen Punkten verbessert worden ist. Dazu gehört: Die Entscheidungsbefugnisse des Betreuers bzw. der Betreuerin sind klar definiert. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist gut umgesetzt. Der oder die Betroffene bekommt einen Verfahrenspfleger oder eine Verfahrenspflegerin zur Seite gestellt. Jetzt erst erfüllt der Gesetzentwurf die strengen Voraussetzungen des Bundesgerichtshofes ‑ aus meiner Sicht aber leider noch immer nicht vollständig.

In § 1906 BGB soll es nun heißen: Der Betreuer kann in eine ärztliche Zwangsmaßnahme nur dann einwilligen, „wenn zuvor versucht wurde, den Betreuten von der Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme zu überzeugen.“ Das greift zu kurz. Wir müssen sicherstellen, dass die Gespräche zwischen Betreuer, Arzt und Betreutem mit angemessenem Zeitaufwand und ohne Druck erfolgen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieses Schutzniveau müssen wir im Gesetzestext verankern und nicht lediglich in der Gesetzesbegründung; denn hier bewegen wir uns in einem sehr grundrechtssensiblen Bereich. Deshalb, meine Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, können Sie auch nicht argumentieren, dass dies den Gesetzestext unnötig aufbläht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch im Verfahrensrecht haben Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, wichtige Punkte nicht berücksichtigt. Sie haben geregelt, dass vor Beginn einer Zwangsbehandlung eine Überprüfung durch einen unabhängigen Sachverständigen notwendig ist. Dieser Sachverständige kann aber ein Arzt sein, der in derselben Einrichtung arbeitet wie der Arzt, der die Behandlung durchführt. Das reicht nicht aus. Von einer wirklichen Unabhängigkeit können wir erst dann sprechen, wenn der Sachverständige nicht in der Einrichtung arbeitet, in der der Betroffene untergebracht ist. Arzt und Sachverständiger müssen unterschiedlichen Einrichtungen angehören. Anderenfalls kann eine Interessenkollision entstehen. Der müssen wir vorbeugen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch Eilmaßnahmen dürfen nach meiner Überzeugung nur dann zulässig sein, wenn durch den Aufschub der Zwangsmedikation die Gefahr droht, dass der Betreute stirbt oder einen schweren und länger andauernden gesundheitlichen Schaden erleidet. Diese wichtige Einschränkung fehlt in Ihrem Gesetzentwurf.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ärztliche Zwangsmaßnahmen im Rahmen einer betreuungsrechtlichen Unterbringung sind schwere Grundrechtseingriffe. Wichtig ist und bleibt, dass wir den Dialog zwischen Betroffenen und Professionellen weiter fördern, mehr Transparenz schaffen und die Versorgungssituation in den Einrichtungen verbessern. Unser Ziel muss sein, dass eine Zwangsbehandlung der Ausnahmefall bleibt. Wir brauchen rechtliche Sicherheit und ein überzeugendes Verfahren, um einen sensiblen Umgang mit Menschen, die in sehr schwierigen Lebenssituationen sind, zu garantieren.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

 

13.12.2012 | Rede am 13. Dezember 2012 zu "Internationales Unterhaltsrecht"

Frau Präsidentin/ Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Unterhaltsansprüche von Kindern oder anderen Familienangehörigen machen nicht an Grenzen halt, nicht an den Grenzen Deutschlands und nicht an den Grenzen der Europäischen Union.

Dank des Haager Übereinkommens über die internationale Geltendmachung der Unterhaltsansprüche von Kindern und anderen Familienangehörigen müssen sie dies mittlerweile auch nicht mehr. Dieses Übereinkommen hat die Durchsetzung von internationalen Unterhaltsansprüchen ein großes Stück einfacher gemacht. Deswegen ist es gut und richtig, dass wir heute über das deutsche Durchführungsgesetz zu diesem Haager Übereinkommen beraten.

Das neue internationale Unterhaltsverfahrensrecht erleichtert die Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen bei grenzüberschreitenden Konstellationen erheblich. Das Haager Übereinkommen steht damit im Einklang mit der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen. Dort heißt es in Art. 27 Absatz 4 Satz 1: Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Maßnahmen, um die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen des Kindes gegenüber den Eltern oder anderen finanziell für das Kind verantwortlichen Personen sowohl innerhalb des Vertragsstaats als auch im Ausland sicherzustellen. Satz 2 ergänzt, dass die Vertragsstaaten für Fälle, in denen das Kind in einem anderen Staat lebt, als die finanziell verantwortliche Person, den Beitritt zu internationalen Übereinkünften oder den Abschluss solcher Übereinkünfte fördern sollen.

Meine Damen und Herren, die große Bedeutung, die auch die UN-Kinderrechtskonvention der Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen beimisst, zeigt uns, wie wichtig dieses Thema für Kinder ist. Denn Kinder sind für die Durchsetzung ihrer Ansprüche darauf angewiesen, dass ihnen von staatlicher Seite Hilfe an die Hand gegeben wird.

Das Übereinkommen sieht ein System der Zusammenarbeit staatlicher zentraler Behörden vor. Die jeweilige nationale zentrale Behörde soll Kinder bei der Einforderung ihres Unterhalts effektiv und umfänglich unterstützen. In Deutschland wird das Bundesamt für Justiz künftig diese Aufgabe wahrnehmen.

Das Haager Übereinkommen beinhaltet außerdem, dass  Unterhaltsentscheidungen aus anderen Vertragsstaaten grundsätzlich anerkannt werden.

Besonders begrüße ich, dass Kinder und Jugendliche unter einfachen Voraussetzungen Verfahrenskostenhilfe beziehen können. Hohe Gerichts- und Anwaltskosten sollen in der Zukunft Kinder nicht mehr davon abhalten, ihre berechtigten Forderungen geltend zu machen.

Mit der Ratifikation des Haager Übereinkommens durch die Europäische Union sind wir einem grenzübergreifenden und globalen System der Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen ein gutes Stück nähergekommen. In absehbarer Zeit werden weitere Länder diesem Beispiel folgen. Viele Kinder werden von den neuen Regeln profitieren können.

Meine Damen und Herren, mit dem Gesetz, über das wir heute debattieren, soll auch ein anderer Teil des Unterhaltsrechts geändert werden, nämlich eine Regelung zum Nachehelichenunterhalt.

Dem liegt folgendes zugrunde: Im Jahre 2008 wurde das Unterhaltsrechtsrecht reformiert. Unter anderem kann nun der  nacheheliche Ehegattenunterhalt erleichtert herabgesetzt oder zeitlich  begrenzt werden. Ziel war es, die nacheheliche Eigenverantwortung zu stärken. Das war ein richtiger Ansatz.

Nicht ausreichend berücksichtigt wurden jedoch hierbei die sogenannten „Altehen“. Das sind Ehen, die lange vor der Neuregelung des Jahres 2008 geschlossen wurden und in denen sich die Ehepartner nicht auf die Unterhaltsrechtsreform einstellen konnten. Hier wurde dem Vertrauensschutz nicht ausreichend Rechnung getragen. Die Dauer einer Ehe wurde nicht angemessen berücksichtigt. So hat auch der Bundesgerichtshof im Jahre 2010 entschieden, dass die Beschränkung des Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt unzulässig sein kann, wenn die Beschränkung mit Blick auf die insbesondere bei Ehen von langer Dauer gebotene nacheheliche Solidarität unbillig erscheint. Der Vertrauensschutz wird jetzt mit der Neuregelung wieder hergestellt.

Das Gesetz erfüllt damit einen doppelten Zweck: Einerseits erleichtert es Kindern, ihre Unterhaltsansprüche über Landesgrenzen hinweg durchzusetzen; andererseits ermöglicht es den Gerichten, die Dauer einer Ehe bei der Entscheidung über den Nachehelichenunterhalt stärker zu berücksichtigen. Das sind Ziele, die wir begrüßen. Deshalb stimmen wir Grünen diesem Gesetz zu.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

29.11.2012 | Rede am 29. November 2012 zu "Restschuldenbefreiungsverfahren"

Frau Präsidentin/Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Zahl der Verbraucherinsolvenzen ist in den letzten zehn Jahren kontinuierlich gestiegen. Weit mehr als 100.000 Menschen melden pro Jahr mittlerweile in Deutschland Privatinsolvenz an. Die Gründe für eine private Insolvenz sind vielfältig. Oftmals sind sie sehr persönlich und hängen mit einer Krankheit, Arbeitslosigkeit oder einer Ehescheidung zusammen.

Die Privatinsolvenz stellt die betroffenen Menschen für viele Jahre vor unüberwindbare Hindernisse. Für Menschen, die in Privatinsolvenz gehen müssen, ist schon die Suche nach einer Mietwohnung fast ein Ding der Unmöglichkeit. Die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ist für diese Menschen deutlich erschwert. Klar ist auch, dass sie nicht erst mit dem Antrag auf Privatinsolvenz Einschränkungen im täglichen Leben hinnehmen müssen. Der Weg bis dahin ist häufig schon für viele Jahre mit Problemen finanzieller Art gepflastert. Die Privatinsolvenz ist immer nur der letzte Schritt.

Sechs Jahre lang dauert nach derzeitiger Rechtslage die sogenannte Wohlverhaltensphase. Doch auch nach Ablauf dieser sechs Jahre können Menschen, die sich in der Privatinsolvenz befinden, nicht wieder uneingeschränkt am Wirtschaftsleben teilnehmen. Weitere drei Jahre dauert es, bis der Eintrag bei der Schufa gelöscht wird.

Dass Menschen so viele Jahre ihres Lebens solch‘ weitgehenden Einschränkungen unterworfen sind, lässt sich nicht rechtfertigen. Daher ist der Ansatz des Gesetzentwurfs richtig, die Wohlverhaltensphase im Verbraucherinsolvenzverfahren zu verkürzen. Der Gesetzentwurf sieht die Möglichkeit vor, die Dauer des Restschuldbefreiungsverfahren von sechs Jahre auf drei Jahre zu halbieren. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die Schuldnerin oder der Schuldner während dieses Zeitraums eine Mindestquote von 25 Prozent der bestehenden Schulden erfüllt und vorab die Kosten des Verfahrens begleicht. Wenn der Schuldner oder die Schuldnerin nur die Verfahrenskosten begleicht, soll sich das Restschuldbefreiungsverfahren zumindest auf fünf Jahre verkürzen. Ansonsten bleibt es bei den bisherigen sechs Jahren.

Darüber, ob die Schaffung eines Anreizsystems für eine schnelle Begleichung der Schulden sachgerecht ist, lässt sich diskutieren.

Wie ein Schuldner oder eine Schuldnerin es allerdings bewerkstelligen soll, die vorgesehene Quote von 25 Prozent und die Verfahrenskosten innerhalb von drei Jahren zu befriedigen, ist mir ein Rätsel. Im Ergebnis werden nur wenige Schuldnerinnen und Schuldner von den Neuregelungen profitieren. Ein wirtschaftlicher Neustart wird für die allermeisten wohl wie bisher erst nach fast zehn Jahren möglich sein.

Da stelle ich mir ernsthaft die Frage, ob wir hier nicht einen Luxus-Gesetzentwurf für Schuldner mit vermögenden Verwandten vor uns haben, meine Damen und Herren!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein weiteres Anliegen des Entwurfs ist es, den außergerichtlichen Einigungsversuch entscheidend zu stärken.

Im Regierungsentwurf ist hierzu zu lesen, dass beim außergerichtlichen Einigungsversuch hohe Erfolgsquoten zu verzeichnen seien und dass außergerichtliche Einigungen der bessere Weg einer Entschuldung seien. Sie entlasteten die Insolvenzgerichte und führten so zu Einspareffekten in den Justizhaushalten der Länder. Außerdem ermöglichten  außergerichtliche Einigungen eine einfachere, schnellere, kostensparendere und dem Einzelfall angemessenere Bewältigung der Insolvenzsituation.

Eine umfassende Stärkung des außergerichtlichen Einigungsversuchs wäre auch aus unserer Sicht richtig, wünschenswert und erfreulich gewesen. Vorschläge hierzu gab es genug.

Leider stärkt der Gesetzentwurf den außergerichtlichen Einigungsversuch aber nicht ausreichend. Die Vorgaben zur Entbehrlichkeit des Einigungsversuchs bringen die Gefahr mit sich, dass keine Einzelbetrachtung des konkreten Sachverhalts erfolgt.

Meine Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf ist noch nicht ausgereift. Im weiteren Verfahren werden wir Grünen uns dafür einsetzen,  einerseits Schuldnerinnen und Schuldner mehr und bessere Hilfestellungen zukommen zu lassen und andererseits auch Gläubigerinnen und Gläubiger nicht unangemessen zu benachteiligen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

20.11.2012 | Rede am 20. November 2012 zum Justizhaushalt

Frau Präsidentin!

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Frau Ministerin,

eine Haushaltsrede hat immer mit Geld und mit Finanzen zu tun.

(Dr. Günter Krings (CDU/CSU): Bisher war es richtig!)

Ich rede heute über 250 Milliarden Euro. 250 Milliarden Euro ‑ so hoch ist der Schaden, den Korruption im Jahr 2012 für die deutsche Wirtschaft verursacht. Diese Schadenssumme hat der Wirtschaftswissenschaftler Friedrich Schneider aus dem österreichischen Linz errechnet. Der Schaden besteht vor allem darin, dass bei der Vergabe von Aufträgen nicht immer derjenige Anbieter zum Zug kommt, der das beste und günstigste Angebot macht. Hierdurch wird das Wirtschaftswachstum gehemmt, und die Steuereinnahmen sinken.

Was können wir dagegen tun? Bereits im Jahr 2003 hat die Bundesrepublik ‑ wir hatten damals eine rot-grüne Regierung ‑ die UN-Konvention gegen Korruption unterzeichnet. 161 Staaten dieser Welt haben die Konvention inzwischen ratifiziert. Nur wenige Staaten haben sie noch nicht gesetzlich umgesetzt. Dazu gehört auch Deutschland.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ‑ Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Schande!)

Das, meine Damen und Herren, ist blamabel.

(Christian Lange (Backnang) (SPD): Richtig!)

Bei dieser Frage bleibt die schwarz-gelbe Regierung auf dem Niveau von Sudan und Nordkorea; denn diese Regierung verweigert noch immer die Ratifikation der UN-Konvention ‑ und das, obwohl sogar führende Vertreter der deutschen Wirtschaft die Bundesregierung zur Ratifikation auffordern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)

Meine Damen und Herren von der Regierungsbank, für diese Verweigerungshaltung haben Sie nur einen einzigen Grund. Sie müssten nämlich die Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung ausweiten. Das wollen Sie offenbar um jeden Preis vermeiden.

(Dr. Günter Krings (CDU/CSU): „Ausweiten“ ist schon einmal ein richtiger Begriff!)

Dabei ist ein Gesetz, das Abgeordnetenbestechung im Sinne der UN-Konvention unter Strafe stellt, kein Ding der Unmöglichkeit. Wir Grüne haben hierzu schon längst unsere Vorschläge vorgelegt. Auch Bundestagspräsident Lammert hat jüngst einen eigenen Vorschlag zur Umsetzung der Konvention unterbreitet.

(Christian Lange (Backnang) (SPD): Genau!)

Es ist Zeit, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir international endlich klare Kante gegen Korruption zeigen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Korruption ist nicht nur ein monetäres Problem. Korruption untergräbt unseren Rechtsstaat und damit unsere Demokratie.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Es gibt noch weitere Initiativen, die das Bundesjustizministerium dringend anstoßen müsste. So brauchen wir in Deutschland endlich ein bundesweites Korruptionsregister. Dieses Register soll Unternehmen benennen, die wirtschaftskriminell auffällig geworden sind. Das ist dann gewissermaßen eine Liste der schwarzen Schafe auf der grünen Wiese der deutschen Unternehmenswelt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bund Länder und Gemeinden vergeben jährlich Aufträge im Wert von mehreren Hundert Milliarden Euro an private Unternehmen. Hiervon profitieren auch korrupte Unternehmen, weil die Vergabebehörden keine Kenntnis von deren Aktivitäten haben.

(Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU): Das stimmt doch gar nicht!)

Die ehrlichen, integren Konkurrenzunternehmen haben das Nachsehen. Das kann nicht sein, meine Damen und Herren. Das ehrliche Unternehmen, der ehrliche Familienbetrieb, darf nicht der Verlierer bei öffentlichen Aufträgen sein. Öffentliche Auftraggeber müssen besser erkennen und steuern können, welche Unternehmen sie beauftragen. Ein Korruptionsregister würde dazu beitragen, den fairen Wettbewerb zu erhalten. Hiervon profitieren wir alle.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Doch auch hier verweigert diese Bundesregierung, die sich doch sonst so gerne als wirtschaftskompetent preisen lässt, eine ordentliche gesetzliche Regelung.

(Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU): Wer hat Ihnen das eigentlich aufgeschrieben?)

Noch ein Weiteres ist mir wichtig: Menschen, die Korruption aufdecken, verdienen den Schutz und den Respekt unseres Staates. Wir brauchen endlich ein Gesetz, das Whistleblower besser schützt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Bundesregierung hat im Herbst 2010 im Rahmen der G‑20-Staaten vollmundig angekündigt, sie werde bis Ende 2012 Regeln zum Whistleblower-Schutz erlassen und auch umsetzen.

(Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da hat sie ja noch einen Monat Zeit!)

Heute haben wir den 20. November 2012, und von einem Gesetz zum Schutz von Whistleblowern ist weit und breit nichts zu sehen.

(Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die machen das im Omnibusverfahren!)

Das zeigt: In der Rechtspolitik nimmt es diese Bundesregierung mit der Umsetzung von Zusagen und Versprechen, die sie auf internationaler Ebene gegeben hat, nicht so genau.

Meine Damen und Herren von der Regierungsbank, mit Ihrer Blockadehaltung in Sachen Korruptionsbekämpfung gefährden Sie das Ansehen Deutschlands in der Welt. Sie haben bei der juristischen Bekämpfung der Korruption nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Damit fügen Sie Wirtschaft und Staat Schaden zu. Außerdem lassen Sie couragierte Bürgerinnen und Bürger, die Korruptionsskandale aufdecken, im Stich.

Es wird höchste Zeit, dass wir nächstes Jahr mit einer rot-grünen Regierung die Bekämpfung der Korruption energisch in die Hand nehmen.

(Zuruf von der CDU/CSU: War das eine Koalitionsaussage? ‑ Gegenruf des Abg. Christian Lange (Backnang) (SPD): Wenn es geht, schon!)

Das werden wir tun. Darauf können Sie sich verlassen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

08.11.2012 | Rede am 08. November 2012 zu "Internationales Privatrecht"

Frau Präsidentin/ Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

in unserer globalisierten Welt ist es eine Selbstverständlichkeit geworden, dass Ehepaare einen kleinen oder größeren Teil ihres gemeinsamen Lebens im Ausland verbringen. Gleichzeitig steigt die Zahl binationaler Ehen. So gehörten in Deutschland im Jahr 2010 bei jeder achten Eheschließung die Ehegatten unterschiedlichen Nationalitäten an.

Solange die Ehe stabil ist, stellen sich Ehepartner selten die Frage, welches Recht auf ihre Ehe Anwendung findet. Bricht die Ehe aber auseinander, stellt sich diese Frage sehr deutlich, denn sie kann erhebliche Auswirkungen, beispielsweise auf Unterhaltsfragen oder Vermögensausgleich, haben.

Die europäische Verordnung zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts verfolgt das Ziel, innerhalb der Europäischen Union einheitliche Regelungen für das Recht zu treffen, das auf Ehescheidungen anzuwenden ist. Die Verordnung will Bürgerinnen und Bürgern in Bezug auf Rechtssicherheit, Berechenbarkeit und Flexibilität sachgerechte Lösungen garantieren. Auch soll sie verhindern, dass ein Ehepartner alles daran setzt, die Scheidung zeitlich als Erster bei Gericht einzureichen, um sicherzustellen, dass sich das Verfahren nach einer Rechtsordnung richtet, die seine Interessen besser schützt.

Künftig sollen Ehegatten, deren Leben vom Recht verschiedener Staaten geprägt wird, das Recht wählen dürfen, das für die Scheidung ihrer Ehe Anwendung findet. Nach dem Umsetzungsgesetz, über das wir heute debattieren, soll die Rechtswahl jederzeit vor oder nach der  Eheschließung möglich sein. Spätestens erfolgen muss sie bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug des Scheidungsverfahrens. Für die Rechtswahl sieht das  Umsetzungsgesetz die notarielle Beurkundung vor.

Meine Damen und Herren, es ist richtig, zumindest auf der Ebene der Europäischen Union, für mehr Harmonisierung in internationalen Scheidungsverfahren zu sorgen. Mit der Verordnung erreichen wir nicht nur eine rechtliche Harmonisierung, mit der Einführung der Rechtswahl stärken wir auch die Privatautonomie der Ehepaare.

Und was geschieht, wenn das Ehepaar keine Rechtswahl getroffen hat?

Dann trifft die Verordnung klare Regelungen über das anzuwendende Recht:

Die wichtigste Änderung gegenüber den bisher in Deutschland geltenden Regelungen ist, dass nicht mehr primär an die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Eheleute angeknüpft wird, sondern an das gewöhnliche Aufenthaltsland der Eheleute im Zeitpunkt der Stellung des Scheidungsantrags. Das führt dazu, dass sich die Ehescheidung bei einem im Ausland lebenden deutschen Paar nicht mehr, wie bisher, nach deutschem Recht richtet, sondern nach dem Recht seines Aufenthaltslandes.

Meine Damen und Herren, dies kann zu unbefriedigenden Ergebnissen vor allem im Bereich des Versorgungsausgleichs führen. Der Versorgungsausgleich, also der Ausgleich der Anwartschaften auf Altersversorgung, die während der Ehe begründet worden sind, nimmt nach deutschem Recht einen hohen Stellenwert ein. Er ist für den Ehegatten, der während der Ehe keine oder nur eine geringe Altersvorsorge begründet hat, von zentraler Bedeutung. Damit sichert sich dieser Ehegatte eine eigenständige Altersversorgung.

Wird eine Ehe nach deutschem Recht geschieden, wird der Versorgungsausgleich grundsätzlich durchgeführt. Wird eine Ehe nach ausländischem Recht geschieden, erfolgt die Durchführung des Versorgungsausgleichs nur auf entsprechenden Antrag und auch nur noch nach Billigkeitsgesichtspunkten, ist also nicht obligatorisch. Das ist angesichts der Bedeutung des Versorgungsausgleichs ein Wertungswiderspruch, der noch geklärt werden muss.

Wir Grünen werden uns deshalb bei der Abstimmung über das Umsetzungsgesetz enthalten.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

08.11.2012 | Rede am 08. November 2012 zu "Rechtsbelehrung im Zivilprozess"

Sehr geehrte/r Frau/Herr Präsident/in,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

„Die Qualität der Gesetze wird immer schlechter.“

Das sage nicht ich. Das sagt der Deutsche Anwaltverein.

Meine Damen und Herren, wenn ein Verband von Juristinnen und Juristen der Gesetzgebung ein derart mangelhaftes Zeugnis erteilt, dann müssen wir uns nicht darüber wundern, dass Bürgerinnen und Bürger die für sie gemachten Gesetze nicht mehr verstehen.

Und da gibt es ein ganz praktisches Problem:

Bürgerinnen und Bürger, die keine anwaltliche Vertretung in Anspruch nehmen, schreiben ihre Klage selbst. Sie reichen diese bei Gericht ein. Sie verhandeln vor Gericht. Sie nehmen das Urteil entgegen.

Und dann? Was also geschieht nach einer gerichtlichen Entscheidung?

Ohne Anwalt oder Anwältin stehen Rechtssuchende nun vor erheblichen Fragen und haben keine Antwort: Kann ich gegen die Gerichtsentscheidung vorgehen? Wie kann ich mich wehren? Wo muss ich Rechtsbehelfe einlegen? Habe ich Fristen zu beachten?

Die Folge ist: Bei den Zivilgerichten gehen viele unzulässige oder verfristete Rechtsbehelfe ein. Bürgerinnen und Bürger, die sich gegen eine Gerichtsentscheidung wehren wollen, scheitern. Sie können ihr Recht nicht ausüben, da sie über dieses Recht nicht ausreichend  informiert sind.

In verschiedenen Gerichtsverfahren sind bereits Belehrungen über Rechtsbehelfe vorgesehen. Dies ist zum Beispiel für Prozesse nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit der Fall. Diese Gerichtsverfahren sind bei den Zivilgerichten angesiedelt. Dort aber, wo  die Zivilprozessordnung gilt, besteht bisher noch keine Verpflichtung zur Rechtsbehelfsbelehrung.

Heute beschließen wir hier im Bundestag das Gesetz zur Einführung einer Rechtsbehelfsbelehrung im Zivilprozess. Richterinnen und Richter sollen zukünftig Prozessbeteiligte, die keinen Anwalt haben, darüber unterrichten, wie, wo und wie lange sie gegen eine Gerichtsentscheidung vorgehen können. Mit diesem Gesetz schließen wir eine große Schutzlücke im Zivilprozessrecht.

Mit der Rechtsbehelfsbelehrung wird es künftig für Bürgerinnen und Bürger einfacher, sich im „Verfahrensdschungel“ bei Gericht zurechtzufinden. Das Gesetz ist ein Schritt hin zu besserem Rechtsschutz.

Allerdings sollten wir in der Zeit nach Inkrafttreten des Gesetzes evaluieren, ob der Schutz, der durch die Rechtsbehelfsbelehrung statuiert wird, ausreicht. Bisher hat keine Evaluierung der entsprechenden Regelung im Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit stattgefunden und das, obwohl diese bereits vor einigen Jahren in Kraft getreten ist.

Wir sollten überprüfen, ob sich die Neuregelungen in der Praxis als sinnvoll erweisen. Sollte die Zahl der unzulässigen Rechtsbehelfe trotz der Belehrung nicht abnehmen, so müssen wir über weitere Reformen nachdenken. So könnte es beispielsweise sinnvoll sein, die Beteiligten eines Rechtsstreites auch zu informieren, wenn kein Rechtsbehelf gegen die Gerichtsentscheidung statthaft ist. Ebenso könnte die Festlegung einer bestimmten Belehrungsform den Rechtsschutz fördern.

Das Recht, meine Damen und Herren, muss die Bedürfnisse jeder und jedes Einzelnen berücksichtigen. Damit sie aber ihre Rechte wahrnehmen können, müssen sie diese kennen. Unsere Aufgabe als Abgeordnete ist es, sicherzustellen, dass Bürgerinnen und Bürger vollen Rechtsschutz erhalten können – auch ohne Anwältin oder Anwalt.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

26.10.2012 | Rede am 26. Oktober 2012 zu: "Elterliche Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern"

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Unser Grundgesetz und die Europäische Menschenrechtskonvention verbriefen die Grundüberzeugung, dass Recht diskriminierungsfrei gestaltet werden muss. Das ist ein hoher, aber in einem Rechtsstaat notwendiger Anspruch. Diskriminierungsfrei muss auch die Rechtsstellung von Müttern und Vätern gegenüber ihren Kindern sein. Alle Kinder müssen vom Recht gleichbehandelt werden, unabhängig davon, ob ihre Eltern verheiratet, verpartnert oder keines von beidem sind; denn für Kinder ist es egal, ob ihre Eltern in einer rechtlich formalisierten Beziehung leben oder nicht. Wichtig ist, dass die Beziehung des Kindes zu seinen Eltern und die Beziehung der Eltern zu ihrem Kind in Ordnung ist.

Im Dezember 2009 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg entschieden, dass die bisherige deutsche Regelung zum Sorgerecht unverheiratete Väter unangemessen benachteiligt, und zwar gegenüber Müttern und verheirateten Vätern. Dieser Rechtsauffassung hat sich im Juli 2010 auch das Bundesverfassungsgericht angeschlossen.

Auf dieser Grundlage haben wir Grünen im Oktober 2010 unseren Antrag zum Sorgerecht vorgelegt. In den vergangenen zwei Jahren haben wir hier im Bundestag wiederholt über eine Neuregelung des Sorgerechts debattiert. Alle diese Initiativen kamen zustande, weil die Oppositionsfraktionen sie beantragt haben. Deshalb freue ich mich umso mehr, dass Sie sich innerhalb der Regierung nun endlich auf eine Neuregelung des Sorgerechts für nicht miteinander verheiratete Eltern verständigen konnten. Darauf haben nicht nur wir Grünen, darauf haben auch sehr viele unverheiratete Väter sehr lange gewartet. Dieser Entwurf war längst überfällig, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wenn ich mir Ihren Gesetzentwurf anschaue, stelle ich mit großer Freude viele Parallelen zu unserem Grünen-Antrag von 2010 fest. Das zeigt zwei Dinge: Erstens. Gutes setzt sich durch. Zweitens. Bei manchen dauert es halt länger.

Wichtig ist uns Grünen, dass beide Elternteile möglichst frühzeitig Verantwortung für ihr gemeinsames Kind übernehmen. Das schafft eine wechselseitige Verbindlichkeit sowohl im Eltern-Kind- als auch im Elternverhältnis. Wir möchten den Vätern, die nicht mit der Mutter ihres Kindes verheiratet sind, über ein Antragsmodell Zugang zum gemeinsamen Sorgerecht ermöglichen; denn das Antragserfordernis trägt dazu bei, dass die Väter, die Interesse an ihrem Kind haben ‑ davon ist im Regelfall auszugehen ‑, auch die elterliche Mitverantwortung erhalten können.

Allerdings sprechen wir uns im Gegensatz zur Bundesregierung dafür aus, dass der Vater den Antrag beim Jugendamt stellen kann und nicht beim Familiengericht stellen muss; auch die Mutter soll einem Sorgerechtsantrag des Vaters niedrigschwellig widersprechen können. Meine Damen und Herren, auch hierfür sollten wir praktikable Lösungen suchen. Der Weg zum Jugendamt ist für die meisten Menschen niedrigschwelliger als der Weg zum Gericht. Er beinhaltet weniger Konfliktpotenzial, ist kostengünstiger und schneller. Erst dann, wenn die Mutter dem Antrag des Vaters widerspricht und der Vater weiterhin Mitinhaber der elterlichen Sorge sein will, soll der Weg zum Gericht beschritten werden können. Der Vater muss dann eine Entscheidung des Familiengerichts herbeiführen. Das Familiengericht wiederum überträgt den Eltern die gemeinsame Sorge, wenn dies dem Kindeswohl nicht widerspricht.

Vor diesem Hintergrund sollten Sie in Ihren Gesetzentwurf noch folgende Verbesserungen aufnehmen: Der Weg über das Gericht sollte so spät wie möglich erfolgen. Die Widerspruchsfrist für die Mutter sollte auf acht Wochen nach der Geburt des Kindes verlängert werden; diese Frist ist in Ihrem Gesetzentwurf mit sechs Wochen zu kurz bemessen. Außerdem sollten Regelungen für den Konfliktfall wie Beratungs- und Mediationsangebote implementiert werden. An diesem Gesetzgebungsverfahren werden wir Grünen uns konstruktiv beteiligen. Weitere Schritte müssen aber folgen.

Unser Rechtssystem ist insbesondere im Bereich des Familienrechts noch lange nicht frei von Diskriminierungen. Hier gibt es noch sehr viel zu tun. Leider zeigt die jetzige CDU/CSU-FDP-Regierung wenig Elan und setzt gesellschaftliche Realitäten nur sehr verzögert um. Nach den Bundestagwahlen im kommenden Jahr wird auch die Rechts- und Justizpolitik bei einer neuen Regierung mit anderen Prioritäten einen Modernisierungsschub erhalten.

(Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Will die Opposition stärker werden?)

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

28.09.2012 | Rede am 28. September 2012 zu "Rechte von PatientInnen"

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Das Patientenrechtegesetz wird durch folgende zentrale Begriffe gekennzeichnet und beschrieben: Beteiligungsrechte, Aufklärungspflichten, Dokumentationsrechte und vor allem Transparenz und Rechtssicherheit. Schon an dieser Begrifflichkeit lässt sich ablesen, dass es sich um ein komplexes und besonders wichtiges Rechtsgebiet handelt. Patientinnen und Patienten und auch Sie selbst, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, haben, wie sich Ihren Worten entnehmen lässt, hohe Ansprüche an dieses Gesetz. Diesen Ansprüchen wird das Patientenrechtegesetz in seiner jetzigen Form nicht gerecht.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dass Sie uns nun endlich ein solches Gesetz vorlegen und dass der Behandlungsvertrag damit als eigener Vertrag im Bürgerlichen Gesetzbuch kodifiziert wird, begrüßen wir ausdrücklich. Sie erkennen damit an, dass zwischen Patient und Arzt ein besonderes Rechtsverhältnis besteht. Die gesetzliche Regelung des Behandlungsvertrags war überfällig, ausreichend ist sie jedoch noch immer nicht. Sehr deutlich zeigt sich das bei der Festlegung der Beweislast.

Hier kodifizieren Sie die ständige Rechtsprechung des BGH zur Beweislastumkehr bei groben Behandlungsfehlern. Demgemäß erkennen Sie nur hier an ‑ Zitat von Seite 30 Ihres Gesetzentwurfs ‑: „ … dass der Behandelnde ‚näher dran‘ ist, das Beweisrisiko zu tragen. Demgegenüber wird der Patient im Regelfall kaum etwas zur Klärung des Sachverhalts beitragen können …“.

Aber schauen Sie doch genau hin! Das ist bei weniger krassen Behandlungsfehlern nicht anders. Im Regelfall ist es bei kleineren Fehlern sogar noch viel schwieriger für die Patientinnen und Patienten, den Behandlungsfehler nachzuweisen.

Das Besondere an einem Behandlungsvertrag ist doch gerade, dass ein erhebliches Ungleichgewicht zwischen den Vertragsparteien besteht, meine Damen und Herren. Die Beweislastumkehr im Ausnahmefall reicht deshalb nicht aus. Wir brauchen eine zusätzliche Beweiserleichterung in Form einer widerlegbaren Vermutung auch für einfache Behandlungsfehler. Ich sage ausdrücklich „Beweiserleichterung“ und nicht „Beweislastumkehr“. Damit meine ich: Wenn der Patient zur Überzeugung des Gerichts darlegt, dass ein Behandlungsfehler vorliegt und dass ein Gesundheitsschaden eingetreten ist, muss der Arzt die Vermutung erschüttern, dass hier ein Kausalzusammenhang besteht. Nur so kann ein effektiver Schutz von Patientinnen und Patienten erreicht werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Ein weiterer wichtiger Faktor in Arzthaftungsprozessen ist die Frage, nach welchem Verfahren sachverständige Gutachter bestellt werden. In den allermeisten Fällen fehlt Juristinnen und Juristen der medizinische Sachverstand. Das gilt für Anwälte/Anwältinnen genauso wie für Richter/Richterinnen. Die Entscheidung darüber, wer das medizinische Gutachten erstellt, ist so in Wirklichkeit oft die vorweggenommene Entscheidung darüber, wie der Prozess ausgeht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir Grünen meinen deshalb: In die Entscheidungsfindung zu der Frage, welcher Gutachter bestellt wird, müssen die Parteien viel stärker eingebunden werden als bisher. Wir brauchen klare und transparente Regeln für die Gutachtenvergabe.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch die Verfahrensabläufe bei den Schlichtungs- und Gutachterkommissionen der Ärztekammern können wir noch verbessern. Wir sollten auch Möglichkeiten der alternativen Streitbeilegung verstärkt nutzen. Mit dem Mediationsgesetz haben wir hier vor der Sommerpause überfraktionell, mit allen Fraktionen, eine sichere rechtliche Grundlage geschaffen.

Diese und weitere Punkte wie ein Härtefallfonds, meine Damen und Herren, müssen im Gesetzgebungsverfahren noch eingearbeitet werden; denn das oberste Ziel dieses Gesetzes muss es sein, die Rechtsstellung von Patientinnen und Patienten umfassend zu verbessern und diese im Behandlungsprozess von Betroffenen zu Beteiligten zu machen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)

27.09.2012 | Rede am 27. September 2012 zu "Verjährungsfrist zu sexuellem Missbrauch"

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir alle konnten uns in den schlimmsten Alpträumen nicht vorstellen, was sich seit den 70er-Jahren und teilweise bis in die Gegenwart hinein hinter den Mauern von kirchlichen, schulischen und anderen Einrichtungen ereignet hat. Das Ausmaß des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen, schutzbefohlenen Mädchen und Jungen spielte sich jahrelang im Geheimen ab. Bis heute sind nicht alle Fälle aufgeklärt, die Traumatisierungen der Opfer sind noch lange nicht geheilt, und diese Untaten sind nicht ausreichend gesühnt, weder moralisch noch finanziell.

Wir wissen heute, dass Opfer von sexuellem Missbrauch oft jahrelang das Erlebte nicht in Worte fassen können. Sie brauchen Zeit, um über das sprechen zu können, was ihnen widerfahren ist. Vor diesem Hintergrund müssen wir unsere rechtlichen Abwägungen treffen.

Das aktuelle Recht räumt den Opfern nicht ausreichend Zeit ein. Bei den Missbrauchsfällen aus den 70er- und 80er-Jahren sind die Verjährungsfristen längst abgelaufen, und zwar sowohl die zivil- als auch die strafrechtlichen Fristen. Wir als Gesetzgeber müssen jetzt den rechtlichen Rahmen dafür schaffen, dass die Menschen, deren Forderungen noch nicht verjährt sind oder die in Zukunft Opfer sexueller Gewalt werden, ihre Ansprüche in angemessener Zeit durchsetzen können.

Heute sprechen wir über den Gesetzentwurf der SPD. Auch wir Grünen haben einen Gesetzentwurf zur Verbesserung der rechtlichen Stellung von Opfern sexuellen Missbrauchs vorgelegt. Einig sind wir uns mit der SPD darin, dass die Verjährungsfrist im Zivilrecht für Ansprüche von Opfern sexueller Gewalt viel zu kurz ist. Wir Grünen wollen, genauso wie die SPD, eine Ausweitung auf 30 Jahre einführen.

Im Gegensatz zur SPD wollen wir die Hemmungsregelungen nicht nur beibehalten, sondern ausweiten. Sowohl im Zivil- als auch im Strafrecht soll der Beginn der Verjährung bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres eines misshandelten Menschen gehemmt sein.

Die Hemmungstatbestände treffen den Kern der Diskussion ‑ das Schweigen junger Menschen nach sexuellem Missbrauch. Selbst junge Erwachsene sind häufig emotional nicht in der Lage, ihre Ansprüche wegen solcher Taten geltend zu machen; gerade hier sollten wir ansetzen.

Nun wende ich mich an die Regierung, die ebenfalls einen Gesetzentwurf vorgelegt hat. Sie, meine Damen und Herren, wollen im Zivilrecht ebenfalls die Verjährungsfrist auf 30 Jahre anheben, aber im Gegenzug wollen Sie die Hemmung komplett streichen. Damit beginnt die Verjährungsfrist bereits mit dem Entstehen des Anspruchs, also sofort nach der Tat und nicht erst mit Vollendung des 21. Lebensjahres des Opfers, wie das nach aktuellem Recht der Fall ist. Das ist ein völlig falsches Signal an die Betroffenen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Der Regierungsentwurf weist auch noch ein weiteres Problem auf: Die Verjährungsfrist von 30 Jahren soll nicht nur für Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung gelten, sondern auch für sonstige vorsätzliche Verletzungen des Körpers und der Gesundheit. Damit unterfiele jede Beibringung einer Wunde der Verjährungsfrist von 30 Jahren.

(Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jede Ohrfeige!)

Sicher stimmen Sie mit mir überein, dass wir hier differenzieren müssen.

Dass Sie innerhalb der Koalition noch über den Gesetzentwurf der Regierung streiten und sich nicht einigen können, zeigt den Zustand Ihrer Koalition und schadet den Betroffenen. Meine Damen und Herren von der Regierung, beschränken Sie Ihren Gesetzentwurf auf die Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung, verlängern Sie die Verjährungsfrist im Zivilrecht, und schieben Sie den Verjährungsbeginn im Zivil- und Strafrecht hinaus! Je länger Sie mit dem Inkraftsetzen des Gesetzes warten, desto mehr Ansprüche von Opfern verjähren. Dies sollte für die Rechtspolitik Grund genug sein, schnell und gründlich zu handeln.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

27.09.2012 | Rede am 27.September 2012 zu "Bekämpfung von Zahlungsverzug"

Sehr geehrte Frau/Herr Präsident/in, liebe Kolleginnen und Kollegen,

die verspätete Bezahlung von Rechnungen bringt kleine und mittlere Unternehmen in Europa immer wieder in ernste Schwierigkeiten. Diese können bis zum finanziellen Ruin der Unternehmen führen. Um kleinere Auftragnehmer in Europa besser zu schützen, hat die Europäische Union Anfang 2011 eine Richtlinie erlassen, die den Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr besser reglementieren soll.

Heute debattieren wir über das Gesetz, das die Richtlinie in Deutschland umsetzen soll. Es geht um den Schutz der Unternehmen, die sich einem übermächtigen Verhandlungspartner gegenüber sehen, der ihnen Zahlungsfristen „diktiert“. Die Regelungen gelten für die öffentliche Hand und private Unternehmen, nicht für Verbraucherinnen und Verbraucher.

Ein hoher Zahlungsverzug ist auch in Deutschland keine Seltenheit. Lange Höchstfristen werden in Verträgen festgelegt und bis zum Ende ausgereizt. Das neue Gesetz die Zahlungsfristen auf sechzig  Tage, für öffentliche Auftraggeber sogar auf dreißig Tage beschränken.

Sechzig Tage sind eine lange Zeit, insbesondere wenn man hierzu noch dreißig Tage als Höchstgrenze der Abnahmefrist hinzu zählt. Bleibt die Zahlung für neunzig Tage aus, kann dies in Vorleistung getretene Unternehmen bereits in eine finanzielle Bredouille führen.

Die neuen Regelungen lösen deshalb im Unternehmenskreis die Befürchtung aus, dass das Ziel der Richtlinie – Bekämpfung des Zahlungsverzugs – nicht erreicht wird, sondern sich im Gegenteil am Markt Fristen etablieren, die fern von unserem gesetzlichen Leitbild liegen.

Unser gesetzliches Leitbild sieht die für den Gläubiger günstigste Variante vor: Der Gläubiger kann im Zweifel die Zahlung sofort verlangen. Um das Ziel der Richtlinie, den Zahlungsverzug zu vermeiden, nicht ins Gegenteil zu verkehren, müssen wir bei der Umsetzung darauf achten, dass unser gesetzliches Leitbild in Funktion bleibt. Wir müssen klar stellen, dass die Zahlungsfrist von maximal sechzig Tagen das Äußerste ist, was im Geschäftsverkehr noch tragbar ist. Wir dürfen dem Ausreizen von Höchstfristen keinen Vorschub leisten.

Abzuwarten bleibt darüber hinaus, ob ein weiteres Element im Gesetzentwurf  zu einer Verbesserung der Zahlungsmoral führen wird: Die Einführung eines Pauschalbetrags von vierzig Euro für so genannte „Beitreibungskosten“. Der Anspruch entsteht, wenn der Gläubiger Anspruch auf Verzugszinsen hat.

Dies ist ein Novum im deutschen Recht. Mit vierzig Euro ist dieser Anspruch zwar moderat bemessen. Dennoch ist der pauschale Anspruch, der unabhängig davon vorliegt, ob ein solcher Schaden beim Gläubiger überhaupt entstanden ist, dem deutschen Schadenersatzsystem fremd.

Fraglich ist, ob eine solche Pauschale tatsächlich Schuldner dazu anhält, rechtzeitig zu zahlen. Schuldner, die bewusst Zahlungen nach hinten hinaus schieben und auf einen „Kredit“ des Gläubigers setzen, werden sich von 40 Euro nicht unbedingt abschrecken lassen.

Auch lässt die Pauschale eine gewisse Nähe zum Strafschadenersatz erkennen. Die vierzig Euro sollen zwar laut EU-Kommission keine strafende Wirkung haben. Sie sollen dem Gläubiger als Ausgleich für seine Beitreibungskosten dienen. Aber Schadenersatzforderungen ohne nachgewiesenen Schaden haben einen „Wiedergutmachungscharakter“, der auch dem Strafschadensersatz innewohnt.

Und die EU-Kommission treibt die Einrichtung von Pauschalzahlungen voran: Im Entwurf zum Gemeinsamen Europäischen Kaufrecht findet sich der Anspruch auf vierzig Euro Entschädigung für Beitreibungskosten wieder.

Meine Damen und Herren, auf EU-Ebene sollten wir uns weiterhin Bestrebungen zur Einführung von unangemessen hohen Pauschalbeträgen oder von Strafschadenersatz im Zivilrecht entgegen stellen. Ein Strafschadenersatz, der weit über einen tatsächlich eingetretenen Schaden hinausgeht, stellt eine Bereicherung des Gläubigers dar. Er führt zu einer nicht kalkulierbaren Zusatzbelastung von Schuldnern oder im Fall von öffentlichen Auftraggebern letztlich von Steuerzahlern. Einer solchen Zusatzbelastung müssen wir vorbeugen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

 

27.09.2012 | Rede am 27. September 2012 zur "Partnergesellschaft mit beschränkter Berufshaftung"

Sehr geehrte Frau/Herr Präsident/in, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sollen nach dem Gesetzentwurf der Regierung, über den wir heute beraten, für ihre berufliche Zusammenarbeit künftig eine neue Organisationsform wählen können: Die Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Haftung (PartGmbH).

Das Auffällige an dieser neuen Gesellschaftsform ist die Kumulation von Vorteilen: Die Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Haftung soll die steuerlichen Vorteile der Personengesellschaft mit den Vorteilen der beschränkten Haftung der Kapitalgesellschaft verbinden.

Damit will die Regierung eine deutsche Alternative zur anglo-amerikanischen Limited Liability Partnership (LLP) schaffen. Im Gesetzentwurf hat sie dementsprechend auch dargelegt, dass in Deutschland ein erheblicher Trend zur Nutzung der Rechtsform der LLP zu verzeichnen sei.

Allerdings führt die Bundesregierung im Gesetzentwurf keine Anzahl der LLPs in Deutschland auf. Exakte Zahlen konnte sie auch nicht nennen, als wir sie in unserer schriftlichen Frage konkret darum baten. Vielmehr heißt es in der Antwort der Regierung: „Aus Berufskreisen der Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater wird berichtet, dass die Zahl der Zusammenschlüsse in Form der LLP steigend ist.“

Schauen wir uns die öffentlich verfügbaren Zahlen genauer an, so stellen wir fest: In den nach jetziger Rechtslage möglichen deutschen Gesellschaftsformen sind weit über 2000 Kanzleien in der Rechtsform der Partnerschaftsgesellschaft (ohne beschränkte Haftung) organisiert, über 300 haben die Rechtsform der GmbH gewählt. Bei den verbleibenden Anwaltszusammenschlüssen dominiert die Gesellschaft bürgerlichen Rechts

Sucht man im Handelsregister nach der Rechtsform der LLP, so stellt man fest: 54 LLPs sind eingetragen. Und das sind nicht nur die Freiberufler, denen das Gesetz zu Gute kommen soll. Neben Rechtsanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern sind zum Beispiel auch Architekten bei den 54 LLPs im Handelsregister  eingetragen.

Das sind Zahlen, die nicht auf gesetzgeberischen Handlungsbedarf schließen lassen, meine Damen und Herren.

Und es stellt sich noch ein weiteres Problem:

Unterläuft einem Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer in seiner Tätigkeit ein Fehler, so haftet er bisher mit seinem Privatvermögen. Dieses Risiko sichert er mit einer Berufshaftpflichtversicherung ab. Die Mindestversicherungssumme liegt für Rechtsanwälte derzeit bei 250.000 Euro pro Versicherungsfall.

Bei der Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Haftung entfällt die persönliche Haftung des Rechtsanwalts, Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers. Eine versicherungsrechtliche Lösung soll den Schutz von Mandanten gewährleisten.

Rechtsanwälte müssen dann eine Berufshaftpflichtversicherung von mindestens 2,5 Millionen Euro pro Versicherungsfall unterhalten. Dies ist das zehnfache der bisherigen Mindestversicherungssumme. Ein entsprechend hoher Versicherungsbeitrag ist die Folge.

Wie viele Partnerschaften sich diesen Versicherungsschutz leisten können werden, ist fraglich. Wenn überhaupt, ist eine solche Versicherungssumme nur für große Kanzleien erschwinglich.

Das Gesetz hat also im Kern eine sehr beschränkte Zielgruppe:  Großkanzleien.

Kleine und mittelständische Kanzleien werden von der Möglichkeit der Gründung einer Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Haftung kaum profitieren.

Die Folgen eines solchen Gesetzes aber betreffen das gesamte Gesellschaftsrecht: Die Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Haftung  bedeutet eine Vermischung von Merkmalen der Personengesellschaft mit Merkmalen der Kapitalgesellschaft. Sie bewirkt eine weitere Aufsplitterung der Gesellschaftsformen. Ein Gesetz mit einem solch‘ begrenzten Anwendungsbereich wie dieses sollte nicht dazu führen, unser gesellschaftsrechtliches System zu durchbrechen.

Gerne können wir die Hinweise auf die Nutzung ausländischer Rechtsformen, wie der LLP, dazu nutzen, über eine grundlegende Reform des Gesellschaftsrechts nachzudenken. Ziel muss es aber sein, dessen Komplexität zu verringern und nicht zu vergrößern.

Meine Damen und Herren Rechtspolitikerinnen und Rechtspolitiker, wir müssen durchdachte und sinnvolle Gesetze anbieten, wenn wir mit „Law Made in Germany“ in Konkurrenz zu anderen Rechtsordnungen treten wollen. Diesem Anspruch genügt das vorliegende Gesetz nicht.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

27.09.2012 | Rede am 27. September 2012 zum "Mietrechtsänderungsgesetz"

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wenn ich mir den Gesetzentwurf dieser Regierung zum Bereich Mietnomaden anschaue, dann drängt sich mir der Verdacht auf, dass die damit befassten Regierungsmitglieder zu viel Zeit vor dem Fernseher verbracht

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Halina Wawzyniak (DIE LINKE))

und sich dabei auch noch die falschen Sendungen angeschaut haben.

(Dr. Günter Krings (CDU/CSU): Das wollen Sie jetzt auch noch bestimmen? Jetzt wird noch reglementiert, was wir gucken sollen! Was darf ich denn noch gucken, Frau Kollegin?)

Meine Damen und Herren, nur weil in Spiegel TV eine reißerische Sendung mit dem Titel „Mietnomaden: Pöbeleien am Gartenzaun“ lief, müssen Sie noch lange nicht das Prozessrecht ändern!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)

Als Mietnomaden werden Menschen bezeichnet, die ein Mietverhältnis bereits in der betrügerischen Absicht begründen, keine Miete zu zahlen. Sie ziehen von Wohnung zu Wohnung und hinterlassen diese in einem verwahrlosten Zustand; das ist ein Problem. Aber Mieterinnen und Mieter, die nach dem Eingehen eines Mietverhältnisses zahlungsunfähig werden – sei es wegen Arbeitslosigkeit oder Krankheit -, fallen nicht in diese Kategorie.

(Halina Wawzyniak (DIE LINKE): Sehr richtig! Aber das begreifen die nicht!)

Sehen wir uns die Fälle echter Mietnomaden an,

(Andrea Astrid Voßhoff (CDU/CSU): Es gibt sie also?)

stellen wir fest, dass es sich hierbei um Einzelfälle handelt. Von einem Phänomen zu sprechen, ist der Versuch der Eskalierung, um bestimmte Interessen durchzusetzen.

(Beifall der Abg. Halina Wawzyniak (DIE LINKE))

Sie nennen auch gar keine konkreten Zahlen. Das hat auch seinen Grund: Das Gutachten, das von Bundesjustizministerium und Bundesverkehrsministerium in Auftrag gegeben worden ist, hat in ganz Deutschland 426 Fälle von Mietnomadentum festgestellt. Frau Kollegin Voßhoff von der CDU sagt zu Recht: Deutschland ist ein Land der Mieter. – Das bestätigt auch das Statistische Bundesamt, das feststellt: Die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland lebt zur Miete.

(Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Die andere Hälfte vermietet!)

Also stellen die Mietnomaden einen Anteil im Promillebereich dar. Und damit wollen Sie eine massive Gesetzesänderung rechtfertigen? Glaubwürdigkeit und argumentative Überzeugungskraft sehen anders aus.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Dabei sind die Konsequenzen Ihres Gesetzentwurfs äußerst weitreichend.

(Halina Wawzyniak (DIE LINKE): Richtig!)

Sie schaffen nämlich Regelungen, die alle Mieterinnen und Mieter treffen. Sie wollen ein neues Instrument in die Zivilprozessordnung einführen, die sogenannte Sicherungsanordnung. Damit kann ein Gericht schon vor dem Hauptsacheverfahren anordnen, dass der Mieter einen Geldbetrag hinterlegen muss, auf den der Vermieter möglicherweise einen Anspruch hat. Hinterlegt der Mieter das Geld nicht, so kann der Vermieter die Wohnung räumen lassen. Seinen Räumungsanspruch kann er durch eine einstweilige Verfügung durchsetzen, mit der bloßen Begründung, dass der Mieter das Geld nicht hinterlegt hat. Auf ein Verschulden des Mieters kommt es dabei gar nicht an.

(Halina Wawzyniak (DIE LINKE): Absurde Regelung!)

So haben Sie zwei Verfahren, nämlich die Anordnung der Sicherungsleistung und das Räumungsverfahren, aber keine Beweiserhebung. Vollendete Tatsachen werden geschaffen, ohne dass jemals ein Hauptsacheverfahren durchgeführt wurde. Der Mieter sitzt auf der Straße.

(Halina Wawzyniak (DIE LINKE): Richtig!)

Bisher kennt die Zivilprozessordnung nur Sicherheitsleistungen im Rahmen der Vollstreckung von Endurteilen. Wenn wir nun Zahlungspflichten für Mieter schaffen, die auf nur kursorischer Prüfung und prognostizierten Erfolgsaussichten einer Klage basieren,

(Stephan Thomae (FDP): Nein, auf Vertrag basieren!)

greifen wir tief in die Systematik des Zivilprozessrechts ein. Das ist ein systematischer Bruch, den wir Rechtspolitikerinnen und Rechtspolitiker nicht mittragen sollten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Sie wollen das Gesetz aber noch weiter verschärfen. Die Sicherungsanordnung soll nicht nur für Mieten gelten. Sie wollen auch andere Geldforderungen ‑ das können zum Beispiel Werklohnforderungen oder Forderungen aus Versicherungsverträgen sein ‑ einbeziehen. Da drängt sich die Frage auf: Wieso müssen wir für Geldforderungen neue und systemwidrige Regelungen einführen, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition? Sie bauen einen Buhmann auf ‑ die Mietnomaden ‑ und benutzen diesen als Vorwand, um das Prozessrecht für Schuldner inklusive aller Mieter zu verschlechtern und für Gläubiger inklusive aller Vermieter zu verbessern.

Wir stellen fest: Diese schwarz-gelbe Koalition wird getrieben von der Durchsetzung von Vorteilen für die eigene Klientel wie keine andere Regierung zuvor. Mal sind es die Hotelbesitzer. Jetzt sind es die großen Immobilien- und Vermietungsfirmen, deren Profit gesichert werden soll. Wir als grüne Parlamentarierinnen und Parlamentarier fühlen uns dem Wohl der gesamten Bevölkerung verpflichtet. Deswegen lehnen wir diesen Teil des Gesetzes rundweg ab.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

13.09.2012 | Rede am 13. September 2012 zum Einzelplan Justiz

Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin! „Das Bundesjustizministerium: Hüter des Rechtsstaates ‑ Motor der Rechtspolitik“. So ambitioniert betitelt das Bundesjustizministerium seine Internetseite. Ziehen wir nach drei Jahren Regierungszeit Bilanz, so stellen wir fest: Der Motor war in Bewegung. Er hat auch Geräusche von sich gegeben. Aber nach vorne bewegt hat er sich nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jüngstes Beispiel ist der „Entwurf eines Gesetzes zur Bereinigung des Rechts der Lebenspartner“. Änderungen waren hier längst fällig. Sie, meine Damen und Herren von der Regierungsbank, hatten die Chance, echte Fortschritte bei der Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft zu bewirken. Wir stellen fest: Sie haben die Chance vertan. Eine echte Gleichstellung haben Sie nicht geschaffen. Was fehlt Ihrem Entwurf? An zentrale Punkte wagen Sie sich nicht heran.

Das sind das Ehegattensplitting und das volle Adoptionsrecht für Homosexuelle. Von der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare sind Sie noch meilenweit entfernt. Das zeigt: Ihre Rechts- und Gesellschaftspolitik ist realitätsfern. Sie haben nicht den Mut, den Entwicklungen in der Gesellschaft mit modernen Gesetzen Rechnung zu tragen. Sie betreiben hier ein Stück Realitätsverweigerung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Selbst wenn Sie eine kleine Vorwärtsbewegung andeuten, dann kommt der Koalitionspartner ‑ diesmal in Person von Gerda Hasselfeldt, ihres Zeichens Landesgruppenchefin ‑ und erklärt, die Zukunft liege „in Familie, Kindern und Ehe und nicht in homosexuellen Lebenspartnerschaften“. Damit tritt sie mit beiden Beinen auf die Bremse.

Als Rechtspolitikerin sage ich Ihnen an dieser Stelle: Wenn Menschen Verantwortung füreinander übernehmen, dann ist das ein hohes gesellschaftliches Gut. Dann kommt es auch nicht darauf an, ob die Partner verschieden- oder gleichgeschlechtlich sind. Solche verantwortungsvollen Lebenspartnerschaften haben es verdient, gleichbehandelt zu werden, und zwar sowohl rechtlich als auch steuerlich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Das zweite Motto des Bundesjustizministeriums lautet, das Justizministerium sei der Hüter des Rechtsstaats. Eine der tragenden Säulen unseres Rechtsstaates ist die Justiz. Für eine funktionierende Justiz brauchen wir ausreichend Richterstellen und die erforderlichen Sachmittel. Dies ist im aktuellen Haushaltsplan berücksichtigt. Zu einem ausgewogenen Rechtsstaat gehört aber auch, dass der Zugang zur Justiz jeder Bürgerin und jedem Bürger offensteht. Wer sich einen Anwalt oder ein Gerichtsverfahren finanziell nicht leisten kann, muss staatliche Hilfe in Anspruch nehmen können. Wir gewährleisten das mit Prozesskostenhilfe und mit Beratungshilfe.

Doch wie sieht hier die Realität aus? Alle Lebenshaltungskosten steigen. Und was ist der Plan der Bundesregierung? Sie will die Prozesskostenhilfe und die Beratungshilfe einschränken und damit den Zugang zum Recht für ärmere Einkommensschichten erschweren. Verdeutlichen möchte ich das an drei Beispielen.

Erstens. Die Rechtsuchenden, deren Einkommen über den Sozialleistungen liegt, sollen mehr Geld für rechtlichen Beistand bezahlen. Wer also wenig Einkommen hat, wird sich dann noch genauer überlegen, ob er das Geld für den Schulausflug seiner Kinder ausgibt oder für einen Prozess einsetzt. Das schreckt Rechtsuchende vom Gang zum Gericht ab.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens. Das Gericht soll eine einmal bewilligte Prozesskostenhilfe aufheben können, soweit ein Antrag auf Beweiserhebung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Das verstößt gegen den Grundsatz der vorweggenommenen Beweiswürdigung im Zivilprozess, und das verschlechtert die Prozesschancen zulasten der finanziell schlechter gestellten Partei erheblich.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Drittens. Bisher hat ein Ehegatte, der im Scheidungsverfahren Prozesskostenhilfe erhält, das Recht auf einen Anwalt, wenn sein Partner oder seine Partnerin anwaltlich vertreten ist. Dieses Recht soll eingeschränkt werden. Ein Anwalt muss dann nur noch über Prozesskostenhilfe beigeordnet werden, wenn die Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage dies erfordert. Die Beiordnung wird also nicht mehr automatisch bewilligt, wenn auch die Gegenpartei einen Anwalt hat. Das schränkt die Verteidigungsmöglichkeiten von Menschen mit geringem Einkommen deutlich ein. Das verschiebt die erfolgreiche Rechtsverfolgung zugunsten des finanziell Bessergestellten.

Rechte, meine Damen und Herren, sind nur dann wirkungsvoll, wenn die Bürgerinnen und Bürger diese auch durchsetzen können. Mit diesem Gesetz zur Prozesskosten- und Beratungshilfe schaffen Sie eine Zweiklassenjustiz. Dieses Gesetz behütet nicht den Rechtsstaat, dieses Gesetz beschädigt den Rechtsstaat.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir Grünen werden einem Gesetzentwurf, der im Rechtsbereich die Schere zwischen Arm und Reich noch weiter aufmacht, nicht zustimmen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

14.06.2012 | Rede am 14. Juni 2012 zu "Diskriminierungsschutz für Hinweisgeber"

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! I

Im Moment findet in Polen und in der Ukraine die Fußball-EM statt. Bei jedem Spiel steht ein Mann mit einer Pfeife auf dem Platz. Wenn ein Spieler die Regeln verletzt, also ein Foul begeht, dann hat dieser Mann die Aufgabe, zu pfeifen, das Spiel zu unterbrechen und auf die Regelverletzung hinzuweisen.

Von dieser Aufgabenstellung, Regelverletzungen hörbar zu machen, leitet sich der Begriff „Whistleblowing“ ab. Regelverletzungen gibt es nicht nur auf dem Fußballfeld; Regelverletzungen und Missstände gibt es in vielen gesellschaftlichen Bereichen. Die Öffentlichkeit oft hat von Missständen in Pflegeheimen, vom Verkauf von Gammelfleisch oder von Sicherheitsproblemen in Atomkraftwerken erst erfahren, nachdem mutige Menschen ‑ teilweise anonym ‑ darauf hingewiesen haben.

Eines muss klargestellt sein: Diese Menschen sind keine Verräter ‑ im Gegenteil; diese Menschen zeigen Mut und Zivilcourage. Sie übernehmen Verantwortung für das Gemeinwohl und damit für unsere Demokratie.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Diese Menschen müssen wir vor innerbetrieblichen Repressionen schützen.

Wenn Sie Verantwortliche in Betrieben oder Einrichtungen fragen, ob es dort interne Möglichkeiten für kritische Äußerungen von Mitarbeitern gibt ‑ Compliance-Abteilungen ‑, so sagen die meisten selbstverständlich Ja. Bei genauerer Nachfrage wird jedoch klar, dass es diese Möglichkeit oft nur auf dem Papier gibt. Häufig werden diese kritischen Menschen drangsaliert oder sogar entlassen. Dem müssen wir vorbeugen.

Wir Grünen legen Ihnen heute einen Gesetzentwurf vor, der die Anliegen aller Beteiligten optimal miteinander verbindet und der sich gut in die bestehende Gesetzeslage im Arbeits- und Beamtenrecht einpasst. Kernstück unseres Gesetzentwurfs ist ein Anzeigerecht. Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber können sich zuerst an den Arbeitgeber bzw. an den Dienstherren oder an eine vertrauliche interne Stelle wenden ‑ das kann der Betriebsrat oder der Personalrat sein ‑, wenn diese Arbeitnehmer oder Beamte konkrete Anhaltspunkte für die Verletzung von rechtlichen Pflichten haben.

Ausnahmsweise können Hinweisgeber sich auch an eine externe Stelle wenden, zum Beispiel an eine Strafverfolgungs- oder Ordnungsbehörde, wenn keine Abhilfe erfolgt. Das Gleiche gilt, wenn ein internes Abhilfeverlangen unzumutbar ist, weil Straftaten begangen werden oder weil ein wichtiges Rechtsgut gefährdet ist; also beispielsweise Leben, Körper, Gesundheit, Persönlichkeitsrecht, Freiheit der Person, Stabilität des Finanzsystems oder Umwelt.

In ganz besonders extremen Fällen sollen Whistleblower auch direkt an die Öffentlichkeit gehen können. Hier muss jedoch das öffentliche Interesse am Bekanntwerden der Information das betriebliche Interesse an der Geheimhaltung erheblich überwiegen. Um es zu verdeutlichen: Wenn Menschen durch Gammelfleisch oder verdorbene Babynahrung gefährdet werden, so ist es eigentlich nicht nur ein Recht, sondern nachgerade eine Pflicht, darauf hinzuweisen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Der Schutz von Menschen hat Vorrang.

Mit diesem fein abgestuften Verfahren können wir einerseits Missstände zum Schutz der Beschäftigten und der Öffentlichkeit aufdecken, andererseits aber auch die Interessen von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite angemessen berücksichtigen. Nun werden Sie auf der Regierungsseite vielleicht sagen: Das brauchen wir nicht; das ist unnötig. – Wenn Sie aber genau hinschauen, dann werden Sie feststellen, dass es Regelungen nur vereinzelt im Beamtenrecht gibt; der Rest sind Gerichtsurteile. Das bietet keine ausreichende Rechtssicherheit. Dies zeigt der Fall der Berliner Altenpflegerin Brigitte Heinisch ganz plastisch: Ihr wurde gekündigt, weil sie Missstände in einem Pflegeheim veröffentlicht hatte. Sie musste bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte klagen, bis festgestellt wurde, dass die Kündigung unrechtmäßig war.

(Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Unglaublich!)

Das war eine juristische Ohrfeige für die deutsche Justiz.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Kerstin Tack (SPD) und Karin Binder (DIE LINKE))

Wir Grünen wollen, dass sich die rechtliche Situation bessert, und zwar schnell.

Jetzt wird es pikant. Diese Bundesregierung hat sich international mit dem Antikorruptionsaktionsplan der G-20-Staaten vom November 2010 zum Schutz von Hinweisgebern bekannt und angekündigt, sie werde bis Ende 2012 Regeln zum Whistleblowerschutz erlassen und umsetzen.

(Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber nichts gemacht!)

Meine Damen und Herren von der Regierungsbank, es passt einfach nicht zusammen, international den verbalen Vorreiter zu geben und national zu mauern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Typisch!)

Da müssen Sie sich schon entscheiden, entweder für eine nationale Regelung zum Schutz von Hinweisgebern oder für eine Erklärung auf internationaler Ebene, dass Sie das in Wirklichkeit gar nicht wollen. Wir Grünen machen dieses doppelte Spiel nicht mit. Wir wollen Taten sehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, wir brauchen auch zu unserer eigenen Sicherheit Menschen mit Zivilcourage und Verantwortungsgefühl, mit dem Mut, Konflikte anzusprechen und auszuhalten. Diesen Menschen müssen wir staatlichen Schutz und Rückendeckung geben. Zivilcourage ist ein Qualitätsmerkmal einer lebendigen und gelebten Demokratie.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

14.06.2012 | Rede am 14. Juni 2012 zu "Whistleblower-Schutzgesetz"

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Im Moment findet in Polen und in der Ukraine die Fußball-EM statt. Bei jedem Spiel steht ein Mann mit einer Pfeife auf dem Platz. Wenn ein Spieler die Regeln verletzt, also ein Foul begeht, dann hat dieser Mann die Aufgabe, zu pfeifen, das Spiel zu unterbrechen und auf die Regelverletzung hinzuweisen.

Von dieser Aufgabenstellung, Regelverletzungen hörbar zu machen, leitet sich der Begriff „Whistleblowing“ ab. Regelverletzungen gibt es nicht nur auf dem Fußballfeld; Regelverletzungen und Missstände gibt es in vielen gesellschaftlichen Bereichen. Die Öffentlichkeit oft hat von Missständen in Pflegeheimen, vom Verkauf von Gammelfleisch oder von Sicherheitsproblemen in Atomkraftwerken erst erfahren, nachdem mutige Menschen ‑ teilweise anonym ‑ darauf hingewiesen haben.

Eines muss klargestellt sein: Diese Menschen sind keine Verräter ‑ im Gegenteil; diese Menschen zeigen Mut und Zivilcourage. Sie übernehmen Verantwortung für das Gemeinwohl und damit für unsere Demokratie.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Diese Menschen müssen wir vor innerbetrieblichen Repressionen schützen.

Wenn Sie Verantwortliche in Betrieben oder Einrichtungen fragen, ob es dort interne Möglichkeiten für kritische Äußerungen von Mitarbeitern gibt ‑ Compliance-Abteilungen ‑, so sagen die meisten selbstverständlich Ja. Bei genauerer Nachfrage wird jedoch klar, dass es diese Möglichkeit oft nur auf dem Papier gibt. Häufig werden diese kritischen Menschen drangsaliert oder sogar entlassen. Dem müssen wir vorbeugen.

Wir Grünen legen Ihnen heute einen Gesetzentwurf vor, der die Anliegen aller Beteiligten optimal miteinander verbindet und der sich gut in die bestehende Gesetzeslage im Arbeits- und Beamtenrecht einpasst. Kernstück unseres Gesetzentwurfs ist ein Anzeigerecht. Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber können sich zuerst an den Arbeitgeber bzw. an den Dienstherren oder an eine vertrauliche interne Stelle wenden ‑ das kann der Betriebsrat oder der Personalrat sein ‑, wenn diese Arbeitnehmer oder Beamte konkrete Anhaltspunkte für die Verletzung von rechtlichen Pflichten haben.

Ausnahmsweise können Hinweisgeber sich auch an eine externe Stelle wenden, zum Beispiel an eine Strafverfolgungs- oder Ordnungsbehörde, wenn keine Abhilfe erfolgt. Das Gleiche gilt, wenn ein internes Abhilfeverlangen unzumutbar ist, weil Straftaten begangen werden oder weil ein wichtiges Rechtsgut gefährdet ist; also beispielsweise Leben, Körper, Gesundheit, Persönlichkeitsrecht, Freiheit der Person, Stabilität des Finanzsystems oder Umwelt.

In ganz besonders extremen Fällen sollen Whistleblower auch direkt an die Öffentlichkeit gehen können. Hier muss jedoch das öffentliche Interesse am Bekanntwerden der Information das betriebliche Interesse an der Geheimhaltung erheblich überwiegen. Um es zu verdeutlichen: Wenn Menschen durch Gammelfleisch oder verdorbene Babynahrung gefährdet werden, so ist es eigentlich nicht nur ein Recht, sondern nachgerade eine Pflicht, darauf hinzuweisen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Der Schutz von Menschen hat Vorrang.

Mit diesem fein abgestuften Verfahren können wir einerseits Missstände zum Schutz der Beschäftigten und der Öffentlichkeit aufdecken, andererseits aber auch die Interessen von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite angemessen berücksichtigen. Nun werden Sie auf der Regierungsseite vielleicht sagen: Das brauchen wir nicht; das ist unnötig. – Wenn Sie aber genau hinschauen, dann werden Sie feststellen, dass es Regelungen nur vereinzelt im Beamtenrecht gibt; der Rest sind Gerichtsurteile. Das bietet keine ausreichende Rechtssicherheit. Dies zeigt der Fall der Berliner Altenpflegerin Brigitte Heinisch ganz plastisch: Ihr wurde gekündigt, weil sie Missstände in einem Pflegeheim veröffentlicht hatte. Sie musste bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte klagen, bis festgestellt wurde, dass die Kündigung unrechtmäßig war.

(Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Unglaublich!)

Das war eine juristische Ohrfeige für die deutsche Justiz.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Kerstin Tack (SPD) und Karin Binder (DIE LINKE))

Wir Grünen wollen, dass sich die rechtliche Situation bessert, und zwar schnell.

Jetzt wird es pikant. Diese Bundesregierung hat sich international mit dem Antikorruptionsaktionsplan der G-20-Staaten vom November 2010 zum Schutz von Hinweisgebern bekannt und angekündigt, sie werde bis Ende 2012 Regeln zum Whistleblowerschutz erlassen und umsetzen.

(Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber nichts gemacht!)

Meine Damen und Herren von der Regierungsbank, es passt einfach nicht zusammen, international den verbalen Vorreiter zu geben und national zu mauern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Typisch!)

Da müssen Sie sich schon entscheiden, entweder für eine nationale Regelung zum Schutz von Hinweisgebern oder für eine Erklärung auf internationaler Ebene, dass Sie das in Wirklichkeit gar nicht wollen. Wir Grünen machen dieses doppelte Spiel nicht mit. Wir wollen Taten sehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, wir brauchen auch zu unserer eigenen Sicherheit Menschen mit Zivilcourage und Verantwortungsgefühl, mit dem Mut, Konflikte anzusprechen und auszuhalten. Diesen Menschen müssen wir staatlichen Schutz und Rückendeckung geben. Zivilcourage ist ein Qualitätsmerkmal einer lebendigen und gelebten Demokratie.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

24.05.2012 | Rede am 24. Mai 2012 zu "Planfeststellungsverfahren"

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wissen Sie, was im Jahr 2010 der damalige Landesgruppenvorsitzende der CSU in Bezug auf Stuttgart 21 geäußert hat? Ich zitiere aus einem Gespräch mit der SUPERillu vom 14. Oktober 2010.

(Florian Toncar (FDP): Was Sie alles lesen!)

Insofern ist es auf jeden Fall richtig, wenn man miteinander redet und Zweifel auszuräumen versucht. Eines ist aber völlig klar: Am Ende muss die Umsetzung dieses wichtigen Vorhabens stehen.

(Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Richtig!)

Dieser Satz verrät nicht nur das Demokratieverständnis des damaligen Landesgruppenchefs und heutigen Innenministers Hans-Peter Friedrich, sondern er steckt auch wie ein unsichtbarer Geist in Ihrem Gesetzentwurf.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Sabine Leidig (DIE LINKE): Als sichtbarer Geist!)

Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, nehmen die Bürgerinnen und Bürger als kompetente Gesprächspartner nicht ernst. Sie wollen die Bürgerinnen und Bürger gnädig mitdiskutieren lassen; aber am Ergebnis soll nicht gerüttelt werden. Das zeigt: In Ihren Köpfen steckt noch viel Obrigkeitsdenken. Ihr Demokratie- und Rechtsverständnis ist im vorigen Jahrhundert stecken geblieben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Warum sage ich das, und warum komme ich zu dieser Bewertung?

(Florian Toncar (FDP): Das ist Kabarett!)

Mit diesem Gesetzentwurf schaffen Sie keine obligatorische Öffentlichkeitsbeteiligung. Wir haben es hier mit einer dreifachen Sollvorschrift zu tun.

Die Art und Weise der Öffentlichkeitsinformation ist in das Belieben des Vorhabenträgers gestellt. Es gibt keine Qualitätsstandards.

Die Einbeziehung der Erkenntnisse aus der Öffentlichkeitsbeteiligung ist nicht sichergestellt.

Es mangelt an der Einschaltung neutraler Dritter, obwohl diese häufig eine befriedende Wirkung erzielen könnten.

Mit dem Gesetzentwurf werden Erörterungstermine nicht obligatorisch. Die Anhörungsbehörde kann den Bürgern Erörterungstermine sogar vorenthalten, etwa wenn ihr der Verwaltungsaufwand zu hoch erscheint.

Und noch schlimmer: Mit dem Gesetzentwurf wird Öffentlichkeitsbeteiligung abgebaut; denn der Planfeststellungsbeschluss muss den „bekannten Betroffenen“ nicht mehr zugestellt werden. Und: Die Erörterung muss innerhalb von drei Monaten abgeschlossen sein. ‑ Wenn es also darum geht, Bürgerbeteiligung zu verkürzen, dann wird Ihr Gesetzentwurf plötzlich verbindlich.

Meine Damen und Herren, Sie verkaufen ein Gesetz zur Öffentlichkeitsbeteiligung und bauen mit demselben Gesetz genau diese Beteiligung ab. Das wollen und werden wir nicht hinnehmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Gehen Sie doch einmal hinaus und reden Sie mit den Menschen, mit den Gemeinderäten, den Bürgermeistern und Landräten! Die sagen Ihnen: Wir brauchen eine obligatorische Bürgerbeteiligung bei wichtigen Entscheidungen.

Erhöhen Sie die Planungsqualität, indem Sie die einfachen Heilungsmöglichkeiten bei Verfahrens- und Formfehlern erschweren!

Verkürzen Sie die Geltungsdauer von Planfeststellungsbeschlüssen!

Verbessern Sie die Beteiligungs- und Klagerechte von Umwelt- und Naturschutzverbänden!

(Manuel Höferlin (FDP): Dann bauen wir nie wieder Infrastruktur in Deutschland! Das wäre genau in Ihrem Sinne!)

Implementieren Sie auch alternative Konfliktlösungsmöglichkeiten wie die Mediation!

Führen Sie Instrumente der direkten Demokratie ein!

Und: Etablieren Sie eine neue beteiligungsfreundliche und transparente Verwaltungskultur!

(Manuel Höferlin (FDP): Dann bleibt Deutschland stehen! Das ist genau das, was Sie wollen!)

Dies, meine Damen und Herren, sind die Mindestanforderungen an eine moderne, bürgerfreundliche und zukunftsorientierte Beteiligungspolitik.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren von der Regierungsbank, Sie sprechen von Fortschritt, bewirken aber Rückschritt. Bekennen Sie sich endlich zu echter Bürgerbeteiligung! Unsere Demokratie, unsere Bürgerinnen und Bürger sind reif und bereit für mehr aktive Beteiligung. Sie alle wollen gehört und ernst genommen werden. Das Wissen und die Expertise der Bürgerinnen und Bürger müssen in die Entscheidungen einfließen. Es wird Zeit in diesem Land ‑ für eine neue Beteiligungskultur, eine neue Rechts- und Mitsprachekultur.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

22.03.2012 | Rede am 22. März 2012: "Übertragung von Aufgaben an Notare"

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Der Bundesrat beabsichtigt, mit den beiden Gesetzentwürfen, über die wir heute hier im Bundestag debattieren, Aufgaben aus dem Bereich der staatlichen Justiz ‑ es geht vor allem um Nachlasssachen ‑ auf privat tätige Notare zu übertragen. Damit bringt der Bundesrat zwar nicht das Grundgerüst des deutschen Rechtssystems ins Wanken, aber er rüttelt doch an einer der tragenden Säulen unseres Verfassungssystems: an der Justiz als staatliche Kernaufgabe.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Der Bundesrat erklärt, die Änderungen seien sowohl im Sinne der Bürgerinnen und Bürger als auch im Sinne der Justiz. Wenn wir die Gesetzentwürfe an ihrer Bürgerfreundlichkeit messen, dann ergibt sich bei Nachlasssachen folgendes Bild: Bisher können Erben ihren Erbschein beim Nachlassgericht beantragen. Die Erbscheinerteilung ist mehrwertsteuerfrei. Geht die Zuständigkeit für die Erteilung von Erbscheinen auf Notare über, fällt Mehrwertsteuer an. Das heißt im Klartext, dass der Erbschein direkt um 19 Prozent teurer wird. Das ist sicher nicht im Sinne der Bürgerinnen und Bürger, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Stellen Sie sich folgenden Fall vor: Ein Familienvater verstirbt und hinterlässt eine Witwe und drei Kinder. Nach geltendem Recht beantragen die Erben den Erbschein beim Nachlassgericht am letzten Wohnsitz des Erblassers. Nach der vom Bundesrat vorgeschlagenen Änderung entfällt das Amtsgericht als zentrale Anlaufstelle. Alle vier Beteiligten aus unserem Beispielsfall können zu unterschiedlichen Notaren gehen. Das hat zur Folge, dass das Verfahren aufgesplittert wird und für alle unüberschaubar wird. Dazu kommt auch noch, dass diese Regelung nicht einheitlich für das Bundesgebiet gelten soll: Die Länder sollen entscheiden können, ob sie die Neuregelung einführen wollen oder nicht. Das führt dann zu einer endgültigen Rechtszersplitterung. Es entsteht ein Flickenteppich, der für die Bürgerinnen und Bürger völlig undurchsichtig ist. Ein solches Vorhaben können wir Grünen nicht unterstützen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Messen wir die Gesetzentwürfe an ihrer Entlastungsfunktion für die Justiz, die der Bundesrat ebenfalls als Begründung vorbringt, so zeigt sich Folgendes: Gerade in Nachlasssachen arbeiten die Gerichte in den Ländern vollständig kostendeckend. Sie erzielen sogar Einnahmen, die über den Ausgaben liegen. Hinzu kommt, dass die Verfahrensordnung an den Nachlassgerichten von dem System der freiwilligen Gerichtsbarkeit geprägt ist. Hier gilt der Amtsermittlungsgrundsatz. Dieser sorgt dafür, dass das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen aufklärt und damit die Rechtsuchenden unterstützt. Diese Fürsorgefunktion ist die Grundlage dafür, dass das Vertrauen der Rechtsuchenden in unsere funktionierende und kompetente Gerichtsbarkeit sehr ausgeprägt ist. Da stellt sich mir schon die Frage: Warum sollen wir ein staatliches System, das funktioniert und zudem kostendeckend arbeitet, privatisieren?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Völlig unberücksichtigt lässt der Gesetzentwurf die Folgen für die Gerichte selbst. Sollten die Nachlasssachen auf Notare übertragen werden, gehen auch die dazugehörigen Akten auf das Notariat über. Das bedeutet in der gerichtlichen Praxis: Andere Abteilungen der Amtsgerichte, die auf die Akten angewiesen sind, zum Beispiel Betreuungs-, Register- oder Insolvenzabteilungen, müssen die Akten beim Notar anfordern und zum Amtsgericht transportieren lassen. Das kann zu erheblichen Verfahrensverzögerungen führen, die wiederum zulasten der Bürgerinnen und Bürger gehen.

Aus all diesen Gründen sieht die Richter- und Rechtspflegerschaft keinen Mehrwert in den Gesetzentwürfen, weder für die Justiz noch für die Bürgerinnen und Bürger. Auch mir bleibt der praktische Vorteil des Gesetzentwurfs rätselhaft. Die Justiz, die entlastet werden soll, sieht keinen Nutzen in der Neuregelung. Der Bürger trifft auf Rechtszersplitterung und muss letztlich mehr Kosten tragen; denn beim Notar fällt Mehrwertsteuer an. Eine nicht zu erwartende Entlastung der Justiz hat eine zu erwartende Belastung der Bürgerinnen und Bürger zur Folge. Einem solchen Gesetzentwurf können wir Grünen nicht zustimmen.

Danke.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

02.03.2012 | Rede am 02. März 2012 zu "Elektronischer Geschäftsverkehr"

Verbraucherschutz und Internet, das ist ein echtes Massenphänomen, ein Phänomen, das auch eine erhebliche Belastung der Gerichte zur Folge hat. Heute stimmen wir über einen Gesetzentwurf ab, der Verbraucher vor genau diesen unseriösen Praktiken schützen soll. Wir setzen damit in Deutschland eine EU-Richtlinie um. Erfreulich ist, dass wir die Frist zur Umsetzung der Richtlinie nicht abwarten, sondern es schon jetzt machen.

Das verhindert, dass noch mehr Verbraucher Opfer von Internetfallen werden. Allerdings haben wir dieses Thema am 2. Dezember 2010 schon einmal debattiert. Mehr als ein Jahr hat es gedauert, bis wir jetzt über den Gesetzentwurf abstimmen können. Weniger erfreulich ist deshalb, dass wir nicht früher handeln konnten.

Meine Damen und Herren, wir alle wissen: Im Internet ist die Zeit zwischen optischem Reiz und Kaufklick extrem kurz. In einem Lebensmittelgeschäft zum Beispiel ist das ganz anders. Da können Sie auch einmal eine Dose Mango in die Hand nehmen, schauen, wie viel Zucker drin ist, und die Dose bei Nichtgefallen wieder ins Regal stellen. Das muss in ähnlicher Form auch im Internet möglich sein.

Wir sind der Meinung, dass die Umsetzung der sogenannten Buttonlösung für Vertragsabschlüsse im Internet einen richtigen Schritt darstellt. Wenn der Button zu sehen ist, sind dem Nutzer und der Nutzerin das Produkt und der Gesamtpreis klar. Er und sie wissen dann: Jetzt wird es ernst, jetzt tippt der Verkäufer die Rechnung ein, jetzt kostet es Cash. Die Buttonlösung ist ein Verbraucherschutzinstrument, für das wir Grüne uns seit langem einsetzen. Wir werden dem Gesetzentwurf, der die Buttonlösung vorsieht, zustimmen, weil wir damit den Verbraucherschutz im Internet stärken.

Aus verbraucherpolitischer Sicht hätten wir uns aber mehr von der Bundesregierung gewünscht.

Es geht hier um einen Gesetzentwurf, der einzig und allein die Stärkung des Verbraucherschutzes zum Ziel hat. Deshalb sollten wir den Verbraucherinnen und Verbrauchern alle Möglichkeiten an die Hand geben, ihre Rechte zu erkennen und durchzusetzen.

Unser Ziel ist es, den Verbraucherinnen und Verbrauchern im Internet ein Instrument an die Hand zu geben, das ihnen klar und deutlich ihre Rechte vor Augen führt.

Dazu gehört Folgendes:

Erstens: Die EU-Richtlinie gibt vor, dass der Unternehmer die Beweislast dafür trägt, dass er seine Informationspflichten im Internet erfüllt hat. Nach den Regelungen der Zivilprozessordnung ist klar: Wer eine Geldforderung einklagt ‑ das ist im Regelfall der Unternehmer ‑, trägt die Beweislast dafür, dass der Vertrag im Internet wirksam zustande gekommen ist. Für den juristischen Laien ergibt sich das aus der vorgeschlagenen Regelung aber nicht auf den ersten Blick. Deshalb ist hier aus unserer Sicht eine Klarstellung erforderlich.

Zweitens: Technische Entwicklungen sind schnelllebig; das wissen wir alle. Wir müssen deshalb ein Auge darauf haben, dass Internetanbieter neuere Entwicklungen nicht dazu nutzen können, ihre Pflichten zu umgehen. Auch eine Musterschaltfläche erscheint uns sinnvoll. Wir meinen, dass wir die Verbraucherinnen und Verbraucher damit noch besser vor unseriösen Anbietern, die ganz bewusst nach Umgehungsmöglichkeiten suchen, schützen können.

Drittens: Wir treffen jetzt Regelungen, um unseriöse Internetangebote zu verhindern. Es wäre sinnvoll gewesen, dies mit Regelungen zu unseriösen Inkassomaßnahmen zu verbinden. Häufig ist es doch so: Auch wenn der Klick im Internet nicht zu einem Vertragsabschluss führt, gibt es Internetanbieter, die ihre vermeintliche Forderung Inkassounternehmen zum Einzug übergeben. Diese senden Mahnungen an die Verbraucher. Die Verbraucher fühlen sich eingeschüchtert und zahlen. Hier brauchen wir dringend eine gesetzliche Regelung, die unseriösem Inkassogebahren Einhalt gebietet.

Mit der Abstimmung über diesen Gesetzentwurf stimmen wir nicht nur über die Buttonlösung in Bezug auf Vertragsabschlüsse im Internet ab, sondern zusätzlich auch über eine Änderung im Wohnungseigentumsgesetz. 2007 wurden die Verfahren in Wohnungseigentumssachen der Zivilprozessordnung unterstellt und aus der Freiwilligen Gerichtsbarkeit herausgenommen. Die Zivilprozessordnung sieht verschiedene Rechtsmittel vor, darunter auch die Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof. Um eine Überlastung des BGH zu vermeiden, wurde die Nichtzulassungsbeschwerde in Wohnungseigentumssachen für eine Übergangsfrist ausgeschlossen. Diese Frist würde am 1. Juli dieses Jahres enden.

Jetzt soll die Frist bis zum 31. Dezember 2014 um zweieinhalb Jahre verlängert werden.

Das sind zweieinhalb Jahre, in denen sich die Beteiligten in Wohnungseigentumssachen nicht an den Bundesgerichtshof wenden können. Ein Rechtsmittel, das die Zivilprozessordnung für diese Fälle vorsieht, wird ihnen per Gesetz verweigert.

Wir Grünen haben 2007 klar zum Ausdruck gebracht, dass Wohnungseigentumssachen besser in der Freiwilligen Gerichtsbarkeit aufgehoben wären. Nun sind sie in der ZPO geregelt. Das war der Wille des Gesetzgebers. Jetzt müssen wir auch die Konsequenzen daraus tragen. Eine Konsequenz ist, dass die Rechtsmittel, die die ZPO bietet, jedem zur Verfügung stehen. Ausnahmen bedürfen einer triftigen Begründung.

Die Koalition bezieht sich in ihrem Änderungsantrag auf Erfahrungen aus den Jahren 2008 bis 2010. Sie erklärt, dass es nicht gelungen ist, eine zuverlässige Prognose darüber aufzustellen, wie viele der Fälle in Wohnungseigentumssachen der Nichtzulassungsbeschwerde zugänglich wären. Diese Erklärung genügt uns nicht.

Inzwischen liegt das Jahr 2011 hinter uns. Vier Jahre müssten genügen, um eine klare Prognose zu erstellen. Der Zugang zum Recht muss für alle Rechtsstreitigkeiten gleichermaßen eröffnet sein. Das beinhaltet auch den Zugang zur höchstrichterlichen Rechtsprechung.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

15.12.2011 | Rede am 15. Dezember 2011 zu "Mediation – Außergerichtliche Konfliktbeilegung"

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Frau Ministerin!

Der heutige Tag ist ein Festtag. Der heutige Tag ist ein Feiertag für alle Bürgerinnen und Bürger, die in unserem Land eine andere Konfliktkultur und eine bessere Streitkultur wollen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Mit der Verabschiedung dieses ersten Gesetzes zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung in Deutschland läuten wir eine neue Ära im Bereich alternativer Konfliktlösungen ein.

Wenn wir dieses Gesetz mit seinen Chancen in der Praxis ausschöpfen, haben wir ungeahnte Möglichkeiten, das Rechtsempfinden unserer Bürgerinnen und Bürger nachhaltig zu stärken. Wir ermöglichen Konfliktpartnern ‑ ob Einzelpersonen, Unternehmen oder Verwaltungen ‑ die Anwendung eines neuen zwischenmenschlichen und juristischen Koordinatensystems. Mit diesem Gesetz erleichtern wir Konfliktpartnern, die Lösung ihres Konflikts selbstverantwortlich in die eigene Hand zu nehmen.

Ich sage ‑ und das auch als Juristin ‑ mit großer Überzeugung: Wir haben in Deutschland eines der besten juristischen Systeme. Es gibt Konfliktfälle, die brauchen eine klare und konsequente Aufarbeitung in juristischer Hinsicht. Aber: Nicht jeder Konfliktfall ist ein juristischer Konflikt. Bei unseren Gerichten landen jedes Jahr Zigtausende von Gerichtsverfahren, die im Kern keinen juristischen, sondern einen anderen Lösungsweg brauchen.

Wir alle wissen doch aus eigener Lebenserfahrung ‑ ganz gleich, welchen Beruf wir haben ‑: Es geht sehr oft ums Prinzip. Sprachlosigkeit führt häufig zum Rechthabenwollen, und dann geht es nicht mehr darum, die beste Lösung zu finden. An dieser Stelle können Mediatoren helfen, das Gespräch wieder in Gang zu bringen. Denn bei Konflikten gilt der Satz von Paul Watzlawick: Der Beziehungsaspekt dominiert den Inhaltsaspekt. ‑ Das bedeutet, dass eine echte Konfliktlösung in diesen Fällen die Kommunikations- und Beziehungsebene mitberücksichtigen muss.

In der Mediation sitzen die Kontrahenten an einem Tisch. Sie suchen unter Vermittlung eines freigewählten Mediators eine Lösung für ihren Konflikt. Auseinandersetzungen zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern in einem Unternehmen können oft im Gespräch gelöst werden. Auch Streitigkeiten zwischen Mietern und Vermietern, Zank zwischen Nachbarn um die Thujahecke, Forderungen zwischen Firmen aufgrund von Qualitätsmängeln oder Interessenunterschiede zwischen Gesellschaftern eines Unternehmens ‑ all diese Konflikte müssen nicht zwangsläufig vor Gericht landen.

Und wer einmal eine hochstreitige Erbauseinandersetzung durchgeführt hat oder wer in nervenaufreibenden Scheidungsfällen Schriftwechsel, Gutachten und Kindesanhörungen miterlebt hat, der weiß, dass hier neben juristischen Kompetenzen sehr stark auch kommunikative und professionelle Mediationskompetenzen gefragt sind.

Mit dem Mediationsgesetz regeln wir jetzt das Wer, Wo und Wie der Mediation. Wir regeln die Qualitätsstandards für Mediatoren. Wir legen als Voraussetzung eine anspruchsvolle Ausbildung für sie fest; denn Mediatoren brauchen eine hohe Kompetenz.

(Beifall des Abg. Norbert Geis (CDU/CSU))

Um hinsichtlich dieser Kompetenzen die Möglichkeiten voll auszuschöpfen, brauchen wir Mediatoren mit unterschiedlichen Quellberufen. Juristen, Psychologen, Pädagogen oder auch Mitglieder anderer Berufsgruppen können und sollen exzellente Mediatoren werden; sie sollen mit menschlichen Beziehungen und auch hohen Sachwerten professionell umgehen können.

In den letzten Monaten haben wir interfraktionell – leidenschaftlich und sachlich zugleich – um die besten Ergebnisse gerungen. Wir haben Fachgespräche und Anhörungen durchgeführt. Wir haben über den Tellerrand geschaut und uns Anregungen aus anderen Ländern – aus den Niederlanden, Österreich, Norwegen, den USA und weiteren Staaten – geholt. Auch haben wir heiße Eisen angepackt und uns der Verantwortung gestellt, um hier klare Vorgaben zu machen.

Es gibt einige Bundesländer, in denen richterliche Mediation praktiziert wird. In vielen anderen Bundesländern aber findet diese Praxis überhaupt nicht statt. Aus Gründen der Klarheit, der Transparenz und auch einer juristisch eindeutigen Aufgabenverteilung haben wir uns im Gesetz für das Güterichtermodell entschieden, wie es schon in Bayern und Thüringen erfolgreich praktiziert wird. Richter können hier als Güterichter auch weiterhin all ihre mediativen Kompetenzen zum Wohle der Streitparteien einsetzen.

(Beifall im ganzen Hause)

Eine vollumfängliche Mediation mit dem hierfür nötigen Setting – wie zum Beispiel ausreichend Zeit für Gespräche, hierarchiefreie Rahmenbedingungen, freie Mediatorenwahl und Einbeziehung von Stakeholdern – braucht aber ihren eigenen privatautonomen Raum und Rahmen. Diese Erkenntnis haben wir im Laufe der Beratungen gewonnen. Deshalb müssen wir hier auch begrifflich eindeutig und unmissverständlich sein, und wir müssen dafür sorgen, dass keine unnötigen Konfliktlinien entstehen.

Deshalb möchte ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, und auch die verehrten Richterinnen und Richter bitten, diese Entscheidung mitzutragen und auch in die Länder zu kommunizieren. Richter, die Mediation als alternative Konfliktlösung praktizieren wollen, können das im Rahmen ihrer richterlichen Kompetenz weiterhin tun. Einen Streit um Worte sollten wir hier wirklich nicht entfachen.

(Beifall im ganzen Hause)

Meine Damen und Herren Kollegen, mit dem Mediationsgesetz gehen wir einen großen Schritt nach vorn. Weitere müssen zügig folgen. Die nächste große Herausforderung besteht in der Einführung einer Mediationskostenhilfe. Es ist, wie wir alle wissen, so: Streitparteien, die sich Gerichtsverfahren finanziell nicht leisten können, haben Anspruch auf Prozesskosten- oder Verfahrenskostenhilfe. Mit der Mediationskostenhilfe sollten wir dafür sorgen, dass Mediation für alle – unabhängig vom Einkommen – möglich ist. Wir sehen hier eine erhebliche Chance zur Entlastung der Gerichte und auch zur Kostendämpfung. Deshalb wäre es wünschenswert, dass sich möglichst viele Bundesländer möglichst schnell an den Forschungsvorhaben zur Mediationskostenhilfe, die wir im Gesetz auch vorgesehen haben, beteiligen. Der Erfolg des Gesetzes hängt davon ab, dass die Justiz in den Ländern die neuen Chancen und Möglichkeiten dieses Gesetzes zielstrebig nutzt.

Mit diesem Mediationsgesetz haben wir das momentan Bestmögliche erreicht. Wir stellen hier dem Hoheitsakt der Konfliktaustragung durch eine Entscheidung des Gerichts eine alternative, konsensuale und selbstregulierende Form der Konfliktlösung zur Seite. Damit schaffen wir eine Win-win-Situation für die Bürgerinnen und Bürger, die Gerichte und die Mediatoren. Damit eröffnen wir allen die Möglichkeit, Konflikte auf neue Art zu lösen.

Ich danke ganz herzlich allen: der Ministerin, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, den Kolleginnen und Kollegen im Rechtsausschuss und den Verbänden. Ihnen allen danke ich dafür, dass wir in einer überfraktionellen und sachorientierten Zusammenarbeit ein gutes Gesetz geschaffen haben.

Vielen Dank.

(Beifall im ganzen Hause)

01.12.2011 | Rede am 01. Dezember 2011 zu "EU-Kaufrecht"

Sehr geehrte/r Frau/Herr Präsident/in,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Europäische Integration hat mittlerweile eine langjährige Geschichte.
Einer der größten Erfolge der Europäischen Union ist der gemeinsame
Binnenmarkt. Die Errichtung des europäischen Binnenmarkts hat den
grenzüberschreitenden Handel in der Europäischen Union enorm
erleichtert. Daher ist es grundsätzlich zu begrüßen, dass die Kommission
der Europäischen Union den Handel im Binnenmarkt weiter ausbauen
will. Dies geschah in der Vergangenheit bereits durch vereinheitlichende
Maßnahmen im Gesellschaftsrecht, Wettbewerbsrecht oder
Verbraucherrecht.

Nun soll mit der vorliegenden Verordnung ein Schritt weiter gegangen
werden: Ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht mit hohem
Verbraucherschutzstandard soll Handelshemmnisse im Binnenmarkt
beseitigen. Das Anliegen, durch die Wahl eines Gemeinsamen
Kaufrechts die Transaktionskosten in der Europäischen Union zu
senken, halten wir generell für sinnvoll. Aber wir fragen uns: Ist dies der
richtige Schritt zur richtigen Zeit? Sind die Bürgerinnen und Bürger in der
Europäischen Union schon so weit, dass sie sich auf ein Europäisches
Vertragsrecht berufen wollen, wenn sie grenzüberschreitend einkaufen?
Und vor allem: Sind es tatsächlich die Unterschiede in den
Vertragsrechten der Mitgliedsstaaten, die die Bürger davon abhalten,
Geschäfte in anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zu
tätigen?

Wir denken, dass auch viele andere Faktoren den Handel einschränken,
wie zum Beispiel die fremde Sprache oder Bedenken bezüglich der
Rechtsdurchsetzung in einem anderen Staat. Erfahrungen mit dem
Internationalen Kaufrecht der Vereinten Nationen haben dies bestätigt.
Daher ist der Bedarf für eine solche Verordnung fraglich. Besteht aber
kein Bedarf, so ist die Verordnung kein Instrument, um
Handelshemmnisse zu beseitigen. Das Gemeinsame Europäische
Kaufrecht wäre dann nicht geeignet, den Handel zu fördern.
Weitere Zweifel haben wir in Bezug auf die Wahl der Rechtsgrundlage,
auf die die Kommission ihren Verordnungsvorschlag stützt. Die
Kommission wählt Artikel 114 des Vertrags über die Arbeitsweise der
Europäischen Union (AEUV) als Kompetenznorm, eine Vorschrift, die
keine Einstimmigkeit für den Erlass der Verordnung voraussetzt, sondern
eine Mehrheitsentscheidungen im Rat der Europäischen Union
ermöglicht. Artikel 114 AEUV setzt voraus, dass es sich bei der zu
erlassenden Verordnung um eine Maßnahme zur Angleichung der
nationalen Rechtsvorschriften handelt. Von einer Angleichung kann hier
jedoch keine Rede sein, denn die Verordnung tritt als weiteres
Vertragsrecht neben die nationalen Vertragsrechte. Sie bildet ein
optionales Instrument, das Unternehmer den Käufern anbieten können,
wenn sie grenzüberschreitenden Handel tätigen. Die Regelungen, die in
der Verordnung getroffen werden, beschränken sich auch nicht auf das
Kaufrecht. Sie regeln darüber hinaus andere wichtige Rechtsbereiche,
wie das Anfechtungsrecht, die Vertragsauslegung und die Verjährung.
Diese sind zwar für den Abschluss eines Kaufvertrages von Relevanz,
behandeln aber nicht das Kaufrecht im eigentlichen Sinne.

Nach unserer Auffassung kann eine solch‘ weitreichende Verordnung
nur auf die Rechtsgrundlage des Artikels 352 AEUV gestützt werden.
Maßnahmen auf dieser Grundlage erfordern Einstimmigkeit im Rat der
Europäischen Union. Für Deutschland bedeutet dies, dass der deutsche
Vertreter im Rat nur zustimmen kann, wenn ein Parlamentsgesetz
erlassen wird, das ihn zur Zustimmung ermächtigt. Der Erlass dieses
Parlamentsgesetzes ist wiederum abhängig von der Zustimmung des
Bundestages und des Bundesrates.

Wie die Kommission, wollen auch wir den Binnenmarkt und die
Europäische Integration fördern, jedoch nur unter angemessener
Wahrung der Integrationsverantwortung des Bundestages und des
Bundesrates. Daher erheben wir, gemeinsam mit den anderen
Fraktionen, die Subsidiaritätsrüge gegen die Verordnung, um unsere
Beteiligungsrechte zu wahren. Wir wollen eine weitere Europäische
Integration nicht aufhalten oder behindern, aber wir wollen, dass diese
auf der Grundlage der europäischen Verträge erfolgt. Die Bürger
müssen, gerade auch in Zeiten der Euro-Krise, erkennen können, dass
Demokratie nicht an den Grenzen Deutschlands endet, sondern auch in
der Europäischen Union ein zentraler Aspekt ist.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

22.11.2011 | Rede am 22. November 2011 zu "Epl 07 Justiz, Epl 19 Bundesverfassungsgericht"

Herr/Frau PräsidentIn, liebe Kolleginnen und Kollegen, Frau Ministerin,

der Rechtsextremismus in Deutschland ist eine Bedrohung. Er ist eine
konkrete Bedrohung. Er fordert uns alle heraus. Alle Demokraten.
Wir aber lassen uns von den schrecklichen Ereignissen unsere
demokratische Wertehaltung nicht in Frage stellen. Es ist gut, dass alle
demokratischen Parteien hier eindeutig und klar Position bezogen
haben. Dieses Thema ist unser aller Thema.

Die Frage, ob Opfer rechtsextremistischer Gewalt hätten vermieden
werden können, können wir anhand der bisherigen lückenhaften
Aufklärung nicht eindeutig feststellen. Auch in einem der Wahlkreise, die
ich betreue, ist ein Anschlag geschehen. Es ist die Tötung der Polizistin
in Heilbronn, die mich tief betroffen gemacht hat und macht.
Eines ist klar: Wir können rechtsextreme Angriffe nicht vermeiden, indem
wir das Problem ignorieren. Und, meine Damen und Herren,
rechtsextremistische Angriffe sind nicht bloß Teil genereller
extremistischer Angriffe. Sie haben eine ganz eigene Dimension.

Das Justizressort, über dessen Haushalt wir heute debattieren, hat
wichtige Einflussmöglichkeiten auf Politik und Gesellschaft. Es kann und
muss gesellschaftliche Entwicklungen aufgreifen, es muss dabei aber
auch seine Schutzfunktion aktiv wahrnehmen.
Diese Bundesregierung hat leider im Jahr 2009 den Haushaltstitel
„Härteleistungen für Opfer rechtsextremistischer Übergriffe“ umbenannt
in „Härteleistungen für Opfer extremistischer Übergriffe“. Wenn wir uns
nun anschauen, wie sich die Anträge auf diese Leistungen aufgliedern,
so stellen wir fest: Von Januar 2010 bis Juli diesen Jahres stellten sechs
Opfer sonstiger extremistischer Straftaten einen Antrag auf
Härteleistungen beim Bundesamt für Justiz. Im gleichen Zeitraum waren
es aber 134 Opfer rechtsextremistischer Gewalt, die einen solchen
Antrag stellten.

Die Zahlen sprechen also eine andere Sprache als die, die uns der Titel
suggerieren will. Die Umbenennung wird den Fakten nicht gerecht und
verharmlost rechte Gewalt! Wir Grünen finden diese Umbenennung
irreführend!

Wir sollten, um an dieser Stelle Klarheit zu schaffen, zum bisherigen
Haushaltstitel zurückkehren, denn dieser Titel, meine Damen und
Herren, beinhaltet eine klare Botschaft die lautet: „Härteleistungen an
Opfer rechtsextremistischer Übergriffe“.
Nun will die Bundesregierung im Haushaltsplan für das kommende Jahr
auch noch das Budget für diesen Haushaltstitel um die Hälfte kürzen, mit
der Begründung, die Leistungen würden nicht abgerufen.
Dabei müsste sich die Rechtspolitik doch erst einmal fragen, warum die
Leistungen nicht in Anspruch genommen werden. Vielleicht liegt das ja
auch daran, dass einzelne Straftaten zu Unrecht nicht als
rechtsextremistisch eingestuft sind. Ich frage mich: Wo sind die
Prioritäten Ihrer Rechtspolitik? Und: Welches Signal geht von dieser
Kürzung an die Demokraten – und an die Rechtsextremisten – aus?
Es gibt aber noch weitere eklatante Defizite im Justizressort. Darauf
habe ich bereits in meiner letzten Haushaltsrede vor wenigen Monaten
hingewiesen.
Sehr geehrte Frau Ministerin, ich muss leider feststellen, dass sich in
den letzten Monaten nichts, aber auch gar nichts bewegt hat!
Immer wieder führt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in
Straßburg Deutschland in seinen Urteilen vor.
Was macht diese Bundesregierung? Nichts! Es geschieht einfach nichts!
Ein gutes Beispiel hierfür ist das Sorgerecht für Kinder, deren Väter nicht
mit deren Müttern verheiratet sind. Trotz Ankündigung von
Koalitionsseite geschieht seit jetzt bald 2 Jahren nichts.
Wir brauchen hier endlich niedrig schwellige Antragsmöglichkeiten beim
Jugendamt für Väter, die das Sorgerecht beantragen wollen. Wir dürfen
sie nicht auf die gerichtliche Notlösung verweisen, die das
Bundesverfassungsgericht bereits im Juli 2010 in seinem Urteil
festgelegt hat. Hier müssen wir endlich Nägel mit Köpfen machen, meine
Damen und Herren!

Die Untätigkeit dieser Regierung zeigt sich außerdem beim
unzureichenden Schutz von Whistleblowern. Hierbei geht es um den
Schutz von Menschen, die auf Missstände in ihrem Betrieb oder an ihrer
Dienststelle hinweisen, vor arbeits- oder dienstrechtlichen
Konsequenzen.
Ein Whistleblower-Schutzgesetz wird international gefordert. Die Antwort
auf unsere Kleine Anfrage aber zeigt, dass Sie sich noch nicht einmal
entschieden haben, ob Sie den Whistleblower-Schutz überhaupt stärken
wollen! Das ist, auch angesichts des Urteils des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte, absolut nicht hinnehmbar, meine
Damen und Herren!
Wir Grünen haben inzwischen gehandelt. Wir haben einen
Gesetzentwurf zum Whistleblowerschutz formuliert. Diesen diskutieren
wir bereits im Internet mit den Bürgerinnen und Bürgern. Nächste Woche
machen wir dazu ein öffentliches Fachgespräch. Wir beteiligen die
Bürger an demokratischen Meinungsbildungsprozessen, meine Damen
und Herren.
Auch Sie auf der Regierungsbank sollten endlich aktiv werden. Ich würde
hier am liebsten die Whistle-blowerin für die Regierung spielen und ganz
laut in diese Pfeife blasen – damit Sie endlich aufwachen!!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

 

10.11.2011 | Rede am 10. November 2011 zu "Verkündung und Bekanntmachung"

Sehr geehrte/r Frau/Herr Präsident/in,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

das Internet und andere elektronische Medien gewinnen in unserer
Gesellschaft immer mehr an Bedeutung. Über das Internet können wir
auf eine unendliche Fülle von Dokumenten zugreifen. Die
Informationsbeschaffung ist auf diese Weise leichter und vor allem
schneller geworden. Im Laufe der Zeit haben wir uns immer wieder
neuen technischen Herausforderungen gestellt und haben unser Leben
daran angepasst. E-mails haben binnen kürzester Zeit dem Briefverkehr
„den Rang abgelaufen“. Eine komplett neue Infrastruktur der
Kommunikation hat sich eröffnet. Wer kann sich heute noch eine Welt
ohne elektronische Medien vorstellen, meine Damen und Herren?

Auch die deutsche Verwaltung und Justiz haben sich den Möglichkeiten
der elektronischen Kommunikation gegenüber aufgeschlossen gezeigt.
Eine klare Tendenz zur verstärkten Nutzung elektronischer
Kommunikationsformen ist erkennbar. Nicht umsonst entstehen neudeutsche
Begriffe wie „E-Justice“, die elektronische Justiz. Als
erfolgreiches Beispiel der elektronischen Justiz möchte ich hier das
EGVP nennen – das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach.
Das EGVP ist eine Software, die es Verfahrensbeteiligten ermöglicht, mit
Gerichten, Behörden und untereinander elektronische Nachrichten
schnell und sicher auszutauschen. Zum einen macht dies eine
effizientere Bearbeitung bei den Gerichten und Behörden möglich. Zum
anderen erleichtert es den Bürgerinnen und Bürgern den Zugang zu
Gericht und Behörden. Mitte diesen Jahres waren bereits 45.000 Nutzer
des EGVP registriert, wie dem Internet zu entnehmen ist.
Die elektronische Fassung des Bundesanzeigers ist bereits heute jedem
Internet-Nutzer frei zugänglich. Die Online-Version erleichtert nicht nur
den Zugriff auf den Bundesanzeiger, sondern vereinfacht auch die
Recherche. Jede und jeder Internetnutzer kann jederzeit gezielt
Informationen zu bestimmten Rubriken oder mittels Volltextsuche
erlangen. Wird die Druckversion des Bundesanzeigers abgeschafft, wie
mit dem Entwurf, den wir heute diskutieren, geplant, verringern sich
Verwaltungsaufwand und Bürokratiekosten. Die Verkündung wird
beschleunigt. Deutschland kann so auch im internationalen Trend hin zur
verstärkten Elektronisierung mithalten. Die Europäischen Union plant
übrigens gerade, die elektronische Fassung des Amtsblatts der
Europäischen Union als rechtsverbindliche Version einzuführen.
Bei allen Vorteilen dürfen wir aber nicht außer Acht lassen, dass nicht
alle Bürger am technischen Fortschritt gleichermaßen teilhaben. Deshalb
müssen wir gewährleisten, dass auch Nicht-Internetnutzern der Zugriff
auf den Bundesanzeiger möglich bleibt. Niemand darf aufgrund
technischer Barrieren vom Informationszugang ausgeschlossen werden
oder Nachteile erleiden, meine Damen und Herren.

Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung sieht hierzu vor, dass
Ausdrucke einzelner Veröffentlichungen des Bundesanzeigers gegen ein
angemessenes Entgelt beim Betreiber des Bundesanzeigers bezogen
werden können. Der Zugang zur elektronischen Version ist
demgegenüber kostenfrei. Menschen ohne Internetzugang sind in der
Regel ältere Personen oder Personen, die in sehr ländlichen Gegenden
leben. Für diese ist häufig auch der Zugang zu einer Bibliothek nicht
ohne Weiteres möglich. Wir müssen darauf achten, dass das verlangte
Entgelt für einen Ausdruck des Bundesanzeigers tatsächlich
„angemessen“ ist. Kosten, die über Bearbeitungsgebühren und Porto
hinaus gehen, sind nach meiner Ansicht eine unzulässige
Diskriminierung der Menschen, die keinen Internetzugang haben. Dem
müssen wir vorbeugen.

Mit dem Gesetzentwurf haben wir die Möglichkeit, Erfahrungen mit
Online-Veröffentlichungen zu sammeln. Diese Erfahrungen können wir
auch dazu nutzen, Online-Veröffentlichungen weiterer amtlicher Blätter,
wie z.B. des Bundesgesetzblattes, anzustoßen. Die Elektronisierung von
Dokumenten ist zwar keine neue Idee, jedoch kann sie für die
elektronische Veröffentlichung von Bundesblättern ein Pilotprojekt bilden.
Wir sollten zukunftsgerichtet denken und uns neuen Möglichkeiten nicht
verschließen. Gleichzeitig sollten wir uns vom technischen Fortschritt
nicht unter Druck setzen lassen. Ein Vorgehen Schritt für Schritt halte ich
an dieser Stelle für den richtigen Weg.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

30.09.2011 | Rede am 30. September 2011 zu "Whistleblowern"

Das Aufdecken von Missständen in Unternehmen und Institutionen ist von großer gesamtgesellschaftlicher Bedeutung. Kritikwürdige Zustände im Pflegebereich und Steuerhinterziehung in Millionenhöhe sind nur zwei Beispiele von vielen. Oft hat nur ein begrenzter Personenkreis Zugang zu den relevanten Informationen, um von Missständen überhaupt erfahren zu können. Deshalb ist die Gesellschaft auf diese Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber angewiesen.

Es gehört viel Mut dazu, Missstände beim eigenen Arbeitgeber oder beim Dienstherrn anzuprangern. Umso empörender ist es, dass diesen Menschen in der Folge auf ihren Hinweis noch immer häufig die Kündigung droht. Hierfür gibt es leider viele Negativbeispiele.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch die Öffentlichkeit hat ein Interesse daran, dass skandalöse Zustände aufgedeckt werden. Dieses Interesse ist gewichtig. An dieser Stelle nenne ich nur das Beispiel Gammelfleisch. Wir müssen endlich anerkennen, dass Whistleblower einen wichtigen Beitrag für unsere Gesellschaft leisten. Whistleblower sind Indikatoren für gesellschaftliche Fehlentwicklungen. Sie haben unseren Schutz verdient, auch den gesetzlichen.

Die Bundesregierung scheint diese Problematik einfach zu übergehen. Diese Ignoranz ist umso beschämender, als erst vor kurzem auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg Deutschland in einem Whistleblower-Fall wegen Verletzung der Meinungsfreiheit verurteilt hat. Sie alle haben von dem Fall gehört. Der Berliner Altenpflegerin Brigitte Heinisch wurde von ihrem Arbeitgeber gekündigt. Dabei haben wir es ihr zu verdanken, dass menschenunwürdige Zustände in einer Berliner Pflegeeinrichtung aufgeklärt wurden. Das ist nur ein Fall von vielen, aber er zeigt, in welch schwieriger Situation Menschen stecken, die Ungerechtigkeiten entdecken und aufdecken wollen.

Wir Grünen wollen, dass nicht die Vertuscher von Missständen geschützt werden, sondern die Aufdecker von Missständen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vor diesem Hintergrund kann ich es einfach nicht verstehen, dass diese Regierung nach wie vor keine Pläne hat, um den Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern gesetzlich zu regeln. Trotz des dringenden Handlungsbedarfs hält es die Regierung nicht einmal für nötig, aktiv zu werden und sich einen Zeitplan zu geben. Stattdessen bleibt sie passiv und wartet auf die Empfehlungen und Diskussionsergebnisse der G‑20-Staaten. Das ergibt sich aus der Antwort auf unsere Kleine Anfrage.

(Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Regierung sieht sowieso sehr müde aus!)

Ich frage mich: Will sich die Regierung hinter dieser G‑20-Arbeitsgruppe verstecken? Es muss doch eigentlich allen klar sein, dass eine internationale Arbeitsgruppe den nationalen Gesetzgeber weder ersetzen noch ihm die Arbeit abnehmen kann. Für die konkrete Formulierung eines nationalen Gesetzes kann eine internationale Arbeitsgruppe wenig Hilfestellung leisten. Die G-20-Arbeitsgruppe wird kaum Untersuchungen dazu anstellen, auf welche Weise sich eine gesetzliche Neuregelung am besten in das bestehende deutsche Recht eingliedern lässt. Das ist schon Ihre Aufgabe, meine Herren von der Regierungsbank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD ‑ Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Oder von der Koalition, Herr Kober!)

Den Antrag der Linken zum Thema Whistleblowing finden wir prinzipiell berechtigt, aber uns fehlt die Konkretion für eine gesetzliche Gestaltung. Der Antrag ist so unkonkret, dass er sich in dieser Form nicht in ein Gesetz umsetzen lässt. Zum Beispiel lässt sich nicht erkennen, wie Sie den Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern im Arbeitsrecht und im Beamtenrecht verankern wollen. Welche Rechtsgüter sollen geschützt werden? Wie kann ein angemessener Ausgleich zwischen den verschiedenen Interessen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gefunden werden?

Wir Grünen haben uns intensiv mit dem Problem auseinandergesetzt. Wir wollen keinen schnellen Antrag, sondern einen gründlichen und ausgereiften. Deshalb werden wir demnächst einen Gesetzentwurf vorlegen und zur Diskussion stellen. Er wird eine praktikable Entscheidungsgrundlage darstellen. Wir meinen nämlich, dass die Regelung zum Schutz von Whistleblowern eine präzise Diskussion verdient.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

29.09.2011 | Rede am 29. September 2011 zu "Einführung von Kammern für internationale Handelssachen (KfiHG)"

Sehr geehrte/r Frau/Herr Präsident/in,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

mit der Zunahme des globalen Wirtschaftsverkehrs stellen sich auch im Handelsrecht neue Herausforderungen. Viele internationale Handelsverträge werden heute in englischer Sprache verfasst. Diese Vertragssprache ist ein Grund dafür, dass für Verträge häufig das anglo-amerikanische Recht gewählt und der Gerichtsstand im anglo-amerikanischen Raum begründet wird. So bewegen sich deutsche Unternehmen oft nicht mehr im deutschen Recht bzw. in der deutschen Gerichtsbarkeit, wenn sie ihre Ansprüche durchsetzen wollen. Dies schwächt den Gerichtsstandort Deutschland und die Stellung des deutschen Rechts im Weltmarkt.

Der Bundesrat möchte mit seiner Gesetzesinitiative für bestimmte Rechtsstreitigkeiten die englische Sprache als Gerichtssprache in Deutschland einführen. Ermöglicht werden soll die Einrichtung von Kammern für internationale Handelssachen, die Handelssachen mit internationalem Bezug in englischer Sprache verhandeln können. Hierdurch will der Bundesrat die Attraktivität des Rechtsstandortes Deutschland und des deutschen materiellen Rechts steigern.

In der Praxis wird es sich vermutlich um eine überschaubare Anzahl von Fällen handeln, die vor den Handelskammern für internationale Handelssachen ausgetragen werden. Diese Fälle können jedoch von hoher Bedeutsamkeit sein und so die Bedeutung deutschen Rechts fördern. Deshalb lohnt es sich, dass wir diese Gesetzesinitiative sorgfältig prüfen.

Meine Damen und Herren, im deutschen Recht berücksichtigen wir bereits die Besonderheiten von Handelssachen. Die Kammern für Handelssachen sind nicht nur mit Berufsrichtern, sondern mit einem Richter und zwei ehrenamtlichen Richtern aus dem Kaufmannsstand besetzt. Durch die Mischung aus Fach- und Sachkompetenz erreichen wir eine hohe Qualität in der Entscheidungsfindung.

Es wäre kein Novum, wenn in Deutschland in fremder Sprache nach deutschem Recht verhandelt würde. Vor Schiedsgerichten können die Parteien bereits die Sprache, in der das Verfahren geführt werden soll, vereinbaren. So werden in Schiedsgerichten Verfahren in englischer Sprache geführt, die nach deutschem Recht entschieden werden. Die Freiheit der Sprachwahl trägt sicher zu der „Abwanderung“ von den Handelskammern an die Schiedsgerichte bei.

Auch die deutsche Rechtswissenschaft hat sich schon lange auf einen internationalen Wettbewerb eingestellt. Es gibt englischsprachige Vorlesungen, Seminare und Studiengänge. Zahlreiche Studentinnen und Studenten verbringen einen Teil ihres Studiums im Ausland. Wir sollten nun auch unser deutsches Rechtssystem und unsere deutsche Rechtsordnung am internationalen Wettbewerb teilhaben lassen und als interessante Alternative zum angloamerikanischen Recht fördern.

Uns Grünen ist neben der internationalen „Wettbewerbsfähigkeit“ deutscher Gerichte aber auch wichtig, dass Deutsch als Gerichtssprache seine Bedeutung beibehält. Englisch soll nicht als generelle weitere Gerichtssprache eingeführt werden. Es soll auch keine Vermischung der Sprachen geben. Die Anwendung englischer Sprache soll auf die Fälle beschränkt werden, die vor den Kammern für internationale Handelssachen verhandelt werden. In den Verfahren muss es sich um eine Handelssache mit internationalem Bezug handeln und die Parteien müssen zugestimmt haben, das Verfahren in englischer Sprache durchführen zu wollen. Niemandem soll aufgedrängt werden, in einer Fremdsprache zu verhandeln. Sollten alle Parteien des Rechtsstreits ausdrücklich erklären, dass sie eine Verhandlung in englischer Sprache bevorzugen, so soll ihnen dieser Weg nicht versperrt sein. In der Praxis wird sich dann noch erweisen müssen, wie sich in diesen Verfahren der Instanzenzug bis zum Bundesgerichtshof bewährt.

Zusammenfassend begrüßen wir Grüne, dass der vorliegende Gesetzesentwurf die Stärkung des deutschen Rechtssystems im globalen Wettbewerb zum Thema macht. Das ist auch uns ein wichtiges Anliegen. Der Gesetzesentwurf geht daher in die richtige Richtung.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

29.09.2011 | Rede am 29. September 2011 zu "überlangen Gerichtsverfahren"

Das Grundgesetz und die Europäische Menschenrechtskonvention gewährleisten den Anspruch jedes Bürgers und jeder Bürgerin auf Rechtsschutz – und zwar in angemessener Zeit. Wir alle wissen: Die große Mehrzahl der gerichtlichen Verfahren in Deutschland wird zeitnah abgeschlossen. Dennoch gibt es einzelne Verfahren, die Jahre oder gar Jahrzehnte dauern. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hat deshalb zu Recht die Bundesrepublik in über 50 Fällen wegen unangemessener Verzögerung von Gerichtsverfahren verurteilt.

Zusätzlich hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte festgestellt, dass wir im deutschen Recht noch keinen wirksamen Rechtsbehelf gegen überlange Gerichtsverfahren haben. Er hat auch Mindestanforderungen an einen solchen Rechtsbehelf aufgestellt. Diese Anforderungen müssen und wollen wir gesetzlich umsetzen.

Aber warum sollten wir uns auf diese Mindestvorgaben beschränken, meine Dam Modul-Einstellungen en und Herren? Das Grundgesetz und die Europäische Menschenrechtskonvention geben lediglich den äußeren Rahmen für die Gesetzgebung vor. Die Ausgestaltung dieses Rahmens ist unsere Aufgabe im Bundestag. Hier gilt es, möglichst wirkungsvoll zu arbeiten und nicht auf halbem Wege stehen zu bleiben! Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung konzentriert sich auf die Einführung einer Verzögerungsrüge und einer nachträglichen Entschädigungslösung.

Die Entschädigung für immaterielle Nachteile kann nur verlangt werden, „soweit nicht“ – so der Wortlaut des Entwurfs – „Wiedergutmachung auf andere Weise“ ausreichend ist. Die „Wiedergutmachung auf andere Weise“ soll insbesondere durch eine gerichtliche Feststellung erfolgen, dahingehend, dass die Verfahrensdauer unangemessen war.

In welcher Weise kann solch eine Feststellung aber etwas wieder gutmachen? Und: Welchen Nutzen soll der Betroffene aus dieser Feststellung ziehen?

Wir Grünen setzen uns für eine Umkehr der Rangfolge im Entwurf ein: In der Regel ist die Entschädigung in Geld zu leisten; nur in Ausnahmefällen kann die Wiedergutmachung auch auf andere Weise erfolgen.

Hinzu kommt: Der Entwurf sieht eine Entschädigung von 1.200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung vor. Das bedeutet zum einen, dass derjenige, dessen Verfahren sich zum Beispiel um 11 Monate verzögert, keine Kompensation erhält. Zum anderen könnte es für Bund und Länder günstiger sein, überlange Verfahren hinzunehmen anstatt an den Strukturen in der Justizverwaltung zu arbeiten und eventuell auch neue Richter und Richterinnen einzustellen. Diese Entschädigung ist viel zu niedrig, meine Damen und Herren. Angemessen wäre ein Entschädigungsbetrag von 1.000 Euro pro Monat.

Eine nachträgliche Entschädigungslösung ist aber auch nicht ausreichend. Wir müssen auch präventiv denken.

Um sicherzustellen, dass Gerichtsverfahren in angemessener Zeit abgeschlossen werden, schlagen wir deshalb eine Regelung vor, gemäß der das Präsidium des Gerichts ein Verfahren an den Vertretungsrichter übertragen kann, wenn der zuständige Richter verzögert arbeitet. Bewusst stellen wir die Entscheidung hierüber in das Ermessen des Präsidiums, um die Unabhängigkeit der Richter zu wahren und den Gerichten eine Entscheidung im Einzelfall zu ermöglichen.

Die Arbeit der Justiz hängt natürlich zudem von der sachlichen und personellen Ausstattung der Gerichte ab. Der Schlüssel zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes liegt also auch in der Bereitstellung von ausreichenden Mitteln an die Justiz. Wir meinen deshalb, dass das Präsidium des Gerichts feststellen sollte, wie viele Richterstellen voraussichtlich zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben benötigt werden. Diese Feststellung sollte das Präsidium dann dem Haushaltsgesetzgeber zuleiten können.

Wir Grünen fordern mit unseren Änderungsanträgen zum Regierungsentwurf dazu auf, nicht auf halbem Weg stehen zu bleiben. Wir wollen das Ziel – die Gewährung effektiven Zugangs zum Recht – umfassend anzugehen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

21.09.2011 | Rede am 21. September 2011 zu "Geordnete Insolvenz"

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin!

Wir alle erinnern uns: Vor circa zwei Jahren haben der Warenhauskonzern Arcandor und seine Tochtergesellschaften Quelle und Karstadt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens vor dem Essener Amtsgericht beantragt. Das Kaufhaus Quelle war endgültig am Ende, Karstadt konnte gerade noch durch einen Privatinvestor gerettet werden. Von dieser Insolvenz waren 43 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betroffen. Sie und ihre Familien mussten oft wochen- und monatelang um ihre Zukunft bangen.

Mit Blick auf die volkswirtschaftlichen Auswirkungen, aber auch mit Blick auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen wir uns das Thema Unternehmensinsolvenzen genau anschauen. Die zentrale Frage lautet: Sind die Mittel der geltenden Insolvenzordnung ausreichend, um angemessen auf die Situation von bedrohten Unternehmen zu reagieren? Die Antwort lautet: Nein. Die erfolgreiche Sanierung von Unternehmen im Insolvenzverfahren stellt noch immer die Ausnahme dar.

Ein Blick auf die Zahlen reicht aus, um uns den dringenden Handlungsbedarf vor Augen zu führen. Im letzten Jahr haben rund 32 000 Unternehmen bei deutschen Amtsgerichten das Insolvenzverfahren beantragt. Damit ist die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im Vergleich zum Vorjahr um 2,1 Prozent zurückgegangen. Das Jahr 2009 war aber auch das Jahr der Krisen und ist daher nicht die richtige Bezugsgröße. Die Zahlen zeigen: Wirtschaftskrisen führen auch dazu, dass wir uns die Insolvenzordnung genau anschauen müssen.

Wir Grünen haben uns schon vor einem Jahr mit diesem Thema auseinandergesetzt. Über unsere Verbesserungsvorschläge wurde hier im Bundestag diskutiert. Es freut uns, dass die Bundesregierung, wenn auch ein Jahr später, jetzt diesen Gesetzentwurf vorlegt, in dem einige unserer Forderungen aufgegriffen werden; aber es fehlen doch noch entscheidende Komponenten.

Das Hauptziel der Insolvenzreform muss die frühzeitige Rettung und Restrukturierung von Unternehmen sein. Unternehmen sollten möglichst erst gar nicht insolvent werden. Es sollten schon vorher Sanierungsmöglichkeiten greifen. Momentan fehlt eine institutionelle Verankerung, um grundsätzlich lebensfähige Unternehmen noch vor der Stigmatisierung durch ein eröffnetes Insolvenzverfahren zu sanieren. Wir sollten deshalb überlegen ‑ wie wir es auch gestern in der Anhörung diskutiert haben ‑, sanierungsbedürftigen Unternehmen ein Reorganisationsverfahren bzw. ein Sanierungsverfahren ‑ eventuell vor einer spezialisierten Kammer für Handelssachen ‑ zu ermöglichen, um so das Stigma der Insolvenz zu vermeiden. Österreich erzielt damit schon sehr gute Erfolge.

Kommt es dann doch zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, sind natürlich die fachliche Kompetenz und auch die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters oder der Insolvenzverwalterin Voraussetzungen für ein erfolgreiches Verfahren. Ich stimme Ihnen zu: Richterinnen und Richter an Insolvenzgerichten müssen fachlich in der Lage sein, darüber zu entscheiden, welchen Verwalter oder welche Verwalterin sie bestellen. Hier könnte man ebenfalls daran denken, den Sachverstand, der an den Kammern für Handelssachen besteht, zu nutzen. Kontraproduktiv ist es aber, dem vorläufigen Gläubigerausschuss ‑ so ist es im Gesetzentwurf vorgesehen – so weitgehend die Befugnis der Bestellung der Insolvenzverwaltung einzuräumen. Dieses Verfahren birgt nämlich die Gefahr, dass sich die Insolvenzverwaltung auf wenige Spezialistinnen und Spezialisten beschränkt ‑ im schlimmsten Fall auf die, die großen Gläubigern wie Banken oder Versicherungen nahestehen. Wir meinen, die Insolvenzverwaltung muss auch neuen Verwalterinnen und Verwaltern offenstehen. Konkurrenz ermöglicht auch im Bereich der Insolvenzverwaltung eine qualitative Steigerung.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Richtig!)

‑ Danke.

(Heiterkeit)

Wichtig ist uns bei der Neuregelung der Insolvenzordnung auch, dass nicht nur große Unternehmen ins Blickfeld geraten, sondern auch die Interessenlage kleinerer Unternehmen berücksichtigt wird. Eine Überlegung wäre, die Bestimmung einzuführen, dass Gläubigerforderungen, die in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte am Schuldnerunternehmen umgewandelt werden sollen, nur dann umgewandelt werden können, wenn die Alteigner zustimmen. Das könnte es insbesondere Familienunternehmen erleichtern, einen Insolvenzantrag zu stellen, wenn es erforderlich ist. Außerdem könnten wir so für Betriebe und Beschäftigte eventuell die Gefahr abwenden, dass sich Schnäppchenjäger an Insolvenzen bereichern.

Steuerliche Flankierungsmaßnahmen sucht man im Gesetzentwurf vergeblich. Dazu ist in ihm leider gar nichts enthalten. Wir wünschen uns, dass auch steuerliche Komponenten bei einer Neuregelung des Insolvenzrechts berücksichtigt werden.

Wir sehen also: Der Regierungsentwurf enthält einige brauchbare Vorschläge. Weitere Verbesserungen sind dringend erforderlich, um das Insolvenzrecht zu aktualisieren, die Chancen auf Sanierung zu erhöhen und präventive Maßnahmen zur Unternehmensrettung zu etablieren. Wir Grünen werden uns weiter konstruktiv beteiligen, wenn es um diese Thematik geht. Wir wollen mit unseren Verbesserungsvorschlägen erreichen, dass Arbeitsplätze, wo immer möglich, erhalten werden, dass wir Unternehmen in schwierigen Zeiten eine Brücke bauen, dass unnötige Investitionen vermieden werden und dass damit der Wirtschaftsstandort Deutschland insgesamt gestärkt wird. Jeder gerettete Arbeitsplatz, jedes Unternehmen, das einen schwierigen Anpassungsprozess übersteht, und jede Firma, die eine zweite Chance erhält, sind ein Gewinn für die Menschen und für die Wirtschaft.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

07.07.2011 | Rede am 07. Juli 2011 zu "Sexueller Missbrauch"

Sehr geehrte/r Frau/Herr Präsident/in,
liebe Kolleginnen und Kollegen,


Anfang 2010 wurden nach Jahren und Jahrzehnten des Schweigens
zahlreiche Fälle sexuellen Missbrauchs an Kindern und Jugendlichen vor
allem aus den 70er und 80er Jahren, aber auch bis in die nahe
Vergangenheit hinein, bekannt. Die Öffentlichkeit, und wir alle, waren
erschüttert über die Vielzahl der Fälle, über die Traumatisierung der Opfer
und deren langes Schweigen. Die meisten dieser Fälle sexueller Gewalt
ereigneten sich in Institutionen wie Internaten oder Internatsschulen. Aber
auch in Heimen hat es in der Vergangenheit verachtenswerte Verletzungen
der Menschenwürde gegeben.

Dass diese Fälle erst so viele Jahre später bundesweit ans Tageslicht
kamen, zeugt von der Schwere der Taten und der über viele Jahre
wirkenden Traumatisierung. Auch sogenannte Schweigekartelle, die bis in
die jüngste Vergangenheit hinein gewirkt haben und teilweise heute noch
wirksam sind, kamen ans Tageslicht. In diesen Schweigekartellen war es
den Opfern aufgrund einer kontrollierenden Umgebung und
Abhängigkeitsverhältnissen oft nicht möglich, über den erlittenen
Missbrauch zu sprechen.


Die betroffenen Einrichtungen und Institutionen haben erste Schritte
unternommen, das begangene Unrecht aufzuarbeiten. Die bisherigen
Anstrengungen und manche Vorschläge für Ausgleichszahlungen reichen
aber noch nicht aus.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht für das Strafverfahren neue
Regelungen vor. So sollen Mehrfachvernehmungen von Opfern vermieden
werden. Die Informationsrechte des Opfers bezüglich Urlaubs und anderer
Lockerungen im Strafvollzug, die zugunsten des Verurteilten bewilligt
worden sind, sollen erweitert werden.
Diese Vorschläge dienen erkennbar dem Opferschutz. Im weiteren
Gesetzgebungsprozess wird jedoch zu diskutieren sein, ob damit die
Verteidigungsmöglichkeiten des Angeklagten und die
Resozialisierungsmöglichkeiten des Verurteilten, die ihm unter
rechtsstaatlichen Gesichtspunkten zustehen müssen, ausreichend
bestehen bleiben.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht weiter vor, dass
Schadenersatzansprüche, die auf der vorsätzlichen Verletzung des Lebens,
des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen
Selbstbestimmung beruhen, künftig erst nach 30 Jahren verjähren sollen.
Meine Damen und Herren, Verjährungsregelungen müssen tatsächlich
stärker als bisher berücksichtigen, dass die Traumatisierung der Opfer eine
Klage oft über lange Zeit hinweg verhindert. Traumatisierungen bewirken
das Verdrängen des Geschehenen, sie machen die Betroffenen
ohnmächtig. Auch Schamgefühle oder die weitere Abhängigkeit vom
Schädiger oder der Institution führen dazu, dass deren Opfer ihre
Ansprüche nicht geltend machen. Die bisherige dreijährige
Regelverjährungsfrist bei zivilrechtlichen Ansprüchen hat sich – trotz der
zusätzlichen Hemmung der Verjährung nach § 208 BGB – für die
Durchsetzung dieser Schadensersatzansprüche in vielen Fällen als zu kurz
erwiesen.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung muss allerdings noch präzisiert
werden. In der vorliegenden Fassung wäre auch beinhaltet, dass
Schadenersatzansprüche wegen jeder vorsätzlichen Ohrfeige oder jedes
kurzfristigen Einschließens im Klassenzimmer erst nach dreißig Jahren
verjähren.

Wir Grünen haben zur Regelung der Verjährung einen Gesetzesentwurf
vorgelegt. Wir wollen die zivilrechtlichen Verjährungsfristen für
Schadenersatzansprüche aus einer vorsätzlichen Verletzung der sexuellen
Selbstbestimmung auf dreißig Jahre verlängern. Zudem sollen die
bisherigen Regelungen zur Hemmung der Verjährung in §§ 207, 208 BGB
angehoben werden. Bei Kindern, bei denen der sexuelle Missbrauch schon
im frühen Kindesalter stattgefunden hat, reicht auch eine Verjährungsfrist
von dreißig Jahren nicht aus. In solchen Fällen ist von besonderer
Bedeutung, dass die Verjährungsfrist erst in dem Zeitpunkt beginnt, in dem
das Opfer sein 25. Lebensjahr beendet hat, bzw. spätestens in dem
Zeitpunkt, in dem das Opfer, das mit dem Täter in häuslicher Gemeinschaft
lebt, diese beendet. Das 25. Lebensjahr soll zusätzlich auch bei der
Hemmung der Verfolgungsverjährung im Strafrecht der maßgebliche
Zeitpunkt werden.


Wir wollen damit den Opfern die Möglichkeit, ihre Ansprüche
durchzusetzen, möglichst lange offenhalten und ihnen auf diese Weise die
Gelegenheit geben, vor den Gerichten Schmerzensgeld sowie
Schadensersatz für Therapie- und Rehabilitationsbehandlungen
einzuklagen.


Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

07.07.2011 | Rede am 07. Juli 2011 zu "§ 522 der Zivilprozessordnung"

Durch § 522 Absatz 2 und 3 der Zivilprozessordnung in der jetzigen Fassung wird auch weiterhin der Zugang zum Recht für Bürgerinnen und Bürger unnötig eingeschränkt. Berufungsgerichte können weiterhin durch schriftlichen Beschluss das Verfahren für die Betroffenen abschließend beenden.

Die ungleiche Handhabung des § 522 Absatz 2 Zivilprozessordnung an den Gerichten wird durch die jetzt neuen Einschränkungen nicht beseitigt.

Uns allen sind die Zahlen bekannt: Obwohl § 522 Absatz 2 ZPO bisher sogar zwingenden Charakter hat und es keinen Spielraum bei der Anwendung gibt, liegt die Diskrepanz in der Anwendung der Vorschrift bei ungefähr 22 Prozent, wie ein Vergleich aus dem Jahr 2009 zeigt. In Bremen hat das Oberlandesgericht in diesem Jahr 5,2 Prozent der Berufungsverfahren durch schriftlichen Beschluss zurück gewiesen. In Rostock hingegen wurde das Verfahren durch schriftlichen Beschluss des Oberlandesgerichts in 27,1 Prozent der Verfahren beendet.

Jetzt soll aus der zwingende Vorschrift eine Sollvorschrift werden.

Meine Damen und Herren, wenn schon bisher die Handhabung bundesweit so uneinheitlich war, dann wird das eine Sollvorschrift nicht ändern, auch wenn wir die Voraussetzungen für die Anwendung der Vorschrift schärfen, wie von der Regierung vorgeschlagen.

Des Weiteren wird die Bedeutung der mündlichen Verhandlung für die Parteien nicht ausreichend gewürdigt – und das bei einer abschließenden Entscheidung. Bei den Betroffenen wird so auch weiterhin der Eindruck zurück bleiben, dass sie für das Anliegen, das sie persönlich betrifft, bei Gericht nicht ausreichend Gehör finden konnten.

Die Möglichkeit, gegen den zurückweisenden Beschluss vorzugehen, soll noch immer erst ab einem Beschwerdewert von 20 000 EUR möglich sein. Dies betrifft leider nur die wenigsten Fälle. Für eine Vielzahl von Betroffenen wird sich somit nichts ändern. Soziale Gerechtigkeit ist das nicht.

Hinzu kommt: Die Bundesregierung möchte mit dem Gesetzesentwurf auch § 7 der Insolvenzordnung aufheben. Das ist nicht sinnvoll und schon gar nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Die Bundesregierung hat gerade einen Gesetzesentwurf zur Erleichterung von Unternehmenssanierungen vorgelegt. Unabhängig davon, dass dieser noch an vielen Stellen nachgebessert werden muss, ist es wichtig, dass Entscheidungen im Insolvenzrecht eine einheitliche Rechtsprechung erfahren. § 7 Insolvenzordnung hat das mit der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof gewährleistet. Mit der Aufhebung dieser Vorschrift ist eine einheitliche Rechtsprechung nicht mehr sichergestellt, was zu Rechtszersplitterung führen wird. Diese Regelung ist für uns nicht akzeptabel.

Zu guter Letzt möchte ich noch auf die Änderungen zu § 586 der Zivilprozessordnung zu sprechen kommen. Wir begrüßen, dass die Bundesregierung die Ausschlussfrist von fünf Jahren für die Restitutionsklage nach § 580 Nr. 8 ZPO nicht mehr anwenden will. Diese Frist war bisher besonders problematisch, wenn ein Gerichtsurteil durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aufgehoben wurde, denn diese Verfahren nehmen sehr viel Zeit in Anspruch. Immer wieder kam es vor, dass die Fünfjahresfrist bereits abgelaufen war, wenn der Europäische Gerichtshof sein Urteil sprach. Mit der Neuregelung kann eine Partei nun auch in diesen Verfahren ihre Ansprüche zivilprozessual geltend machen.

Dieser eine sachgerechte Aspekt reicht allerdings nicht für unsere Zustimmung aus. Im Gesamten ist der Gesetzesentwurf aus unserer Sicht nicht weitgehend genug. Daher lehnt meine Fraktion den Gesetzesentwurf ab.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

26.04.2011 | Rede am 26. April 2011 zum Umwandlungsgesetz

Unter einem Squeeze-out, ist ein unter Zwang vollzogener Ausschluss von Minderheitsaktionären aus einer Aktiengesellschaft zu verstehen. Das bedeutet: Wenn ein Aktionär – direkt oder über von ihm abhängige Unternehmen – mindestens 95 % des Grundkapitals einer Aktiengesellschaft hält, kann er die restlichen Aktionäre gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung aus dem Unternehmen drängen. Mit dem Gesetzesentwurf senken wir die Squeeze-out-Schwelle entsprechend der europäischen Vorgaben auf 90 %.

Uns ist bewusst, dass eine Absenkung der Squeeze-out-Schwellen nicht unproblematisch ist. Dieser Zwangsausschluss der Minderheitsaktionäre stellt einen erheblichen Eingriff in die eigentumsrechtliche Position der Minderheitsaktionäre dar.

Schon jetzt zeigt sich die Rechtsprechung zunehmend großzügig. Beispielsweise hält sie auch Fälle für unbedenklich, in denen der Hauptaktionär die für den Zwangsausschluss der Minderheitsaktionäre erforderliche Beteiligungsquote von 95 % erst durch ein Wertpapierdarlehen erreicht hat.

Vor diesem Hintergrund begrüßen wir, dass der Regierungsentwurf den Schwellenwert von 95% für den ,,normalen“ gesellschaftsrechtlichen und übernahmerechtlichen Squeeze-out unangetastet lässt! Für den Zwangsausschluss im Zusammenhang mit einer Konzernverschmelzung im Aktienrecht müssen wir hingegen die Absenkung des Schwellenwertes auf 90 % im Gesetz etablieren, da dieses den europarechtlichen Vorgaben entspricht.

Begrüßenswert ist zudem, dass mit diesem Gesetzesentwurf die Transparenz für Aktionäre erhöht wird. Mit der Einführung des neuen § 64 Abs. 1 Umwandlungsgesetzes schreiben wir die Unterrichtungspflicht über Vermögensänderungen auch für Verschmelzungen von Aktiengesellschaften fest. Bisher gab es diese Verpflichtung nur bei Spaltungen von Aktiengesellschaften.

Abschließend ist hervorzuheben, dass wir mit diesem Gesetzesentwurf in Hinblick auf die Vorbereitung einer Hauptversammlung Bürokratie abbauen. Überflüssige Kosten werden für Unternehmen minimiert. Durch die Gesetzesänderung können die die Hauptversammlung vorbereitenden Unterlagen den Aktionären auf elektronischen Wege zu geleitet werden. Das bedeutet nicht nur eine erhebliche Ersparnis an Papier und Zeit, sondern kommt auch unserer Umwelt zu gute.

Wir Grünen unterstützen daher das Gesetzesvorhaben.

14.04.2011 | Rede am 14. April 2011 zu "Außergerichtliche Konfliktbeilegung"

Sehr geehrter Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin!

Wir diskutieren heute über den Entwurf eines Gesetzes der Bundesregierung
zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen
Konfliktbeilegung. Heribert Prantl hat die Intention dieses Gesetzentwurfs in
der Süddeutschen Zeitung als „juristischen Paradigmenwechsel“ geadelt.
Was müssen wir gesetzlich regeln, damit Mediation ein effektiver
Bestandteil dieser Gesellschaft wird? Wir müssen uns zunächst im Klaren
darüber sein, wo und wie wir Mediation und andere Konfliktlösungsmethoden
vorrangig verankern wollen. Wollen wir sie in den Gerichtssälen bei den
Richtern oder außerhalb des Gerichtsverfahrens bei freiberuflichen
Mediatorinnen und Mediatoren oder Beratungsstellen integrieren?

(Mechthild Dyckmans (FDP): Warum „oder“? – Otto
Fricke (FDP): Wie wäre es mit „oder/und“?)

In dem Gesetzentwurf werden beide Modelle definiert. Die Begrifflichkeit
orientiert sich aber am Wort „Gericht“, indem von außergerichtlicher,
gerichtsnaher und gerichtsinterner Mediation ausgegangen wird. Die
gerichtsinterne Mediation wird dabei durch Kostenfreiheit privilegiert.
Meine Damen und Herren, das Mediationsverfahren gewinnt seine
Wirksamkeit durch Eigenverantwortlichkeit der Parteien und durch die
Gesprächsleitung eines allparteilichen Mediators. In den Sitzungen können
die Parteien ihre Interessen und Bedürfnisse im direkten Gespräch selbst
herausarbeiten. Normalerweise dauert ein Mediationsverfahren zwischen
drei und acht Sitzungen à 1,5 Stunden. Es erstreckt sich über mehrere
Wochen hin, und am Ende kann eine gültige, von allen Parteien
unterzeichnete Vereinbarung stehen.
Wie stellt sich der Vergleich zwischen richterlicher und
außergerichtlicher Mediation dar? Der Richterberuf ist aufgrund hoher
Fallzahlen und gekürzter Richterstellen durch einen enormen Zeit- und
Erfolgsdruck geprägt.

(Otto Fricke (FDP): Böse Länder!)

Die Modellprojekte der richterlichen Mediation zeigen, dass dort die
Mediation in ein bis zwei Sitzungen durchgeführt wird. Oft hat der Richter die
Akte vorher gelesen, lässt sich die Interessenlage also nicht von den
Parteien erklären, und am Ende gibt es einen Vergleichsvorschlag. Wir
verkennen nicht, dass zahlreiche Richterinnen und Richter viel Zeit und Geld
investiert haben, um eine Mediationsausbildung zu absolvieren. Innerhalb
der ihnen zur Verfügung stehenden Zeit arbeiten sie mit viel Engagement,
erzielen auch gute Ergebnisse, aber das Verfahren entspricht doch eher dem
Modell eines Güterichters, wie wir es aus Thüringen und Bayern kennen, das
in § 278 Abs. 5 ZPO verankert ist, und nicht der Mediation, wie sie außerhalb
der Gerichte durchgeführt wird.

Wenn wir eine eigenverantwortliche Konfliktlösung und die Entlastung
der Justiz erreichen wollen, dann müssen wir weiterdenken. Dann müssen
wir auch an die Punkte denken, die die Kolleginnen und Kollegen schon
angesprochen haben, nämlich daran, wie wir die Aus- und Fortbildung von

Mediatorinnen und Mediatoren sichern können. Wir müssen die Grundzüge
klar artikulieren. Ich weiß, dass große Mediations- und Anwaltsverbände
schon an Qualitätsstandards arbeiten und eine qualitätsvolle Ausbildung
anbieten. Es reicht aber nicht aus, diese Entwicklung nur dem freien Markt zu
überlassen, wie es die Bundesregierung vorschlägt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der
SPD)

Ist die Qualität der Mediation erst einmal gesichert, dann wird es der
Justiz sicher leichter fallen, Streitfälle an geeignete Mediatorinnen und
Mediatoren nach außen zu verweisen. Das hätte viele Vorteile. Die
Koordinationsstellen, die schon an den Gerichten existieren, könnten genutzt
werden, um Fälle auf ihre Geeignetheit hin zu überprüfen. Dort arbeiten
erfahrene Richterinnen und Richter, die Mediationsfälle bearbeitet haben. Ein
ähnliches Modell kennen wir aus den Niederlanden. Auch dort werden häufig
Mediationsfälle in die freie Mediation verwiesen.

(Mechthild Dyckmans (FDP): Das ist doch auch heute
schon möglich!)

Für die Mediatorinnen und Mediatoren bestünde ein Anreiz, an dem Projekt
mitzuwirken. Wir könnten die Mitwirkung auch mit der Verpflichtung zu einer
Evaluation verbinden. Es entstünde ein positiver Kreislauf: Wir könnten die
Gerichte effektiv entlasten, die außergerichtliche Mediation würde in
Anspruch genommen, die Konfliktlösungen würden immer nachhaltiger, und
die Gerichte würden weiter entlastet.

Das führt mich zu dem letzten Schritt, den wir aus meiner Sicht gehen
müssen: die Einführung einer Mediationskostenhilfe. Das würde Mediation
unabhängig vom Einkommen ermöglichen und durch die Anbindung an die
Gerichte die notwendige Qualitätssicherung bieten. Die Bundesregierung
führt immer wieder an, das sei nicht finanzierbar und falle in die
Länderzuständigkeit. Wir wissen aber, dass zum Beispiel ein streitiges
Familiengerichtsverfahren mit Regelungen zum Sorgerecht, zum Umgang
und zum Unterhalt sehr viel Zeit, Geld und Nerven kostet. Ich denke, auch
die Bundesländer sollten ernsthaft darüber nachdenken, zumindest in
Modellprojekten eine Mediationskostenhilfe einzuführen; denn die Mediation
würde mit Sicherheit auch die Justizhaushalte entlasten.

(Otto Fricke (FDP): Das können ja die Rot-Grünen
machen!)

Aus unserer Sicht ist der Gesetzentwurf leider in der aktuellen Form
nicht ausgewogen genug. Deswegen können wir ihm in dieser Form nicht
zustimmen.

Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei
Abgeordneten der SPD)

 

14.04.2011 | Rede am 14. April 2011 zu "Vormundschafts- und Betreuungsrecht"

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 

Wir debattieren heute über Änderungen im Vormundschaftsrecht. Zentrale Frage
ist, wie wir den Schutz des Mündels realistisch verbessern und die Qualität
der Vormundschaft sichern können.

Der erste Ansatzpunkt dafür ist die Begrenzung der Fallzahlen für die
Vormundschaft. Die Bundesregierung sieht in ihrem Gesetzentwurf eine
Sollvorschrift vor. Die Amtsvormundschaften sollen auf 50 Mündel pro
Vormund beschränkt werden. Im Einzelfall ist es also möglich, dass ein
Vormund übergangsweise mehr als 50 Mündel betreut.
Meine Fraktion unterstützt in der jetzigen Lage den Gesetzentwurf. Er
gibt den Kommunen eine klare Grenze nach oben vor, und er berücksichtigt
auch, dass die Kommunen Zeit und Raum brauchen, Herr Kollege
Wunderlich, um ihre finanzielle und personelle Situation an die Neuregelung
anzupassen.

In dem zweiten Schritt, den die Bundesregierung angekündigt hat,
sollte aber unbedingt klargestellt werden, wie wir die Sollvorschrift zu einer
Mussvorschrift umgestalten können. Denn es ist auf Dauer unerlässlich, dass
die Fallzahlen auf 50 beschränkt werden. Das haben auch alle
Sachverständigen in der Anhörung bestätigt. Hier müssen wir handeln,
meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des
Abg. Jörn Wunderlich (DIE LINKE))

Ein zweiter wichtiger Ansatzpunkt ist die Verpflichtung des Vormunds
zum persönlichen Kontakt mit dem Mündel. In der Regel, so der
Gesetzentwurf, soll der persönliche Kontakt zwischen Vormund und Mündel
einmal im Monat stattfinden. Dieser monatliche Kontakt wird auch dem
Schutz und den Interessen des Mündels gerecht. Missstände können
frühzeitig erkannt und helfende Maßnahmen rechtzeitig ergriffen werden. Die
Gerichte haben auch einen klaren Maßstab für die Überprüfung der
vormundschaftlichen Tätigkeit.

Laut Gesetzentwurf kann der Besuchsabstand in Ausnahmefällen
verkürzt oder verlängert werden. Das kann für die Individualität der
vormundschaftlichen Arbeit sinnvoll sein. Allerdings sollte die
Bundesregierung auch über ein geeignetes Instrumentarium nachdenken,
um eine Überprüfung bzw. einen Nachweis zu ermöglichen. Das könnte zum
Beispiel eine Berichtspflicht des Vormunds gegenüber dem Gericht oder
auch eine Zustimmungspflicht des Gerichts für längere Besuchsabstände
sein.

Frau Kollegin Granold, wir Grünen haben tatsächlich Probleme damit,
dass auch Änderungen im Betreuungsrecht vorgesehen sind. Wir meinen,
dass wir grundlegend über das Betreuungsrecht nachdenken müssen und
dass sogar die UN-Behindertenrechtskonvention eine grundlegende Reform
erfordern könnte. Wir meinen, dass Regelungen zum Betreuungsrecht nicht
am Rande anderer Gesetze getroffen werden sollten. An diesem Punkt
können wir dem Gesetzentwurf nicht zustimmen.

Insgesamt begrüßen wir den Gesetzentwurf der Bundesregierung,
soweit er das Vormundschaftsrecht betrifft. Für eine umfassende Reform ist
der angekündigte zweite Schritt dringend erforderlich. Zu den bereits
genannten Punkten der zwingenden Begrenzung der Fallzahlen auf 50 und
der Kontrolle des persönlichen Kontakts zwischen Vormund und Mündel
kommen aus unserer Sicht drei weitere hinzu.

Erstens. Interessenkollisionen innerhalb der Jugendämter sollten
überprüft werden. Zum Beispiel sollten Fachkräfte, die finanzielle Aufgaben
des Jugendamts als Sozialleistungsträger wahrnehmen, von der Führung
von Amtsvormundschaften ausgeschlossen sein, soweit sie die Person ihres
Mündels betreffen.

Zweitens. Dem Vormund sollte ein eigenes Anhörungsrecht im
familiengerichtlichen Verfahren eingeräumt werden, um eine umfassendere
Beurteilung zu ermöglichen.

Drittens sollte geprüft werden, inwieweit dem Mündel gegen
Entscheidungen seines Vormunds eine Beschwerdemöglichkeit eingeräumt
werden kann.

Meine Damen und Herren von der Koalition und von der
Regierungsbank, wir werden Sie an die offenen Punkte erinnern.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei
Abgeordneten der SPD)

07.04.2011 | Rede am 07. April 2011 zum Gesetz zur Änderung der ZPO

Sehr geehrter Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine Vorrednerinnen und Vorredner haben schon viel Bedenkenswertes zu
§ 522 ZPO gesagt. Wir alle wissen: Im Jahr 2002 wurde die Vorschrift
eingeführt, um die Gerichte zu entlasten und Rechtsmittelverfahren zu
beschleunigen. In den letzten Jahren haben wir verschiedene Erfahrungen
damit gemacht. Auf der Grundlage dieser Erfahrungen nehmen auch wir
Grünen eine Neubewertung der Vorschrift vor.

Wir alle wissen: Für Betroffene endet der Rechtsweg abrupt, wenn sie
durch schriftlichen Beschluss mitgeteilt bekommen, dass ihre Berufung
zurückgewiesen wird, weil es keine Aussicht auf Erfolg gibt, weil die
Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, weil kein Erfordernis einer
Fortbildung des Rechts vorliegt oder keine Sicherstellung einer einheitlichen
Rechtsprechung erforderlich ist. Es findet keine mündliche Verhandlung statt.
Der Rechtsweg ist endgültig beendet und damit auch der Zugang der
Bürgerinnen und Bürger zum Recht. Diese Rechtspraxis ist bedenklich.
Deswegen diskutieren wir heute zu Recht über diese Vorschrift.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei
Abgeordneten der SPD)

Ein weiteres Problem ist – das wurde schon gesagt -, dass § 522 ZPO
von den Berufungsgerichten sehr unterschiedlich angewandt wird. Die
Diskrepanz liegt bei ungefähr 22 Prozent; der Herr Staatssekretär hat das
Beispiel schon angeführt. Das Oberlandesgericht Bremen weist 5,2 Prozent
der Berufungsverfahren durch schriftlichen Beschluss zurück, während das
Oberlandesgericht Rostock sehr viel überschwänglicher damit umgeht und
27,1 Prozent der Verfahren durch schriftlichen Beschluss beendet. Diese
Diskrepanz besteht, obwohl § 522 Abs. 2 zwingenden Charakter hat und es
keinen Spielraum bei der Anwendung gibt. Für die Betroffenen, aber auch für
juristische Expertinnen und Experten wie auch für uns ist es unbegreiflich,
dass eine zwingende Vorschrift eine derart unterschiedliche Handhabung
erfährt.

Wir diskutieren heute auch über den Gesetzentwurf der
Bundesregierung. Er beinhaltet unter anderem Folgendes:
Erstens. Eine mündliche Verhandlung findet nicht statt, wenn sie nicht
angemessen ist. Das Wort „angemessen“ ist aus unserer Sicht ein weiterer
unbestimmter Rechtsbegriff, der wieder dazu einlädt, dass die
Berufungsgerichte die Vorschrift unterschiedlich handhaben.
Zweitens. Die Nichtzulassungsbeschwerde, mit der die Betroffenen
gegen den zurückweisenden Beschluss vorgehen können, wird eingeführt;
dies ist aber erst ab einem Beschwerdewert von 20 000 Euro möglich. Damit
ändert sich für einen Großteil der Betroffenen nichts. Ihr Rechtsweg ist nach
wie vor beendet, wenn der schriftliche Beschluss vorliegt. Wir führen den
Bürgerinnen und Bürgern damit vor, dass wir uns um ihre finanziellen
Angelegenheiten nur dann vollumfänglich kümmern, wenn es sich um einen
relativ hohen finanziellen Betrag handelt. Dies ist aus unserer Sicht nicht
ausreichend, um soziale Gerechtigkeit herzustellen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der
SPD)

Der Änderungsvorschlag greift also aus unserer Sicht zu kurz. Wir
meinen: Alleinige Abhilfe bietet eine vollständige Abschaffung von
§ 522 Abs. 2 ZPO. Dann würde in jedem Fall eine mündliche Verhandlung
stattfinden. Der Richter bzw. die Richterin kann sich ein persönliches Bild von
den Parteien machen, eventuell noch auf eine Einigung hinwirken, vielleicht
auch darauf hinwirken, dass die Berufung zurückgenommen wird. Wir
gewährleisteten den Bürgerinnen und Bürgern damit umfassenden Zugang
zu einer zweiten Instanz und damit zum Recht. Im Klartext: Eine wirkliche
Verbesserung der rechtlichen Situation bietet nur die ersatzlose Streichung
einer Vorschrift, die sich weder bewährt noch zur Gleichbehandlung
beigetragen hat.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei
Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Vizepräsident Eduard Oswald:
Gestatten Sie noch eine Frage der Frau Kollegin Dyckmans?
Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Aber gern.
Vizepräsident Eduard Oswald:
Bitte schön, Frau Kollegin.

Mechthild Dyckmans (FDP):
Frau Kollegin, Sie haben gesagt, es sei eine Ungerechtigkeit, eine
Nichtzulassungsbeschwerde bei einem Betrag von über 20 000 Euro
einzuführen. Können Sie mir erklären, wieso Sie meinen, dies sei eine
Ungerechtigkeit? Können Sie mir erklären, wie es sich bei einem Urteil
verhält, wann also bei einem Urteil die Nichtzulassungsbeschwerde gegeben
ist?

Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Das ist bei einem Urteil genau dasselbe. Aber das Urteil setzt die mündliche
Verhandlung voraus. Hier gehen wir von dem Fall aus, dass der schriftliche
Beschluss vorliegt. Nach unserer Auffassung ist es notwendig, im
Berufungsverfahren eine mündliche Verhandlung zu ermöglichen, um
umfassendes rechtliches Gehör zu gewährleisten.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei
Abgeordneten der SPD)

 

 

03.12.2010 | Rede am 03. Dezember 2010 zu "Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Internet"

Sehr geehrte Frau/Herr Präsidenti/n,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

Verbraucherschutz ist ein Thema, das kontinuierlich den wirtschaftlichen Veränderungen angepasst werden muss. Wenn eine wesentliche Weiterentwicklung im Konsumbereich stattfindet, dann betrifft das viele Menschen. In einem solchen Fall müssen wir hier im Parlament darauf achten, dass sich diese Veränderung nicht zum Nachteil der Verbraucherinnen und Verbraucher entwickelt.

Im Bereich der Vertragsabschlüsse im Internet haben sich in den letzten Jahren eine Vielzahl von Ungereimtheiten, auch verbunden mit juristischen Nachspielen, eingestellt. Die Rückmeldungen der Verbraucherzentralen belegen das deutlich und auch wir alle wissen: Internetkäufe haben ihre Risiken.

Ich rede dabei nicht nur davon, dass ein älterer Herr in Rostock, der soeben einen VHS-Internetkurs belegt hat, versehentlich ein Zweijahresabo von „Die Frau im Spiegel“ bestellt hat oder davon, dass eine 16-jährige in Bad Teinach beim nächtlichen Surfen 130 Musiktitel downgeloadet hat.

Nein, meine Damen und Herren, es geht nicht nur um Einzelfälle, sondern um ein ernstes Massenphänomen. – Übrigens auch mit der Folge, dass es tausende gerichtsanhängige Streitigkeiten gibt, mit entsprechenden Belastungen in der Justiz.

Tausende Menschen kaufen im Internet Waren und Dienstleistungen ein, die sie eigentlich nicht wollen oder nicht brauchen. Hier stimmt etwas an der Struktur nicht, und deshalb müssen wir gesetzgeberisch tätig werden.

Was können wir tun?

Wir können uns an den seriösen Anbietern im Internet orientieren.

Was machen die seriösen Anbieter im Internet?

Sie vermeiden, dass ein einziger versehentlicher „Klick zu viel“ schon einen Kauf auflöst. Sie stellen Angebot und Preis transparent und offenkundig dar. Sie unterscheiden zwischen kostenfreien und kostenpflichtigen Produkten und sie stellen sich darauf ein, dass Menschen unterschiedlich kompetent in der Nutzung des Internets sind.

Diese Firmen beraten so, wie es früher in guten Geschäften auch der Fall war.

Wir Grüne, meine Damen und Herren, wir wollen den Internethandel nicht unterbinden. Seriöse Anbieter sollen diese Vertriebsform nutzen können.

Aber der Verbraucher und die Verbraucherin müssen vor unnötigen Kaufrisiken geschützt werden.

Wir wollen im Internet eine „Good-Practice“ einführen und schwarzen Schafen keine Plattform bieten. Dafür setzen wir Grüne uns ein.

Meine Damen und Herren, wir alle wissen: Im Internet ist die Zeit zwischen optischem Reiz und Kaufklick extrem kurz. Im Lebensmittelgeschäft zum Beispiel ist das anders. Da kann ich auch eine Ananas-Dose mal in die Hand nehmen, schauen, wie viel Zucker drin ist und die Dose dann bei Nichtgefallen wieder in das Regal stellen.

Das muss auch im Internet möglich sein können.

Wir sind deshalb der Meinung, dass die so genannte Button-Lösung für Vertragsabschlüsse im Internet einen richtigen Schritt darstellt. Wenn der Button kommt, dann sind dem Nutzer und der Nutzerin das Produkt und der Gesamtpreis klar. Er und sie wissen dann, jetzt wird es ernst, jetzt tippt der Verkäufer die Rechnung ein, jetzt kostet es cash.

Die Button-Lösung ist ein Verbraucherschutzinstrument, für das wir Grüne uns seit langem einsetzen.

In diesem Sinne unterstützen wir den Gesetzentwurf der SPD zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei Vertragsabschlüssen im Internet. Vielen Dank.

26.11.2010 | Rede am 26. November 2010 zu "Justiz"

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Jetzt hat Ingrid Hönlinger das Wort für Bündnis 90/ Die Grünen.

Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin! Vor kurzem wurde in diesem Haus das Elfte Änderungsgesetz zum Atomgesetz beschlossen, das Gesetz zur Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Bisher war alles richtig! – Gegenruf des Abg. Florian Toncar [FDP]: Ja! Nur dass dieses Thema gerade nicht auf der Tagesordnung steht!)

Im Vorfeld kam die Frage auf, ob die Zustimmung des Bundesrates zu diesem Gesetz notwendig ist. Zahlreiche Experten, auch Experten, die die Bundesregierung benannt hat, haben diese Frage bejaht. Über all diese Bedenken haben sich die Regierungsfraktionen hinweggesetzt und das Gesetz im gestreckten Galopp durch die Gremien gejagt.

(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Wie wahr!)

Für diese Vorgehensweise erntete die Koalition selbst aus den eigenen Reihen herbe Kritik. So äußerte Ihr CDU-Kollege Bundestagspräsident Professor Lammert, dass dieses Verfahren den Verdacht der mangelnden Sorgfalt in sich trage. Es handele sich nicht um ein Glanzstück von Parlamentsarbeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)

Würde man diese Bewertung in Schulnoten ausdrücken, wäre das eine glatte Fünf, einfach mangelhaft.

(Christoph Strässer [SPD]: Nein! Eine Sechs! – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Bei mir wäre das eine Sechs!)

Wir meinen, dass wir uns in diesem Hause keinen solch schlechten Standard leisten dürfen und dass dies die Arbeit im Parlament massiv beschädigt. Wir dürfen uns auch nicht wundern, dass so viele Menschen ihren Protest gegen diese Politik zum Ausdruck bringen und in großer Zahl auf die Straße gehen. Sie selbst sorgen systematisch dafür, dass der soziale Frieden bei diesem Thema und bei anderen Themen gefährdet wird. Die Begünstigung von Lobbygruppen, hier der Atomlobby, führt dazu, dass die parlamentarische Arbeit an ihre Belastungsgrenze geführt wird, die der Bürger und der Polizei manchmal sogar über die Belastungsgrenze hinaus.

Wir Grünen sind gegen diese Art von Politik.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Typisch! Dagegen, dagegen, dagegen!)

Wir stehen für eine sorgfältige und ausgewogene Politik. Wir wollen verfassungsrechtliche Fragen gerne hier im Parlament beraten und dies nicht dem Bundesverfassungsgericht überlassen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Aha! Haben Sie etwa deshalb damals diesen komischen Kompromiss gemacht?)

Das gilt genauso für das Zugangserschwerungsgesetz, besser bekannt unter dem Stichwort „Netzsperren“. Zu diesem Gesetz fanden im Bundestag verschiedene Anhörungen statt; erst vor kurzem wurde eine Anhörung im Unterausschuss Neue Medien durchgeführt. Es wurde deutlich: Netzsperren sind ineffektiv und im Kampf gegen die Darstellung von Kindesmissbrauch im Netz sogar kontraproduktiv. Denn sie könnten ein Frühwarnsystem für Täter sein, mit der Folge, dass sie sich der Verfolgung entziehen könnten.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜND-NISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Ingo Wellenreuther [CDU/CSU]: Dummes Geschwätz!)

– Danke für den Beifall.

(Sebastian Blumenthal [FDP]: Das war zum Thema, nicht für Sie persönlich!)

Aus verfassungsrechtlicher Sicht kamen auch die Experten im Rechtsausschuss zu einem interessanten Schluss. Sie sagten, das Zugangserschwerungsgesetz sei mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Vor allem die Aussetzung des Gesetzes durch Ministererlass und damit einhergehend die Umgehung des Parlaments waren in der Geschichte dieser Republik einmalig. Das ist keine sorgfältige Rechtspolitik, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Burkhard Lischka [SPD]: Noch mal eine Sechs! – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Langsam ist die Versetzung gefährdet!)

Ein weiteres Thema, das uns in der Rechtspolitik beschäftigt, ist die Vorratsdatenspeicherung. Wir alle wissen: Das Bundesverfassungsgericht hat die Vorratsdatenspeicherung in ihrer bisherigen Form für verfassungswidrig und damit für nichtig erklärt. Vor allem aus verschiedenen Bundesländern wird in letzter Zeit der Ruf nach der raschen Wiedereinführung der verdachtsunabhängigen Speicherung von Telekommunikationsdaten aller Bürgerinnen und Bürger laut.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Ja! Genau das will doch auch das Bundesverfassungsgericht!)

Genau das ist Vorratsdatenspeicherung: die massenhafte und anlasslose Speicherung von Daten unbescholtener Bürger. Es ist schade, dass Ihnen nichts Besseres einfällt, als diese alten, verstaubten Vorschläge aus dem Hut zu ziehen.

Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle beim Bundesinnenminister, der klargestellt hat: Jetzt ist nicht der Gesetzgeber gefragt. – Es ist vollkommen richtig: Bei Hinweisen auf eine Gefährdungs- oder Bedrohungslage ist es die Aufgabe der Sicherheitsbehörden, zu handeln. Wir, die Politik, sollten sie dabei bestmöglich unterstützen. Wir sollten keine Panik machen, und wir sollten auch kein parteipolitisches Kalkül im Blick haben. Mit Verlaub, Herr Kollege Kauder, auch ich muss betonen: Auch der Ruf nach einer Einschränkung der Pressefreiheit ist hier fehl am Platze.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN – Burkhard Lischka [SPD]: Noch mal eine Sechs!)

Vorratsdatenspeicherung ist – da sind sich die Fachleute einig – kein wirkungsvolles Mittel der Terrorismusbekämpfung. Der demokratische Schaden steht in keinem angemessenen Verhältnis zum sicherheitspolitischen Nutzen.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Na ja! Es kommt darauf an, welche Fachleute man fragt!)

Gerade in Zeiten einer erhöhten Gefährdung sollten wir die Grundsätze unseres Rechtsstaates und unserer Demokratie hochhalten.

(Ingo Wellenreuther [CDU/CSU]: Sie sollten das Urteil wirklich noch einmal lesen!)

Das sollten Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der Union, bitte auch Ihren Kolleginnen und Kollegen in den Ländern deutlich machen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sollten bedenken, dass die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung gerade auf dem Prüfstand steht und es sich dabei um einen ergebnisoffenen Prozess handelt.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Aha! Und dann gilt sie nicht mehr, oder was? Was geprüft wird, gilt also nicht mehr! Was ist denn das für ein Rechtsstaatsverständnis?)

Wir stimmen mit der Justizministerin überein: Wir sollten das Ergebnis dieser Evaluierung abwarten. Würden wir jetzt überhastet einen neuen Gesetzentwurf vorlegen, müssten wir unsere Entscheidung in wenigen Monaten revidieren. Das wäre nicht gerade sinnfördernd.

Wir sollten jetzt die Gelegenheit nutzen, uns gemeinsam Gedanken zu machen, wie wir ein hohes Maß an Sicherheit gewährleisten, gleichzeitig aber auch dafür sorgen können, dass wir die Bürgerrechte, die verfassungsrechtlich verbürgten Bürgerrechte, nicht aufweichen. Denn, um es mit Carl Friedrich von Weizsäcker zu sagen, Freiheit ist ein Gut, das durch Gebrauch wächst, aber durch Nichtgebrauch dahinschwindet.

Frau Ministerin, meine Damen und Herren, unsere Aufgabe im Parlament besteht darin, verfassungskonforme Gesetze zu machen. Es darf nicht sein, dass wir das verfassungsmäßige Recht erst vor dem Bundesverfassungsgericht erkämpfen müssen. Wir müssen sorgfältig darauf achten, dass wir die Balance zwischen den Ansprüchen einer rechtsstaatlichen Demokratie und eines demokratischen Rechtsstaats halten.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Hier gibt es die Rede als Video.

15.11.2010 | Rede am 15. November 2010 zur Volksgesetzgebung

Einführung der dreistufigen Volksgesetzgebung

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Das Wort hat jetzt Ingrid Hönlinger für Bündnis 90/ Die Grünen.

Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Demokratie lebt vom Streit, von der Diskussion um den richtigen Weg.

Das ist ein Zitat des früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker. Wenn wir dieses Zitat ernst nehmen, dann müssen wir eingestehen, dass wir momentan an vielen Orten der Republik wahre Sternstunden der Demokratie erleben. Die Bürgerinnen und Bürger machen von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung selbstbewusst Gebrauch. Sie streiten für ihre Positionen. Sie gehen für ihre Anliegen sogar auf die Straße, wenn die Regierungspolitik ihre Anliegen nicht wahrnehmen will.

Ich möchte zwei aktuelle Ereignisse in den Mittelpunkt rücken. Mein Wahlkreis ist Ludwigsburg. Das ist 15 Kilometer von Stuttgart entfernt. In Stuttgart und andernorts gehen jede Woche Zehntausende Menschen auf die Straße. Sie äußern ihre Unterstützung für den Kopfbahnhof 21. Sie äußern ihre Kritik am Bahnprojekt Stuttgart 21. Dafür haben sie gute Gründe: Dieses Projekt droht in finanzieller Hinsicht ein Fass ohne Boden zu werden. Der verkehrspolitische Nutzen ist fragwürdig. Außerdem ist zu befürchten, dass die Profite in die Taschen von Banken und Baukonzernen wandern, während die Bürgerinnen und Bürger die Zeche zahlen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Je schwächer die Argumente für Stuttgart 21 werden, desto lauter werden die Durchhalteparolen. Jetzt gibt es sogar Anzeigenkampagnen der Wirtschaft für Stuttgart 21. Auch die Joggingveranstaltungen für Stutt-gart 21 werden mit Anzeigen der Landesregierung beworben.Wir Grünen gestehen ein: Den größeren Marketingetat haben die Tunnelbauer. Aber wir haben die besseren Argumente. Diese werden sich am Ende gegen die Werbemillionen durchsetzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Helmut Brandt [CDU/CSU]: Das werden wir einmal abwarten!)

Ein weiteres Schlaglicht auf die Lage in der Republik haben wir am Wochenende im Wendland erlebt. Dort sind wiederum Tausende Menschen auf die Straße gegangen und haben sich für den Atomausstieg eingesetzt. Sie haben kritisiert, dass die Laufzeiten der Atomkraftwerke von dieser Regierungskoalition verlängert worden sind. Sie haben auch stark kritisiert, dass weitere große Mengen an radioaktivem Müll produziert werden. Wir Grünen – das sage ich ganz klar – unterstützen den friedlichen Protest gegen die Laufzeitverlängerung und gegen die Atommülltransporte.

(Helmut Brandt [CDU/CSU]: Aber distanzieren sich nicht von den anderen!)

Wir setzen uns für den Atomausstieg und für die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien ein. Wir setzen uns auch für einen oberirdischen Kopfbahnhof in Stuttgart ein. Für uns steht nicht der Profit für wenige im Vordergrund, sondern der Nutzen für alle. Wir sind keine Blockadepartei; wir sind eine Zukunftspartei.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Helmut Brandt [CDU/CSU]: Ich glaube, die Zeiten sind vorbei!)

Zum Respekt vor der Meinung anderer gehört auch der Respekt der Regierenden vor dem Willen der Bevölkerung. Jetzt wird kritisiert – darauf hat auch Kollege Wellenreuther hingewiesen –, dass in unserer Gesellschaft große Politikverdrossenheit und Demokratieverdrossenheit herrschen. Diese Feststellung ist richtig. Dazu gehört aber auch, dass wir den Willen der Bevölkerung ernst nehmen müssen, wenn wir die Bevölkerung zu Willensbekundungen auffordern. Wer den Bürgerwillen als Blockadehaltung abtut, wer Schüler niederknüppelt und Bürgerargumente mit Pfefferspray bekämpft, hat ein falsches Verständnis von Demokratie. Wir Grünen wollen so etwas nicht mehr erleben, weder in Stuttgart noch im Wendland.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Demokratie bedeutet Regierung durch und für das Volk. Wir sind davon überzeugt, dass unsere Demokratie von der Einmischung und dem Engagement der Bürgerinnen und Bürger lebt, dass sie dadurch lebendiger und manchmal auch sachlicher und kreativer wird. Deshalb wollen wir den Bürgerwillen stärker in politische Entscheidungen einbeziehen.

Viele Bundesländer – auch das wurde schon gesagt – haben zahlreiche positive Erfahrungen mit Bürgerentscheiden gemacht. Die Volksabstimmungen haben dort die Kluft zwischen Staatsmacht und Volk verringert. Hinzu kommt: Wenn Bürgerinnen und Bürger Entscheidungen mitbestimmen können, sind sie eher bereit, die Folgen dieser Entscheidungen mitzutragen. Und die Menschen wollen sich an den Entscheidungen beteiligen. Das hat das neueste Volksbegehren in Berlin, das „Wasser-Volksbegehren“, gezeigt. Es gab mehr als 280 000 Unterschriften für dieses Volksbegehren. Das ist ein wichtiger Schritt in Richtung einer bürgerfreundlichen, einer transparenten Politik. Wenn wir erst eine neue Bürgermeisterin in Berlin haben, werden wir noch viel mehr Gebrauch von dieser bürgerfreundlichen Politik machen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Helmut Brandt [CDU/CSU]: Keine Horrorszenarien am Freitagmittag!)

Natürlich bleibt das Parlament bei der direkten Demokratie der zentrale Ort der Auseinandersetzung und der Entscheidungen. Wir können jederzeit eigene Gesetze beschließen; das ist uns allen hier klar. Wir meinen, dass Volksabstimmungen die Politik nicht behindern, sondern ergänzen. Sie sehen also, meine Damen und Herren insbesondere von der CDU/CSU: Es gibt wenige Gründe gegen, aber ziemlich viele gute Gründe für die Einführung einer Volksgesetzgebung auch auf Bundesebene.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Helmut Brandt [CDU/CSU]: Aber jetzt zum Vorschlag der Linken!)

– Dazu komme ich noch. – Vorher möchte ich sagen, dass auch wir Grünen uns schon sehr lange für diese Weiterentwicklung der Demokratie einsetzen. Wir wollen, dass durch Volksinitiativen Gesetzesvorschläge von außen in das Parlament getragen werden. Wir wollen, dass Bürgerinnen und Bürger stärker in politische Entscheidungen einbezogen werden. Wir wollen, dass die Bevölkerung wichtige Sachfragen auch zwischen den Wahltagen entscheiden kann.

Wir haben dabei im Blick – auch das ist schon thematisiert worden –, dass Formen der direkten Demokratie besonders Menschen ansprechen, die engagiert und politisch interessiert sind. Zwar kann die Politikbeteiligung von Interessengruppen, insbesondere von finanzstarken, dominiert werden. Das sind für uns aber keine Argumente gegen direkte Demokratie. Wir meinen, dass wir vielmehr faire Rahmenbedingungen für direkte Demokratie schaffen müssen und dass wir die Bürgerinnen und Bürger möglichst frühzeitig an den Entscheidungen beteiligen müssen.

Wir sehen auch den großen Nutzen der direkten Demokratie.Sie führt zu mehr politischer Information, zu mehr Motivation und zu mehr Diskussion. Auch die politische Qualifikation der Bürgerinnen und Bürger wird dadurch verbessert.

(Helmut Brandt [CDU/CSU]: Ich sage nur: Beispiel Schweiz!)

Wenn Sie zum Beispiel einen Stuttgarter auf den Bahnhof ansprechen, dann werden Sie mit ihm fachgerecht über die Pläne zum Ausbau des Stuttgarter Bahnhofs diskutieren können. Vielleicht werden Sie sogar erfahren, dass die tiefen Tunnel die Mineralwasservorkommen in Bad Cannstatt gefährden. Sie sehen: Bürgerbeteiligung fördert die Partizipation und das Bürgerengagement.

(Helmut Brandt [CDU/CSU]: Jetzt haben Sie aber alle Argumente auf den Kopf gestellt!)

Wenn mehr Menschen an der Gestaltung unserer Gesellschaft mitwirken, dann führt dies zu mehr Identifikation mit den Entscheidungen und zu mehr Teilhabe.

Jetzt zu dem Symbol, das Sie, Frau Kollegin Wawzyniak, gefordert haben. Wir werden uns bei der Abstimmung über Ihren Gesetzentwurf enthalten.

(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Ui!)

Das Thema finden wir zwar gut; aber ihr Gesetzentwurf hat leider einige gravierende Mängel.

(Helmut Brandt [CDU/CSU]: „Leider“? Wieso diese Einschränkung? Sie brauchen sich doch nicht zu entschuldigen, weil Sie nicht zustimmen! – Michael Frieser [CDU/CSU]: Sie brauchen sich nicht zu rechtfertigen, Frau Kollegin!)

Die Quoren sind zu niedrig angesetzt, die Fristen für den Übergang von Volksinitiative zu Volksbegehren und Volksentscheid zu kurz. Wir finden es nicht sinnvoll und nicht gut, dass Sie die Abstimmung über Sachfragen mit Wahlen verbinden wollen. Übrigens wollen wir nicht nur en passant, am Rande des Plenums, kurz über einen guten Gesetzentwurf diskutieren. Lassen Sie uns die Sache richtig angehen und fraktionsübergreifend vorgehen! Dann finden wir gute Lösungen.

Das wachsende Bürgerengagement, das wir derzeit im Hinblick auf den Kopfbahnhof 21 und den Atomausstieg erleben, ist ein Lehrstück für unsere Demokratie. Das Land ist durch das Bürgerengagement aufgerüttelt worden. Wir erleben, dass unsere Demokratie, die mehr als 60 Jahre alt ist, reifer geworden ist. Sie hat hinzugewonnen, und die Bürgerinnen und Bürger sind selbstbewusster geworden. Heiner Geißler, der Vermittler im Schlichtungsprozess zu Stuttgart 21, hat es so ausgedrückt: Die Zeiten der Basta-Entscheidungen sind vorbei.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Helmut Brandt [CDU/CSU]: Ja! Schröder ist ja weg! Der macht jetzt die Gazprom-Geschichte für euch! – Michael Frieser [CDU/ CSU]: Schröder ist weg! Das habt ihr Grüne gut gemacht!)

Auf diesem Weg werden wir Grüne weitergehen, gerne zusammen mit den anderen Fraktionen im Bundestag; ich setze meine Hoffnungen hier insbesondere auf die FDP. Wir würden uns wirklich freuen, wenn es uns gelingen würde, mehr Elemente direkter Demokratie auf Bundesebene einzuführen. Wir Grüne wollen mehr Demokratie, und zwar direkt.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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Hier gibt es die Rede als Video.

29.10.2010 | Rede am 29. Oktober 2010 zu "Erbrecht"

Sehr geehrte Frau/Herr Präsident/in,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

heute beraten wir den Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder, die vor dem 01. Juli 1949 geboren sind.

Wir Grünen befürworten prinzipiell die Gleichstellung von nichtehelichen mit ehelichen Kindern. Bereits seit Jahren ist uns die umfassende Gleichstellung nichtehelicher und ehelicher Kinder ein zentrales Anliegen.

Es wird Zeit, dass dieses Thema auf die Tagesordnung des Bundestages kommt. Leider hat die Bundesregierung hat es erst nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vom 28. Mai 2009 aufgegriffen. In diesem Urteil wurde festgestellt, wie Sie wissen, dass im deutschen Erbrecht die Ungleichbehandlung von ehelichen und nichtehelichen Kindern, die vor dem 01. Juli 1949 geboren sind, im Widerspruch zur Europäischen Menschenrechtskonvention steht. Hier besteht eine Gleichstellungslücke, die dringend geschlossen werden muss.

Richtig ist, dass bei der Gleichstellung der Kinder im Erbrecht bereits viel geschehen ist. Mit ihrem Gesetzesentwurf fügt die Bundesregierung hier eine weitere Regelung hinzu. Sie beinhaltet eine Gleichstellung für Erbfälle, die nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte am 28.Mai 2009 eingetreten sind und eintreten werden.

Was ist aber mit den Erbfällen, die davor eingetreten sind?

Für diese Erbfälle sieht die Bundesregierung keine Neuregelung vor. Hier soll es bei der bisherigen Situation bleiben, also bei erbrechtlichen Unterschieden für ehelich und nicht ehelich geborene Kinder. Zur Begründung für die Beibehaltung dieser Ungleichbehandlung führt die Regierung an, dass für den Erblasser und seine Familie Vertrauensschutz bestehe.

Das ist fraglich. Zunächst einmal ist festzuhalten: Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes basiert gerade auf einem Fall, in dem der Erblasser bereits im Jahre 1998 verstarb, also schon 10 Jahre vor dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes. Hinzu kommt:

Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil klargestellt, dass der Gesichtspunkt des „Vertrauens“ des Erblassers und seiner Familie dem Gebot der Gleichbehandlung nichtehelicher und ehelicher Kinder unterzuordnen ist.

Das bedeutet aus unserer Sicht, dass die Menschenrechtskonvention von 1953 unter Berücksichtigung der Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eine weiter gehende Regelung erfordern könnte.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat im Jahr 1979 in einem Fall aus Belgien, im Marckx-Urteil, die Ungleichbehandlung nichtehelicher und ehelicher Kindern beanstandet. Diese Entscheidung bezieht sich auch auf erbrechtliche Fragen. Bereits seit 1979 steht damit fest, dass auch im Erbrecht eine Regelung gefunden muss, die eheliche und nichteheliche Kinder möglichst weitgehend gleichstellt.

Für einen nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung in der jetzigen Bundesrepublik wäre das auch nichts Neues. In den Gebieten, die jetzt die Bundesländer Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen umfassen, wurde bereits 1976 die volle erbrechtliche Gleichstellung für eheliche und nichteheliche Kinder implementiert.

Wenn wir uns also fragen, ab wann und wie wir die erbrechtliche Gleichstellung für Kinder, die vor dem 01. Juli 1949 nichtehelich geboren sind, vornehmen müssen, dann ergeben sich dafür mehrere Möglicheiten:

Das könnte der Tag des Inkrafttretens der Europäischen Menschenrechtskonvention, der 3. September 1953 sein. Darin ist geregelt, dass eheliche und nichteheliche Kinder gleich zu behandeln sind.

Das könnte auch der Tag sein, nach dem der Gerichtshof in seinem Urteil gegen Belgien die Ungleichbehandlung nichtehelicher und ehelicher Kindern beanstandet hat, also der 14. Juni 1979. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war klar, dass die Ungleichbehandlung gegen die Menschenrechtskonvention verstößt.

Das könnte der Tag sein, den nun die Bundesregierung in ihrem Entwurf gewählt hat, also der 29.09.2009.

Die letzte Alternative erscheint uns nicht ausreichend. Deshalb können wir dem Gesetzesentwurf in der jetzigen Form nicht zustimmen. Wir sollten in den kommenden Beratungen noch einmal intensiv darüber diskutieren, ab welchem Tag wir die Neuregelung eintreten lassen und welche Form wir hierfür wählen. Vielen Dank.

28.10.2010 | Rede am 28. Oktober 2010 zu "Teilzeit-Wohnrechtverträge"

Sehr geehrte Frau/Herr Präsident/in,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir befassen uns heute mit dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung
zur Modernisierung der Regelungen über Teilzeit-Wohnrechteverträge
und andere Urlaubsprodukte. Dabei geht es um das Recht des Kunden,
ein Ferienobjekt oder ein Hotel jedes Jahr für eine gewisse Zeit zu
nutzen.

Der Gesetzesentwurf setzt die Richtlinie 2008/122/EG des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 14. Januar 2009 über den Schutz der
Verbraucher im Hinblick auf bestimmte Aspekte von
Teilzeitnutzungsverträge und andere Urlaubsprodukte um. Die Richtlinie
basiert auf dem Prinzip der Vollharmonisierung. Abweichende
innerstaatliche Regelungen – auch zugunsten des Verbrauchers – sind
damit innerhalb des Regelungsumfanges der Richtlinie grundsätzlich
nicht zulässig.

Auf europäischer Ebene fand die Richtlinie ebenfalls unsere
Zustimmung. Damit begrüßen wir den Gesetzesentwurf der
Bundesregierung. Um Ihr Verständnis für den Inhalt der Richtlinie und deren Bedeutung zu wecken, möchte ich Ihnen einen Einblick in den Regelungsgehalt der
Richtlinie geben.Für welche Ferienprodukte hat die Richtlinie die Anwendung
vorgesehen?

Meine Damen und Herren, neu erfasst werden Teilzeit-Nutzrechte an
beweglichen Unterkünften, wie zum Beispiel an Hausbooten oder
Wohnmobilen. Ferner werden erstmals langfristige Urlaubsprodukte
erfasst, bei denen es um Preisnachlässe oder andere Vergünstigungen
im Zusammenhang mit einer Unterkunft geht. Das betrifft zum Beispiel
die Mitgliedschaft in so genannten Reise-Rabatt-Clubs. Schließlich
werden Vermittlungsverträge sowie Mitgliedschaften in Tauschsystemen
über Teilzeit-Wohnrechteverträge erfasst.

Um den Schutzbereich der zugrunde gelegten Vorschriften
verbraucherfreundlicher zu gestalten, wurde die Laufzeit auf ein Jahr
verkürzt. Zuvor betrug die Laufzeit drei Jahre. Dieser erweiterte
Anwendungsbereich trägt der veränderten und ausgeweiteten Nutzung
der Teilzeit-Wohnrechte Rechnung.

Eine weiterer wichtiger Aspekt ist das Widerrufsrecht des Verbrauchers.
Für uns war es besonders wichtig, dass der Verbraucher bei allen
Verträgen dieser Art mindestens ein 14-tägiges Widerrufsrecht erhält.
Hinzukommt, dass während der Widerrufsfrist ein Anzahlungsverbot
besteht. Ein weiterer wichtiger Aspekt des Verbraucherschutzes ist, dass
der Verbraucher im Falle eines Widerrufs keine Kosten tragen und auch
kein Nutzungsersatz zahlen muss.
Ein anderes zentrales Thema in diesem Kontext ist die vorvertragliche
Informationspflicht des Unternehmers.

Meine Damen und Herren, die Richtlinie sieht vor, dass der Unternehmer
den Verbraucher vor Vertragsschluss ausführlich über die wesentlichen
Aspekte, wie über den Leistungsumfang und den Preis samt
Nebenkosten, informieren muss. Dafür müssen europaweit einheitliche
vorgegebene Informationsformulare benutzt werden. Dies dient dem
Verbaucher. Er kann auf einem Blick unterschiedliche Angebote
miteinander vergleichen.

Meine Damen und Herren, eine große Barriere liegt oft in den
unterschiedlichen Sprachen. Wie soll der Deutsche auf spanisch seine
Rechte verstehen? Oder wie soll der Spanier in Frankreich seine Rechte
verstehen? Um diesem Problem Rechnung zu tragen, sieht die Richtlinie vor, dass
die Informationen und der Vertrag grundsätzlich in der Amtssprache des
Staates verfasst sein muss, in welchem der Verbraucher seinen
Wohnsitz hat. Wir begrüßen den Gesetzesentwurf der Bundesregierung. Er setzt die
Vorgaben der Europäischen Richtlinie konstruktiv um.
Die Richtlinie bringt ganz Europa auf ein höheres Verbraucherschutzniveau, egal ob die Verträge in Deutschland, Spanien oder einem anderen EU-Mitgliedstaat geschlossen werden. Die Richtlinie ermöglicht einen umfassenden Verbraucherschutz für Teilzeit-Wohnrechte und andere Urlaubsprodukte.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

 

16.09.2010 | Rede am 16. September 2010 zu "Zugang zum Recht"

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ein zentrales Anliegen unserer Diskussionen im Rechtsausschuss und
auch hier im Deutschen Bundestag ist die Frage: Wie ermöglichen wir für
die Bürgerinnen und Bürger den gleichen Zugang zum Recht?

Hierzu möchte ich Ihnen kompakt unsere Beurteilung in fünf zentralen
Punkten vortragen:

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Bundesrepublik
in 54 Fällen wegen überlanger Verfahren gerügt. Sicher sind das Einzelfälle.
Die durchschnittliche Verfahrensdauer in Deutschland steht im
europäischen Vergleich positiv da. Dennoch gibt es bei uns im Lande zu
viele Gerichtsverfahren, die zu lange dauern. Bürgerinnen und Bürger
haben nur dann Vertrauen zur Gerichtsbarkeit, wenn sie in absehbarer
Zeit gut begründete Urteile erwarten können.

Um das zu gewährleisten brauchen wir strukturelle Verbesserungen in
den Verfahren. Die Länder müssen sich die Frage nach der Personalausstattung
stellen lassen Und, meine Damen und Herren, wir brauchen
ein effektives Verfahren. Eine Untätigkeitsbeschwerde bei der nächst
höheren Instanz könnte hier Abhilfe schaffen.
Insgesamt 18 Jahre dauerte ein Rechtsstreit um eine Hinterbliebenenrente!
Ein solcher Fall darf sich nicht wiederholen. Dafür müssen wir sorgen,
meine Damen und Herren!

Eine weitere Ohrfeige aus Straßburg bekam diese Bundesregierung
beim Thema Sorgerecht. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte
hat entschieden, dass in Deutschland Väter außerehelich geborener
Kinder diskriminiert werden. Auch das Bundesverfassungsgericht hat
das inzwischen festgestellt.

Meine Damen und Herren, wir alle kennen doch unverheiratete Paare,
bei denen sich sowohl die Mutter als auch der Vater sehr gut um die
Kinder kümmern. Das Kindeswohl muss bei einer Neuregelung des Sorgerechts
im Vordergrund stehen. Auch sollten Eltern gleiche Rechte und
Pflichten erhalten, unabhängig davon, ob sie miteinander verheiratet
sind, oder nicht.


Bis heute hat es diese Regierung nicht geschafft, hier eine brauchbare
Vorlage zu liefern. Wir Grüne werden uns für eine umfassende Neuregelung
des Sorgerechts weiterhin energisch einsetzen!
Im Kontext von Zivil-, Familien- und Wirtschaftssachen erhält ein Begriff
eine immer wichtigere Bedeutung. Das ist die Mediation. Mediation heißt,
wie Sie alle wissen, Vermittlung durch einen allparteilichen Dritten, der
versucht, in einem gesteuerten Mediationsprozess winwin-Lösungen für
alle Beteiligten zu erzielen.

Zur Mediation hat die EU eine Richtlinie beschlossen, die wir bis Mai
2011 in nationales Recht umsetzen müssen. Dazu hat die Bundesregierung
einen Entwurf vorgelegt, der einige positive Ansätze enthält. Es
müssen aber noch wichtige Ergänzungen vorgenommen werden:
Die Aus- und Fortbildung der Mediatoren ist ein zentraler Baustein für
qualitätvolle Mediation. Sie erfordert einen möglichst hohen Standard,
der fortlaufend gesichert werden muss.
Außerdem brauchen wir eine Mediationskostenhilfe in Anlehnung an die
Prozesskostenhilfe, damit auch einkommensschwache Schichten Zugang
zu diesem Verfahren erhalten. Klar kostet das Geld. Dieser finanzielle
Einsatz würde sich aber in kürzester Zeit rechnen durch eine spürbare
Entlastung der Gerichte. In Ländern, wie Frankreich, Niederlande
und Norwegen ist diese Maßnahme längst umgesetzt.
Meine Damen und Herren, mit Mediation werden die Konfliktpartner stärker
in die Konfliktlösung einbezogen. Hierdurch können nachhaltige und
tragfähige Lösungen gefunden werden. Wir stärken auch das demokratische
Grundanliegen nach Selbstbestimmung und Mitwirkung. Es lohnt
sich, auf diesem Weg mutig weiterzugehen. Wir Grüne werden hier weiterhin
treibende Kraft sein.

Zugang zum Recht bedeutet auch, dass alle Menschen Zugang zu rechtlicher
Beratung haben, und das unabhängig von der Größe ihres Geldbeutels.
Der Gesetzesentwurf des Bundesrates zum Beratungshilfegesetz will
die Beratungshilfe einschränken. Und das, obwohl nach einem aktuellen
Bericht des Bundesamtes für Justiz von Juli 2010 die Ausgaben für Beratungshilfe
bundesweit zum zweiten Mal hintereinander sanken; insgesamt
um 2,7 Mio. Euro. So soll z.B. die Selbstbeteiligung für den Rechtssuchenden von 10 Euro auf 30 Euro erhöht werden. Das bedeutet, dass ein Rechtssuchender für
die Rechtsberatung annähernd 10 % der monatlichen Sozialhilfe, aufwenden
muss. Das ist unzumutbar. Der Zugang zum Recht darf nicht
schleichend ausgehöhlt werden. Frau Justizministerin, wir erwarten,
dass Sie hier bei Ihrer kritischen Einschätzung bleiben!

Was das Insolvenzrecht anbelangt, können wir uns Ihren Vorschlägen im
Haushaltsbegleitgesetz nicht anschließen. Sie wollen mit drei Änderungen
den Fiskus im Insolvenzverfahren gegenüber anderen Gläubigern
besser stellen. Das soll dem Fiskus jährlich 390 Mio. Euro einbringen.
Meine Damen und Herren von der Regierungsbank, damit zeigen Sie,
leider zum wiederholten Male, dass Ihnen kurzfristige Gewinne wichtiger
sind als langfristige wirtschaftspolitische Konzeptionen. Sie wollen kurzfristig
staatliche Einnahmen erzielen, vergessen aber völlig, dass der
langfristige Schaden ihrer Maßnahme um ein Vielfaches größer sein
wird. Warum? Ihre Pläne führen zu einem Liquiditätsabfluss bei den Unternehmen. Dadurch wird eine Sanierung der betroffenen Unternehmen immer schwieriger.
Und Sie treiben Betriebe und deren Gläubiger direkt aus der Insolvenz
in den Ruin. Wir Grüne, meine Damen und Herren, wollen möglichst Betriebe retten,
damit diese Betriebe morgen wieder Beschäftigung schaffen und
Steuern zahlen können. Mit uns Grünen, meine Damen und Herren, ist eine solche Strohfeuerfinanzpolitik nicht zu machen.

Vielen Dank.

09.07.2010 | Rede am 09. Juli 2010 zu "Vormundschaftsrecht"

Sehr geehrte Frau/Herr Präsident/in,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir befassen uns heute mit dem Antrag der SPD zu Änderungen im Vormundschaftsrecht. Die SPD bezieht sich zum einen auf den Referentenentwurf der Bundesregierung, den sie ergänzt haben möchte. Zum anderen fordert sie, dass weiterführende Regelungen in die angekündigte Gesamtreform des Vormundschaftsrechts, die von der Bundesregierung angekündigt ist, aufgenommen werden.

Den Anstoß für dieses Thema hat der traurige Fall des Kindes Kevin aus Bremen gegeben, das im Jahr 2006 zu Tode gekommen ist. Der Amtsvormund, der für Kevin zuständig war, hatte zu diesem Zeitpunkt 200 Mündel in seiner Betreuung. Aufgrund der großen Arbeitsbelastung hatte er keinen persönlichen Kontakt zu Kevin. Deshalb hatte er keine eigene Kenntnis von den katastrophalen Verhältnissen, in denen sein Mündel lebte.

Wie können wir den Schutz von Mündeln realistisch verbessern und die Qualität der Vormundschaft sichern?
Das sind die Kernfragen bei der Reform des Vormundschaftsrechts.

Ein Aspekt ist hierbei sicherlich, dass die Entwicklung und das Wohl des Mündels in den Vordergrund der Amtsführung des Vormunds gerückt werden. Nur das Kindeswohl kann den Maßstab für das Handeln des Vormunds darstellen. Das ist der Kristallisationspunkt, meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen.

Das beste Bild vom Wohlergehen seines Mündels kann sich der Vormund machen, wenn er kontinuierlich den persönlichen Kontakt zum Mündel hält. Dazu gehört auch, dass der Vormund sein Mündel bei der Entscheidung über Angelegenheiten, die sie oder ihn betreffen, einbezieht, gemäß dem jeweiligen persönlichen Entwicklungsstand.

Die SPD schlägt in ihrem Antrag darüber hinaus vor, den Kontakt des Vormunds zu seinem Mündel nicht auf die „übliche Umgebung des Mündels“ zu beschränken, wie dies im Referentenentwurf vorgesehen ist. Das ist richtig, denn das ermöglicht dem Mündel, mit dem Vormund offen über Probleme zu sprechen, die gerade in seinem üblichen Umfeld, seinem Zuhause, ihren Ursprung haben.

Einen weiteren Punkt müssen wir diskutieren:

Zur Obergrenze der Anzahl von Vormundschaften pro Amtsvormund sieht der Referentenentwurf der Bundesregierung vor, dass diese auf 50 Vormundschaften pro Mitarbeiterin oder Mitarbeiter beschränkt werden soll. Das geschieht in Form einer „Sollvorschrift“. Demgegenüber fordert die SPD, dass die Obergrenze für alle Formen der Vormundschaft auf 40 Vormundschaften pro Mitarbeiterin oder Mitarbeiter festgelegt werden muss, sie fordert also eine „Mussvorschrift“.

Das ist eine schöne Perspektive, allerdings stellen sich Fragen.

Die erste Frage ist: Wie finanzieren die Kommunen, die bereits unter erheblichem finanziellem Druck stehen, diese Aufstockung ihres Personalbestands?

Auch muss geklärt werden, wie die Jugendämter ausreichend qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Kürze der Zeit finden sollen. Klar ist, dass möglichst bald mit der Schulung und Qualifizierung potentieller neuer Vormünder begonnen werden muss, aber das geht nicht sofort. Und auch hier muss geklärt werden, wie die Kommunen die zusätzlichen Kosten stemmen können.

Eine genaue Kalkulation ist hier von Nöten. Zu denken wäre auch an die Einführung von Übergangsvorschriften.

Im Gesamten sind die Forderungen der SPD zu begrüßen. Sie haben immer das Wohl des Mündels und die Qualitätssicherung der Vormundschaft im Blick. Der persönliche Kontakt zwischen Vormund und Mündel, die Gewährleistung von qualifizierter Vormundschaft und die Kontrolle durch die Gerichte sind von elementarer Bedeutung für ein gutes Vormundschaftsrecht. Diese Aspekte hat die SPD in ihrem Antrag berücksichtigt. Sie muss allerdings hinsichtlich der konkreten Umsetzung noch klarer werden.

08.07.2010 | Rede am 08. Juli 2010 zur Volksgesetzgebung

Rede von Ingrid Hönlinger zur Volksgesetzgebung

Sehr geehrte Frau/Herr Präsident/in,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir alle hier im Hause wissen: Unser Grundgesetz ist die beste Verfassung, und unsere Demokratie die beste Regierungsform, die wir je in Deutschland hatten.

Wir haben freie, gleiche und geheime Wahlen auf allen Ebenen. Dadurch beteiligen sich die Bürgerinnen und Bürger an der Demokratie. Diese Art der repräsentativen Demokratie hat sich bewährt. Auch wir Grünen sind überzeugt davon, dass wir eine gute, funktionierende Demokratie haben.

Aber: Demokratie fällt nicht vom Himmel und sie ist auch nicht in Stein gemeißelt. Die ständig sinkende Wahlbeteiligung ist für mich ein ernstes Anzeichen dafür, dass wir schnell und aktiv an der inneren Stärkung unseres demokratischen Gemeinwesens arbeiten müssen. Wir können nicht einfach stehen bleiben. Stehenbleiben ist hier, genauso wie in Wissenschaft und Forschung, ein Rückschritt. Das bedeutet: Wir brauchen auch demokratischen Fortschritt.

Wie soll dieser demokratische Fortschritt aussehen?

Nach unserer Überzeugung können wir ihn mit mehr Elementen direkter und partizipativer Demokratie erreichen. Jede Bürgerin und jeder Bürger muss auch zwischen den Wahltagen die Möglichkeit haben, Demokratie aktiv leben zu können. Wir sollten sehr schnell den Bürgerinnen und Bürgern, auch denen mit Migrationshintergrund, mehr direkte Einflussnahme ermöglichen. – Vielleicht ist das auch ein Schlüssel zur Terrorismusbekämpfung. Denn: Überzeugte Demokraten, meine Damen und Herren, überzeugte Demokraten sind für extremistische Positionen nicht anfällig.

Für uns Grüne ist direkte Demokratie, sind Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide ein Herzensthema. Wir haben hierzu schon mehrfach Vorschläge unterbreitet.
Jetzt greift die Linke dieses Thema mit ihrem Gesetzentwurf auf. Das ist lobenswert, aber im Detail stellen wir in der Vorlage noch einige gravierende Mängel fest. Zum Beispiel sind die Quoren, also die Mindestbeteiligung, für die direkte Demokratie eindeutig zu niedrig angesetzt. Das kann im Einzelfall zu riskanten Zufallsergebnissen führen. Zu kurz sind auch die Fristen für den Übergang von abgelehnter Volksinitiative zu Volksbegehren und dann zu Volksentscheid.

Wir sollten dadurch kein Einfallstor schaffen, das wir später in Einzelfällen sehr bedauern könnten. Deshalb müssen wir hier im Parlament noch an den Initiativen arbeiten und möglichst – überparteiliche – Antworten finden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, und da spreche ich jetzt ganz besonders die Damen und Herren von der CDU und der CSU an:

Wir haben ganz aktuell zwei herausragende Beispiele für direkte Bürgerbeteiligung:

Das erste: Im Zusammenhang mit der Wahl des Bundespräsidenten hat sich unsere Bevölkerung ein eigenes Urteil über die Kandidaten erlaubt und Urteilskraft bewiesen. Damit hat sie sich ein hervorragendes demokratisches Reifezeugnis ausgestellt. Das wird weiterwirken – und das muss auch weiterwirken, meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen.

Und das zweite leuchtende Beispiel für direkte Bürgerbeteiligung kommt aus Bayern. Ich sage aus Bayern und nicht von der CSU. Denn: Entgegen dem Schlingerkurs der CSU und entgegen der Ablehnung der FDP drückt die bayerische Bevölkerung die Zigarette aus. In einem Volksentscheid hat sie das schärfste Rauchverbot durchgesetzt, das es in Deutschland gibt.
Wer hätte das gedacht? Und das obwohl die Tabakindustrie und die Gastronomie mehr als 600 000 Euro für ihre Raucherkampagne ausgegeben haben. Meine Damen und Herren, in diesem Punkt können wir bundesweit von den Bayern lernen.

Mein Fazit lautet:

Die Bürgerinnen und Bürger sind bereit, Verantwortung zu übernehmen. 60 Jahre nach Verabschiedung des Grundgesetzes sind die Deutschen reif für mehr direkte Demokratie. Diesen Demokratisierungsprozess müssen wir unterstützen. Er nutzt – überparteilich – uns allen.
Wir im Parlament müssen dafür die Regeln setzen. Wir müssen den Schutz der Verfassung, den Schutz der Grundrechte und den Schutz von Minderheiten auch bei mehr direkter Demokratie sicher stellen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir sollten in diesem Hause – mit der Unterstützung von allen Fraktionen – direkter Demokratie mehr Chancen geben. Lassen Sie uns gemeinsam unsere Demokratie stärken. Das macht sie bunter, lebendiger und zukunftsfester.
Vielen Dank!

Die Rede als Video finden Sie hier.

25.02.2010 | Rede am 25. Februar 2010 zu "Bagatellkündigung"

Sehr geehrte/r Frau/Herr Präsident/in,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

auch in Zeiten, in denen weltpolitische Themen und Landtagswahlen alle
anderen Politikfelder zu überlagern scheinen, ist es unsere Aufgabe als
Parlamentarierinnen und Parlamentarier, die vermeintlich nachrangigen
Angelegenheiten ebenfalls im Auge zu behalten.
Ich zitiere den Schriftsteller Berthold Auerbach: „Heimisch in der Welt
wird man nur durch Arbeit. Wer nicht arbeitet, ist heimatlos.“
Dieses Zitat veranschaulicht sehr genau die Bedeutung des Wortes
„Arbeitsplatz“. Und wir alle wissen auch, dass viele Menschen die
sozialen und kulturellen Möglichkeiten, die unsere Gesellschaft bietet,
nur dann wahrnehmen können, wenn sie über einen sicheren
Arbeitsplatz und ein ausreichendes Einkommen verfügen. Und für uns
Grüne ist es ein zentrales politisches Anliegen, die gesellschaftliche
Teilhabe für alle Menschen zu gewährleisten.

Heute debattieren wir über das Thema „Bagatellkündigung“. Dieser
Begriff beschreibt, unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber dem
Arbeitnehmer kündigen kann, wenn dieser im Arbeitsverhältnis
widerrechtlich einen geringfügigen wirtschaftlichen Schaden verursacht
hat.

Wir erinnern uns: Der Fall Emmely hat enormes Aufsehen erregt. Viele
Menschen waren empört, weil sie sich in ihrer eigenen beruflichen
Existenz bedroht fühlten, und: weil sie es als ungerecht empfunden
haben, dass der Kassiererin Emmely nach 30 Jahren
Betriebszugehörigkeit wegen eines Pfandbons von 1,30 Euro fristlos
gekündigt wurde. Dieser Fall hat die Öffentlichkeit zu Recht empört. Und
zu Recht hat auch das Bundesarbeitsgericht der Klage von Emmely statt
gegeben.

Wir alle wissen aber auch, dass es schon andere
Gerichtsentscheidungen gab. In vielen sogenannten „Bagatellfällen“
mussten Beschäftigte auch bei geringfügiger Schadenverursachung mit
einer fristlosen Kündigung rechnen.

Es gibt also zwei unterschiedliche Linien in der Rechtsprechung.
Was bedeutet das für uns Abgeordnete?
Viele Abgeordnete in diesem Hause sind sich darüber einig, dass
gehandelt werden muss. Denn: Wir brauchen an dieser Stelle
Rechtsklarheit und Rechtssicherheit für alle Beteiligten und
insbesondere für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die oftmals
ohnehin schon ein sehr geringes Einkommen erzielen, meine Damen
und Herren.

Wir Grüne meinen, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber
und Arbeitnehmer durch ein „Bagatelldelikt“ nicht unwiederbringlich
gestört ist, zumal diese Delikte auch aus Gedankenlosigkeit oder
Unwissenheit begangen werden können. Konkret setzen wir uns dafür
ein, dass bei Kündigungen wegen Bagatelldelikten in der Regel eine
vorherige Abmahnung erfolgt sein muss. Denn mit der Abmahnung zeigt
die Arbeitgeberseite den Beschäftigten, dass ihr Verhalten nicht
hingenommen wird. Das ist ein Warnschuss für den Arbeitnehmer/die
Arbeitnehmerin, den wir gesetzlich etablieren müssen.
Also: Nichts zu unternehmen – wie es die Damen und Herren von der
Koalition handhaben wollen – ist keine Lösung.

Ein guter und klarer Ausgleich zwischen Arbeitnehmer- und
Arbeitgeberinteressen ist Grundlage für einen effektiv arbeitenden
Betrieb. Arbeitnehmer, die solchen, fast schon willkürlichen,
Kündigungen ausgesetzt sind, entwickeln nicht ihre optimale
Leistungsfähigkeit. Wenn sie in der ständigen Furcht leben müssen,
wegen geringfügigster Delikte und ohne zweite Chance fristlos entlassen
zu werden, arbeiten sie weder effektiv noch motiviert. Sie sind viel zu
sehr mit der Sorge um ihren Arbeitsplatz beschäftigt. Das, meine Damen
und Herren, können wir weder in unseren betrieblichen
Arbeitsverhältnissen, noch gesamtgesellschaftlich anstreben!

Wir müssen deshalb an diesem Punkt das Arbeitsverhältnis auf ein
solides gesetzliches Fundament stellen. Damit gewährleisten wir den
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein Stück weit, „heimisch“ zu
werden in dieser Welt, und unseren Arbeitsprozessen ein gutes Stück
Gerechtigkeit und Stabilität. 

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.